Die Schweizerische Gesellschaft für Neurologie und die Schweizerische Multiple-Sklerose-Gesellschaft haben eine Stellungnahme zur COVID-19-Impfung für MS-Patienten formuliert.
MS-Patienten sollten gegen Sars-CoV-2 geimpft werden, besonders rasch diejenigen mit einem erhöhten Risiko für einen schwereren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung gemäss den klassischen Risikofaktoren. Auch ein höherer Behinderungsgrad sowie chronische Verläufe stellen für MS-Patienten ein erhöhtes Risiko für schwerere COVID-19-Verläufe dar. Die Empfehlung zur Impfung gilt auch für Personen mit durchgemachter COVID-19-Erkrankung, weil die durch die Erkrankung erzielte protektive Immunität stark variiert. Die allgemeinen Hygiene- und Sicherheitsmassnahmen sollten unabhängig von der Impfung fortgeführt werden (1).
Gemäss EKIF gehören unter anderem Personen mit einer durch Therapie erworbenen Immundefizienz zu den «besonders gefährdeten Personen (BGP)» und somit in Bezug auf die Impfempfehlung zur «Priorität Gruppe 1: High Risk BGP». Diese Personen können ab Verfügbarkeit des Impfstoffs geimpft werden. Allein die Behandlung mit Interferon beta oder Glatirameracetat sei aber kein ausreichendes Kriterium, um zu der Risikogruppe mit höchster Impfpriorität zu zählen, heisst es in der Stellungnahme (1).
Im Allgemeinen sollte die bestehende Immuntherapie der MS fortgeführt werden. Unter Therapie mit einem Interferon-beta-Präparat oder mit Glatirameracetat sei von keinem zusätzlich erhöhten Risiko (Infektionsrisiko und/oder schwerer Infektionsverlauf) auszugehen. Bei bestimmten Therapien, zum Beispiel mit immundepletierenden Medikamenten wie Alemtuzumab, Rituximab oder Ocrelizumab, sollte der Zeitpunkt der Therapie mit dem behandelnden Neurologen besprochen werden (1).
Ergänzend wird in einer Empfehlung des wissenschaftlichen Beirats der Schweizerischen Multiple-Sklerose-Gesellschaft detaillierter auf einzelne MS-Medikamente eingegangen, für welche die Datenlage noch unzureichend ist (2): Dimethylfumarat und Teriflunomid sind vermutlich nicht mit einem erhöhten Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf verbunden, vorausgesetzt, verschiedene Blutwerte (v. a. Lymphozytenzahlen) sind nicht reduziert. Auch scheint die Behandlung mit Fingolimod das Risiko eines schweren Infektionsverlaufs nicht zu steigern. Das Gleiche gilt für Natalizumab, die bisherigen Daten erlauben aber noch keine definitive Aussage. Keine gesicherten Rückschlüsse erlaubt die
Datenlage für Ocrelizumab, Rituximab, Alemtuzumab oder Cladribin zu der Frage, ob diese Medikamente mit einem erhöhten Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf verbunden sein könnten. MS-Betroffene, die mit diesen Therapien behandelt werden, sollten die Sicherheitsempfehlungen zum Schutz vor Infektionen besonders strikt einhalten (2).
Sowohl der Impfentscheid als auch allfällige Anpassungen der MS-spezifischen Therapie sollten immer gemeinsam mit dem behandelnden Neurologen getroffen werden (1).
RBO
1. Anti-Sars-CoV-2 Impfung (Comirnaty®) und Multiple Sklerose. Stellungnahme der Schweizerischen Multiple-Sklerose-Gesellschaft und der Schweizerischen Neurologischen Gesellschaft vom 11. Januar 2021
2. COVID-19: Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats der MS-Gesellschaft vom 11. Januar 2021