Transkript
CASE-MANAGEMENT
Case-Management in der Altenhilfe
Alte Menschen, die pflege-
bedürftig geworden sind,
benötigen oft Unterstützung
von verschiedenster Seite.
An ihrer Betreuung sind
neben Pflegediensten häufig
auch medizinische und
soziale Dienste beteiligt. Die
Erfahrungen in Deutschland
zeigen, dass ein Case-
Management im Sinne eines
Unterstützungsmanage-
ments für pflegebedürftige
Menschen und ihre Angehö-
rigen hilfreich sein kann.
Besonders geeignet scheint
es dem Autor, wenn eine
neutrale Stelle das Case-
Management übernimmt.
Michael Wissert
I m Jahr 1988 erschien in der Schriftenreihe «Brennpunkte Sozialer Arbeit» das Themenheft «Soziale Einzelhilfe», in dem unter anderem Louis Lowy [1] und Wolf Rainer Wendt [2] sich mit einem damals neuen Beratungsansatz der Sozialarbeit befassten: dem so genannten Case-Management.1 Die dargestellten konzeptionellen und methodischen Prinzipien des Case-Managements fanden in Deutschland
vor allem in der Altenhilfe2 eine sehr schnelle Umsetzung. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen begann im gesamten Handlungsfeld der Hilfen für alte Menschen Mitte der Achtzigerjahre ein Wandel. Die soziale Betreuung, die Pflege und die medizinische Versorgung alter Menschen verlagerten ihren Schwerpunkt vom stationären hin zum ambulanten Bereich. Zum anderen stehen sich gerade bei der ambulanten medizinischen Versorgung und der Pflege alter Menschen zwei Strukturelemente gegenüber, welche die Entscheidungen und das Handeln pflegebedürftiger Menschen, ihrer Angehörigen, aber auch der hauptamtlichen Betreuungspersonen erschweren: Meist trifft eine sehr komplexe Problemlage auf ein stark ausdifferenziertes Angebot an Hilfeleistungen. Dies führt dazu, dass die Massnahmen verschiedenster Anbieter miteinander verknüpft werden müssen. So müssen zum Beispiel nach einem Schlaganfall die Leistungen des Spitals mit jenen der spitalexternen Dienste, die den Patienten nach dem Spitalaustritt betreuen, verknüpft werden. Für eine stabile ambulante Versorgung sind zudem neben der Pflege eine Vielzahl weiterer Hilfsangebote aus dem Gesundheits- und dem Sozialbereich erforderlich. Dies führt letztlich dazu, dass das Handeln vieler Beteiligter abgestimmt und koordiniert werden muss – eine Aufgabe und ein Prozess, für die das Case-Management sehr geeignet erscheint.
Strukturelle Anbindung
Die verschiedenen methodisch-konzeptionellen Varianten des CaseManagements, die sich in Deutsch-
Michael Wissert
land in den unterschiedlichen Disziplinen und Handlungsfeldern des sozialen und gesundheitlichen Bereichs herausgebildet haben, lassen sich in Abhängigkeit von ihrer strukturellen Anbindung in zwei Gruppen unterteilen: ■ Case-Management-Varianten, die von den Finanzierern der zu koordinierenden Dienstleistungen (z.B. Kranken- oder Pflegeversicherer) oder den Dienstleistungserbringern entwickelt und getragen werden und hiermit stark an deren ökonomischen Interessen ausgerichtet sind («institutionell eingebundenes CaseManagement»)
1 Zwar hatte bereits 18 Jahre zuvor die Schweizerin Paula Lotmar [3] zentrale Prinzipien und Grundzüge dieses neuen Beratungsansatzes eindrucksvoll skizziert, ihre Ausführungen blieben jedoch unbeachtet und sind in Vergessenheit geraten.
2 Ursprünglich bezeichnet der Begriff «Altenhilfe» in Deutschland alle Dienstleistungen für alte Menschen, die vom örtlichen (Gemeinde) und überörtlichen (Landkreis) Träger der Sozialhilfe im Rahmen des Artikels 75 des Bundessozialhilfegesetzes angeboten werden; nicht zur Altenhilfe im engeren Sinn gehören das Rentenwesen, die Pflegeversicherung und das Gesundheitswesen. Immer öfter wird der Begriff aber auch als Überbegriff für die Gesamtheit der Hilfen für alte Menschen verwendet. In diesem Beitrag wird der Begriff ausschliesslich im letztgenannten, umfassenden Sinn verwendet.
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CASE-MANAGEMENT
Kasten:
Unabhängiges Case-Management in Deutschland – konkrete Erfahrungen
Als sozialpolitisch bedeutsam sind vor allem drei Initiativen des unabhängigen Case-Managements in Deutschland zu bezeichnen:
■ 1988 startete in Berlin-Wilmersdorf, in Trägerschaft des Altenselbsthilfezentrums «Sozialwerk Berlin e.V.», ein Projekt, dessen Evaluationsergebnisse so viel versprechend waren, dass ab 1991 nach und nach flächendeckend im ganzen Bundesland Berlin unabhängige Beratungsstellen eingeführt worden sind. Die Finanzierung erfolgte kostenneutral, über Mittel des Landeshaushaltes, indem Personalstellen aus dem stationären Bereich (Alten- und Pflegeheime) in den ambulanten Bereich verlagert worden sind. Das Konzept der Berliner «Koordinierungsstellen für ambulante Rehabilitation älterer Menschen» wurde beziehungsweise wird in seinen Grundzügen von einer Arbeitsgemeinschaft entwickelt, an der Vertreter der einzelnen Beratungsstellen teilnehmen [4]. Die Stellen stehen allen offen, die im Handlungsfeld der häuslichen oder stationären Versorgung und Pflege alter Menschen Informationen, Beratung oder Unterstützung durch ein Case-Management benötigen. Der «vorgeschaltete», einheitliche Name aller Berliner Koordinierungsstellen, «Beratungsstellen ‹Rund ums Alter›», steht für den Auftrag und das Programm: Alte Menschen, Angehörige, Nachbarn, aber auch hauptamtliche Berater und Helfer können innerhalb eines sehr breiten thematischen Spektrums die Dienste dieser Stellen kostenfrei in Anspruch nehmen. Dadurch sollen die Stellen helfen, das sozialpolitische Ziel, dass alte Menschen so lange wie möglich in der eigenen Wohnung leben können sollen, zu erreichen.
■ Ab 1991 wurde in Baden-Württemberg mit Mitteln des Bundeslandes versucht, das Modell der «Informations-, Anlauf und Vermittlungsstellen» (IAV-Stellen) einzuführen. Die anteilige finanzielle Förderung durch das Land wurde Ende 1998 eingestellt, unter anderem weil sich das Konzept als nicht ausreichend durchsetzungsfähig und effektiv erwies. Seither ist die Finanzierung und konzeptionelle Entwicklung entsprechender Stellen den Landkreisen und Kommunen überantwortet. Aus diesem Grund gleicht die «Case-Management-Landschaft» in der Altenhilfe in Baden-Württemberg heute einem unvollständigen Mosaik: Einige grosse Kommunen und einige Landkreise haben die IAV-Arbeit fortgeführt, teils mit alter Bezeichnung, teils unter neuem Namen, in einer sehr grossen Vielfalt von Konzeptvarianten. In anderen Landkreisen wurden die Stellen aufgelöst, oder sie erhielten andere Aufgaben.
■ In den Bundesländern Hessen und Rheinland-Pfalz sollten – vergleichbar mit dem Berliner Modell – ab 1994 so genannte «Beratungs- und Koordinierungsstellen» (BeKo-Stellen), mit anteiliger Finanzierung durch das Bundesland, eingeführt werden. 1999 wurde dieses Vorhaben in Hessen nach einem Regierungswechsel beendet, und auch in Rheinland-Pfalz hat sich das Konzept der BeKo-Stellen letztlich nicht durchsetzen können. Auch hier ist es heute den Landkreisen und Kommunen überlassen, unabhängige Case-Management-Stellen weiter- beziehungsweise einzuführen. Somit ist Berlin derzeit das einzige Bundesland mit einem flächendeckenden Angebot von unabhängigen Case-Management-Stellen in der Altenhilfe. Daneben gibt es einige solitäre Modelle, denen es nach der Phase der Projektfinanzierung teilweise gelang, als solche «Solitäre» zu überleben (z. B. Mobile Ambulante Rehabilitation Karlsruhe).
■ Case-Management durch so genannte «neutrale» oder «unabhängige» Stellen, die strukturell und organisatorisch von den Finanzierungsträgern oder den Erbringern sozialer, medizinischer und pflegerischer Leistungen entkoppelt und hiermit auch nicht direkt in die Zuteilung materieller Ressourcen involviert sind
(«unabhängiges Case-Management»). Die Konzepte, Methoden und Instrumente solcher Case-ManagementStellen richten sich stark an den Pro-
blemen, Bedürfnissen und Interessen der Klienten aus – unter Beachtung der jeweiligen sozial- und gesundheitspolitischen Aufträge und Ziele.
Unabhängiges Case-Management in der Altenhilfe
In Deutschland hat sich in der Altenhilfe insbesondere der letztgenannte Ansatz bewährt. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: ■ Die Case-Management-Problemlagen in der Versorgung alter Men-
schen tangieren in der Regel eine Vielzahl von Institutionen, Organisationen, Dienstleistern und einzelnen Personen. Das Case-Management muss – wenn es wirkungsvoll sein will – die zum Teil gegensätzlichen (Eigen-)Interessen der Akteure der verschiedenen Subsysteme des Netzes sozialer Sicherung manchmal in Frage stellen beziehungsweise angreifen. Eine solche «Zumutung» ist auf Dauer am besten von einer neutralen Stelle zu leisten. ■ Das Case-Management hat auch eine Gatekeeperfunktion, die dazu führt, dass der Case-Manager manchmal Leistungen einschränkt oder ablehnt. Dies wird die Beratungsbeziehung nur dann unbelastet belassen, wenn der Klient sicher sein kann, dass die Hilfeplanung nicht den ökonomischen Interessen eines Leistungsanbieters oder -finanziers folgt, sondern dem Sachverstand eines unabhängigen Case-Managers im Interesse und zum Wohl des Kunden. Strukturell und organisatorisch wurde die Unabhängigkeit idealtypisch dadurch gewährleistet, dass der Auftrag, solche Beratungsstellen zu betreiben, entweder an «kleine», strukturell machtlose Träger (z.B. Altenselbsthilfevereine) erteilt wurde, oder aber an Wohlfahrtsverbände, die sich dann aber im Interesse ihrer Unabhängigkeit in der jeweiligen Region von allfälligen anderen bisherigen Pflege- und Versorgungsangeboten zurückgezogen haben. Diese idealtypische Konzeption ist allerdings in der Praxis im Verlauf der letzten Jahre aufgeweicht worden. Finanziert wurden die entsprechenden unabhängigen Stellen bisher aus umverteilten (Steuer-)Mitteln der Bundesländer, der Landkreise und der Kommunen. Insgesamt können bis in das Jahr 2000 in Deutschland drei sozialpolitisch bedeutsame Initiativen des unabhängigen Case-Managements benannt werden, die im Kasten kurz vorgestellt werden.
Ausblick
Seit Mitte der Neunzigerjahre wird das Case-Management im Sozialund Gesundheitsbereich in Deutschland teils als konkret genannte so-
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zialgesetzliche Verpflichtung3, teils implizit4 oder als programmatische Absicht gefördert. Zudem wird zurzeit in Modellprojekten untersucht, welche Wirkungen das Case-Management im Bereich der Pflegeversicherung entfalten kann [5]. Dies wird aus meiner Sicht dazu führen, dass die unterschiedlichen Case-Management-Ansätze5 sich konzeptionell und methodisch weiter ausdifferenzieren werden (z.B. Clinical/Critical Pathways, Managed Care [d.h. Koordination und Steuerung von Dienstleistungen in Verantwortung und «innerhalb» der Strukturen der Finanzierer], Care Management [d.h. trägerübergreifende Entwicklung und Steuerung von Dienstleistungen auf der regionalen, infrastrukturellen Ebene], Disease Management, Unterstützungsmanagement), und dass diese Ansätze in den unterschiedlichen Handlungsfeldern (z.B. in der Arbeit mit alten oder pflegebedürftigen Menschen; im Rahmen der Suchthilfe; als sozialpädagogische Familienhilfe; bei der beruflichen Reintegration nach Krankheit,
3 siehe z.B. 9. Sozialgesetzbuch: Case-Management als Angebot der Servicestellen der Rehabilitationsträger.
4 siehe z.B. 5. Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung) § 140a: «Integrierte Versorgung», Einführung der Fallpauschalen in den Krankenhäusern.
5 In der deutschsprachigen Case-Management-Diskussion gibt es bislang noch keine einheitliche Sprachregelung darüber, ob diese unterschiedlichen «Praktiken des CaseManagements» als Strategien, Ansätze oder Anwendungsformen bezeichnet werden sollen.
Berufsunfällen oder langer Arbeitslosigkeit) ihre jeweils spezifische Anwendung finden werden. In der Altenhilfe wird sich vermutlich der Beratungsansatz des Unterstützungsmanagements durchsetzen, weil gerade dieser Ansatz des CaseManagements pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen in die Lage versetzen kann, die für sie wichtigen und richtigen Hilfen passgenau mit dem Case-Manager zu planen und zu organisieren. Das Unterstützungsmanagement legt methodisch und instrumentell grosses Gewicht auf die soziale Unterstützung (Social Support) und die Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet die konzeptionelle Grundlage für unabhängige Case-Management-Stellen [6]. Es bleibt jedoch die Frage offen, ob und in welchem Umfang es sich die Bundesländer, Landkreise oder Kommunen in Zeiten knapper Mittel zukünftig leisten wollen und können, Case-Management beziehungsweise Unterstützungsmanagement in der Altenhilfe als eine aus Steuern finanzierte, strukturell unabhängige Dienstleistung anzubieten. Die Managed-Care- und Clinical-/CriticalPathway-Strategien der Krankenkassen, Versicherungen, Spitäler und so weiter werden vermutlich künftig stärker als bisher zu Konkurrenzangeboten und möglichen Doppelungen führen. Das Bundesland Ber-
lin zumindest hat den Rückzug aus
der Finanzierung des Case-Manage-
ments in der Altenhilfe bereits an-
gekündigt.
■
Autor:
Prof. Dr. Michael Wissert
Professor für Geschichte, Theorie und Methoden der Sozialen Arbeit Fachhochschule Ravensburg-Weingarten Leibnizstr. 10 D-88250 Weingarten
E-Mail: wissert@fh-weingarten.de
Literatur:
1. Lowy, L. (1988): Case Management in der Sozialarbeit. In: C. Mühlfeld, H. Oppl, H. Weber-Falkensammer, W.R. Wendt (Hrsg.): Brennpunkte sozialer Arbeit. Soziale Einzelhilfe, Neuwied, 31–39.
2. Wendt, W.R. (1988): Von der Falldiagnose zum Unterstützungsmanagement. In: C. Mühlfeld, H. Oppl, H. Weber-Falkensammer, W.R. Wendt (Hrsg.): Brennpunkte sozialer Arbeit. Soziale Einzelhilfe, Neuwied, 9–30.
3. Lotmar, P. (1970): Efficiency in der Sozialarbeit. Der Sozialarbeiter, o. Jg. (5), 1–14.
4. Wissert, M. et al. (1996): Ambulante Rehabilitation alter Menschen. Beratungshilfen durch das Unterstützungsmanagement. Freiburg i. Br.
5. Klie, T. (2004): Pflegebudget. www.pflegebudget.de
6. Wissert, M. (2001): Unterstützungsmanagement als Rehabilitations- und Integrationskonzept bei der ambulanten Versorgung älterer, behinderter Menschen. Aachen.
Was tut sich in der Schweiz in Sachen Case-Management im Altersbereich?
von Yvonne Hofstetter Rogger
I n der Schweiz sind Initiativen zu Case-Management im Altersbereich auf verschiedenen Ebenen der Versorgungsstruktur beobachtbar: ■ Fachkräfte der sozialen Arbeit versuchen, fallbezogen all jene Akteure zusammenzubringen, die einen Beitrag zur Bewältigung schwieriger Lebenslagen alternder Menschen leisten können. Ihnen geht es um eine
möglichst autonome Lebensführung ihrer Klientinnen und Klienten. Im Kanton Bern hat die Pro Senectute ein Konzept entwickelt, das ausdrücklich die Dienstleistung des Case-Managements vorsieht. Die «Beratungsstelle für das Alter» in Winterthur hat ebenfalls vor mehreren Jahren begonnen, die Arbeitsform des Case-Managements, unter anderen in der Zusammenarbeit mit der Spitex, zu etablieren. Die ge-
nannten Einrichtungen stehen für viele weitere einzelne Beratungsstellen, die primär über die fachliche Qualifizierung und über fachliche Konzepte Case-Management zu praktizieren beginnen. ■ Pflegefachleute lassen sich in Case-Management ausbilden, um eine ganzheitliche, auf die Bedürfnisse der PatientInnen abgestimmte Pflege möglich zu machen. Sie entwickeln eine berufliche Perspektive
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für unabhängiges Case-Management als selbstständige Tätigkeit oder für Case-Management in institutionellem Rahmen, beispielsweise in der Spitex. ■ Institutionen nehmen die Initiativen von Fachkräften auf und verankern Case-Management in ihrem Angebot. Beispielsweise diskutiert die Pro Senectute St. Gallen aktuell die Frage, welchen Stellenwert Case-Management in ihrem Angebot haben soll. Oder die Institutionen reagieren auf Forderungen der Sozial- und Gesundheitspolitik nach neuen, kostengünstigen Versorgungsmodellen für betagte Menschen. So arbeitet das Altersforum Winterthur an der Entwicklung von Kooperationsstrukturen. ■ Die Krankenversicherer führen Fallmanagement oder Case-Management ein, um Leistungen effizient und effektiv zu steuern. Sie betonen, dass es in erster Linie um einen sinnvollen, bedarfsgerechten Einsatz der Mittel, nicht um eigentliche Leistungsbeschränkungen, geht. Die Projekte der verschiedenen Versicherer sind unterschiedlich ausgerichtet: Die
einen arbeiten in direktem Kontakt mit den PatientInnen, andere koordinieren primär die Dienste verschiedener Leistungserbringer. Das CaseManagement der Krankenversicherer wird in Kürze sehr viele betagte Menschen in der Schweiz erreichen. Zwei grosse Fragen stellen sich für die weitere Entwicklung von CaseManagement im Altersbereich in der Schweiz: 1. Case-Management zur Gewährleistung koordinierter, bedarfs- und bedürfnisgerechter Leistungen im Sozial- und Gesundheitsbereich ist arbeitsaufwändig. Es dient zwar einem effizienten Einsatz der Mittel und bezieht informelle Unterstützungsleistungen mit ein, dürfte also in seiner Gesamtwirkung Kosten sparen. Doch diejenige Stelle oder Person, die das Case-Management durchführt, hat einen grossen Kooperations- und Koordinationseinsatz zu leisten. Wer bezahlt diese Leistungen, wenn sie von einer unabhängigen Stelle erbracht werden? 2. Am stärksten wird die Entwicklung von Case-Management im Al-
tersbereich im Moment von den
Krankenversicherern vorangetrieben.
Sie sind gezwungen, primär auf ihre
eigene, betriebswirtschaftliche Rech-
nung und nicht auf ein volkswirt-
schaftliches Kosten-Nutzen-Verhält-
nis zu schauen. Orientierung an den
Bedürfnissen der Versicherten muss
nicht, aber kann im Widerspruch zu
Sparzielen stehen. Wie kann gewähr-
leistet werden, dass die Versicherten
eine starke Verhandlungsposition ge-
genüber den Case-ManagerInnen der
Versicherer haben, wenn Letztere
ihre Rolle als Gatekeeper («Torhü-
ter», die den Zugang zu Leistungen
kontrollieren) wahrnehmen?
■
Prof. Yvonne Hofstetter Rogger
Berner Fachhochschule Hochschule für Sozialarbeit HSA
Bern Institut für Weiterbildung Leiterin Kompetenzzentrum für Mediation und Konfliktmanagement Kursleitung Nachdiplomkurs
Case-Management E-Mail:
yvonne.hofstetter@hsa.bfh.ch