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Eizellspende und Leihmutterschaft
Teil 1: Eizellspende*
Während die Eizellspende in vielen europäischen Ländern erlaubt ist, ist sie in der Schweiz und in Deutschland verboten. Das hat einen Fortpflanzungsmedizintourismus zur Folge, der Frauen und Paare in Länder mit einer liberaleren Gesetzgebung führt. Orientierende Kenntnisse zu den Abläufen, der Organisation und den Risiken einer Eizellspende sind für die Praxisärztin und den Praxisarzt dennoch unverzichtbar, damit eine adäquate medizinische Versorgung von Mutter und Kind gewährleistet werden kann.
ISOTTA MAGATON, MICHAEL VON WOLFF
Isotta Magaton
Die Fortpflanzungsmedizin gewinnt immer mehr an Bedeutung. Einerseits möchten Frauen und Paare in einer immer späteren Lebensphase ihren Kinderwunsch realisieren. Andererseits gehört es zur reproduktiven Freiheit jedes Menschen, unabhängig von seiner sexuellen Orientierung, sich ein Kind zu wünschen und diesen Wunsch umzusetzen. Gemäss der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) werden in Europa zirka 50% von allen weltweit assistierten reproduktionsmedizinischen Therapien (ART) durchgeführt. Im Jahr 2015 wurden in 38 europäischen Ländern 849 811 Behandlungszyklen registriert. Die meisten Zyklen wurden in Spanien (119 875)durchgeführt, danach folgen Russland (110 723), Deutschland (96 512) und Frankreich (93 918) (1). Einige Länder erlauben auch die ART mit Eizellspende und/oder Samenspende. Das führt zu einem erheblichen Fortpflanzungsmedizintourismus, der Personen mit Kinderwunsch in Länder mit einer liberaleren Gesetzgebung führt.
Ärzte in den Zielländern haben zwar die Pflicht, die gesetzlichen Auflagen ihres Landes zu erfüllen, sie sind
aber nicht verpflichtet, die rechtlichen, praktischen und medizinischen Voraussetzungen im Ausreiseland
des Paares/der Frau zu kennen.
Ziel dieses Beitrags ist, darüber zu informieren, wie, wo und unter welchen Bedingungen und mit welchen Risiken die Gametenspende möglich ist. Ärzte in den Zielländern haben zwar die Pflicht, die gesetzlichen Auflagen ihres Landes zu erfüllen, sie sind aber nicht verpflichtet, die rechtlichen, praktischen und medizinischen Voraussetzungen im Ausreiseland des Paares/
* Teil 2: Leihmutterschaft; vorgesehen für GYNÄKOLOGIE 2.2021
der Frau zu kennen. Entsprechend ist eine gute Vorbereitung und gegebenenfalls ein Beizug eines Rechtsbeistands durch die Paare, die eine Behandlung im Ausland anstreben, anzuraten. Zu beachten ist auch: In Deutschland ist die ärztliche Unterstützung bei der Vermittlung einer Eizellspende sogar strafbar. Gesetzliche Vorgaben zur Eizellspende sind komplex, oft nicht eindeutig und können sich ändern. Oft sind die Informationsquellen auch nicht absolut verlässlich und basieren auf persönlichen Informationen durch die Agenturen. Deswegen können die Informationen in diesem Artikel nur als orientierend angesehen werden. In einem zweiten, ähnlich aufgebauten Beitrag wird die Leihmutterschaft präsentiert.* Um den Rahmen nicht zu sprengen, wird auf das Thema der Eizellspende bei Singles und lesbischen Paaren nicht eingegangen.
Eizellspende
Die Zahl der eigenen Eizellen beträgt im Alter von 41 Jahren noch zirka 10 000, das sind nur noch 1% der ursprünglich bei der Geburt vorhandenen Eizellen (2). Die Fruchtbarkeit einer Frau endet jedoch nicht erst mit der völligen Entleerung des Eizellpools, sondern bereits deutlich früher, wenn die Fähigkeit zur Befruchtung und das Potenzial zur Entwicklung der Eizelle nachlassen. Bei erschöpfter Ovarreserve sind die sich entwickelnden Embryonen aneuploid (3), was sich auch mithilfe der In-vitro-Fertilisation nicht beheben lässt. Eine Möglichkeit in dieser Situation stellen die Eizellspende und die Embryonenspende dar.
Indikationen Die Indikationen für eine Eizellspende sind vielfältig und nicht nur auf eine erschöpfte Ovarreserve begrenzt. Zu den Indikationen gehören: n prämature Ovarialinsuffizienz (POI) n mehrfach erfolglose IVF-Behandlungen
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n Zustand nach bilateraler Ovarektomie, einseitige ovarielle Agenesie
n X-chromosomale genetische Erkrankungen.
Länder und Häufigkeiten Die Eizellspende ist in vielen europäischen Ländern erlaubt (Abbildung). Der aktuelle Jahresbericht des European IVF-monitoring Consortium (EIM) der ESHRE gibt an, dass 2015, im letzten ausgewerteten Jahr, 64 477 Eizellspendezyklen bei insgesamt 849 811 ART-Zyklen durchgeführt wurden (1). Somit betrug die Rate an Eizellspendezyklen europaweit 7,6%. Führend bei der Eizellspende ist, bezogen auf das Jahr 2015, Spanien mit 34 176 Zyklen, danach folgen Russland mit 6270 Zyklen, Griechenland mit 5182 Zyklen und Tschechien mit 4961 Zyklen (1). In Spanien beträgt der Anteil an Eizellspendezyklen an der Gesamtzahl durchgeführter ART-Zyklen 28,5%. In Spanien werden über 50% aller europäischen Eizellspendezyklen durchgeführt (1). In Tabelle 1 sind einige wichtige Informationen über die Eizellspende in drei der hierbei führenden Länder Europas aufgeführt.
Ablauf, Technik, Kosten und Erfolgsraten Bei der Eizellspende gibt es grundsätzlich zwei Vorgehensweisen: n Entweder: Die Spenderin wird hormonell stimu-
liert, und der Aufbau des Endometriums der Empfängerin wird zeitlich auf den zu erwartenden Zeitpunkt der Eizellentnahme abgestimmt, sodass ein Frischtransfer möglich ist. Dieses Vorgehen erfordert einen grossen logistischen Aufwand und wird deswegen weniger häufig praktiziert. n Oder: Die Eizellen der Spenderin werden gewonnen, fertilisiert, und die Embryonen werden per Vitrifikation kryokonserviert. Zu einem späteren Zeitpunkt wird das Endometrium der Empfängerin aufgebaut. Dieses Verfahren erlaubt eine grössere zeitliche Flexibilität für das Kinderwunschzentrum und die Patientin. Im Idealfall werden der Spenderin 10 bis 12 reife Eizellen nach einer etwa 12-tägigen Hormonstimulation entnommen. Diese Eizellzahl ist ideal, wenn die Spenderin nur für eine Empfängerin spendet (1:1-Ratio, bei mehreren Empfängerinnen 1:2- oder 1:3-Ratio). Grundsätzlich ist nur eine altruistische Eizellspende legal, das heisst, eine Entlohnung im eigentlichen Sinne ist nicht möglich. In der Praxis erhält die Spenderin aber eine Kompensation, welche in allen europäischen Ländern vergleichbar ist (zirka 1000 Euro). Die Kosten für das Paar (meistens handelt es sich um Pauschalpreise) variieren von Land zu Land und von Zentrum zu Zentrum. Die angegebenen Summen können sich durch besondere Behandlungswünsche (z. B. Genetic-Matching-Test) erhöhen. Die Eizellspende existiert sowohl als anonyme Eizellspende wie auch als nicht anonyme Eizellspende
grün: erlaubt rot: verboten grau: ungeregelt Abbildung: Länder, in denen Eizellspenden erlaubt oder verboten sind
Tabelle 1:
Ausgewählte Länder im Vergleich
Spanien
Anzahl Zyklen (2015)
34 176
Schwangerschaftsrate 54,5%
Max. Alter der Frau
50 Jahre
Erlaubt bei Singles Ja
Erlaubt bei Homosexuellen Ja
Kosten, CHF
6490–12 100
Anonymität Ja
Kompensation
1100.– + Spesen
für Spenderin
Max. Zyklen/Kinder
Maximal 6 Zyklen
pro Spenderin
/Kinder
Griechenland Tschechien
5182 4961
55,1%
39,9%
50 Jahre
50 Jahre
Ja
Ja
Nein
Nein
5500–8800
4950–8800
Ja Ja
935.– + Spesen 1100.–
Max. 10 Kinder Max. 5 Kinder
(open ID-release). In den Ländern, in denen die Eizellspende nicht anonym ist, wie in Grossbritannien, ist der Zugang zur Eizellspende sehr begrenzt, da die Zahl an Eizellspenderinnen gering ist. Das führt dazu, dass die Mehrheit der Paare nach Spanien, Tschechien oder in andere Länder reist, wo die Eizellspende anonym ist. Die Schwangerschaftsrate nach einer Behandlung mit Eizellspende betrug 2015 europaweit pro Frischembryotransfer 49,6% und nach einem Auftauzyklus 43,4% (1). Die Erfolgsraten, die Selektionsmöglichkeiten und die rechtlichen Vorgaben variieren in den Zentren und Ländern. Beispielhaft sind diese Informationen in Tabelle 1 für die drei Länder angegeben, die in Europa die meisten Eizellspendezyklen durchführen.
Gesetzeslage in der Schweiz und in Deutschland Hinsichtlich der gesetzlichen Situation muss unterschieden werden zwischen: n dem Eizellspendezentrum und der (ausländi-
schen) Spenderin n der Empfängerin n dem Arzt/der Ärztin, der/die ggf. einen Eizell-
spendezyklus unterstützt (in CH/D/A)
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Tabelle 2:
Rechtliche Lage in der Schweiz betreffend Eizellspende
Eizellspende
Vermittlung
Nicht strafbar
Mithilfe
Nicht strafbar
Durchführung Strafbar
Rechtliche Elternschaft der Frau
Die Gebärende ist rechtlich die Mutter
n dem Arzt/der Ärztin, der/die die Schwangerschaft nach einer Eizellspende betreut (in CH/D/A).
Straffrei sind immer das Eizellspendezentrum und die Spenderin, solange die nationalen Vorgaben erfüllt werden. Straffrei sind auch die Empfängerin und der Arzt/die Ärztin, der/die die Schwangerschaft nach einer Eizellspende betreut (Tabelle 2). Die ärztliche Unterstützung bei der Durchführung ei-
Die Eizellspende existiert sowohl als anonyme Eizellspende wie auch als nicht anonyme Eizellspende
(open ID-release).
ner Eizellspende ist in Deutschland im Gegensatz zur Schweiz strafbar. Je konkreter der Hinweis oder die Hilfestellung hinsichtlich einer bestimmten Handlung und/oder Institution ist, um so grösser ist das Risiko für eine strafrechtliche Verfolgung. Eine Strafbarkeit versetzt den Arzt in einen Konflikt, da es grundsätzlich seine Aufgabe ist, bei einem unerfüllten Kinderwunsch alle Optionen zu diskutieren. Vermieden werden sollte, dass die Patientin und das ungeborene Kind unnötigen Risiken durch eine mangelnde Aufklärung ausgesetzt werden. So muss auf die erhöhten Risiken für eine schwangerschaftsinduzierte Hypertonie und Präeklampsie hingewiesen werden (4). Eine Metaanalyse von Schwarze und Kollegen von 2018 zeigte eine Wahrscheinlichkeitsquote (Odds Ratio) für Präeklampsie bei einer Schwanger-
Das schweizerische Gesetz sieht hinsichtlich der Vermittlung der Eizellspende
keine Strafe vor. Die Ärzte können nicht nur problemlos über die Möglichkeit der Eizellspende beraten,
ebenso ist eine aktive Mithilfe bis zu einer Kooperation mit ausländischen Anbietern straflos möglich.
schaft nach einer Eizellspende von 4,5 (5). Die Sectiorate ist ebenfalls erhöht und kann zwischen 40% und 76% variieren (6). Hingegen zeigen Neugeborene bei Untersuchungen keine vermehrten Auffälligkeiten (4). Sobald die Patientin durch Eizellspende schwanger geworden ist, entsteht bezüglich Strafbarkeit kein juristisches Risiko für den Arzt/die Ärztin, wenn er/sie in
der Schwangerschaft und bei Geburt die Patientin betreut. Die rechtliche Mutterschaft ist für die Wunschmutter unanfechtbar, da sie das Kind gebärt. Die Spenderin hat keine Rechte gegenüber dem Kind. Die rechtliche Vaterschaft entsteht entweder Kraft der Ehe oder durch eine vorgeburtliche Vaterschaftsanerkennung. Zu beachten ist, dass in Deutschland eine Embryonenspende möglich ist, nicht aber eine Eizellspende. Das schweizerische Gesetz sieht hinsichtlich der Vermittlung der Eizellspende keine Strafe vor. Die Ärzte können nicht nur problemlos über die Möglichkeit der Eizellspende beraten, ebenso ist eine aktive Mithilfe bis zu einer Kooperation mit ausländischen Anbietern straflos möglich.
Spenderin: Medizinische Aspekte Medizinisch gesehen sind die Risiken, Komplikationen und Folgen für die Eizellspenderin heutzutage sehr niedrig. Insgesamt wird die Methode als relativ sicher angesehen, sodass sich viele junge, gesunde Frauen solchen Behandlungen unterziehen. Risiken wie schwere Überstimulationssyndrome, Infektionen nach Follikelpunktion und Verletzungen anderer Organe bei der Follikelpunktion betragen < 1% (7). Dank moderner Stimulationsverfahren (Antagonistenprotokoll, Ovulationsinduktion mit GnRH-Agonisten) ist die Stimulation risikoarm. Die Spenderin hat somit keine Langzeitfolgen zu befürchten, und die spätere Fertilität scheint nicht beeinträchtigt zu sein. Fazit für die Praxis n Die Eizellspende bei heterosexuellen Paaren, aber auch bei Singles und lesbischen Paaren ist in vielen europäischen Ländern möglich, sie kann anonym oder nicht anonym erfolgen (open ID-re- lease). n Patientinnen haben keine gesetzlichen Folgen zu befürchten. n Schwangerschaften nach Eizellspende verlaufen häufiger mit Komplikationen wie Präeklampsien und schwangerschaftsinduzierten Hypertonien als Schwangerschaften nach Spontankonzeption. Aufgabe des Arztes ist, darüber zu informieren. n Studien zeigen, dass sich trotz gespaltener Mut- terschaft die Mutter-Kind-Beziehung normal aus- bildet. n Dr. med. Isotta Magaton (Erstautorin; Korrespondenzadresse) E-Mail: isottamartha.magaton@insel.ch Prof. Dr. med. Michael von Wolff Universitätsklinik für Frauenheilkunde Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin 3010 Bern Interessenkonflikte: keine. 26 GYNÄKOLOGIE 1/2021 UPDATE Quellen: 1. De Geyter C et al.: ART in Europe, 2015: results generated from European registries by ESHRE. Hum Reprod Open. 2020; 2020(1): hoz038. 2. te Velde ER, Pearson PL.: The variability of female reproductive ageing. Hum Reprod Update. 2002; 8(2): 141–154. 3. Lindheim SR, Klock SC.: Oocyte donation: lessons from the past, directions for the future. Fertil Steril. 2018: 110(6): 979–980. 4. Stoop D et al.: Obstetric outcome in donor oocyte pregnancies: a matchedpair analysis. Reprod Biol Endocrinol. 2012; 10: 42. 5. Schwarze JE et al.: Is the risk of preeclampsia higher in donor oocyte pregnancies? A systematic review and meta-analysis. JBRA Assist Reprod. 2018: 22(1): 15–19. 6. van der Hoorn ML et al.: Clinical and immunologic aspects of egg donation pregnancies: a systematic review. Hum Reprod Update. 2010; 16(6): 704–712. 7. Sauer MV.: Defining the incidence of serious complications experienced by oocyte donors: a review of 1000 cases. Am J Obstet Gynecol. 2001; 184(3): 277–278. GYNÄKOLOGIE 1/2021 27