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KONGRESSBERICHT
Gynäkologie Update Refresher, 8. Mai 2021, virtuell
Schwangerschaftserbrechen
Neue Aspekte im Management
Übelkeit und Erbrechen sind in der Schwangerschaft keine Seltenheit. Ein Update zum Vorgehen bei physiologischem Erbrechen respektive Hyperemesis gravidarum gab Prof. Daniel Surbek, Bern, anlässlich eines Satellitensymposiums im Rahmen des FOMF Gynäkologie.
Bei bis zu 80 Prozent der Schwangeren kommt es zu Nausea mit gelegentlichem Erbrechen (NES). Bei Bedarf kann behandelt werden, maternale oder fetale Komplikationen sind hierbei nicht bekannt. Eine Hyperemesis gravidarum (HG), ein Erbrechen jenseits des physiologischen Rahmens, kommt bei etwa 2 bis 3 Prozent aller Schwangeren vor. Eine Klassifikation der Beschwerden ist via PUQEScore einfach möglich (siehe Kasten). Das anhaltende Erbrechen bei HG birgt das Risiko für metabolische und endokrine Entgleisungen. So kann sich beispielsweise aus einem Vitamin-B-KomplexMangel eine Wernicke-Enzephalopathie entwickeln mit der Gefahr für einen intrauterinen Fruchttod, und eine nicht korrigierte Hyponatriämie (Na < 120 nmol/l) kann zu Lethargie, Krämpfen oder gar einem Atemstillstand führen. Wichtig zu eruieren sei, ob eine psychosomatische Begleitung notwendig wäre, so Surbek, denn eine psychische Dekompensation könne zum Abbruch der Schwangerschaft oder zur Suizidalität führen. Man sollte bei der Betreuung Betroffener zudem im Hinterkopf behalten, dass die Inzidenz für eine spätere Präeklampsie, intrauterine Wachstumsrestriktionen und eine Frühgeburtlichkeit leicht erhöht sei. Therapieoptionen bei NES erweitert Bei NES stehen zunächst nicht medikamentöse Methoden im Vordergrund. Dazu zählen Akupressur (Akupressurpunkt P6, mit 3 Fingern massieren, 2 bis 3 Umdrehungen für 5 Minuten vor dem Essen und bei Übelkeit), Aromatherapie (Grapefruit, Zitrone), Ingwerkapseln (Zintona®) sowie das Ausschalten der Trigger. Eisenhaltige Präparate sollten zumindest pausiert werden. Sollte das nicht ausreichen, stehen Antihistaminika (1. Wahl) oder Dopaminantagonisten (2. Wahl) zur Verfügung. Letztere seien in diesem Zusammenhang weniger gut geprüft, wie Surbek anmerkte. Für die symptomatische Behandlung von NES steht mit der Kombination aus Doxylamin und Pyridoxin (Cariban®) seit Kurzem ein eigens dafür indiziertes Antihistaminikum zur Verfügung. Klinische Studien dazu begannen bereits in den 1950er-Jahren mit verschiedenen Produktformulierungen. Die jüngsten Studien von Koren et al. wurden ab 2010 publiziert, Wirksamkeit und Sicherheit seien für diese Kombination gut belegt (1–6), wie Surbek ausführte. Auch für die Kombination von Meclozin, Pyridoxin und Koffein (Itinerol B6®) sei die Wirksam- Pregnancy-Unique Quantification of Emesis (PUQE) Übelkeit in den letzten 24 Stunden (h) Keine ≤ 1 2–3 4–6 > 6
Punkte: 1
2 3 4 5
Erbrechen in den letzten 24 Stunden (h)
0
1–2 ×
3–4 ×
5–6 ×
≥7
Punkte: 1
2 3 4 5
Würgereiz, Aufstossen in den letzten 24 Stunden (h)
0
1–2 ×
3–4 ×
5–6 ×
≥7
Punkte: 1
2 3 4 5
Milde NES: 4–6 Punkte; mittelgradige NES: 7–12 Punkte; schwere NES/HG: ≥ 13 Punkte nach Ebrahimi N et al.: J obstet Gynaecol Can. 2009;31(9):803-807.
Punkte Total
keit belegt, aber es lägen weniger Daten vor, ausserdem enthalte die Kombination Koffein. Und zum mütterlichen Koffeingenuss während der Schwangerschaft gibt es gleich zwei aktuelle Studien: Die eine zeigt, dass ein Koffeingenuss sogar in geringeren Dosen als den empfohlenen 200 m g/Tag mit einem niedrigeren Geburtsgewicht einherging (7). Die andere kommt zu dem Schluss, dass die wissenschaftliche Evidenz nahelege, schwangeren Frauen vom Genuss von Kaffee abzuraten (8).
Behandlung von HG
Patientinnen mit HG bedürfen unter Um-
ständen einer stationären Behandlung
(Kontrolle von Leber, Niere, Schilddrüse,
Elektrolyt- sowie Vitaminstatus) sowie ei-
ner Infusionstherapie mit Elektrolytsubs-
titution. Vitamine (vor allem Vitamin-B-
Komplex) müssen allenfalls substituiert
werden. Serotoninantagonisten und Glu-
kokortikoide sollten ausschliesslich bei
schwerer therapieresistenter HG zur
Anwendung kommen. Aufgrund eines
leicht erhöhten teratogenen Risikos
(Lippen-Kiefer-Gaumenspalten) insbe-
sondere bei peroraler Gabe sollte der
Einsatz von Ondansetron zurückhaltend
und nur in therapieresistenten Fällen er-
folgen, wie Surbek empfahl (9).
n
Mü Quelle: «Neue Aspekte im Management von Nausea/Emesis und Hyperemesis gravidarum», Symposium mit Unterstützung von Effik im Rahmen des Gynäkologie Update Refreshers, 8. Mai 2021. Effik unterstützte die Berichterstattung ohne inhaltliche Einflussnahme.
Referenzen: 1. McGuinness BW et al.: Debendox in pregnancy sickness. J R Coll Gen Pract. 1971;21(109):500-503. 2. Geiger CJ et al.: Bendectin in the treatment of nausea and vomiting in pregnancy. Obstet Gynecol. 1959;14:688-690. 3. Koren G et al.: Effectiveness of delayed-release doxylamine and pyridoxine for nausea and vomiting of pregnancy: a randomized placebo controlled trial. Am J Obstet Gynecol 2010;203:571.e1-7. 4. Koren G et al.: Demonstration of early efficacy results of the delayed-release combination of doxylamine-pyridoxine for the treatment of nausea and vomiting of pregnancy. BMC Pregnancy Childbirth. 2016;16(1):371. 5. Nuangchamnong N et al.: Doxylamine succinate-pyridoxine hydrochloride (Diclegis) for the management of nausea and vomiting in pregnancy: an overview. Int J Womens Health. 2014;6:401-409. 6. Nulman I et al.: Long-term neurodevelopment of children exposed to maternal nausea and vomiting of pregnancy and diclectin. J Pediatr. 2009;155(1):45-50.e502.
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7. Gleason JL et al.: Association Between Maternal Caffeine Consumption and Metabolism and Neonatal Anthropometry: A Secondary Analysis of the NICHD Fetal Growth Studies-Singletons. JAMA Netw Open. 2021;4(3):e213238. 8. James JE: Maternal caffeine consumption and pregnancy outcomes: a narrative review with implications for advice to mothers and mothers-to-be. BMJ Evid Based Med. 2021;26(3):114-115. 9. Picot C et al.: Risk of malformation after ondansetron in pregnancy: An updated systematic review and meta-analysis. Birth Defects Res. 2020;112(13):996-1013.
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