Transkript
FIRST-TO-DISCUSS-Newsletter Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Menopause (SGEM)
Cannabis zur Behandlung des klimakterischen Syndroms!?
Hintergrund: Der indische Hanf, Cannabis sativa variation indica, enthält (-)-Δ9Tetrahydrocannabinol (Δ9-THC) und über 100 chemisch verwandte Substanzen, darunter das (-)-Cannabidiol (CBD). Die psychotrope Wirkung von Cannabis beruht vor allem auf 1-trans-Δ9-THC.
Δ9-THC wirkt über Cannabinoidrezeptoren (CB1-Rezeptor), die in hoher Dichte in den Basalganglien, im Hippocampus und im Cerebellum zu finden sind. Im Gegensatz dazu besitzt (-)-Cannabidiol (CBD) keine nennenswerte Affinität zu den CB1-Rezeptoren (1). In der Schweiz beispielsweise sind Cannabis und Cannabiszubereitungen mit einem GesamtTHC-Gehalt unter 1,0% seit dem 1. Januar 2021 frei verkäuflich. Die Praxis zeigt, dass Frauen zunehmend in Eigenregie versuchen, mit CBD Wechseljahrbeschwerden zu mildern. Die Frage ist, ob das Erfolg versprechend ist.
Zusammenfassung der Studie von Mejia-Gomez
Eine systematische Literatursuche identifizierte 564 Studien zum Einfluss von Cannabis auf das klimakterische Syndrom in der Peri- und Postmenopause (2). Drei Studien erfüllten die Einschlusskriterien. Zwei Transversalstudien untersuchten den Einfluss von Cannabis (keine Angaben zum THC-Gehalt) auf Hitzewallungen bei menopausalen Frauen, die irgendwann einmal oder auch regelmässig Cannabis konsumierten (3, 4). In die erste Studie wurden HIV-positive Frauen mit zum Teil ausgeprägter Polytoxikomanie eingeschlossen (3). Hier war der Cannabis-Verzehr mit einer höheren Inzidenz von Hitzewallungen assoziiert. In der zweiten Studie wurde die Erwartungshaltung menopausaler Frauen ermittelt, die Cannabis konsumierten, und mit Nichtanwenderinnen verglichen (4). Frauen mit Cannabis-Verzehr erhofften sich eine Verbesserung des Affekts, des Schlafs, der Hitzewallungen und
Gelenkbeschwerden. In einer prospektiven, doppelblinden Cross-over-Studie schliesslich wurde der Einfluss des Rauchens einer Cannabis-Zigarette mit 1,8% THC-Gehalt im Vergleich zu einer Plazebo-Zigarette auf die Herzfrequenz und die subjektive Einschätzung des Affekts und des «Vergiftetseins» bei 10 gesunden postmenopausalen Frauen untersucht (5). Die Frauen sollten dabei innerhalb von 15 Minuten tief inhalierend die Zigarette zu Ende rauchen. Beim Rauchen der Cannabis-Zigarette nahmen die Herzfrequenz und das Gefühl der Verwirrung signifikant zu, wohingegen die innere Unruhe abnahm. Sonstige Affektparameter änderten sich nicht. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Evidenz bisher unzureichend ist, um die Wirkung von Cannabis, vor allem CBD, auf das klimakterische Syndrom zu beurteilen.
Kommentar
Während es inzwischen einige Hinweise (auf schwachem Evidenzniveau) gibt, dass CBD bei Insomnie (6) oder Affektstörungen (7) wirksam sein könnte, ist die Datenlage bezüglich klimakterisches Syndrom absolut unzureichend. Cannabis beziehungsweise CBD sollte nicht zur Behandlung menopausaler Symptome empfohlen/eingesetzt werden. n
Prof. Dr. med. Petra Stute Präsidentin der SGEM Abteilung Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital 3010 Bern E-Mail: petra.stute@insel.ch
Prof. Dr. med. Petra Stute, Präsidentin der SGEM, Leitende Ärztin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Inselspital Bern, resümiert und kommentiert kürzlich publizierte Studien zu wichtigen und vielfach kontrovers diskutierten Themen.
Kommentierte Studie: Mejia-Gomez J et al.: The impact of cannabis use on vasomotor symptoms, mood, insomnia and sexuality in perimenopausal and postmenopausal women: a systematic review. Climacteric. 2021 Mar 24:1-10. doi: 10.1080/13697137.2021.1898581.
Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel: keine.
Referenzen: 1. Aktories K U, Förstermann, Hofmann F, Starke K.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 11. Auflage, München 2013. 2. Mejia-Gomez J, Phung N, Philippopoulos E, Murphy KE, Wolfman W: The impact of cannabis use on vasomotor symptoms, mood, insomnia and sexuality in perimenopausal and postmenopausal women: a systematic review. Climacteric. 2021 Mar 24:1-10. doi: 10.1080/13697137.2021.1898581. 3. Fantry LE, Zhan M, Taylor GH, Sill AM, Flaws JA: Age of menopause and menopausal symptoms in HIV-infected women. AIDS Patient Care STDS. 2005 Nov;19(11):703-711. doi: 10.1089/ apc.2005.19.703. PMID: 16283830. 4. Slavin M, Farmer S, Earleywine M: Expectancy mediated effects of marijuana on menopause symptoms. Addict Res Theory. 2016;24(4):322-329. 5. Benedikt RA, Cristofaro P, Mendelson JH, Mello NK: Effects of acute marijuana smoking in post-menopausal women. Psychopharmacology (Berl). 1986;90(1):14-17. doi: 10.1007/ BF00172864. PMID: 3094054. 6. Bhagavan C, Kung S, Doppen M, John M, Vakalalabure I, Oldfield K, Braithwaite I, Newton-Howes G: Cannabinoids in the Treatment of Insomnia Disorder: A Systematic Review and Meta-Analysis. CNS Drugs. 2020 Dec;34(12):1217-1228. doi: 10.1007/s40263-020-00773-x. Epub 2020 Nov 26. PMID: 33244728. 7. Stanciu CN, Brunette MF, Teja N, Budney AJ: Evidence for Use of Cannabinoids in Mood Disorders, Anxiety Disorders, and PTSD: A Systematic Review. Psychiatr Serv. 2021 Apr 1;72(4):429436. doi: 10.1176/appi.ps.202000189.
GYNÄKOLOGIE 3/2021
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