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EDITORIAL
Schwerpunkt: Aktuelle Trends bei Mammakarzinom
D as Mammakarzinom ist die häufigste Krebsart der Frau. Bei stabiler Inzidenz ist die Sterblichkeit in den letzten 25 Jahren um 39% gesunken, insbesondere bedingt durch die systematischere Früherkennung in Screeningprogrammen und die verbesserten diagnostischen Verfahren, aber auch aufgrund der verbesserten Systemtherapie.
Prof. Andreas Boss, UniversitätsSpital Zürich (USZ), und Dr. Sophie Dellas, Universitätsspital Basel (USB), besprechen in ihren beiden Artikeln die verschiedenen diagnostischen Modalitäten bei Befunden der Brust. Die Standardmammografie, immer noch der Goldstandard, wird oft bei dichten Brüsten mit dem Ultraschall der Mamma ergänzt. Die Evidenz des Mammografie-Screenings bei der Senkung der Mortalität ist deutlich – hierbei «erkauft» das Risiko von
Neueste Fortschritte bei Mammakarzinom
Überdiagnosen die prognostisch irrelevanten Diagnosen. Neuere, vielversprechendere Verfahren sind Tomosynthese und Computertomografie (CT) der Brust. Eine neuere Studie ergab, dass die Verwendung der Tomosynthese im Brustkrebsscreening zu einem Anstieg der Detektionsrate gegenüber der Mammografie führt. Durch den eingebauten hocheffizienten Photon-Counting-Detektor bei der CT kann die Strahlenbelastung trotz fehlender Kompression und 3-D-Aufnahmetechnik etwa auf das Niveau von konventionellen Mammografie-Aufnahmen gebracht werden. Die Mamma-MRT ist ein aufwendiges, aber sehr sensitives Verfahren für die radiologische Brustuntersuchung und wird heute als das Referenzverfahren angesehen. Die intravenöse Gabe von Gadoliniumbasiertem Kontrastmittel ist zwingend notwendig, jedoch in der Regel gut verträglich. Aufgrund des höheren Aufwands der Untersuchung kommt die Mamma-MRT für das Screening vor allem bei Hochrisikopatientinnen zum Einsatz.
Das Team um Prof. Martin Haug von der Plastischen Chirurgie zusammen mit Prof. Walter Weber von der Brustchirurgie und Prof. Christian Kurzeder von der Senologie des USB haben sich intensiv auf die onkoplastische Chirurgie der Brust spezialisiert. Generell kann man bei der Rekonstruktion zwischen Fremdmaterial und Eigengewebe wählen. Neuere Implantate und Expander erlauben noch ausgefeiltere Rekonstruktionen, sodass die Popularität von implantatbasierten Sofortrekonstruktionen deutlich gestiegen ist, während die Rate der autologen Brustrekonstruktionen nahezu gleich blieb. Die Direktrekonstruktion und ihre Beeinträchtigung durch die nachfolgende
Radiotherapie wird aktuell in einer Schweizer Studie der Swiss-GO-Trial-Group (IRMA-Studie) unter der Leitung von Prof. Mathias Fehr aus Frauenfeld untersucht. Die traditionelle autologe Brustrekonstruktion mit dem gestielten Latissimus-dorsi- oder TRAM-Lappen konnte in den letzten Jahren mit der Entwicklung der muskelschonenden Perforator-basierten Lappenplastiken erheblich verbessert werden.
Die personalisierte Medizin hat insbesondere auch bei der endokrinen Brustkrebstherapie Einzug gehalten. PD Dr. Konstantin Dedes und Dr. Denise Vorburger, USZ, beschreiben die individuelle Risikoeinschätzung – mit oder ohne Genexpressionsanalyse – betreffend Indikation zur Chemotherapie und zur Individualisierung der endokrinen Therapie. Je höher das Rückfallrisiko klinisch-pathologisch oder anhand biologischer Signatur eingeschätzt wird, desto wichtiger wird der Aromatasehemmer. Zusätzlich scheint er speziell beim lobulären histologischen Subtyp einen zusätzlichen Vorteil gegenüber Tamoxifen aufzuweisen. Beim Entscheid über eine Therapie von mehr als 5 Jahren sollten jedoch die Tumorbiologie, die Komorbiditäten und die Verträglichkeit der endokrinen Therapie in den ersten 5 Jahren miteinfliessen. Patientinnen mit einer biologischen Hochrisikosignatur oder positivem Nodalstatus haben sicher den grössten Vorteil von einer verlängerten Therapie. Eine spannende Entwicklung könnte die Kombination von Aromatasehemmer und CDK-4/6-Inhibitor darstellen. Der Vorteil hinsichtlich des Rückfallrisikos wurde bei Hochrisikotumoren in grossen randomisierten Studien in der Adjuvanz untersucht. Wegen zu kurzen Follow-ups und diskordanten Studienresultaten sind CDK-4/6-Inhibitoren bisher kein Standard in der adjuvanten endokrinen Therapie, können aber in ausgeprägten Hochrisikosituationen in Erwägung gezogen werden. Wir sind gespannt auf die weiteren Daten.
Ihnen eine spannende Lektüre!
Viola Heinzelmann-Schwarz Chefärztin Universitätsfrauenklinik Basel
GYNÄKOLOGIE 2/2021
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