Schweizer Zeitschrift für Psychiatrie & Neurologie 01/2025
Persönlichkeitsstörungen können sehr herausfordernd sein
Persönlichkeitsstörungen sind tiefverwurzelte, andauernde und generalisierte Muster des Denkens, der Wahrnehmung, des Verhaltens, und der sozialen Beziehungen. Sie sind mit psychosozialen Funktionsbeeinträchtigungen und persönlichem Leidensdruck verbunden.
Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) – Umgang im notfallpsychiatrischen Behandlungssetting
Die aktuellen Leitlinien zur Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung geben klare Empfehlungen für den Umgang mit maladaptiven Verhaltensmustern wie Selbstverletzungen oder Kommunikation von Suizidalität. Die Herausforderung ist die Umsetzung im notfall- und akutpsychiatrischen Setting wo häufig noch Massnahmen ohne Zustimmung eingesetzt werden. Mit dem Kompetenzzentrum für Borderline-Störungen haben die Psychiatrische Dienste Aargau (PDAG) ein Programm entwickelt, um die Leitlinien umzusetzen und weitestgehend auf diese Massnahmen zu verzichten.
Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen
Persönlichkeitsstörungen sind für die klinische Praxis hoch relevante nosologische Einheiten, deren Diagnostik jedoch traditionell mit praktischen Problemen und fachlichen Kontroversen verbunden ist. In den aktuell gültigen Fassungen der grossen nosologischen Klassifikationssysteme ICD und DSM kam es zu einem grundlegenden Paradigmenwechsel mit einer (zumindest partiellen) Aufgabe der kategorialen Einteilung voneinander abgrenzbarer Persönlichkeitsstörungsdiagnosen, zugunsten eines dimensionalen Störungskonzepts. In Tradition psychoanalytischer Konzepte werden hierbei in einem hierarchischen diagnostischen Prozess Beeinträchtigungen in verschiedenen selbstbezogenen und zwischenmenschlichen Persönlichkeitsfunktionen erfasst und beschrieben. Nach würdigender Rückblende auf die relevanten historischen Entwicklungen, stellt der vorliegende Artikel die dimensionalen Klassifikationskonzepte von DSM-5 und ICD-11 und deren praktische Umsetzung inkl. zentraler standardisierter diagnostischer Instrumente vor. Zuletzt werden auch Möglichkeiten eines reduzierten zeiteffizienten diagnostischen Vorgehens vor dem Hintergrund aktueller Forschungsbefunde reflektiert.
Therapie schwerer Persönlichkeitsstörungen
Persönlichkeitsstörungen zeigen insbesondere in klinischen Kontexten eine sehr hohe Prävalenz. Die Behandlungen sind häufig komplex, aufwändig, emotional aufwühlend und stellen hohe Anforderungen an die Professionalität. Der Artikel stellt Grundsätze und Spezifika in der Behandlung schwerer Persönlichkeitsstörungen dar mit Fokus auf die Borderline-Persönlichkeitsstörung. Neben Gemeinsamkeiten und Differenzen von vier manualisierten und evidenzbasierten Psychotherapieverfahren werden Weiterentwicklungen skizziert sowie psychosoziale Interventionen, weitere Aspekte der Versorgung und der Pharmakotherapie aufgezeigt.
Migränedarm mit Charme
Die Beziehung zwischen dem Hirn und dem Magen-Darm-Trakt, im Kontext der Darm-Hirn-Achse («gut brain axis»), ist seit einigen Jahrzehnten Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Forschung. Die bidirektionale Kommunikationsachse zwischen dem zentralen Nervensystem und dem gastrointestinalen System spielt bei verschiedenen neurologischen Störungen, sowohl neurodegenerativ wie z.B. bei Morbus Parkinson und bei Morbus Alzheimer, aber auch autoimmun-entzündlich, wie bei der Multiplen Sklerose eine wichtige Rolle (1).
Gepante im klinischen Alltag
Die Blockade von CGRP oder dessen Rezeptor hat die Migränetherapie revolutioniert. Zuletzt wurden in der Schweiz zwei Gepante zugelassen, Antagonisten des CGRP-Rezeptors, die als Tabletten als Akuttherapie oder zur Prophylaxe von Migräneattacken eingenommen werden. Mit der Zulassung von zwei weiteren Gepanten in der Zukunft ist zu rechnen. Dieser Artikel fasst deren Eigenschaften und Entwicklung zusammen und diskutiert Anwendungsmöglichkeiten.
Wird es den Medikamentenübergebrauchskopfschmerz in Zukunft nicht mehr geben? – Eine kritische Betrachtung
Der Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch betrifft 1–2% der Allgemeinbevölkerung und geht mit einer wesentlichen Beeinträchtigung in vielen Lebensbereichen einher. Er entwickelt sich durch zu häufige Einnahmen von Schmerzmitteln aus einem primären Kopfschmerz wie z.B. aus einer Migräne, wobei es zu 15 oder mehr Kopfschmerztagen pro Monat kommt. Ursächlich werden eine Sensitivierung im trigeminovaskulären System, vermittelt durch Neuropeptide wie Calcitonin gene-related peptide (CGRP), sowie eine verminderte Schmerzhemmung diskutiert. Zusätzlich werden Mechanismen wie Substanzabhängigkeit und Impulsivität auf psychologischer und neurobiologischer Ebene vermutet. Gepante blockieren den CGRP-Rezeptor und können sowohl akut also auch prophylaktisch bei Migräne wirken. Eine häufige Anwendung von Rimegepant führte nicht zu einem Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch, sondern zu einer Abnahme der Attackenfrequenz, wobei noch mehr Daten nötig sind. Wir diskutieren in diesem Artikel, weshalb der Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch wahrscheinlich auch in Zukunft zu beobachten sein wird. Eine multimodale Therapie kann notwendig sein. CGRP-basierte, gegen Migräne prophylaktisch wirksame Substanzen, sind auch beim Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch wirksam. Es sollten Anstrengungen zur Prävention des Kopfschmerzes bei Medikamentenübergebrauch unternommen werden.
Karpaltunnel-Syndrom und Amyloidose – Was eine Biopsie aus dem Ligamentum carpi transversum verraten könnte
Ein Karpaltunnel-Syndrom (KTS) kann als Indikator für eine systemische Krankheit fungieren oder in diesem Zusammenhang gehäuft auftreten: z.B. bei Typ-2-Diabetes, Dialysepatienten, Myxödem, rheumatoider Arthritis oder Akromegalie. In einigen Fällen sind diese Krankheiten schon bekannt oder lassen sich klinisch erahnen und bei Bedarf mit einer Blutentnahme abklären. Aus eigener Erfahrung wird hingegen die Gelegenheit zur Entnahme einer Gewebebiopsie im Rahmen einer KTS-Operation wahrscheinlich noch zu wenig genutzt, um einer systemischen Erkrankung – nämlich einer Amyloidose – auf die Spur zu kommen. Der Zusammenhang von KTS und Amyloidose soll hier näher vorgestellt werden.
Psylocibin gegen Depression
Vor dem Hintergrund, dass das therapeutische Ansprechen in der Behandlung der schweren Depression mit den bisher verfügbaren Medikamenten begrenzt ist, weckten Hinweise, dass Psylocibin eine schnelle antidepressive Wirkung zeigt, grosses Interesse.
MS-Therapie: Interimsresultate von Natalizumab s.c
ONatalizumab kommt bei Patienten mit schubförmigremittierender Multipler Sklerose (RRMS) als krankheitsmodifizierende Behandlung zum Einsatz.
MS-Therapie: Real-World-Daten von Diroximelfumarat
Eine spanische Registerstudie untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von 195 MS-Patienten im klinischen Alltag aus 26 neurologischen Abteilungen, die mit Diroximelfumarat (Vumerity®) behandelt wurden.
5-Jahres-Ergebnisse mit Patisiran bei hereditärer Transthyretin-Amyloidose mit Polyneuropathie
Die hereditäre Transthyretin-Amyloidose (hATTR) ist eine vererbte, progressive und lebensbedrohliche Multiorganerkrankung, die durch Mutationen im Transthyretin-Gen verursacht wird und zur Ablagerung von Amyloid in verschiedenen Organen führt.
Migränetherapie bei Älteren – CGRP-Antikörper kardiovaskulär unbedenklich
Es gab immer wieder Bedenken dahingehend, dass eine Blockade des Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) auch das kardiovaskuläre Risiko potenziell erhöhen könnte.
Cannabidiol-Präparat in der Grundversicherung
Cannabidiol hat antikonvulsive Eigenschaften, deren genaue Mechanismen aber nicht bekannt sind. Es reduziert die neuronale Übererregbarkeit durch Modulation des intrazellulären Kaziums und der Adenosin-vermittelten Signalgebung.
Psychiatrie: Persönlichkeitsstörungen
Editorial
Fortbildung
- Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) - Umgang im notfallpsychiatrischen Behandlungssetting
- Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen
- Therapie schwerer Persönlichkeitsstörungen
Neurologie: Migränetherapie
Editorial
Fortbildung
- Gepante im klinischen Alltag
- Wird es den Medikamentenübergebrauchskopfschmerz in Zukunft nicht mehr geben? - Eine kritische Betrachtung
Update
Kurz & Bündig
- Psylocibin gegen Depression
- MS-Therapie: Interimsresultate von Natalizumab s.c
- MS-Therapie: Real-World-Daten von Diroximelfumarat
- 5-Jahres-Ergebnisse mit Patisiran bei hereditärer Transthyretin-Amyloidose mit Polyneuropathie
- Migränetherapie bei Älteren – CGRP-Antikörper kardiovaskulär unbedenklich
- Cannabidiol-Präparat in der Grundversicherung