Transkript
EDITORIAL
Winterthur –
ein guter Boden für das Gesundheitswesen
Urs Brügger, Christian Marti
Das Gesundheitswesen boomt: die Umsätze der Pharmafirmen, die Zahl der Ärzte und Pflegefachpersonen, die Anzahl und Vielfalt von Operationen steigen – um nur einige Indikatoren zu nennen. Dynamische Entwicklungen bieten Chancen und Gefahren. In Winterthur stehen der wachsenden Zahl von Arbeitsplätzen und Organisationen im Gesundheitswesen stark steigende Gesundheits- und Sozialausgaben gegenüber. Versicherungswesen und Industrie sind in Winterthur traditionell starke Branchen. Historisch gesehen hat sich Winterthur von einer Industriestadt zu einer Dienstleistungsstadt entwickelt, die heute deutlich mehr Arbeitsplätze in den Bereichen Gesundheit und Bildung anbietet als im einst starken Industriesektor. Aber auch der Letztere hat sich radikal gewandelt und den neuen Entwicklungen angepasst. Ein Paradebeispiel dafür ist die in der Herstellung von Gelenkprothesen tätige Firma Zimmer GmbH. Sie ist aus dem Sulzer-Konzern hervorgegangen, der einst für seine Dieselmotoren und Turbinen Weltruf erlangt hatte. Inmitten vieler starker Partikulärinteressen wird die zentrale Figur – der Patient – häufig vergessen. Darum wollen wir in diesem Heft die Darstellung des Gesundheitsclusters Winterthur (Seiten 6 ff. und 10 ff.) mit dem Thema des Patientennutzens verbinden. Nur wenn der Patientennutzen als massgebende Grösse für die Entwicklung des Gesundheitswesens steht, wird die Entwicklung langfristig «gesund» bleiben. Allerdings kann der Begriff des Patientennutzens leicht missbraucht werden, um Partikularinteressen zu verfolgen – vor allem dann, wenn Patienten bei der Definition des Patientennutzens gar nicht mitreden können.
Eine Mischung aus Unter-
nehmergeist und Idealismus
hat in Winterthur verschie-
dene innovative Entwick-
lungen im Gesundheitswe-
sen vorangetrieben. So sind
beispielsweise die Patienten
selber aktiv geworden. Das Selbsthilfezentrum ist ein
Urs Brügger
Zeugnis davon (Seiten 16/
17). Zu nennen sind auch
WintiMed, das als erstes
schweizerisches Ärztenetz
seit über zehn Jahren er-
folgreich mit Budgetverant-
wortung operiert (Seiten
13 ff.), und die Integrierte
Psychiatrie Winterthur, die
ihre gesamte Organisation
gezielt auf den Patienten-
nutzen ausrichtet (Seiten
18 ff.). In diesem Umfeld ist auch das Winterthurer In-
Christian Marti
stitut für Gesundheitsöko-
nomie entstanden, das von
der Ärztegesellschaft und der Stadt Winterthur ge-
meinsam initiiert wurde (Seiten 22 ff.).
Die genannten und viele weitere Innovationen tragen
dazu bei, dass Winterthur gelegentlich als heimliche
Hauptstadt des Schweizer Gesundheitswesens be-
zeichnet wird.
Dr. oec. Urs Brügger Institutsleiter/Dozent, Winterthurer Institut für
Gesundheitsökonomie (WIG)
Dr. med. Christian Marti Medizinischer Geschäftsleiter WintiMed
Managed Care 7 ● 2004 1