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KONGRESSBERICHT
Jahreskongress der European Society of Medical Oncology (ESMO), virtuell, September 2021
Fortgeschrittener Brustkrebs
Änderung der klinischen Praxis bei HER2-positiven Karzinomen in Sicht
Bei metastasiertem HER2-positivem, vorbehandeltem Mammakarzinom zeigten 2 Phase-III-Studien ein jeweils signifikant verlängertes progressionsfreies Überleben (PFS) unter neuen Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten: Verglichen mit Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) (medianes PFS 6,8 Monate), wurde unter TrastuzumabDeruxtecan (T-DXd) das PFS so weit verlängert, dass die Grenze im Studienzeitraum nicht erreicht wurde (Hazard Ratio: 0,289). Vorläufige Studienergebnisse ergaben unter Trastuzumab-Duocarmazin, verglichen mit Chemotherapie, ein medianes PFS von 7,0 versus 4,9 Monate (HR: 0,64).
«Die Ergebnisse der beiden Phase-IIIStudien werden die klinische Praxis bei HER2-positiven, metastasierten Brustkarzinomen ändern», folgerte der Kommentator Dr. med. Aditya Bardia, Boston, auf dem Presidential Symposium 1 am ESMO-Kongress 2021. Das Interesse am Einsatz neuer Antikörper-WirkstoffKonjugate werde weiter steigen, und Resistenzmechanismen würden Untersuchungsgegenstand für innovative Therapiesequenzen sein, so Bardia.
DESTINY-BREAST03-Studie
Die offene, randomisierte, multizentrische Phase-III-Studie (1) verglich die (u. a. in der EU bereits zugelassene) Substanz Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) mit Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) bei Patientinnen, die mit Trastuzumab und einem Taxan mindestens 2-mal vorbehandelt waren. Primärer Endpunkt war das durch ein unabhängiges Komitee gemessene PFS. Zu den sekundären Endpunkten gehörten das Gesamtüberle-
Fortgeschrittener, HER2-negativer Brustkrebs
Langzeitstudie zeigt signifikanten Überlebensvorteil unter Ribociclib plus Letrozol
Bei Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem, HER2-negativem (HR+/HER2–) fortgeschrittenem Brustkrebs hat sich bestätigt, dass die Hinzunahme des CDK4/6-Hemmers zur endokrinen Therapie in der Erstlinie lebensverlängernd wirkt. In der MONALEESA-2-Studie mit einem mittleren Follow-up von über 6,5 Jahren zeigte sich jetzt eine geschätzte 6-Jahres-OS-Rate von 44,2% gegenüber 32% und eine klinisch und statistisch signifikante Verlängerung des OS.
Die Phase-III-Studie verglich bei 668 Patientinnen mit fortgeschrittenem, HR+/HER2– Mammakarzinom als Erstlinientherapie die Kombination Ribociclib/Letrozol mit Plazebo/Letrozol. In einer früheren Auswertung hatte sich bereits eine signifikante Verbesserung des PFS (HR: 0,56; 95%-KI: 0,43–0,72) ergeben. Beim ESMO-Kongress 2021 wurde nun die finale Analyse OS nach präspezifizierten 400 Todesfällen im Gesamtkollektiv präsentiert. Zum Cut-off-Datum (10.6.2021) lebten noch 47 Patientinnen (9,0% vs. 5,1%). Das mediane Follow-up betrug 79,7 Monate (also mehr als 6,5 Jahre). Die Analyse zeigte ein signifikant verlängertes OS von 63,9 Monaten unter der Studienkombination versus 51,4 Monate unter der alleinigen Letrozol-Therapie (HR: 0,76; 95%-KI: 0,63–0,93). Die Zeit bis zum Einsatz der Chemotherapie war unter Ribociclib/Letrozol ebenfalls verlängert (50,6 vs. 38,9 Monate; HR: 0,74), ebenso das Chemotherapie-freie Überleben (median: 39,9 vs. 30,1 Monate; HR: 0,74). Es zeigten sich keine Änderungen im Verträglichkeitsprofil. Die Studienärzte betonen, dass es sich um die erste Studie handle, die eine signifkante OS-Verlängerung unter einem CDK4/6-Hemmer in der Erstlinientherapie gezeigt habe. hir
Quelle: Hortobagyi G et al.: Overall survival (OS) results from the phase III MONALEESA-2 (ML-2) trial of postmenopausal patients (pts) with hormone receptor positive/human epidermal growth factor receptor 2 negative (HR+/HER2–) advanced breast cancer (ABC) treated with endocrine therapy (ET) ± ribociclib (RIB). ESMO Congress 2021, Abstract LBA17_PR.
ben (OS), die Gesamtansprechrate, die Ansprechdauer und die Sicherheit. 524 Patientinnen im Durchschnittsalter von 54 Jahren wurden im Verhältnis 1:1 randomisiert. Die Auswertung der medianen PFS-Daten zeigte eine HR von 0,2840 (0,22–037), wobei das PFS unter T-DXd nicht erreicht war (vs. 6,8 Monate unter T-DM1). Die mediane 12-MonatsPFS-Rate betrug 75,8% unter T-DXd versus 34,1% unter T-DM1, was mehr als einer Verdopplung entspricht. Das geschätzte 12-Monats-OS betrug 94,1% für T-DXd und 85,9% für T-DM1 (HR: 0,5546), die Unterschiede erreichten aber nicht die prädefinierte Signifikanzgrenze. Die durchschnittliche Therapiedauer betrug 14,3 versus 6,9 Monate. Die therapiebedingten Nebenwirkungen beider Medikamente waren insgesamt ähnlich, nur die interstitielle Lungenerkrankung (10,5%; meist leicht: Grade 1 und 2: 9,7%) war unter T-DXd häufiger (vs. 1,9 unter T-DM1). Die Studienleiter folgerten, dass mit T-DXd eine hochsignifikante und klinisch bedeutsame Verbesserung des PFS und ein deutlich verlängertes OS bei Frauen mit vorbehandeltem, HER2-positivem, metastasiertem Brustkrebs erreicht worden sei.
SYD985.002/TULIP-Studie
Diese multizentrische Phase-III-Studie in 11 Ländern (2) verglich das neue Antikörper-Wirkstoff-Konjugat TrastuzumabDuocarmazin mit Chemotherapie (diese nach Wahl des Prüfarztes) – ebenfalls bei mindestens 2-fach vorbehandelten Patientinnen (bzw. vorheriger T-DM1-Behandlung) mit HER2-positivem, metastasiertem Brustkrebs. Die Patientinnen wurden im Verhältnis 2:1 für die Gabe von Trastuzumab-Duocarmazin respektive Chemotherapie randomisiert. Primärer Endpunkt war das von einem zentralen Komitee gemessene PFS. Sekundäre Endpunkte waren das von Prüfärzten gemessene PFS, das OS, die Gesamtansprechrate sowie die Lebensqualität.
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KONGRESSBERICHT
Jahreskongress der European Society of Medical Oncology (ESMO), virtuell, September 2021
Die aktuellen (präsentierten) Resultate: 437 Patientinnen (n = 291 bzw. 146) waren eingeschlossen, median 56 Jahre alt und im Schnitt 4-mal (Spanne: 2–16) vorbehandelt. Das mediane, zentral bestimmte PFS betrug unter dem Studienmedikament 7,0 Monate (95%-KI: 5,4–7,2) versus 4,9 Monate (4,0–5,5) und war damit signifikant verbessert (HR: 0,64; 0,49– 0,84). Die Studienärzte massen ein PFS mit einer Dauer von 6,9 (vs. 4,6) Monaten (HR: 0,60; 0,47–0,77). Die erste Analyse zum OS der stark vorbehandelten Patientinnen fiel ebenfalls
deutlich zugunsten der Studiengruppe aus; die HR betrug 0,83 (0,62–1,09). Keine signifikanten Unterschiede wurden bei der Gesamtansprechrate und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität gesehen. Unter dem Studienmedikament waren Konjunktivitis (38,2%), Keratitis (38,2%) und Fatigue (33,3%), unter Chemotherapie Diarrhö (35,8%), Nausea (31,4%) und Fatigue (29,9%) die häufigsten Nebenwirkungen. Interstitielle Lungenerkrankung und Pneumonitis wurden bei 7,6% (meist leicht) unter TrastuzumabDuocarmazin beobachtet.
Die Studienärzte folgerten, dass das Medikament eine neue Option für Drittoder auch Zweitlinientherapien darstelle und weiter untersucht werden sollte. n
Bärbel Hirrle
Quellen: 1. Cortés J. et al.: Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd) vs trastuzumab emtansine (T-DM1) in patients (Pts) with HER2+ metastatic breast cancer (mBC): results of the randomized phase 3 DESTINY-Breast03 Study. ESMO Congress 2021, Abstract LBA1 sowie Mediendokumentation der ESMO 2021. 2. Saura Manich C.: Primary outcome of the phase III SYD985.002/TULIP trial comparing [vic-]trastuzumab duocarmazine to physician’s choice treatment in patients with pre-treated HER2-positive locally advanced or metastatic breast cancer. ESMO Congress 2021, Abstract LBA15.
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