Schweizer Zeitschrift für Psychiatrie & Neurologie 03/2023
Der Einstieg in die Forschung ist interessant, machbar und bereichernd
Forschung ist der zentrale Faktor, um Früherkennung von Erkrankungen, die Qualität der medizinischen Diagnostik und die Entwicklung von neuen Behandlungsmöglichkeiten voranzutreiben. Forschung ist ausserdem von höchster Relevanz, um die studentische Lehre und die Ausbildung von Assistenzärztinnen und -ärzte auf dem neuesten Stand des verfügbaren Wissens leisten zu können.
Internet Gaming Disorder und Stress
Gaming als dysfunktionaler Copingmechanismus bei Stress spielt möglicherweise eine zentrale Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von online Spielsucht (1,2). Auch auf biologischer Ebene scheinen Veränderungen der Stressreaktion vorzuliegen (3). Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Diagnose Internet Gaming Disorder und stellt eine aktuelle Studie der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern vor.
Transkulturelle Aspekte von Essstörungen – ein Beispiel für den Beitrag der Sozialwissenschaften zu Forschung und klinischer Praxis
Essstörungen werden traditionell als ein westliches Phänomen betrachtet, wobei sich die meisten Forschungen und Behandlungsrichtlinien auf weisse Frauen der Mittelschicht beziehen. Jüngste Studien haben jedoch gezeigt, dass Essstörungen nicht auf eine bestimmte Kultur oder ethnische Gruppe beschränkt sind. Vielmehr werden sie zunehmend als ein globales Problem erkannt, das Menschen aus allen Gesellschaftsschichten betrifft. Am Beispiel einer eingehenden Fallstudie in Kambodscha werden in diesem Artikel die transkulturellen Aspekte von Essstörungen untersucht, wobei analysiert wird, wie sich kulturelle Werte, Überzeugungen und Praktiken auf die Entwicklung und Manifestation von Anorexia nervosa (AN) auswirken.
Der Einfluss von sozialer Identität, kollektiver Wirksamkeit und positiver Devianz auf die Auswirkungen der psychischen Gesundheit im Zusammenhang mit dem Klimawandel
Die Gesundheit kann nur dann angemessen geschützt und gefördert werden, wenn wir sie in den Kontext einer nachhaltigen und gerechten Entwicklung einbeziehen. Dieser Text soll Beispiele und nützliche Instrumente für die Schaffung von Klimaresilienz liefern, um die schädlichen Auswirkungen des Klimawandels auf die psychische Gesundheit zu verringern. Nach einem Überblick über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit heben die Autorinnen die Bedeutung sozialer Bindungen und Resilienz als Ressourcen für die psychische Gesundheit hervor. Anschliessend wird erörtert, wie gemeinschaftsbasierte Resilienz durch soziale Identität (die Wahrnehmung der eigenen Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen), kollektive Wirksamkeit (der gemeinsame Glaube der Menschen an die Fähigkeit ihrer Gruppe, kollektive Aufgaben zu bewältigen) und positive Devianz (ein Ansatz zur Verhaltensänderung, der die erfolgreichen Handlungen bestehender Gemeinschaftsmitglieder verstärkt) gefördert werden kann. Darüber hinaus wird das Potenzial lokaler, bewusster Gemeinschaftsbildung als wirksame Strategie zur Verbesserung der Resilienz untersucht. Schliesslich zeigen die konkreten Beispiele von Cool Block und der Transition-Town-Bewegung (z. B. Eco Vista), wie Gemeinschaften die Anpassung an den Klimawandel, die Abschwächung des Klimawandels und Strategien zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit wirksam unterstützen können.
Komorbiditäten bei Jugendlichen im Transitionsalter mit Substanzkonsumstörungen – ein Überblick
Das gleichzeitige Auftreten psychischer Störungen bei Personen mit einer Suchterkrankung beziehungsweise «Doppeldiagnosen» ist eine besondere klinische Problemstellung bei der Behandlung von Suchterkrankungen (15). Da der Substanzkonsum in der Regel im Jugendalter beginnt und dort seinen Höhepunkt erreicht, geht die Behandlung dieser Patientengruppe mit besonderen Herausforderungen einher.
Microstates als Marker im EEG bei Psychoserisiko und Erstpsychose
Microstates als Marker im EEG bei Psychoserisiko und Erstpsychose
Microstates sind sehr kurze Zustände (60–120 ms), in denen die topografische Landkarte der Elektroenzephalografie (EEG) stabil bleibt. Es wurde beobachtet, dass Microstates bei erwachsenen Patienten mit Psychose und Schizophrenie verändert sind. Die vorgestellte Studie zeigt, dass sich bei Kindern und Jugendlichen mit Psychoserisiko und Erstpsychose ähnliche Veränderungen zeigen wie bei Erwachsenen, die Effekte also altersunabhängig sind.
Interview mit Fabian Kraxner: «Der Psychiater trägt eine grosse Verantwortung»
In der Schweiz gibt es im Verhältnis zur Nachfrage zu wenige Psychiater. Aufgrund der Demografie wird sich das Problem in den nächsten Jahren weiter verschärfen, wenn nichts dagegen unternommen wird. Wie das Steuer herumgerissen werden kann und was im Hintergrund schon passiert, um den Psychiaterberuf für Assistenzärzte und Studierende attraktiver zu machen, erklärt Fabian Kraxner, Psychiater am Spital Affoltern und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP), Ressort Nachwuchs, im Interview.
31. EFPT-Forum 2023 in Zürich: «Making YOUR mental health a priority»
Das 31. Forum der European Federation of Psychiatric Trainees (EFPT) findet vom 4. bis 8. Juli 2023 am Universitätsspital Zürich statt. Es handelt sich dabei um den weltweit grössten Nachwuchsanlass im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie. Dieser bringt 200 hochmotivierte Assistenzärzte und junge Fachärzte der Kinder-, Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie aus 42 nationalen Fachgesellschaften zusammen. Geplant und durchgeführt wird die Veranstaltung vom Local Organizing Committee (LOC), bestehend aus Mitgliedern der Schweizerischen Vereinigung psychiatrischer Assistenzärztinnen und Assistenzärzte (SVPA). Die Schweiz als Gründungsmitglied der EFPT tritt nach 2013 zum 2. Mal in ihrer Geschichte als Gastgeberin dieser jährlichen Veranstaltung zur Förderung des psychiatrischen Nachwuchses in Europa auf.
Global Mental Health: Psychiatrie im grossen Blickwinkel
Als Psychiaterin habe ich mich immer gefragt, ob man auch ausserhalb des gewöhnlichen Arbeitsumfelds etwas bewirken kann. Während der Facharztausbildung wird der Fokus auf die Versorgungsstrukturen im eigenen Land gelegt. Ressourcenarme Länder haben nach wie vor mit grossen Hürden im psychiatrischen Betreuungs- und Behandlungsangebot zu kämpfen, die für uns schon lange eine Reminiszenz aus der Vergangenheit geworden sind.
Congrès Mondial de Psychothérapie au Maroc: «Psychothérapie et Santé Publique dans le monde en 2023»
Le 23e Congrès Mondial de la Psychothérapie a eu lieu du 9 au 11 février 2023 à Casablanca, au Maroc. 42 pays de 4 continents ont participé à cette rencontre, organisée à la Faculté de médecine de Casablanca, capitale économique et commerciale du Maroc, surnommée également la ville blanche.
Epilepsie möglichst früh diagnostizieren
Epilepsie stellt eine der häufigsten chronischen Krankheiten im Kindes- und Erwachsenenalter dar. Fast ein Prozent der Bevölkerung ist von Epilepsie betroffen – in der Schweiz sind das rund 80 000 Menschen, davon etwa 15 000 Kinder. Fünf bis zehn Prozent aller Menschen erleiden in ihrem Leben einen epileptischen Anfall. Bei Kindern und Jugendlichen ist Epilepsie die häufigste chronische neurologische Erkrankung mit teilweise wesentlichem Einfluss auf die Lebensqualität nicht nur der Kinder, sondern auch deren Familien. Ich bin daher sehr froh, dass in dieser Ausgabe umfassend auf das gesamte Gebiet der Epilepsien im Kindes- und Jugendalter von der Klassifikation und korrekten diagnostischen Einordnung bis hin zu den modernsten Therapieformen eingegangen wird.
Diagnostik der Epilepsie
Die diagnostischen Möglichkeiten zur Abklärung eines erstmaligen anfallsartigen Ereignisses oder einer unklaren Episode mit Bewusstseinsveränderung oder neurologischen Defiziten sowie bei einer Veränderung der Anfallsart bei einer bekannten Epilepsie werden immer vielfältiger. Entsprechend bedeutend sind – wie in den meisten medizinischen Feldern – eine sorgfältige Anamnese und eine genaue klinische Untersuchung zur Eingrenzung der möglichen Differenzialdiagnosen und Evaluation weiterer Diagnostik.
Epilepsien im Kindes- und Jugendalter
Im Kindes- und Jugendalter ist Epilepsie keine seltene Erkrankung, in Industrieländern erkranken im Mittel 50 von 100 000 Kindern jedes Jahr neu daran. Ursachen sind oft genetisch, aber auch strukturell und manchmal unbekannt. Entsprechend variieren Anfallsformen, Verlauf und Prognose. Die Behandlung von kindlichen Epilepsien erfordert eine genaue Diagnosestellung, angemessene medikamentöse Therapien und eine gesamtheitliche, gegebenenfalls interdisziplinäre Betreuung des Kindes und seiner Familie. Ausserdem können alternative therapeutische Massnahmen wie eine ketogene Ernährungstherapie oder ein epilepsiechirurgischer Eingriff in therapieschwierigen Fällen erwogen werden.
ADHS und Epilepsie – Potenziale erschliessen: Behandlung von ADHS-ähnlichen kognitiven Symptomen bei Epilepsie
Die Beziehungen zwischen Epilepsie, ADHS und ihren Symptomen sind enger und komplexer als es auf den ersten Blick scheint. So haben Kinder mit ADHS vom unaufmerksamen Subtyp (ADS) ein etwas höheres Risiko, eine Epilepsie zu entwickeln als Kinder ohne diese Diagnose. Umgekehrt leiden Epilepsiepatienten bis zu fünfmal häufiger an ADHS-ähnlichen Symptomen als Menschen ohne Epilepsie (1).
Die Rolle der Folsäuretherapie in der Epilepsiebehandlung
Die Folsäuresupplementierung vor und während der Schwangerschaft hat einen wichtigen Stellenwert im Hinblick auf eine gesunde Kindsentwicklung. Die richtige Dosierung für Patientinnen mit Epilepsie wird nun aufgrund einer aktuellen Studie in Frage gestellt, wobei wir mit dieser Literaturaufstellung versuchen, anhand der aktuellen Evidenzen eine mögliche Entscheidungshilfe zu geben.
MS-Symposium – Kognitive Störungen bei MS relevant
Bis zu 95% der Patienten mit Multiple Sklerose (MS) entwickeln neuropsychiatrische Symptome, wie Fatigue, Depression/Ängstlichkeit. Bei bis zu 50% der MS-Patienten treten auch kognitive Störungen auf, was zu Berufsunfähigkeit und zu einer schwindenden Fahreignung führen kann. Wie kognitive Störungen bei diesen Patienten getestet werden können und was gegen die Progression helfen kann, erläuterte Prof. Iris-Katharina Penner, Leiterin der universitären Neuropsychologie am Inselspital Bern.
Wann Biosimilars einsetzen? – «Es gibt keinen Grund, nicht umzustellen»
Biosimilars sind wie Generika, jedoch mit einem entscheidenden Unterschied: Weil Biologika aus Proteinen bestehen, können Biosimilars nicht identisch, sondern ihnen nur ähnlich sein. Trotzdem können sie als Ersatz für die Biologika bedenkenlos eingesetzt werden. Warum das so ist, erklärte der auf Biochemie und Molekularbiologie spezialisierte Pharmazeut und Verfasser zahlreicher Lehrbücher in Pharmazeutischer Biologie Prof. Theodor Dingermann, Frankfurt, an der Fortbildungsveranstaltung NeuroLive.
Wie wirksam ist welche Bewegungsform bei Morbus Parkinson?
Weitere Themen:
– Modifizierte Atkins-Diät hilfreich bei Epilepsie-Therapie
– Neue S2k-Leitlinie «Diagnostik und Therapie myasthener Syndrome»
In diesem Heft
Psychiatrie: junge Psychiater
Editorial
Fortbildung
- Internet Gaming Disorder und Stress
- Transkulturelle Aspekte von Essstörungen – ein Beispiel für den Beitrag der Sozialwissenschaften zu Forschung und klinischer Praxis
- Der Einfluss von sozialer Identität, kollektiver Wirksamkeit und positiver Devianz auf die Auswirkungen der psychischen Gesundheit im Zusammenhang mit dem Klimawandel
- Komorbiditäten bei Jugendlichen im Transitionsalter mit Substanzkonsumstörungen – ein Überblick
- Microstates als Marker im EEG bei Psychoserisiko und Erstpsychose
- Interview mit Fabian Kraxner: «Der Psychiater trägt eine grosse Verantwortung»
- 31. EFPT-Forum 2023 in Zürich: «Making YOUR mental health a priority»
- Global Mental Health: Psychiatrie im grossen Blickwinkel
- Congrès Mondial de Psychothérapie au Maroc: «Psychothérapie et Santé Publique dans le monde en 2023»
Neurologie: Epilepsie
Editorial
Fortbildung
- Diagnostik der Epilepsie
- Epilepsien im Kindes- und Jugendalter
- ADHS und Epilepsie - Potenziale erschliessen: Behandlung von ADHS-ähnlichen kognitiven Symptomen bei Epilepsie
- Die Rolle der Folsäuretherapie in der Epilepsiebehandlung
Kongress aktuell
- MS-Symposium - Kognitive Störungen bei MS relevant
- Wann Biosimilars einsetzen? - «Es gibt keinen Grund, nicht umzustellen»