Transkript
SCHWERPUNKT
Mammografie-Screening heute
Ein Update
Durch eine frühe Diagnose von Brustkrebs verbessern sich die Heilungsaussichten, und es kann eine schonendere Therapie zur Anwendung kommen. Ein qualitätskontrolliertes Screeningprogramm kann die Sterblichkeit von Brustkrebs senken. Neue Entwicklungen in der Brustbildgebung erlauben möglicherweise, die Effizienz des Mammografie-Screenings deutlich zu steigern.
ANDREAS BOSS
Andreas Boss
Zwischenzeitlich gibt es zahlreiche grosse Studien, die den Nutzen des Mammografie-Screenings belegen. Trotzdem wird die Bedeutung des Mammografie-Screenings in der Schweiz weiterhin kontrovers diskutiert, wobei in Abhängigkeit des jeweiligen Kantons viele Frauen von der Teilnahme an einem Screeningprogramm ausgeschlossen sind. Durch diese uneinheitliche Situation werden Patientinnen in Hinblick auf den Nutzen, aber auch bezüglich entstehender Kosten oft verunsichert.
Inzidenz und Nutzen der VorsorgeMammografie
Ungefähr jede achte Frau in der Schweiz erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Es handelt sich um die häufigste Krebserkrankung der Frau und die zweithäufigste Todesursache durch Krebs. Entsprechend den aktuellen Statistiken des Schweizerischen Krebsberichts liegt das Brustkrebsrisiko bei 12,7% für die gesamte Lebenszeit, und jährlich sterben 1400 Frauen in der Schweiz an Brustkrebs. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass ein qualitätskontrolliertes Screeningprogramm bei Frauen zwischen 50 und 70 Jahren zu einer Senkung der Brustkrebssterblichkeit von ungefähr 40% führt (1). Diese Grössenordnung entspricht auch neueren wissenschaftlichen Untersuchungen, bei denen
Merkpunkte
n Ein Mammografie-Screening führt nicht nur zu einer Reduktion der Mortalität, sondern durch die Entdeckung des Brustkrebses in einem niedrigeren Stadium zu dessen besseren Behandelbarkeit und damit zu einer höheren Lebensqualität.
n Bei hoher Brustdichte sollte zusätzlich zur Mammografie eine ergänzende Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden. Eine 3-D-Ultraschalluntersuchung der Brust (ABUS) erzeugt volumetrische Daten, die das gesamte Brustgewebe abbilden.
n Die Mamma-CT stellt eine Alternative zur Mammografie ohne Gewebekompression dar, falls diese von der Patientin als schmerzhaft empfunden wird.
n Die Mamma-MRT wird im Screening vor allem bei Patientinnen mit hohem Brustkrebsrisiko eingesetzt.
Modellrechnungen ergaben, dass der kombinierte Effekt aus organisiertem Mammografie-Screeningprogramm und adjuvanter Therapie zu einer Senkung der Mortalität um 37% führt.
Bewirkt die adjuvante Therapie allein die geringere Mortalität? Diese Senkung der Mortalität kann nicht allein auf die adjuvante Therapie zurückgeführt werden. Immer wieder wird diskutiert, ob die Reduktion der Mortalität möglicherweise ausschliesslich auf die verbesserte Behandlung zurückzuführen ist und ein Mammografie-Screeningprogramm keinen relevanten Effekt aufweist. Gerade zu dieser Diskussion kann die Situation in der Schweiz einen wichtigen und interessanten Beitrag leisten. In vielen Kantonen der Deutschschweiz sind noch keine Screeningprogramme organisiert, jedoch sind insbesondere in den Kantonen der Westschweiz solche Programme seit vielen Jahren existent. Der Unterschied in der Umsetzung von Screeningprogrammen erlaubt es, die Effekte durch das Screening innerhalb der Schweiz zu vergleichen. In den Statistiken des Schweizerischen Krebsberichts liegt die Inzidenz des Brustkrebses in der Westschweiz höher als in der Deutschschweiz, wohingegen die Sterblichkeit niedriger ist. Da bezüglich der Anwendung der adjuvanten Therapie zwischen der Westschweiz und der Deutschschweiz kein substanzieller Unterschied bestehen sollte, kann diese Statistik nur dadurch erklärt werden, dass in den organisierten Screeningprogrammen der Westschweiz eine höhere Anzahl von Brustkrebserkrankungen entdeckt wird, was jedoch durch die frühere Erkennung zu einer besseren Behandelbarkeit und somit zu einer geringeren Sterblichkeit geführt hat. Diese Sichtbarkeit des Effekts der organisierten Screeningprogramme in der Westschweiz ist umso beeindruckender, als in der Deutschschweiz eine unkontrollierte Anzahl von Patientinnen auf die Möglichkeit des opportunistischen, nicht organisierten
6 GYNÄKOLOGIE 2/2021
SCHWERPUNKT
Mammografie-Screenings zurückgreift, und somit die Senkung der Sterblichkeit in der Westschweiz durch das Mammografie-Screening, verglichen mit der Deutschschweiz, weniger auffällig ausfällt.
Gewinn an Lebensqualität infolge Screeningprogramm In der Diskussion um die Effizienz des Mammografie-Screenings spielt jedoch nicht nur die Mortalität eine Rolle. Unsere eigenen Daten am Universitätsspital Zürich zeigen, dass Patientinnen, welche eine Brustkrebserkrankung durch klinische Symptome wie etwa einen Tastbefund entdecken, ein späteres Stadium sowohl beim Primarius selbst als auch bei der Beteiligung der axillären Lymphknoten aufweisen als Patientinnen, bei denen die Brustkrebserkrankung durch ein Mammografie-Screening diagnostiziert wurde (2). Das führt dazu, dass bei Patientinnen mit klinischen Symptomen in einer höheren Anzahl von Fällen keine brusterhaltende Therapie möglich ist und stattdessen eine Mastektomie durchgeführt werden muss. Weiterhin zeigt sich deutlich, dass das Mammografie-Screening nicht nur zu einer Reduktion der Mortalität führt, was mit unseren Daten zum höheren Lymphknotenstadium ebenfalls untermauert wird, sondern dass auch ein beträchtlicher Gewinn an Lebensqualität erreicht werden kann.
Schwächen der Mammografie und Brustdichte
Die konventionelle Mammografie weist jedoch auch einige Schwächen auf, welche sich auf die Effizienz der Brustkrebsvorsorge negativ auswirken. Zu diesen Schwächen gehören die geringe Sensitivität der Mammografie bei dichtem Brustgewebe, die Unterschiede der Bildqualität bei der technischen Durchführung der Mammografie, die hohe Zahl falsch positiver Befunde durch Überlagerungseffekte, die geringe Spezifität von Mikroverkalkungen und schliesslich die Schmerzhaftigkeit der Mammografieaufnahme aufgrund der notwendigen Gewebekompression. Die verwendete Strahlendosis ist bei heutigen Mammografiesystemen hingegen als sehr niedrig zu betrachten (mittlere Drüsendosis unter 4 mGy) und stellt keine Einschränkung für den Einsatz zur Brustkrebsvorsorge bei Patientinnen ab 40 Jahren dar. Bei der Beurteilung der Brustdichte kommt in der Radiologie eine 4-stufige Skala (a–d) nach dem ACR (American College of Radiology) BI-RADS (Breast Imaging Reporting And Data System) zur Anwendung (3). Dort werden die Menge und die Verteilung des Brustdrüsengewebes in den mammografischen Aufnahmen beurteilt. Liegt eine niedrige Brustdichte (Typ a) vor, weist die konventionelle Mammografie eine sehr hohe Sensitivität von 95% auf. Die Nachweiswahrscheinlichkeit für Brustkrebs fällt aber mit zunehmender Menge an Drüsengewebe oder bei
sehr inhomogener Verteilung und liegt bei der höchsten mammografischen Brustdichte (Typ d) nur noch bei 48% (4). Aus diesem Grund empfiehlt die S3-Leitlinie bei Patientinnen mit hoher Brustdichte eine zusätzliche Ultraschalluntersuchung, um die dichteabhängige Sensitivität zu erhöhen (5).
Künstliche Intelligenz
Die künstliche Intelligenz weist eine enorm schnelle Entwicklung auf, und insbesondere in der Radiologie zeigen sich zahlreiche Einsatzgebiete, bei denen Lösungen des maschinellen Lernens eingesetzt werden können, um repetitive Arbeitsabläufe automatisch durchzuführen, um die Fehleranfälligkeit zu verringern, indem eine Zweitmeinung gegeben wird, oder auch um die Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten. Durch den Einsatz von sogenannten tiefen neuronalen Netzen ist es möglich, Computeralgorithmen zu entwickeln, die bei sehr spezifischen Fragestellungen durchaus eine ähnliche Genauigkeit erreichen wie erfahrene Radiologen. Gerade die Mammografie ist ein hervorragendes Einsatzgebiet für die Algorithmen der künstlichen Intelligenz, da die Mammografie einen sehr hohen Standardisierungsgrad aufweist. Als Beispiel für ein Einsatzgebiet sei auf die Beurteilung der mammografischen Brustdichte hingewiesen. Es handelt sich dabei um einen visuellen Score, das heisst, der Radiologe hat bei der Beurteilung verschiedene Beispielbilder eines Atlasses in der Erinnerung, mit denen die neue, zu beurteilende Mammografie im Geiste verglichen wird. Dieses Verfahren ist sehr fehleranfällig, und in der Tat konnte in Studien gezeigt werden, dass die Beurteilung derselben Mammografie durch denselben Radiologen zu einer Abweichung in 12,6 bis 18,7% der Fälle führt (6). Durch künstliche Intelligenz kann diese geringe Reproduzierbarkeit bei der Beurteilung der mammografischen Brustdichte beseitigt werden. Am Universitätsspital Zürich konnten wir zeigen, dass tiefe neuronale Netze bezüglich der Brustdichte trainiert werden können und eine höhere Genauigkeit erreichen können als erfahrene Radiologen (7). Dabei weisen diese Computeralgorithmen eine nahezu 100%ige Verlässlichkeit auf, bei derselben Mammografie immer zum selben Ergebnis zu kommen.
3-D-Brustultraschall
Die Ultraschalltechnik ist eine sichere Methode, die keine Anwendung von Röntgenstrahlung benötigt. Die Brustultraschalluntersuchung ist einfach in der Durchführbarkeit und wird von den Patientinnen sehr gut toleriert. Zwischenzeitlich wurden zahlreiche Studien publiziert, in denen gezeigt wurde, dass die zusätzliche Anwendung von Brustultraschall bei Patientinnen mit hoher mammografischer Brustdichte zu einer Steigerung der Detektionsrate von Brustkrebs um 13 bis 28% führt (8).
GYNÄKOLOGIE 2/2021
7
SCHWERPUNKT
von einer erfahrenen Radiologiefachperson durchgeführt werden kann. Durchsicht und Beurteilung der insgesamt sechs 3-D-Datensätze durch den Radiologen betragen lediglich drei Minuten. Analog zum Handheld-Ultraschall konnte auch für die ABUS-Untersuchung gezeigt werden, dass mit der Kombination von Mammografie und ABUS eine deutliche Steigerung der Brustkrebsdetektionsrate erreicht wird (9).
Abbildung 1: In der Mammografie ist eine kleine Opazität kaum erkennbar, in der nachfolgend angefertigten Tomoynthese zeigt sich eine suspekte spikulierte Läsion.
Abbildung 2: Eine kleine weichteildichte, glatt begrenzte Läsion ist in der Mamma-CT nachweisbar. Im Ultraschall (Handheld und ABUS dargestellt) entspricht die Läsion einem kleinen Fibroadenom.
Zusätzlich konnte durch die Verwendung des Ultraschalls der Brustkrebs in einem niedrigeren Stadium mit seltenerer Beteiligung der axillären Lymphknoten entdeckt werden. Diese positiven Effekte stehen einer nur gering (3%) erhöhten Anzahl von zusätzlich ausgelösten kurzfristigen Verlaufskontrollen gegenüber. Eine neuere Möglichkeit, die bekannte Untersucherabhängigkeit der Ultraschalluntersuchung zu reduzieren, ist die Verwendung einer automatisierten 3-D-Ultraschalluntersuchung, genannt ABUS (automated breast ultrasound). Die Aufnahmezeit liegt bei insgesamt zirka 15 Minuten, wobei die Untersuchung
Tomosynthese und Mamma-CT
Die Tomosynthese ist ein Röntgenverfahren ähnlich der Mammografie, bei dem durch die Bewegung des Aufnahmesystems ein Pseudo-3-D-Datensatz der Brust aufgenommen wird, wohingegen die konventionelle Mammografie ein reines 2-D-Verfahren darstellt (Abbildung 1). Durch die Tomosynthese können Überlagerungseffekte, die bei der mammografischen Bildgebung auftreten können, reduziert werden. In einer kürzlich durchgeführten Studie in Schweden wurde gezeigt, dass die Verwendung der Tomosynthese für das Brustkrebsscreening zu einem Anstieg der Detektionsrate gegenüber der Mammografie führt (10). Die Tomosynthese ist weiterhin auf die Kompression der Brust angewiesen. Ein neueres Verfahren stellt die Computertomografie (CT) der Brust dar, bei dem keine Gewebekompression notwendig ist. Die Mamma-CT verwendet eine spirale Bildaufnahmetechnik, wie sie bei Ganzkörper-Computertomografen bereits etabliert ist (Abbildung 2). Durch den eingebauten hocheffizienten Photon-Counting-Detektor kann die Strahlenbelastung trotz fehlender Kompression und 3-D-Aufnahmetechnik etwa auf das Niveau von konventionellen Mammografieaufnahmen gebracht werden. Mit dem am Universitätsspital Zürich installierten Mamma-CT-Gerät konnten wir zeigen, dass durch die hohe Auflösung auch Mikroverkalkungen im Brustgewebe, welche ein Hinweis auf einen Brustkrebs oder eine Vorstufe sein können, zuverlässig nachgewiesen werden können (11). Aufgrund der noch begrenzten Erfahrungen mit dieser vielversprechenden Technologie ist die Durchführung einer Screening-Mamma-CT derzeit lediglich im Rahmen einer klinischen Studie möglich.
Magnetresonanztomografie der Brust
Die Mamma-MRT ist ein aufwendiges, aber auch sehr sensitives Verfahren für die radiologische Brustuntersuchung. Sie wird heute allgemein aufgrund der hohen Nachweiswahrscheinlichkeit für Brustkrebs als das Referenzverfahren angesehen. Bei einer Mamma-MRT ist die intravenöse Gabe von Gadoliniumbasiertem Kontrastmittel zwingend notwendig, dieses ist jedoch in der Regel gut verträglich. Aufgrund des höheren Aufwands der Untersuchung kommt die Mamma-MRT zum Screening vor allem bei Hochrisi-
8 GYNÄKOLOGIE 2/2021
SCHWERPUNKT
kopatientinnen zum Einsatz, zum Beispiel bei
BRCA1/2-Mutation oder hoher familiärer Belastung.
Weitere Einsatzgebiete ausserhalb des Screenings
sind die Abklärung unklarer mammografischer Be-
funde, das präoperative Staging bei bekannter Brust-
krebserkrankung, die Beurteilung des Ansprechens
einer neoadjuvanten Therapie und schliesslich die
Unterscheidung von Narbengewebe versus Lokalrezi-
div nach einer brusterhaltenden Therapie bei mam-
mografisch schwieriger Beurteilbarkeit. Für eine
Mamma-MRT muss eine 30-minütige Untersuchungs-
zeit eingeplant werden.
n
Prof. Dr. Dr. med. Andreas Boss Institut diagnostische und interventionelle Radiologie UniversitätsSpital Zürich 8091 Zürich E-Mail: andreas.boss@usz.ch
Quellen: 1. Breast Cancer Screening IARC Handbooks of Cancer Prevention Volume 15, ISBN 978-92-832-3017-5. 2. Marcon M, Dedes K, Varga Z, Frauenfelder T, Boss A.: Influence of breast cancer opportunistic screening on aesthetic surgical outcome: A single-center retrospective study in Switzerland. Breast J. 2018 May;24(3):285-290.
3. Radiology ACo. ACR BI-RADS Atlas 5th Edition. 4. Kolb TM, Lichy J, Newhouse JH.: Comparison of the performance of screening mammography, physical examination, and breast US and evaluation of factors that influence them: an analysis of 27 825 patient evaluations. Radiology. 2002;225(1):16575. 5. Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms, Kurzversion 4.2 – Februar 2020, AWMF-Registernummer: 032-045OL. 6. Melnikow J, Fenton JJ, Whitlock EP, Miglioretti DL, Weyrich MS, Thompson JH, et al.: Supplemental Screening for Breast Cancer in Women With Dense Breasts: A Systematic Review for the U.S. Preventive Services Task Force. Ann Intern Med. 2016;164(4):268-78. 7. Ciritsis A, Rossi C, Vittoria De Martini I, Eberhard M, Marcon M, Becker AS, et al.: Determination of mammographic breast density using a deep convolutional neural network. Br J Radiol. 2018:20180691. 8. Berg WA, Zhang Z, Lehrer D, Jong RA, Pisano ED, Barr RG, et al.: Detection of breast cancer with addition of annual screening ultrasound or a single screening MRI to mammography in women with elevated breast cancer risk. JAMA. 2012;307(13):1394-404. 9. Giuliano V, Giuliano C.: Improved breast cancer detection in asymptomatic women using 3D-automated breast ultrasound in mammographically dense breasts. Clin Imaging. 2013;37(3):480-6. 10. Lång K, Andersson I, Rosso A, Tingberg A, Timberg P, Zackrisson S.: Performance of one-view breast tomosynthesis as a stand-alone breast cancer screening modality: results from the Malmo Breast Tomosynthesis Screening Trial, a population-based study. Eur Radiol. 2016 Jan;26(1):184-90. 11. Berger N, Marcon M, Frauenfelder T, Boss A.: Dedicated Spiral Breast Computed Tomography With a Single Photon-Counting Detector: Initial Results of the First 300 Women. Invest Radiol. 2020 Feb;55(2):68-72.