Zum 190. Geburtstag von Gottfried Keller
Die Zeit geht nicht …
Die Zeit geht nicht, sie stehet still, Wir ziehen durch sie hin; Sie ist die Karawanserei, Wir sind die Pilger drin.
Ein Etwas, form- und farbenlos, Das nur Gestalt gewinnt,
Wo ihr drin auf und nieder taucht, Bis wieder ihr zerrinnt.
Es blitzt ein Tropfen Morgentau Im Strahl des Sonnenlichts; Ein Tag kann eine Perle sein Und ein Jahrhundert nichts.
Es ist ein weisses Pergament Die Zeit, und jeder schreibt Mit seinem roten Blut darauf, Bis ihn der Strom vertreibt.
An dich, du wunderbare Welt, Du Schönheit ohne End‘,
Auch ich schreib‘ meinen Liebesbrief Auf dieses Pergament.
Froh bin ich, dass ich aufgeblüht In deinem runden Kranz;
Zum Dank trüb‘ ich die Quelle nicht Und lobe deinen Glanz.