CongressSelection 10/2019
Die Zeit ist reif für Veränderungen
Interview mit Prof. Roger Lehmann
Am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) gab es für die 14 500 Teilnehmer 163 Vorträge und über 1200 Abstracts. Welche von diesen Neuigkeiten Auswirkungen auf die klinische Praxis in der Diabetestherapie haben werden, erklärt Prof. Roger Lehmann, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und klinische Ernährung im Universitätsspital Zürich, im Interview.
Welche klinisch relevanten Unterschiede es gibt
GLP-1-Rezeptor-Agonisten im Vergleich
Bei den neuen Antidiabetikaklassen scheint die Geschichte noch nicht zu Ende geschrieben zu sein. Wer hätte vor wenigen Jahren gedacht, dass sich SGLT2-Hemmer und GLP-1-Rezeptor-Agonisten nicht nur zur Blutzuckersenkung eignen? Bei Letzteren gibt es innerhalb der Klasse klinisch relevante Unterschiede, die Prof. Michael Nauck vom Diabeteszentrum Bochum-Hattingen, St. Josephs-Hospital Bochum (D), im Licht der aktuellen Studien am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) in Barcelona einordnete.
DPP-4-Hemmer gleich sicher wie Sulfonylharnstoff
CAROLINA-Studie
Seit der Publikation des University Group Diabetes Program (UGDP) 1970 haben Sulfonylharnstoffe den Ruf, die kardiovaskuläre Mortalität zu erhöhen. Ob dem wirklich so ist, wurde in der Vergangenheit weder bestätigt noch widerlegt. Die CAROLINA-Studie, die am diesjährigen Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) vorgestellt wurde, konnte nun den Gegenbeweis antreten.
Hoffnung für Typ-2-Diabetes-Patienten mit Nierenerkrankung
Multipotente SGLT2-Hemmer
Die Typ-2-Diabetes-Erkrankung hat zerstörerische Folgen. Sie erhöht erstens das Risiko für atherosklerotisch bedingte Herzerkrankungen wie Myokardinfarkt, Hirnschlag oder kardiovaskulären Tod, sie führt zweitens häufig zu einer Herzinsuffizienz und ist drittens die häufigste Ursache für eine fortschreitende Nephropathie. Bei den ersten beiden Konsequenzen haben SGLT2-Hemmer bereits eindrückliche Risikoreduktionen zeigen können. Den dritten Punkt scheint diese Substanzklasse mit der Präsentation der Ergebnisse der CREDENCE-Studie am EASD-Kongress nun auch abmildern zu können.
Weniger Hypoglykämien mit lang wirksamem Insulin
Neue Insulingeneration
Weltweit leiden etwa 425 Millionen Menschen an Diabetes, davon etwa 406 Millionen an Typ-2-Diabetes. Die Insulinanwendung unter den Typ-2-Diabetikern steigt stetig. Mit den modernen Basalinsulinen ist deren Handhabung einfacher geworden. Über Gemeinsamkeiten und Unterschiede berichtete Dr. Athena Philis-Tsimikas, Scripps Whittier Diabetes Institute, La Jolla (USA), am EASD-Kongress.
Frühe DPP-4-Kombination bewirkt anhaltenden Effekt
VERIFY-Studie
Abzuwarten und sequenziell zu behandeln, scheint beim Typ-2-Diabetes die schlechtere Wahl für die Langzeitprognose zu sein. Die am EASD-Kongress präsentierte, fünf Jahre dauernde, multizentrische VERIFY-Studie demonstrierte, dass bei neu diagnostizierten Typ-2-Diabetikern eine frühe Kombination von Metformin mit Vildagliptin zu einer besseren Langzeitblutzuckerkontrolle führt als Metformin allein.
Kombination kontrolliert den Blutzucker länger
DUAL-VIII-Studie
Eine langfristig gute Blutzuckerkontrolle bei Patienten mit Typ-2-Diabetes ist im Kampf gegen die Entstehung von vaskulären Komplikationen zentral. Genügen orale Antidiabetika nicht mehr, braucht es eine blutzuckersenkende Injektionstherapie mit möglichst dauerhafter Wirkung. Mit einer Kombination aus einem Basalinsulin und einem GLP-1-Rezeptor-Agonisten kann der Blutzuckerzielwert schnell erreicht und lange gehalten werden, bis es einer Intensivierung der Therapie bedarf. Das zeigte die DUAL-VIII-Studie, die den Langzeiteffekt der Kombination Insulin degludec/Liraglutide mit Insulin glargin U100 verglich.
Herzschutz auch ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung
REWIND-Studie mit GLP-1-Rezeptor-Agonist
In der bisher längsten kardiovaskulären Outcomestudie REWIND mit einem Antidiabetikum zeigte der GLP-1-Rezeptor-Agonist Dulaglutide eine signifikante Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen bei Typ-2-Diabetikern mit und ohne klinisch manifeste kardiovaskuläre Erkrankung. Am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) wurde die Studie vorgestellt.
Der kardiologische Nabel der Welt war Paris
Interview mit Prof. Marco Roffi
Einen europäischen Kardiologiekongress inhaltlich so vorzubereiten, dass er für möglichst viele der über 33 500 Teilnehmer, die aus 86 Ländern nach Paris strömten, ein Optimum bietet, ist eine grosse Leistung. Diese vollbrachte in diesem Jahr Prof. Marco Roffi vom Universitätsspital Genf zusammen mit Prof. Silvana Priori aus Pavia (I) und einem achtzigköpfigen Team. Die wichtigsten Eckpunkte des Programms skizzierte Roffi im Interview.
Stabile KHK heisst neu chronisches Koronarsyndrom
Neue ESC-Guideline
Die European Society of Cardiology (ESC) hat in ihren aktualisierten Guidelines die stabile koronare Herzkrankheit in chronisches Koronarsyndrom (CCS) unbenannt. Mit dem neuen Begriff soll dem progredienten Verlauf der Erkrankung bei klinischen Ausprägungen besser Rechnung getragen werden. Prof. Juhani Knuuti, Turku University Hospital (FIN), hat die neue Guideline am ESC-Kongress vorgestellt.
Die LDL-C-Zielwerte wurden reduziert
Neue Lipid-Guidelines bei zu hohem Cholesterinwert
Die LDL-C-Werte sollten so tief wie möglich gesenkt werden. Bei Patienten mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko beträgt der Zielwert neu 1,4 mmol/l. Das ist einer der Kernpunkte der neuen Guidelines der European Society of Cardiology (ESC) und der European Atherosclerosis Society (EAS) zum Management der Dyslipidämie, die am diesjährigen ESC-Kongress in Paris vorgestellt wurde.
Bei der Behandlung der Lipide nicht zu viel Zeit verlieren
Interview mit Prof. Dr. med. Isabella Sudano, Universitätsspital Zürich
In diesem Jahr fand der jährliche Kongress der European Society of Cardiology zusammen mit demjenigen der World Society of Cardiology statt – diese Kombination erlaubte beizeiten einen etwas anderen Blickwinkel. Wir sprachen mit Prof. Dr. med. Isabella Sudano, Leiterin der Hypertonie-, Lipid- und Tabakentwöhnungssprechstunde am Universitätsspital Zürich, über ihre Kongresshöhepunkte und die Bedeutung der neuen Dyslipidämie-Guidelines.
Monotherapie scheint sicherer als Kombination
Antithrombotische Therapie bei stabiler KHK plus Vorhofflimmern
Bei Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK) und Vorhofflimmern ist die Wahl der wirksamsten antithrombotischen Therapie eine Herausforderung. Denn es soll bei maximaler Prävention von thrombotischen Ereignissen ein möglichst tiefes Blutungsrisiko erreicht werden. Dass ein Jahr nach einer Revaskularisation die empfohlene Monotherapie mit einem Antikoagulans besser vor kardiovaskulären Ereignissen und Hirnschlag schützt als die weitverbreitete Weiterführung mit einer Plättchenhemmerkombination, darauf weist die vorzeitig abgebrochene AFIRE-Studie hin.
Wichtige Ergebnisse für die Herzinsuffizienztherapie
ESC-Highlight-Studien
Am diesjährigen ESC-Kongress wurde mit der Präsentation der DAPA-HF-Studie wieder einmal ein Meilenstein gesetzt. Erstmals hat ein SGLT2-Hemmer mit dem Dapagliflozin bewiesen, dass sich damit die herzinsuffizienzbedingten Hospitalisationen und Todesfälle bei Patienten mit und auch ohne Diabetes reduzieren lässt. Eine weitere Studie hat die Frage beantwortet, ob für Patienten mit erhaltener Auswurffraktion endlich eine Therapie zur Verfügung stehen wird.
ESC – Kurzmeldungen
55. Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) - 16.-20. September 2019 in Barcelona
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- Herzschutz auch ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung
Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) 2019 - 31.08. - 04.09.09 in Paris
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