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KONGRESSBERICHT
Jahreskongress der European Society of Medical Oncology (ESMO), virtuell, September 2021
Gynäkologische Malignome
Neue Strategien für rezidivierte Eierstockkarzinome
Bei rezidiviertem Ovarialkarzinom hat die erneute Behandlung mit dem PARPHemmer Olaparib nach einer Erhaltungstherapie ein signifikant verlängertes progressionsfreies Überleben (PFS) (verglichen mit Plazebo) gezeigt, so eine randomisierte Phase-III-Studie (1). Interessant: Diesen Überlebensvorteil hatten sowohl Patientinnen mit BRCA1/2-mutierten als auch diejenigen mit nicht BRCA1/2mutierten Tumoren. Eine weitere Studie wies die Bedeutung der HRR (= homologe Rekombinationsreparatur) als Biomarker nach (2).
Immer häufiger erhalten Patientinnen mit epithelialem Ovarialkarzinom einen PARPHemmer als Upfront-Therapie, seitdem mehrere klinische Studien hohe Wirksamkeit gezeigt haben. Beispielsweise verlängerte Olaparib die Zeit bis zum Rezidiv bei BRCA1/2-mutierten Tumoren und Niratinib das PFS unabhängig vom homologen Rekombinationsreparationsstatus. Die Erhaltung der Platinsensitivität bei Patientinnen mit Krankheitsprogression unter oder nach PARP-Hemmer-Erhaltungstherapie bleibt aber weiterhin eine Herausforderung.
Studie OReO/ENGOT Ov-38
Diese randomisierte, doppelblinde Studie untersuchte als erste Phase-III-Studie die erneute PARP-Hemmer-Gabe nach Erhal-
tungstherapie (1): Die Patientinnen mit platinsensitivem epithelialem Eierstockkrebs, welche vorgängig bereits eine PARP-Hemmer-Erhaltungstherapielinie hatten, wurden im Verhältnis 2:1 für Olaparib oder Plazebo randomisiert, und das bis zur Krankheitsprogression. Von den eingeschlossenen 220 Frauen hatten 112 eine BRCA1/2-mutierte und 108 keine solche Erkrankung. Fast alle Patientinnen (93% bzw. 86%) waren mit mehr als drei Chemotherapielinien schwer vorbehandelt. Die mittlere Dauer der vorhergegangenen PARP-Hemmer-Therapie war bei denjenigen mit BRCA1/2-Mutation deutlich länger (18,3–21,2 Monate) als bei den anderen (12,4–12,6 Monate). Primärer Endpunkt war das durch die Prüfärzte bestimmte PFS.
Resultate: signifikant verlängertes PFS nach starker Vorbehandlung In der Gruppe der Frauen mit BRCA1/2Mutation (n = 112) lebten 35% unter Olaparib progressionsfrei nach 6 Monaten, unter Plazebo nur 13%. Nach 12 Monaten waren 13% versus 0% noch ohne Krankheitsprogression. Auf den ganzen Studienzeitraum bezogen betrug das mediane PFS 4,3 Monate, unter Plazebo nur 2,8 Monate (Hazard Ratio: 0,57; 95%KI: 0,37-0,87). In der Gruppe der Frauen ohne BRCA1/2-Muation lebten nach 6 Monaten 30% progressionsfrei unter Olaparib (7% unter Plazebo) und nach 12 Monaten 14% (bzw. 0%). Die mediane PFS-Dauer betrug bei diesen Patientinnen 5,3 Monate unter Olaparib (vs. 2,8) (HR: 0,43; 95%-KI: 0,26–0,71). Die Nebenwirkungen von Grad 3 und 4 waren erwartungsgemäss häufiger unter dem Verum (bei 15% vs. 5% bei BRCA1/2-Mutation und bei 21% vs. 8% ohne Mutation), auch war die Abbruchrate unter Olaparib höher (3% bzw. 1% vs. 0%). Bei Betrachtung dieser Resultate sei bemerkenswert, dass die Patientinnen
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schwer vorbehandelt gewesen seien und dass ein grösserer Teil der Frauen unter der erneuten Olaparib-Therapie einen Langzeitnutzen gehabt habe. Hinzu komme, dass nicht nur diejenigen mit BRCA1/2-Mutation profitiert hätten, so die Autoren.
Biomarkeranalysen zur Rolle des homologen Rekombinationsdefizits
Seit einiger Zeit ist bekannt, dass das Vorhandensein eines HRD (homologen Rekombinationsdefizits) mit verbesserter Wirksamkeit der PARP-Hemmer-Therapie assoziiert ist; allerdings ist die Interaktion zwischen HRD und der kombinierten PARP-Hemmer-Behandlung unklar. Swicher und Kollegen unternahmen verschiedene HRD-Messungen und setzten diese mit den klinischen Resultaten der Phase-III-Studie NRG-GY004 in Beziehung (2). Diese randomisierte Studie verglich die Zugabe von Olaparib (Kohorte A) versus Cediranib und Olaparib (Ko-
horte B) zur platinbasierten Chemotherapie bei Patientinnen mit rezidiviertem platinsensitivem Ovarialkarzinom. Mit einem zielgerichteten Next-Generation-Sequenz-Assay bestimmten sie Mutationen in DNA-Repair- oder assoziierten Genen auf der Keimbahn und der Tumor-DNA und setzten diese in Beziehung zu den klinischen Ergebnissen und der homologen Rekombinationsreparatur (HRR) bei BRCA1/2-Wildtyp (wt) und -Mutation (m). Hier fanden sie, dass HRRwt prognostisch ist. Prädiktiv war der HRR-Status für das Ansprechen von Olaparib versus Chemotherapie.
Ermutigende erste Ergebnisse unter RAF/MEK- plus FAK-Hemmer
Eine Phase-I-Studie untersuchte die Gabe des RAF/MEK-Hemmers VS-6766 plus des FAK-Hemmers Defactinib bei serösem Low-Grade-Ovarialkarzinom (3), da diese Tumoren kaum auf konventionelle Chemotherapien ansprechen. Die
25 eingeschlossenen Patientinnen (mitt-
leres Alter 57 Jahre) waren stark vorbe-
handelt. Die Gesamtansprechrate betrug
46%, bei Patientinnen mit KRAS-Muta-
tion 64%. Das mediane PFS im Gesamt-
kollektiv betrug 23 Monate, 13 von 24
Patientinnen waren bei Studienende
noch unter Therapie. Die Kombination
zeigte Wirksamkeit bei toleriertem Ne-
benwirkungsprofil und wird weiter unter-
sucht.
n
Bärbel Hirrle
Quellen: 1. Pujade-Lauraine E.: Maintenance olaparib rechallenge in patients (pts) with ovarian carcinoma (OC) previously treated with a PARP inhibitor (PARPi): Phase IIIb OReO/ENGOT Ov-38 trial. ESMO Congress 2021, Abstract LBA33. 1a: Report im ESMO «Daily Reporter» 2021 zur Studie. 2. Swisher E et al.: Association of homologous recombination deficiency (HRD) with clinical outcomes in a phase III study of olaparib or cediranib and olaparib compared to platinum-based chemotherapy in recurrent platinum-sensitive ovarian cancer (PSOC): Biomarker analyses from NRG-GY004. ESMO Congress 2021, Abstract LBA34. 3. Banerjee S et al.: Phase I study of the combination of the dual RAF/MEK inhibitor VS-6766 and the FAK inhibitor defactinib: Results of efficacy in low grade serous ovarian cancer. ESMO Congress 2021, Abstract 725MO.
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