Transkript
Bericht zur Fortbildungstagung «Gyn – Endo – Repro» 2020
Hot Topics & Highlights der ESHRE
Highlights der Weltkongresse
Praktisch Relevantes zur gynäkologischen Endokrinologie, Menopausen- und Reproduktionsmedizin
Zum 9. Mal fand im Herbst 2020 die Nachmittagsfortbildung «Weltkongresse Gyn – Endo – Repro» in Olten statt – quasi mitten in der Coronapandemie. Dabei war eine Hybridveranstaltung unerlässlich, da im September 2020 «nur» 200 Teilnehmer vor Ort erlaubt waren. Alle anderen verfolgten die Veranstaltung live; die Aufzeichnung bleibt weiterhin aufgeschaltet (www.weltkongresse.ch).
MICHAEL VON WOLFF, PETRA STUTE
Hot Topics der gynäkologischen Endokrinologie/ Menopausenmedizin
Einsatz von Metformin bei Übergewicht und Adipositas Metformin (MET) ist ein Biguanid, ein sogenannter Insulinsensitizer. Es hemmt die hepatische Glukoneogenese, reduziert die gastrointestinale Resorption von Kohlenhydraten und eine Insulinresistenz, erhöht die Glukoseaufnahme in den Muskel und besitzt ausserdem pleiotrope Effekte (z. B. kardio- und vasoprotektiv, appetithemmend, lipidsenkend, antiproliferativ, antiinvasiv, antimetastasierend). Da gastrointestinale Nebenwirkungen auftreten können, wird empfohlen, die Therapie einzuschleichen (Start mit MET 500 mg 0–0–1, Dosissteigerung alle 1 bis 2 Wochen, Zieldosis: MET 1500–2000 mg/Tag). Die Langzeittherapie mit MET gilt als sicher, aber es besteht eine Assoziation mit niedrigen Vitamin-B12-Spiegeln. Die wichtigsten Kontraindikationen sind Niereninsuffizienz, schwere Lebererkrankung, Pankreatitis, Zustand vor, während und nach einer Operation, hypokalorische Ernährung (< 1000 kcal täglich) und Alkoholismus.
MET bei PCOS und Insulinresistenz MET ist für die Therapie des Diabetes mellitus Typ II indiziert. Daneben wird MET z. B. von der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) zum Management des polyzystischen Ovarialsyndroms (PCOS) empfohlen (1).
Eine prospektive, nicht randomisierte Kohortenstudie ging der Frage nach, inwiefern der klinische, metabolische und endokrine Erfolg von MET vom Ausgangsgewicht bzw. Body-Mass-Index (BMI) der Patientin abhängt (2). In die Studie wurden 108 «gesunde», 22- bis 35jährige übergewichtige bzw. adipöse Frauen mit PCOS und Insulinresistenz (HOMA-IR > 2,5) eingeschlossen. Alle Frauen nahmen während 6 Monaten MET (3 × 500 mg/Tag) ein und mussten parallel eine Lifestyle-Intervention («Ernährungsanpassung» plus moderate bis schwere körperliche Belastung [Sport]; Dauer: 3 × 30–40 min/Woche) durchführen. Die Endpunkte bei Baseline und nach 6 Monaten waren BMI, Bauchumfang, Zyklusprofil und Labor (Nüchternglukose, Nüchterninsulin, Gesamtcholesterol, follikelstimulierendes Hormon [FSH], luteinisierendes Hormon [LH], Gesamttestosteron, Estradiol, Androstendion, sexualhormonbindendes Globulin [SHBG] und der freie Androgenindex [FAI]). Alle Frauen, die nach 6 Monaten keinen normalen HOMA-IR (≤ 2,5) hatten (sog. Non-Responder), erhielten dann nochmal für 6 Monate MET, allerdings in einer höheren Dosierung (2500 mg/Tag). Nach diesem Zeitraum zeigte sich eine signifikante Verbesserung aller Parameter, die vergleichbar mit den Ergebnissen war, die «Responder» bereits mit MET 1500 mg/Tag während 6 Monaten erzielt hatten. Leider wurden in der Studie keine Angaben zur Compliance der LifestyleIntervention gemacht.
Fazit für die Praxis Die MET-Dosis sollte bei Frauen mit PCOS dem BMI angepasst werden,
Die alljährliche September-Fortbildung im Stadttheater Olten behielt trotz Coronapandemie ihr Konzept: 30 meist praxisrelevante Themen aus den Kerngebieten wurden in vier Stunden von drei Referenten präsentiert: Im Bereich der gynäkologischen Endokrinologie und Menopausenmedizin wurde mangels durchgeführter Kongresse über Hot Topics berichtet, im Bereich der Kinderwunschtherapie von dem virtuellen Jahreskongress der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE).
Die nächste Veranstaltung findet als 10-JahrJubiläum mit Rückblicken und «Tops und Flops» statt – hoffentlich als reine Präsenzveranstaltung am 16. September 2021 im Stadttheater Olten und dank der Sponsoren wie immer kostenfrei. Ergänzt werden die Weltkongresse mit ihren Resümees der News durch das mehrjährige Curriculum zur gynäkologischen Endokrinologie und Menopausenmedizin in Form von eintägigen Intensivseminaren im «Schweizerhof» in Bern und Zürich mit P. Stute und M. von Wolff als Referenten (endoimhof@gmx.ch).
um die gewünschten klinischen (BMI, Bauchumfang, Zyklusprofil), metabolischen (Glukose- und Lipidstoffwechsel) und hormonellen Veränderungen zu (Androgene) erzielen.
MET als Schlankmacher? Da MET in der dargestellten Studie aber kein echter «Schlankmacher» war, stellt sich die Frage, wie gross der gewichtsreduzierende Effekt von MET bei übergewichtigen bzw. adipösen Menschen ohne Diabetes mellitus im Allgemeinen ist. Mit dieser Fragestellung setzte sich ein systematisches Review mit «Network»Metaanalyse auseinander (34 Studien mit 8461 Frauen und Männern/Adoleszenten und Erwachsenen, mit Übergewicht oder Adipositas) (3). Dabei wurden verschiedene MET-Dosierungen mit Lifestyle-
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Interventionen, anderen Medikamenten oder Plazebo verglichen. Für übergewichtige bzw. adipöse Adoleszente war MET 2000 mg/Tag während 6 Monaten am erfolgreichsten, um eine Gewichtsreduktion zu erreichen. Dennoch empfehlen die Autoren, für dieses Kollektiv zunächst MET 1000 mg/Tag während 3 Monaten einzusetzen. Für übergewichtige bzw. adipöse Erwachsene waren Lifestyle-Interventionen und sogenannte Minimeals am erfolgreichsten für eine Gewichtsreduktion, gefolgt von MET 3000 mg/Tag während 6 Monaten. Bezüglich Sicherheit wurden in der Metaanalyse keine negativen Effekte von MET auf Leber-, Lipid- und Entzündungswerte gefunden.
Abbildung: Petra Stute und Michael von Wolff als Diskutanten: Da die Veranstaltung wie jedes Jahr in einem Theater stattfand, war eine Übertragung im «Fernsehformat» (Hybridkonzept) möglich. Die Veranstaltung ist kostenfrei abrufbar unter www.weltkongresse.ch.
Fazit für die Praxis MET hat einen dosisabhängigen Effekt auf BMI und Körpergewicht. Für Adoleszente wird MET 1000 mg/Tag während 3 Monaten (besser als Lifestyle-Intervention) für Erwachsene MET 3000 mg/Tag während 6 Monate empfohlen. Die Therapie ist aber weniger effektiv im Vergleich zu Lifestyle-Interventionen! MET ist kein echter «Schlankmacher»! Um Anpassungen des Ernährungsund Bewegungsverhaltens kommt man bei Übergewicht und Adipositas nicht herum.
Management des Genitourinary Syndrome of Menopause (GSM) Die North American Menopause Society (NAMS) hat 2020 ihr Positionspapier zum Management des sogenannten GSM aktualisiert (4). Das GSM beschreibt die östrogenmangelbedingten Veränderungen im vulvovaginalen und blasenurethralen Bereich postmenopausaler Frauen. Das GSM umfasst genitale (vaginale Trockenheit, Brennen, Irritation), sexuelle (fehlende Lubrifikation, Dyspareunie, sexuelle Dysfunktion) und urologische Symptome (Harndrang, Dysurie, rezidivierende Harnwegsinfekte). Bis zu 85% der Frauen im Alter von über 40 Jahren geben Scheidentrockenheit und Juckreiz an, bis zu 60% eine Dyspareunie (5). Die Lebensqualität ist bei 52% der Frauen mit symptomatischem GSM reduziert (6). Frauen mit symptomatischem GSM haben ein signifikant erhöhtes Risiko für ei-
ne Depression und Angststörung (7). Erstlinientherapien (Evidenzlevel A) sind nicht hormonelle intravaginale Präparate (Gleitmittel, Feuchthaltemittel, Cremes). Zur Zweitlinientherapie (Level A) zählen niedrig dosierte vaginale Östrogene (ET), vaginales Dehydroepiandrosteron (DHEA), orales Ospemifen (SERM; nicht in der Schweiz erhältlich) und eine systemische Hormonersatztherapie (HRT), falls weitere menopausale Symptome vorhanden sind (NAMS, 2020). Gemäss NAMS gelten folgende Empfehlungen: I Therapiedauer von vaginalen ET: so
lang wie nötig (Level C), auch wenn Sicherheitsdaten für das Endometrium aus randomisierten, kontrollierten Studien nur für 1 Jahr vorliegen. Es zeigte sich kein erhöhtes Risiko für endometriale Pathologien in Beobachtungsstudien (Level B). I Ein Gestagen zur Endometriumprotektion ist bei der Gabe von niedrig dosierten vaginalen ET im Allgemeinen nicht nötig (Level B). I Eine routinemässig durchgeführte Endometriumkontrolle ist bei asymptomatischen (= blutungsfreien) Frauen, die 1 niedrig dosierte vaginale ET anwenden, im Allgemeinen nicht nötig. I Bei Frauen mit erhöhtem Endometriumkarzinomrisiko kann eine transvaginale Sonografie zur Endometriumbeurteilung oder eine intermittierende Gestagen-Therapie erwogen werden (Level C).
I Wenn unter vaginalen ET ein Spotting oder eine vaginale Blutung auftritt, muss diese standardgemäss weiter abgeklärt werden (Level A).
I Für die vaginale Lasertherapie sind noch weitere Studien erforderlich, bevor sie allgemein empfohlen werden kann (Level C).
I Frauen nach Brust- oder Endometriumkarzinom sollten unter Einbezug des Onkologen individuell über die Vor- und Nachteile der GSM-Therapieoptionen aufgeklärt werden (Level C).
Fazit für die Praxis Über 50% der postmenopausalen Frauen sind von einem GSM betroffen. Die Diagnose wird klinisch gestellt. Zur Therapie können nicht hormonelle vaginale Präparate sowie vaginale ET und vaginales DHEA eingesetzt werden. Bisherige Studien zur vaginalen Lasertherapie bei GSM sind vielversprechend. Die Krankenkassen übernehmen bis jetzt nur die Kosten für vaginale ET (Kostenübernahme von vaginalem DHEA durch Zusatzversicherungen).
Testosteron-Therapie in der Postmenopause Vor mehreren Jahren gab es in Europa das transdermale Präparat Intrinsa® (Testosteron 300 μg/Tag), das für Frauen mit Libidomangel nach bilateraler Ovarektomie zugelassen war. Derzeit ist eine
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Testosteron-Therapie für die postmenopausale Frau nur in Australien zugelassen (mit Testosteron-Creme 1%). In der aktuellen S3-Leitlinie «Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen» aus dem Jahr 2020 ist zu lesen, dass «eine transdermale TestosteronTherapie bei Libidostörungen [...] angewendet werden kann», und zwar als Magistralrezeptur mit «mikronisiertem Testosteron auf Liposomengrundlage, 3 mg/Hub, Dosierspender» (8). Wie ist nun das Vorgehen in der Praxis? Wichtig ist, dass es für die Diagnose «sexuelle Dysfunktion der Frau» keine Cutoff-Werte für Androgene im Serum (i.S.). gibt (Grad C). Gemäss dem Global Consensus Position Statement on the Use of Testosterone Therapy for Women (9) hat eine Testosteron-Therapie in einer Dosierung, mit der physiologische Testosteron-Werte i.S. der Prämenopause erreicht werden, bei postmenopausalen Frauen mit Libidomangel einen signifikant positiven Effekt auf sämtliche Aspekte der sexuellen Funktion (Libido, Erregung, Orgasmus, sozialer Dystress) (Level 1, Grad A). Eine transdermale Testosteron-Therapie in dieser Dosierung ist bei manchen Frauen mit leichter Akne und Behaarungszunahme verbunden, jedoch nicht mit einer Alopezie, Klitoromegalie oder Stimmveränderung (Level 1, Grad A). Sie hat keinen Einfluss auf das Lipidprofil, den Blutdruck, den Nüchternblutzucker/HbA1c, die mammografische Dichte oder die sonografische Endometriumdicke (Level 1, Grad A). Auch haben bisherige Studien keinen Einfluss auf das Risiko für Herz-KreislaufErkrankungen und Brustkrebs gezeigt (Cave: Sicherheitsdaten nur für maximal 2 Jahre, in Studien nur gesunde postmenopausale Frauen).
Fazit für die Praxis Die aktuelle S3-Leitlinie zur Peri-/Postmenopause schlägt eine transdermale Testosteron-Therapie bei postmenopausalem Libidomangel vor. Sonstige Therapiemöglichkeiten umfassen Phytotherapie und Off-label-Hormonersatztherapie/Tibolon, orales DHEA (25–) 50 mg/Tag, vaginales DHEA 6,5 mg/Tag oder eine vaginale Testosteron-Creme 300 μg/Applikation 3 ×/Woche.
European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE)
Erhöhen IVF-Auftauzyklen mit einer Hormonersatztherapie das Risiko für hypertensive Schwangerschaftserkrankungen und Präeklampsien? In der Schweiz werden knapp 80% der Auftauzyklen nach einer In-vitro-Fertilisation (IVF) als sogenannte HRT-Auftauzyklen durchgeführt, für Deutschland gibt es keine verlässlichen Zahlen. Ein HRTAuftauzyklus bedeutet, dass das Endometrium mit Östrogen-Tabletten oder -Pflaster aufgebaut wird, die auch bei einer HRT verwendet werden. Aufgrund der hohen Dosierung wird die Follikulogenese unterdrückt, sodass auch für die Lutealphase substituiert werden muss. Die Östrogene und Gestagene müssen bei Eintritt einer Schwangerschaft während des gesamten ersten Trimenons verabreicht werden. Diese HRT-Auftauzyklen werden oft durchgeführt, da sie sich zeitlich gut steuern lassen und somit für die Ärzte/ Ärztinnen und die Patientinnen vorteilhaft sind. Bei unregelmässigen Zyklen sind sie auch medizinisch indiziert. Seit 2019 werden allerdings grosse Studien publiziert, die ein höheres Risiko für hypertensive Schwangerschaftserkrankungen und Präeklampsien nach HRTAuftauzyklen, nicht aber nach einem Auftauen im natürlichen Zyklus oder nach einem Auftauzyklus mit einer FSH-Stimulation zeigen (d. h. in Zyklen ohne einen Gelbkörper). Hierzu die Studien: I Ginström Ernstad und Kollegen (10)
führten 2019 in Schweden eine Registerstudie durch. Nach einer Spontankonzeption (1 127 566 Geburten) betrug die Rate hypertensiver Erkrankungen in der Schwangerschaft 2,8%, nach einem Auftau im natürlichen Zyklus (6297 Geburten) 4,3% und nach einem Auftauen im HRT-Zyklus (1446 Geburten) 8,2% (natürlicher Zyklus vs. HRT-Zyklus: adjustierte OR 2,63 [95%KI: 2,20–3,13]). I Saito und Kollegen (11) führten 2019 in Japan eine retrospektive Kohortenstudie durch. Nach einem Auftauen im natürlichen Zyklus (7737 Geburten) betrug die Rate hypertensiver Erkrankungen in der Schwangerschaft 3,0%
und nach einem Auftauen im HRTZyklus (16 248 Geburten) 4,0% (natürlicher Zyklus vs. HRT-Zyklus: adjustierte OR 1,43 [95%-KI: 1,14–1,80]). I Wang und Kollegen (12) führten 2020 in China eine retrospektive Kohortenstudie durch. Nach einem Auftauen im natürlichen Zyklus (10 211 Geburten) betrug die Präeklampsierate 3,8% und nach einem Auftauen im HRTZyklus (4142 Geburten) 8,8% (natürlicher Zyklus vs. HRT-Zyklus: adjustierte OR 2,55 [95%-KI: 2,06–3,16]). I Roelens und Kollegen (13) stellten beim ESHRE-Kongress eine weitere Studie vor. Sie führten in Belgien eine monozentrische, retrospektive Kohortenstudie der Zyklen von 2010 bis 2019 durch. Untersucht wurden 324 Auftauzyklen im natürlichen Zyklus und 213 Auftauzyklen im HRT-Zyklus. Analysiert wurde die Häufigkeit einer Präeklampsie. Nach einem Auftauen im natürlichen Zyklus betrug die Präeklampsierate 3,7% und nach einem Auftauen im HRT-Zyklus 11,3% (HRTZyklus vs. natürlicher Zyklus: adjustierte OR 0,35 [95%-KI: 0,17–0,74]). Somit bestätigt diese eher kleine, beim ESHRE-Kongress vorgestellte Studie das erhöhte Präeklampsierisiko in Schwangerschaften nach einem Auftauen im HRT-Zyklus. Gleiches gilt für eine vorläufige Analyse der Daten des schweizerischen IVFRegisters mit knapp 6000 Geburten in den Jahren 2014 bis 2018. Diese zeigte ebenso eine Verdoppelung der Rate dokumentierter Präeklampsien (persönliche Kommunikation C. Limoni, FIVNAT, Schweiz). Die Daten werden derzeit systematisch ausgewertet. Tragfähige Daten aus dem deutschen IVF-Register existieren zu dieser Thematik nicht. Zusätzlich zu einer Erhöhung des Risikos für hypertensive Schwangerschaftserkrankungen und Präeklampsien sind auch die Risiken für postpartale Blutungen (10; Gingström Ernstad: aOR: 2,63 [95%-KI: 2,20–3,13]; 12; Wang: aOR: 2,94 [95%-KI: 1,44–5,99]) und Risiko für Plazentae accretae (11; Saito: aOR: 6,91 [95%-KI: 2,87–16,66]) nach einem HRT-Auftauzyklus erhöht.
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Fazit für die Praxis Die Risiken für hypertensive Schwangerschaftserkrankungen, Präeklampsien und andere geburtshilfliche Komplikationen sind nach einem IVF-HRTAuftauzyklus mindestens doppelt so hoch wie nach einem Auftau in einem natürlichen Zyklus. Der Grund scheint der fehlende Gelbkörper zu sein, die exakten molekularen Ursachen sind bisher unklar. Da die Erfolgsrate durch einen HRT-Auftauzyklus nicht steigt (14), sollte wenn möglich ein HRT-Auftauzyklus vermieden werden.
Nordic-Sibling-Studie: Welche erhöhten IVF-Risiken lassen sich auf die IVF-Technik zurückführen? Die Gesundheitsrisiken für Kinder nach einer IVF-Therapie sind erhöht. Gemäss von Wolff und Haaf (15) ist das Fehlbildungsrisiko im Vergleich zu Spontankonzeptionen um zirka 30% erhöht (RR: 1,33; 95%-KI: 1,24–1,43). Das Risiko für eine Frühgeburt ist um zirka 80% erhöht (OR: 1,79; 95%-KI: 1,21–2,63). Die Ursachen sind unklar. Die Gründe könnten plazentare Insuffizienzen, bedingt durch endometriale Dysfunktionen, aufgrund supraphysiologischer Östrogenkonzentrationen bei der Stimulation sein. Möglich sind aber auch epigenetische Effekte durch die Therapie, die auch als Grund für das erhöhte Kindsgewicht bei Schwangerschaften nach einer Kryokonservierung von Embryonen angesehen werden. So ist das Risiko für eine Makrosomie um etwa 80% nach einem Auftauzyklen erhöht (RR: 1,85; 95%-KI: 1,46–2,33) (15). Westvik-Johari und Kollegen (16) führten die Nordic-Sibling-Studie durch, um das Frühgeburtsgewicht und die Kindsgewichte von Geschwistern zu vergleichen, die nach einer Spontankonzeption oder nach einer IVF-Therapie geboren wurden. Dadurch konnten weitgehend maternale und paternale Einflussgrössen sowie Umweltfaktoren usw. ausgeschlossen werden. Analysiert wurden die Registerdaten des CoNARTaS (Committee of Nordic ART und Safety) in Dänemark, Norwegen und Schweden von 1988 bis 2015. Eingeschlossen wurden 2 563 837 Kinder nach Spontankonzeption, 53 345 Kinder nach
einer IVF mit einem Frischtransfer und 14 405 Kinder nach einem Auftauzyklus nach einer Kryokonservierung der Embryonen. Herausgefiltert wurden 27 041 Geschwisterpaare mit mindestens 2 Konzeptionsformen. Die Daten wurden hinsichtlich Alter der Mutter usw adjustiert. Nach einem IVF-Frischtransfer im Vergleich zu einer Spontankonzeption war I das Geburtsgewicht der IVF-Kinder
56 g niedriger (95%-KI: –65 bis –47), I das Risiko für ein Small Gestational
Age (SGA) der IVF-Kinder um ca. 30% erhöht (OR: 1,31; 95%-KI: 1,13–1,52) I das Risiko für eine Frühgeburt der IVFKinder um ca. 25% erhöht (RR: 1,26; 95%-KI: 1,13–1,41). Nach einem IVF-Auftauzyklus im Vergleich zu einer Spontankonzeption war I das Geburtsgewicht der IVF-Kinder 73 g höher (95%-KI: 59–87) I das Risiko für ein Large Gestational Age (LGA) der IVF-Kinder um ca. 75% erhöht (OR: 1,75; 95%-KI: 1,42–2,2) I das Risiko für eine Frühgeburt der IVFKinder um ca. 25% erhöht (RR: 1,23; 95%-KI: 1,03–1,48). Ein direkter Vergleich dieser Daten mit den Daten aller IVF-Therapien ist zwar nur bedingt möglich, da das einen Vergleich verschiedener Studien, Register und Patientenkollektive bedeutet. Vergleicht man dennoch die Daten der Nordic-Sibling-Studie mit jenen von Metaanalysen aller IVF-Therapien (15) hinsichtlich der Frühgeburtenrate, zeigt sich, dass das Frühgeburtenrisiko bei allen IVF-Therapien um zirka 80% ansteigt, bei Geschwisterpaaren, bedingt durch die IVF-Technik, jedoch nur um zirka 25% (s. oben).Somit kann sehr vorsichtig abgeleitet werden, dass sowohl maternale, paternale und Umweltfaktoren als auch die IVF-Technik als solche zu einem höheren Risiko für Frühgeburten beitragen
Fazit für die Praxis Das Risiko für SGA, LGA und eine Frühgeburt ist nicht nur durch maternale, paternale und Umweltfaktoren usw., sondern auch durch die IVFTechnik als solche erhöht. Die exakten Ursachen für die Risikozunahme sind unklar. Unklar ist auch, ob das auch für Fehlbildungsrisiken gilt und ob sich die Risiken, z. B. durch die Weiterent-
wicklung der Kulturmedien, in den letzten Jahren verringert haben.
Ist eine Uterusseptumresektion bei einem Kinderwunsch wirklich erforderlich? Ein Uterusseptum wurde bisher als mögliche Sterilitäts- und Abortursache angesehen. Aufgrund dessen wurde häufig eine Septumresektion nicht nur eines kompletten, sondern auch eines partiellen Septums durchgeführt. Die nationalen und internationalen Guidelines hinsichtlich der Notwendigkeit einer Septumresektion sind kontrovers. Bei habituellen Aborten empfiehlt die S2k-Guideline der AWMF (Guideline der DGGG, der OEGGG und der SGGG) zur Diagnostik und Therapie bei wiederholten Spontanaborten des Jahres 2018 (17) die Entfernung eines Septums. Eines der Probleme bisheriger Studien war auch die uneinheitliche Definition eines Septums. Inzwischen hat die ESHRE festgelegt, dass für die Definition eines partiellen Uterusseptums (U2a) die fundale Vorwölbung des Myometriums > 50% der fundalen Uteruswanddicke betragen muss. Bei einem partiellen Septum erreicht dieses nicht den inneren Muttermund, bei einem kompletten Septum (U2b) wird der Muttermund erreicht (18). Rikken und Kollegen (19) führten eine Subanalyse einer Gesamtstudie durch, die 2020 in der Zeitschrift «Human Reproduction» erschienen war. In der Gesamtstudie, eine Kohortenstudie, wurden in 21 Zentren in den Niederlanden, Grossbritannien und den USA Patientinnen eingeschlossen, bei denen von 2000 bis 2018 ein Uterusseptum diagnostiziert worden war. Alle Patientinnen hatten einen Kinderwunsch, bei 151 Frauen erfolgte eine Septumresektion, bei 106 Frauen nicht. Das primäre Zielkriterium war die Lebendgeburtenrate nach Diagnosestellung. Die kumulative Lebendgeburtenrate war nach multipler Adjustierung der Daten in beiden Gruppen gleich hoch. Wider Erwarten war die Abortrate bei den Frauen, bei denen keine Septumresektion erfolgt war, niedriger. Auch die fortlaufende Schwangerschaftsrate bei 41 Frauen mit einem kompletten Septum war in der Gruppe ohne eine Septumresektion niedriger.
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Westvik-Johari und Kollegen (16) stellten beim ESHRE-Kongress eine Subanalyse der Gesamtstudie vor. 80 Frauen waren hinsichtlich einer Septumresektion oder eines expektativen Vorgehens randomisiert worden. Auch in dieser Subanalyse zeigte sich, dass eine Septumresektion weder die Lebendgeburtenrate noch die Abortrate signifikant veränderte.
Fazit für die Praxis Die Resektion eines partiellen Septums führt zu keiner Verbesserung der Lebendgeburtenrate und sollte deswegen bei Sterilitätspatientinnen nicht mehr durchgeführt werden. Wenngleich die Gesamtstudie bei Frauen ohne eine Septumresektion wider Erwarten eine niedrigere Abortrate sowohl bei einem kompletten Septum als auch bei einem vorgängigen Abort zeigte, sind die Fallzahlen zu gering, um eine definitive Schlussfolgerung für oder gegen eine Septumresektion bei einem kompletten Septum und bei habituellen Aborten abzuleiten.
Was führt zu höheren Lebendgeburtenraten bei Paaren ohne einen andrologischen Faktor: eine IVF oder eine ICSI? In der Schweiz wurden 2018 zirka 80% und in Deutschland zirka 75% der IVF-Zyklen mit einer Fertilisierung per intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) durchgeführt. Da die ICSI als invasiveres Fertilisationsverfahren gilt, wird das kritisch gesehen. Nach einer ICSI sind die Risiken für genitourinäre Fehlbildungen erhöht (vermutlich bei sehr schlechten Spermiogrammen), aber eine Risikoerhöhung für andere Fehlbildungen konnte nicht nachgewiesen werden (15). Die Fertilisationsrate der Oozyten ist bei der ICSI erhöht (21). Bhattacharya (20) und Sauerbrun-Cutler (21) fragten, ob das auch zu einer höheren Geburtenrate führt. Eine 2001 publizierte, randomisierte, kontrollierte Studie zeigte eine um 7% höhere klinische Schwangerschaftsrate, dieser Unterschied war aber nicht signifikant, und die Geburtenrate wurde nicht analysiert (19). Dang und Kollegen (22) führten in Vietnam eine zweizentrische, randomisierte Studie mit 1064 Paaren durch. Einge-
schlossen wurden Paare mit einer normalen Spermienkonzentration und einer normalen Spermienmotilität. Die Spermienmorphologie wurde nicht berücksichtigt. Primäres Zielkriterium war die Lebendgeburtenrate. Die Studienergebnisse waren tendenziell gleich wie jene von Bhattacharya 2001 (20). Die Fertilisationsrate war mit 70,1% versus 64,4% nach einer ICSI signifikant höher. Die Lebendgeburtenrate war mit 34,6% versus 31,2% ebenso höher, der Unterschied war aber nicht signifikant.
Fazit für die Praxis Eine ICSI führt zu einer höheren Fertilisationsrate und zu einer leicht höheren (nicht signifikant) höheren Lebendgeburtenrate. Wenn keine niedrigen Fertilisationsraten bekannt sind, sollte bei einem normalen Spermiogramm, insbesondere, wenn auch keine Teratozoospermie vorliegt, keine ICSI durchgeführt werden.
Ist bei einem Abort eine Behandlung mit Progesteronrezeptorantagonisten plus Prostaglandinanaloga effektiver als nur mit Prostaglandinanaloga? Bei einem Abort wird meist keine Kürettage mehr durchgeführt, da diese mit einem erhöhten Risiko für intrauterine Synechien und deswegen mit einem Risiko für eine reduzierte Fertilität einhergeht. Stattdessen werden meist Prostaglandinanaloga (Misoprostol) vaginal oder oral (off-label) verabreicht. Bei Schwangerschaftsabbrüchen werden meist auch Prostaglandinanaloga (Misoprostol) verabreicht, jedoch zusätzlich etwa 2 Tage vorher Progesteronrezeptorantagonisten (Mifepriston). Deshalb stellte sich die Frage, ob die Kombination aus Mifepriston und Misoprostol auch bei Aborten effektiv einsetzbar ist und das Risiko für eine Trophoblastpersistenz mit der Notwendigkeit einer Kürettage reduziert. Eine vorgängig publizierte Studie im «New England Journal of Medicine» zeigte einen Vorteil der Kombinationstherapie (23), eine Cochrane-Analyse jedoch nicht (24). Hamel und Kollegen (25) führten eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte Studie in 18 Spitälern der Niederlande, beginnend
2018, durch. Bei einem Abort in der 6. bis 14. Schwangerschaftswoche erhielten die Frauen nach einer Wartezeit von einer Woche Mifepriston oral 1 × 600 mg versus ein Plazebo. 36 bis 48 Stunden später wurde Misoprostol oral 2 × 400 mg (4 h Abstand) verabreicht, und falls kein Gewebeabgang nach 24 Stunden erfolgte, wurde Misoprostol wiederholt. Nach Einschluss von 50% der Patientinnen (n = 344) wurde die Studie vorzeitig wegen der Überlegenheit der Kombinationstherapie abgebrochen. Bei der Kombination von Mifepriston und Misoprostol galt die Therapie in 80% der Fälle als erfolgreich, eine Kürettage war nur bei 11% der Frauen erforderlich. Die reine Misoprostol-Therapie war nur bei 59% der Frauen erfolgreich, eine Kürettage war bei 30% der Frauen notwendig. Allerdings war der Anteil der Frauen mit Nebenwirkungen (Übelkeit, Schwindel, Diarrhö) bei der Kombinationstherapie mit 60% höher als bei der reinen Misoprostol-Therapie mit 48%.
Fazit für die Praxis
Eine Kombinationstherapie aus Mife-
priston und Misoprostol ist effektiver
zur Vermeidung einer Kürettage als ei-
ne reine Misoprostol-Therapie, verur-
sacht aber auch mehr Nebenwirkun-
gen. Beide Medikationen sind bei
Aborten off-label.
I
Prof. Dr. med. Michael von Wolff (Erstautor; Korrespondenzadresse) E-Mail: Michael.vonwolff@insel.ch
Prof. Dr. med. Petra Stute
Universitätsklinik für Frauenheilkunde Abteilung Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Inselspital 3010 Bern
Die Quellenliste ist einsehbar unter www.ch-gynaekologie.ch/02/2021
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Bericht zur Fortbildungstagung «Gyn – Endo – Repro» 2020
Hot Topics & Highlights der ESHRE
Quellen: 1. Teede HJ, Misso ML, Costello MF, et al.: Network, Recom-
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GYNÄKOLOGIE 2/2021
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