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JOURNAL CLUB / NEUE FORSCHUNGEN
Forschungen zur HPV-Infektion
Neue Einblicke in die virusinduzierte Tumorgenese
Humane Papillomaviren (HPV) verursachen verschiedene Genitalkarzinome, KopfHals-Tumoren sowie weissen Hautkrebs. Neue Erkenntnisse über die Wirkung von HPV-Proteinen auf den Zellstoffwechsel zur Ankurbelung des Energiebedarfs für die Virusvermehrung, die dann die Tumorgenese fördert, gewann jetzt die Arbeitsgruppe um den Virologen Prof. Baki Akgül, Uniklinik Köln, im Rahmen eines von der Wilhelm-Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojekts.
Die Pathogenese der HPV-induzierten Malignome – das betrifft virusinduzierte Zervix- , Penis-, Analkarzinome sowie deren Krebsvorstufen, ferner weissen Hautkrebs und Tumoren am Zungengrund und an den Rachenmandeln – ist bisher nur unzureichend verstanden. Bei den KopfHals-Tumoren wird insbesondere der HPV-Typ 16 (HPV16) gefunden, der ein besonders hohes onkogenes Potenzial hat. Bei den HPV-positiven Kopf-Hals-Tumoren werden die Eigenschaften der viralen
Proteine E6 und E7 der Karzinomentstehung direkt zugeschrieben. Im Gegensatz dazu wird bei HPV-negativen Oropharynxkarzinomen langjähriger Alkohol- und Tabakkonsum für die Tumorgenese verantwortlich gemacht. Es scheint sich um verschiedene Karzinome zu handeln, dafür spricht, dass HPV-positive Tumoren besser auf moderne Systemtherapien ansprechen und mit einer besseren Überlebensprognose verbunden sind.
Kasten:
Bester HPV-Schutz: In der Pubertät impfen
Der optimale Schutz vor einer Tumorentwicklung wird erreicht, wenn zwischen dem 10. und 17. Lebensjahr die HPV-Impfung erfolgt. Das ist ein wichtiges Ergebnis einer kürzlich publizierten kontrollierten Bevölkerungsstudie in Schweden mit fast 1,7 Millionen junger Frauen, die in der Zeit von 2006 bis 2017 zwischen 10 und 30 Jahre alt waren.
Basis der Studie waren Bevölkerungs- und Gesundheitsregister, aus denen Daten der Mädchen und
Frauen herangezogen wurden, die im Zeitraum von 2006 bis 2017 zwischen 10 und 30 Jahre alt waren.
Untersucht wurde die Assoziation zwischen der HPV-Impfung und der späteren Diagnose eines invasi-
ven Zervixkarzinoms vor allem im Hinblick auf das aktuelle Alter der Probandinnen, das Alter bei der
Impfung sowie bezüglich demografischer und medizinischer Daten.
Ein invasives Zervixkarzinom wurde bei 538 nicht geimpften Frauen und bei 19 mit dem quadrivalenten
HPV-Impfstoff geimpften Frauen diagnostiziert. Nach Adjustierung für alle Kovarianten betrug die Ratio
für den Vergleich geimpfte versus nicht geimpfte Bevölkerung 0,12 (95%-KI: 0,00–0,34) für Frauen, die
vor dem 17. Lebensjahr geimpft wurden. Bei Frauen, die nach dem 17. Lebensjahr geimpft wurden, be-
trug diese Ration 0,47 (95%-KI: 0,27–0,75). Die Resultate stimmen mit Untersuchungen in anderen
Ländern überein, darunter Finnland, bei denen unter den geimpften Frauen gar keine HPV-induzierten
Karzinome gefunden wurden.
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Quelle: Lei J et al.: HPV vaccination and the risk of invasive cervical cancer. N Engl J Med 2020; 383: 1340–1348.
Messungen in HPV-positiven und -negativen Karzinomen
Im Rahmen des Forschungsprojekts wur-
de nachgewiesen, dass das HPV-Onko-
protein E7 direkt mit der mitochondria-
len ATP-Synthase (v. a. mit der Unter-
einheit ATP5B) interagiert. Diese ATP-
Synthase ist als eine Art «Energieturbine»
in den Mitochondrien verankert. Die Wis-
senschaftler führten Messungen in HPV-
positiven Zellen durch und fanden deut-
liche Hinweise darauf, dass HPV über die
Bindung an die zelluläre «Energieturbi-
ne» ATP5B das Energieniveau der infi-
zierten Zelle erhöht, was wiederum die
virale Vermehrung fördert. Weitere Un-
tersuchungen zeigten eine verstärkte Ex-
pression von ATP5B am HPV-positiven
Tumorgewebe, wohingegen bei HPV-ne-
gativen Karzinomen keine oder nur eine
sehr schwache Färbung von ATP5B (d. h.
Expression) gefunden wurde. Interessan-
terweise korrelierte die hohe ATP5B-Ex-
pression bei den HPV-positiven Karzino-
men mit einer besseren Überlebenswahr-
scheinlichkeit, so die weitere Analyse.
Die Wissenschaftler wollen den Erkennt-
nissen weiter auf den Grund gehen, da
sie Einblicke in den Krankheitsverlauf er-
warten.
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hir
Quelle: Medienmitteilung der Wilhelm-Sander-Stiftung (Förderung von Forschungsprojekten v. a. im Bereich der Krebsbekämpfung) am 25.11.2020.
http://www.wilhelm-sander-stiftung.de/wpcontent/uploads/2020/11/25.11.2020_WSS_PM_ Akguel_Wie-Humane-Papillomviren-dieKrebsentstehung-ankurbeln.pdf
GYNÄKOLOGIE 1/2021
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