Transkript
UPDATE | QUALITÄTSSICHERUNG
OUTCOME-MESSUNG IN DER PRAXIS
Der Activity Index monitorisiert Schmerz und Einschränkung im Alltag
Ein validiertes und internetbasiertes Outcome-Messinstrument ermöglicht es Therapeuten und Ärzten, die Ergebnisse ihrer Arbeit im Alltag des Patienten zu «messen». Genau darum wird es in Zukunft gehen …
Robert Theiler
Mediziner fokussieren im Sinne wiederholbarer Momentaufnahmen auf Anamnese und klinische Befunde. Das Monitoring von Schmerz und Behinderungen – Aktivitätseinschränkungen des Patienten im Alltag – hat sich bisher nicht etabliert. In der Rheumatologie kennen wir seit 40 Jahren die standardisierte Erfassung der Einschränkung im täglichen Leben bei Patienten mit rheumatoider Arthritis mit dem sogenannten Health Assessment Questionnaire (HAQ). Rheumatische Erkrankungen sind vergleichsweise selten. Im Alltag ungleich häufiger sind Abnutzung und Verschleiss. Bei den häufigsten aller Behinderungen – den Rückenschmerzen – hat sich bis heute kein akzeptiertes Erfassungsinstrument etabliert. Der Activity Index vermag diese Lücke zu schliessen.
Konkrete Aussagen
In der Rheumaklinik des Zürcher Stadtspitals Triemli wurde in den letzten zehn Jahren ein standardisiertes System zur Dokumentation von Schmerz und Behinderung entwickelt und getestet. Dabei wird im Rahmen einer standardisierten Qualitätssicherung der Aktivitätsindex erfasst. Wegbereitend war die Evaluation bei Bandscheibenleiden: vor und nach neurochirurgischen Interventionen (insbesondere Diskushernien) beziehungsweise vor und nach der konservativen Therapie von Rückenleiden. Konkret wird der Patient nach seinen subjektiven Einschränkungen im Alltag (Beruf, Freizeit, zu Hause) befragt. Diese Befragung kann beliebig oft wiederholt werden. Da die konservative Therapie häufig langwierig ist, kann so der Verlauf über einen längeren Zeit-
Tabelle:
Die 8 Fragen des Activity Index
1. Wie stark beurteilen Sie die maximalen Schmerzen/Beschwerden in den letzten 24 Stunden? 2. Wie stark beurteilen Sie die durchschnittlichen Schmerzen/Beschwerden in den letzten 24 Stunden? 3. Wie stark haben die Schmerzen/Beschwerden Ihre Schlafqualität beeinträchtigt? 4. Wie stark wurden Sie durch die Schmerzen /Beschwerden in Ihren Alltagsaktivitäten (häuslichen Ak-
tivitäten) eingeschränkt? 5. Wie stark wurden Sie durch die Schmerzen/Beschwerden in Ihren Freizeitaktivitäten eingeschränkt? 6. Wie stark wurden Sie durch die Schmerzen/Beschwerden in Ihren beruflichen Aktivitäten einge-
schränkt? 7. Wie zufrieden sind sie mit der durchgeführten Therapie? 8. Bitte bewerten Sie Ihren Gesundheitszustand im Allgemeinen.
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Abbildung 1: Erfassen der Aktivitätseinschränkung
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Zwei Fallbeispiele zeigen Verlauf operativ vs. konservativ
Zwei klinische Beispiele: Abbildung 2 zeigt den Verlauf von Schmerz und Behinderung eines Patienten, der wegen einer Spinalkanalstenose operiert wurde. Zum Vergleich die Dokumentation einer konservativen Behandlung über 3 Monate in Abbildung 3. Dabei konnte neben dem Rückgang der Schmerzen auch eine Reduktion der Behinderung dokumentiert werden.
Abbildung 2
Abbildung 3
Stiftung Qualitouch unterstützt Qualitätsmanagement
Die gemeinnützige Stiftung Qualitouch-HC mit Sitz in Zürich wurde 2004 gegründet, um Ärzte, Therapeuten, Forscher, Gemeinschaftspraxen und Kliniken in ihren Aktivitäten zur patientenorientierten Qualitätssicherung und im Qualitätsmanagement zu unterstützen. Die Stiftung besitzt das exklusive Recht zur weltweiten Lizenzierung der Qualitouch-Methode, -Marke und -Hilfsmittel. Sie hat langjährige Erfahrung im Umgang mit dem schweizerischen Gesundheitswesen, den Kommissionen und Behörden. Alle Informatikleistungen bezüglich Hardware und Software sowie der Betrieb der Qualitouch-Hotline und -Datenbank werden im Rahmen von Exklusivabkommen für die Stiftung erbracht und von Spezialisten ausgewertet. Weitere Informationen zur Organisation der Stiftung, ihren Dienstleistungen und Projekten: www.qualitouch-hc.org (QR-Code oben) und www.outcomecalculator.org (QR-Code unten).
R OB E RT T H E I LE R , langjähriger Chefarzt der Klinik für Rheumatologie des Stadtspitals Triemli, engagiert sich für die neuen Dimensionen einer patientenorientierten Qualitätssicherung für praktizierende Ärzte und Therapeuten.
raum dokumentiert werden. Das ist für den Patienten, den behandelnden Arzt oder die zuständige Versicherung von Bedeutung, um den Nutzen einer konservativen Therapie beurteilen zu können – die meist aus medikamentösen Massnahmen, physikalischer Therapie und aktiver Physiotherapie besteht.
Und so funktioniert der Activity Index
Die subjektiven Angaben des Patienten werden auf einer Internetplattform erfasst. Der Patient kann sich von seinem Arbeitsplatz oder von zu Hause einloggen. Der Patient dokumentiert so selbstständig seine Schmerzen und seine Aktivitätseinschränkungen – eine Art Schmerz- und Behinderungstagebuch, das jederzeit vom behandelnden Arzt und/oder Therapeuten eingesehen werden kann. Das Interview umfasst 8 einfache
Fragen und dauert 2 bis 3 Minuten. Die Tabelle zeigt die 8 Fragen, die mit einer Likert-Skala gemessen werden. Der Activity Index wurde in mehreren Arbeiten validiert und zuletzt anhand einer Studie über die schmerzreduzierende Infiltrationstherapie erneut mit gutem Erfolg getestet. Die Erfassung der Personendaten und der Ausgangswerte erfolgt häufig in der Arztpraxis zusammen mit Praxisassistentin (Abbildung 1), die anschliessenden fortlaufenden «Tagebucheinträge» können die meisten Patienten selbstständig durchführen. Die Dokumentation erlaubt eine zuverlässige Darstellung des Verlaufs von Schmerz und Behinderung (Aktivitätseinschränkung) im Alltag. Das ist hilfreich bei der Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitszeugnissen be-ziehungsweise der Beurteilung von Taggeldleistungen.
Finanzierung teilweise gelöst
Nach einem neuesten Bundesgerichtsurteil wird es bei der Behandlung chronischer Schmerzen in Zukunft wichtig sein, neben der medizinischen Diagnose das Ausmass und die Auswirkungen der Behinderung im Alltag des Patienten aufzuzeigen. Versicherungen werden künftig von Leistungserbringern eine valide Dokumentation von Schmerz und Einschränkung während längerer Behandlungsperioden einfordern. Das Finanzierungsproblem ist zumindest teilweise gelöst: Der Arzt kann den Activity Index als Aktenstudium oder als nicht standardisierten Bericht abrechnen. Physiotherapeuten können den Bericht abrechnen, falls ein solcher von der Krankenkasse verlangt wird.
Perspektive «health wearables»
Künftig gilt es, die subjektiven Angaben des Patienten bezüglich Schmerz und Einschränkung im Alltag vermehrt mit objektiven Befunden zu verknüpfen. Hier liegt ein spannendes und wachsendes Forschungsgebiet mit den sogenannten «health wearables». Das bekannteste Beispiel sind die unterschiedlichsten Formen der Schrittzähler, die für das Mobility Monitoring verwendet werden. Leider sind diese neuen Instrumente bis heute nur unzureichend validiert und stellen mit ihren technischen Anforderungen gerade für ältere Patienten ein ernstes Problem dar. In Zukunft werden Sie zu diesem Thema vermehrt Studien sehen.
Literatur beim Verfasser.
Kontakt: Prof. Dr. med. Robert Theiler Leiter Forschung, Klinik für Rheumatologie Stadtspital Triemli, Zürich E-Mail: robert.theiler@bluewin.ch www.rheumaberatung.ch
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