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KONGRESSBERICHT
San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) 2020 virtual – 8. bis 11. Dezember 2020
Tripelnegatives Mammakarzinom
Die Therapiepalette wird sich erweitern
Das virtuelle Format war auch für das San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) eine neue Herausforderung. Mit mehr als 850 Abstracts wurde den etwa 6000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein virtuelles Treffen auf hohem Niveau geboten. Eine wichtige Botschaft ist, dass sich die Therapielandschaft für Patientinnen mit tripelnegativem Mammakarzinom (TNBC) erweitern wird.
Pembrolizumab in Erstlinientherapie wirksam
Die Immuntherapie mit Pembrolizumab plus Chemotherapie zeigt in der KEYNOTE-355-Studie einen Therapievorteil gegenüber alleiniger Chemotherapie bei Patientinnen mit tripelnegativem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom (1). 847 Patientinnen erhielten 2:1-randomisiert eine Chemotherapie mit nab-Paclitaxel, Paclitaxel oder Gemcitabin plus Carboplatin sowie Pembrolizumab oder Plazebo. Ein Cross-over in den Pembrolizumab-Arm war nicht erlaubt. Es erfolgte eine Stratifizierung nach Art der Chemotherapie, PD-L1-Status und vorangegangener (neo)adjuvanter Chemotherapie. Die primären Endpunkte waren das progressionsfreie Überleben (PFS) und das Gesamtüberleben (OS) bei Patientinnen mit PD-L1-positiven Tumoren (kombinierter positiver Score, CPS ≥ 10 und ≥ 1) sowie in der ITT-Population.
Deutliche PFS-Vorteile gegenüber Plazebo Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 26 Monaten wurde ein PFS-Vorteil für die Pembrolizumab-haltige The-
rapie in allen CPS-Populationen festgestellt. Das mediane PFS betrug im Plazebo-Arm für alle CPS-Populationen 5,6 Monate. Im Vergleich dazu lebten Patientinnen im Pembrolizumab-Arm mit einem CPS ≥10 median 9,7 Monate ohne Progress (HR: 0,65; 95%-KI: 0,49–0,86), mit einem CPS ≥ 1 median 7,6 Monate (HR: 0,74; 95%-KI: 0,61–0,90) und in der ITT-Population median 7,5 Monate (HR: 0,82; 95%-KI: 0,69–0,97). Der PFS-Vorteil wurde auch unabhängig vom Chemotherapie-Partner gesehen. Ein Ansprechen zeigten 53,2% versus 39,8% (CPS ≥ 10), 45,2% versus 37,9% (CPS ≥ 1) respektive 41,0 versus 35,9% (ITT) der Patientinnen unter der Studienmedikation mit versus ohne Pembrolizumab. Die Dauer des Ansprechens betrug im Pembrolizumab-Arm 19,3 Monate bei Patientinnen mit CPS ≥ 10, 10,1 Monate bei Patientinnen mit CPS ≥ 1 und 10,1 Monate in der ITT-Population. Im Plazebo-Arm wurde eine Dauer des Ansprechens zwischen 6,4 und 7,3 Monaten beobachtet. Die zusätzliche Pembrolizumab-Gabe wurde generell gut vertragen, und keine neuen Sicherheitssignale wurden beobachtet.
Auf einen Blick
TNBC
n Die Immuntherapie mit Pembrolizumab zusätzlich zu einer Chemotherapie in der KEYNOTE-355-Studie verlängert das progressionsfreie Überleben von Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem TNBC, unabhängig vom PD-L1-Status und vom Chemotherapiepartner.
n Mit dem Trop-2-gerichteten ADC Sacituzumab-Govitecan wurde eine vielversprechende Wirksamkeit bei Patientinnen mit metastasiertem TNBC gezeigt. Unabhängig von der Höhe der Trop-2-Expression und unabhängig vom BRCA1/2-Status profitieren die Patientinnen.
n Die IPATunity130-Studie (Kohorte A) erreichte den primären Endpunkt nicht. Die zusätzliche Gabe des AKT-Inhibitors Ipatasertib zu Paclitaxel brachte bei Patientinnen mit PIK3CA/AKT1/PTEN-alteriertem, lokal fortgeschrittenem, nicht resezierbarem oder metastasiertem TNBC keinen PFS-Vorteil.
Trop-2-gerichtete Therapie ist effektiv bei tripelnegativen Patientinnen
Auch mit dem Trop-2-gerichteten Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) Sacituzumab-Govitecan (SG) wurde eine vielversprechende Wirksamkeit gezeigt. Das Trophoblast-Zelloberflächen-Antigen 2 (Trop-2) wird auf vielen epithelialen Tumoren überexprimiert, so auch beim TNBC. Das neue Medikament besteht aus einem Anti-Trop-2-Antikörper, welcher SN-38, einen aktiven Metaboliten von Irinotecan, zielgerichtet zur Tumorzelle transportiert. In der Phase-III-Studie ASCENT wurde SG versus eine Standardhhemotherapie bei Patientinnen mit metastasiertem TNBC geprüft; am SABCS 2020 wurden Subgruppenanalysen bezüglich der Trop-2-Expression präsentiert (2): In der multizentrischen, offenen Studie erhielten 529 Patientinnen, die unter wenigstens zwei vorangegangenen Chemotherapieregimen rezidiviert hatten oder refraktär waren, den Anti-Trop-2-Antikörper (10 mg/kg, d1+8, q3w) oder eine Monotherapie nach Wahl des behandelnden Arztes (Capecitabin, Eribulin, Vinorelbin oder Gemcitabin) bis zum Verlust des Therapieerfolgs oder bis zum Auftreten von inakzeptablen Nebenwirkungen. Primärer Endpunkt war das PFS.
PFS und OS: Patientinnen mit hoher Trop-2-Expression und ... Von 151 Patientinnen in der SG-Gruppe und 139 in der Kontrollgruppe war der Trop-2-Expressionsstatus bekannt. Das mediane PFS betrug für Patientinnen mit hoher Trop-2-Expression 6,9 versus 2,5 Monate, mit mittlerer Expression 5,6 versus 2,2 Monate und mit niedriger Expression 2,7 versus 1,6 Monate. Auch bezüglich des OS wurde ein Vorteil der ADC-Therapie für alle Trop-2-Expressionssubpopulationen beobachtet: Patientinnen mit hoher Expression lebten 14,2 versus 6,9 Monate, Patientinnen mit mittlerer Expression 14,9 versus 5,9 Monate und Patientinnen mit niedriger Expression 9,3 versus 7,6 Monate. Es spra-
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chen 44% versus 1% (hohe Expression), 38% versus 11% (mittlere Expression) bzw. 22% versus 6% (niedrige Expression) auf die jeweilige Studienmedikation an.
... Patientinnen mit positivem BRCA1/2-Status profitieren besonders Eine weitere Subgruppenanalyse wurde bezüglich des BRCA1/2-Status anhand der Daten von 149 versus 143 Patientinnen der beiden Studienarme durchgeführt. Sowohl bei BRCA1/2-positiven Patientinnen, mit einem medianen PFS von 4,6 versus 2,5 Monaten und einer Ansprechrate von 19% versus 6%, als auch bei BRCA1/2-negativen Patientinnen, mit einem medianen PFS von 4,9 versus 1,6 Monaten und einer Ansprechrate von 33% versus 6%, wurde die Wirksamkeit von SG bestätigt.
Ipatasertib plus Paclitaxel bei PIK3CA/AKT1/PTEN-alteriertem Brustkrebs
Nicht erfolgreich zeigte sich dagegen die zielgerichtete Therapie mit dem oralen AKT-Inhibitor Ipatasertib. In der Phase-II-Studie LOTUS wurde bei Patientinnen mit PIK3CA/AKT1/PTEN-alteriertem, lokal fortgeschrittenem, nicht resezierbarem oder metastasiertem tripelnegativem Mammakarzinom eine PFS-Verlängerung durch die Zugabe von Ipatasertib zu Paclitaxel beobachtet. Primäre Ergebnisse der Phase-III-Studie IPATunity130 zeigen allerdings keinen Vorteil durch die zusätzliche Ipatasertib-Gabe (3). In der doppelblinden, plazebokontrollierten IPATunity130-Studie (Kohorte A) erhielten 255 Patientinnen 2:1-randomisiert entweder Paclitaxel plus Ipatasertib oder Paclitaxel plus Plazebo bis zum Krankheitsprogress. Ein Cross-over vom Plazebo- in den experimentellen Arm war nicht erlaubt. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 8,3 Monaten war etwa ein Drittel der Patientinnen in
Früher tripelnegativer Brustkrebs
Neoadjuvante Therapie mit Atezolizumab beeinträchtigt Lebensqualität nicht
In der randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Phase-III-Studie IMpassion031 wurden Wirksamkeit und Sicherheit von Atezolizumab in Kombination mit einer neoadjuvanten Chemotherapie in der Behandlung von frühem tripelnegativem Brustkrebs (eTNBC) untersucht. Eingeschlossen wurden 333 therapienaive Patientinnen mit einem Primärtumor > 2 cm im Stadium cT2-cT4 cN0-cN3 cM0. Die Patientinnen erhielten im experimentellen Studienarm neoadjuvant 12 Wochen Atezolizumab plus nab-Paclitaxel, danach folgten 8 Wochen Atezolizumab plus Doxorubicin und Cyclophosphamid sowie adjuvant 11 Dosen Atezolizumab. Im Kontrollarm wurde in der neoadjuvanten Phase Plazebo anstelle von Atezolizumab gegeben und nach der Resektion nur beobachtet. Ein pathologisch komplettes Ansprechen (CR) wurde bei 57,6% versus 41,1% der Patientinnen erreicht (p = 0,0044). Die CR-Rate war im Atezolizumab-haltigen Therapiearm unabhängig vom PD-L1-Status erhöht. Mithilfe von Fragebögen (EORTC QLQ-30 und FACT-G GP5) wurde die Lebensqualität der Patientinnen ermittelt. In beiden Studienarmen konnte ein Rückgang der Lebensqualität und verschiedener funktioneller Bereiche in der neoadjuvanten Phase (Zyklus 3–5) und ein anschliessender Rückgewinn der Lebensqualität beobachtet werden, die sich ab Zyklus 7 bis 9 stabilisierte. Die Autoren schlossen aus den Ergebnissen, dass die zusätzliche Gabe von Atezolizumab die Wirksamkeit erhöhe, ohne die Therapielast zu verschlimmern.
Quelle: Mittendorf EA et al.: Patient-reported outcomes from the Ph 3 IMpassion031 trial of neoadjuvant atezolizumab + chemo in early triple-negative breast cancer. SABCS 2020 virtual, Abstr. #GS3-02.
beiden Studienarmen weiterhin unter Studientherapie. Bis dato war kein Unterschied bezüglich des PFS zwischen den Studienarmen erkennbar (HR: 1,02; 95%KI: 0,71–1,45; p = 0,92). Im Median lebten die Patientinnen 7,4 Monate im Ipatasertib-Arm versus 6,1 Monate im Kontrollarm. Auch bezüglich der Gesamtansprechrate (39% vs. 35%) und der klinischen Kontrollrate (47% vs. 45%) brachte die zusätzliche Ipatasertib-Gabe keinen Nutzen. In Subgruppenuntersuchungen zum PFS zeigte sich in keiner Subgruppe ein Vorteil für die Kombination von Ipatasertib plus Paclitaxel. Der fehlende Effekt der zusätzlichen Gabe von Ipatasertib war nicht auf eine Verringerung der durchschnittlichen Dosisintensität von Paclitaxel (96,7% vs. 96,5%) oder die durchschnittliche Dauer der Paclitaxel-Therapie (5,5 vs. 5,4 Monate) zurückzuführen. Ipatasertib bzw. Plazebo wurden bei 10% versus 6% der Patientinnen abgesetzt und Paclitaxel bei 11% (Ipatasertib-Arm) versus 15% der Patientinnen (Kontrollarm). Die Dosisre-
duktion von einer der Studienmedikatio-
nen wurde bei 35% der Patientinnen im
Ipatasertib-Arm versus 14% der Patien-
tinnen im Kontrollarm berichtet. Klinisch
relevante Nebenwirkungen traten bei
19% versus 21% der Patientinnen auf.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren
Diarrhö (80% vs. 31%; Grad ≥ 3: 9%), Alo-
pezie (46% vs. 44%) und Übelkeit (36%
vs. 23%).
n
Ine Schmale
Quelle: San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), Virtual Symposium, 8. bis 11. Dezember 2020
Referenzen: 1. Rugo HS et al.: Additional efficacy endpoints from the phase 3 KEYNOTE-355 study of pembrolizumab plus chemotherapy vs placebo plus chemotherapy as first-line therapy for locally recurrent inoperable or metastatic triple-negative breast cancer. SABCS 2020 virtual, Abstr. #GS3-01. 2. Hurvitz SA et al.: Biomarker evaluation in the phase 3 ASCENT study of sacituzumab govitecan versus chemotherapy in patients with metastatic triple-negative breast cancer. SABCS 2020 virtual, Abstr. #GS3-06. 3. Dent R et al.: Double-blind placebo-controlled randomized phase III trial evaluating first-line ipatasertib combined with paclitaxel for PIK3CA/AKT1/PTEN-altered locally advanced unresectable or metastatic triple-negative breast cancer: primary results from IPATunity130 Cohort A. SABCS 2020 virtual, Abstr. #GS3-04.
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