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Coronaviruspandemie

Mehr Kurzsichtige wegen Quarantäne

In China erfolgte wegen der Coronaviruspandemie von Januar bis Mai 2020 ein kompletter Lockdown mit Schliessung der Schulen und strengen Quarantäneauflagen. Im Juni führte man an 10 Grundschulen in Feicheng, in der Provinz Shandong im Nordosten Chinas, bei rund 120 000 Kindern im Alter von 6 bis 13 Jahren die dort seit 2015 üblichen Sehtests durch. Bei den jüngeren Kindern im Alter von 6 bis 8 Jahren fand sich ein bedeutender Anstieg der Myopie im Vergleich zu den Vorjahren (–0,3 Dioptrien).

Die Myopieprävalenz erreichte im Juni 2020 den höchsten seit 2015 ermittelten Wert. Sie betrug im Juni 2020 bei den 6-Jährigen 21,5 Prozent gegenüber 5,7 Prozent bei früheren Messungen. Auch bei den 7- und 8-Jährigen zeigte sich ein ähnlicher Effekt, wenn auch in etwas geringerem Ausmass (26,2% vs. 16,2% bzw. 37,2% vs. 27,7%). Bei den älteren Kindern war kein derartiger Anstieg der Myopie zu verzeichnen (1).

Generell ist die Myopie in China und anderen asiatischen Ländern weiter verbreitet als in Europa. So sind in China gut 80 Prozent der 13-Jährigen kurzsichtig, während die Prävalenz in diesem Alter in Europa bei 25 Prozent liegt. Trotzdem seien die Resultate der Studie besorgniserregend, heisst es in einem Kommentar (2). Die Daten aus China dokumentierten einen früheren Beginn der Myopie infolge der langen Quarantänedauer bei einem grossen Anteil der Kinder. Diese Altersverschiebung ist klinisch relevant, weil das definitve Ausmass der Myopie im Erwachsenenalter davon abhängt. Je höher der Refraktionsfehler ist, umso höher ist auch das Risiko für schwerwiegende Komplikationen wie Netzhautablösung oder Glaukom.

Dass insbesondere die jüngeren Kinder durch die Quarantäne vermehrt von Myopie betroffen sind, liegt vermutlich daran, dass sie in diesem Alter vulnerabler gegenüber Triggern sind, die Kurzsichtigkeit fördern, wie wenig Aufenthalt im Freien, häufiges und langes Fokussieren im Nahbereich (Lesen, Tablets, Smartphones usw.). So zeigte beispielsweise eine Studie in Sydney, dass kurzsichtige Kinder ihre Augen pro Tag 1,5 Stunden länger im Nahbereich strapazierten als die nicht kurzsichtigen Altersgenossen. Dieser Effekt trat auch in dieser Studie nur bei 6-Jährigen, nicht aber bei den 12-Jährigen auf (3).

RBO

1. Wang J et al.: Progression of myopia in schoolaged children after COVID-19 home confinement. JAMA Ophthalmol. 2021; published online ahead of print, 2021 Jan 14.
2. Klaver CCW et al.: 2020 as the year of quarantine myopia. JAMA Ophthalmol. 2021; published online ahead of print, 2021 Jan 14.
3. French AN et al.: Risk factors for incident myopia in Australian schoolchildren: the Sydney adolescent vascular and eye study. Ophthalmology. 2013;120(10):2100-2108.