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SGGG-EXPERTENBRIEF NR. 71
In der GYNÄKOLOGIE werden – nach Auswahl der Herausgeber – an dieser Stelle aktuelle Expertenbriefe publiziert (verifizierte Printform).
Expertenbrief Nr. 71
(siehe auch: http://sggg.ch/de/members_news/1005)
Kommission Qualitätssicherung Präsident Prof. Dr. med. Daniel Surbek
Anzahl zu transferierender Embryonen in der Fortpflanzungsmedizin: Entscheidungsleitfaden
Assistierte reproduktionsmedizinische Behandlungen (ART) haben einen Anteil von 2% an den Geburten in der Schweiz und sind eine wichtige Ursache von Mehrlingsschwangerschaften, welche die perinatale Mortalität und Morbidität signifikant erhöhen. Dieser Expertenbrief soll den Spezialistinnen und Spezialisten Daten an die Hand geben, die bei der gemeinsam mit dem Paar getroffenen Entscheidung über die Anzahl der zu übertragenden Embryonen zu berücksichtigen sind.
Evidenzlevel
I. Streuli, J. Bénard, V. Cottin, M. Singer, N. Vulliemoz, M. Bleichenbacher, M. Häberle, M. von Wolff, A. Raggi,
M. Buttarelli, S. Steinmann, O. Irion
In der Schweiz sind fortpflanzungsmedizinische Behandlungen derzeit nicht durch die Krankenversicherung gedeckt, die Kosten werden vollumfänglich von den Paaren getragen. Eine staatliche Strategie zur Verringerung der Anzahl der zu transferierenden Embryonen und der Zwillingsschwangerschaften gibt es nicht. Das Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung (FMedG) legt keine Höchstgrenze für die Anzahl der zu übertragenden Embryonen fest. Wie viele Embryonen übertragen werden sollen, wird deshalb vom betroffenen Paar und vom Fortpflanzungsmediziner oder von der Fortpflanzungsmedizinerin gemeinsam entschieden und formal in einer Einwilligungserklärung dokumentiert. Die finanzielle Belastung und der Wunsch, mehr als ein Kind zu haben, veranlassen viele Paare, mehr als einen Embryo übertragen zu lassen, was erhebliche Folgen für das perinatale Outcome hat. Nach Inkrafttreten des neuen FMedG im September 2017 hat sich die Praxis im Bereich der Fortpflanzungsmedizin rasant weiterentwickelt. Der Trend geht dabei zu einer Verlängerung der Kultur bis zum Blastozystenstadium sowie zur verbreiteten Kryokonservierung überzähliger Embryonen. Auch die genetische Präimplantationsdiagnostik auf Aneuploidien (PID-A) ist zulässig und wird in mehreren Zentren angeboten. Diese technischen Fortschritte ermöglichen es, Konstellationen mit günstiger Prognose besser zu erkennen und Strategien für den Einzelembryotransfer zu entwickeln. Im ersten Jahr nach der Gesetzesänderung wurden ein klarer Anstieg der Einzelembryotransfers sowie ein Rückgang der Mehrlingsgeburten verzeichnet (Einzelembryotransfer: 34,3% im Jahr 2016 gegenüber 70,3% im Jahr 2018; Geburt von mehr als einem Kind: 15,6% im Jahr 2017 gegenüber 7,8% im Jahr 2018). Die durchschnittliche Anzahl der übertragenen
Embryonen in der Schweiz lag 2017 bei 1,7 und 2018 bei 1,3 (FIVNAT-Daten). Der eigenverantwortlichen Entscheidung des Paares, einen oder mehrere Embryonen übertragen zu lassen, muss ein Gespräch mit der Ärztin/dem Arzt vorausgehen, in dem die ethisch und medizinisch akzeptablen Optionen ausführlich erörtert werden.
Leitfaden für das Entscheidungsgespräch über die Anzahl der zu übertragenden Embryonen
I Erfolgskriterien der ART: Termingeburt (≥ 37. Schwangerschaftswoche, SSW) eines normalgewichtigen Kindes (≥ 2500 g).
I Ziel der ART: Maximierung der Chancen auf die Lebendgeburt eines gesunden Kindes durch Minimierung der perinatalen und langfristigen Gesundheitsrisiken für Mutter und Fetus.
I Definition des elektiven Einzelembryotransfers (elektiver Single-Embryo-Transfer, eSET): Transfer eines Einzelembryos im Mehrzell- oder Blastozystenstadium, der aus mehreren verfügbaren Embryonen ausgewählt wird (Practice Committee der American Society for Reproductive Medicine).
Empfehlungen für das Entscheidungsgespräch: 1. Das Paar soll über die Gesundheitsrisiken für Mutter und
Fetus/Feten im Zusammenhang mit Zwillings-/Mehrlingsschwangerschaften bei ART aufgeklärt werden. 2. Die Erfolgschancen auf Lebendgeburten nach IVF sollten als Rate pro Transfer sowie als kumulative Rate pro eingeleitetem Zyklus dargestellt werden. 3. Situationen, in denen ein eSET empfohlen oder dringend empfohlen wird, sollen identifiziert und dem Paar vorgestellt werden. 4. Die Strategien zur Optimierung der Chancen auf eine Schwangerschaft nach eSET sollten mit dem Paar besprochen werden (verlängerte Kultur, Embryonenselektion nach morphologischen Kriterien, Time-Lapse-Technik, PID-A).
IV
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Tabelle 1:
Mehrzellstadium Günstige Prognose* Sonstige Risikofaktoren Blastozyste Euploid Günstige Prognose* Sonstige Risikofaktoren§
< 35 Jahre
1 ≤2 1
1 1 ≤2 1
35–37 Jahre
Alter
1–2 ≤2 1
1
1 ≤2 1
38–40 Jahre
≤2 ≤2 1
1 ≤2 ≤2 1
> 40 Jahre
≤2 ≤3 1
1 ≤2 ≤2 1
* Top-Quality-Embryo nach den Kriterien des jeweiligen Labors. 1./2. Transfer, Eizelle einer Spenderin. § Erhebliches Risiko für eine Frühgeburt, Alter der Mutter > 45 Jahre, Turner-Syndrom, Diabetes, Adipositas, vorbestehende Hypertonie, anamnestisch bekannte Präeklampsie.
Tabelle 2:
Geburtskomplikationen bei Einlingen und Zwillingen aus Schwangerschaften nach spontaner Empfängnis und nach ART
Perinatale Ausgänge
Frühgeburt < 32. SSW Frühgeburt < 37. SSW III Gewicht < 1500 g III Gewicht < 2500 g IUGR Kaiserschnitt Intensivpflege
Einling spontan 0,7% 6,1% 1,0% 6,4% 8,6% 18,1% 12,0%
ART 2,0% 11,4% 2,5% 10,7% 12,3% 25,9% 17,3%
Zwillinge spontan 7,1% 45,6% 7,6% 52,8% 20,2% 39,3% 59,0%
ART 6,8% 50,0% 6,7% 54,6% 24,2% 46,7% 65,0%
IVF-Zwillinge vs. IVF-Einling
x 3,4 x 4,4 x 2,7 x 5,1 x 2,0 x 1,8 x 3,8
(Die Daten entstammen dem Artikel: Perinatal outcome of singleton and twins after assisted conception: a systematic review of controlled studies. Helmerhorst et al BJM 2004).
5. Die Kryokonservierung von Embryonen und deren Konsequenzen sollen ebenfalls erörtert werden.
6. Die Transferstrategie sollte die Chancen auf eine Lebendgeburt, das Risiko für eine Mehrlingsschwangerschaft sowie das Risiko für eine Frühgeburt berücksichtigen.
Zur Anzahl der zu übertragenden Embryonen gibt die Schweizerische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin folgende Empfehlungen ab (Tabelle modifiziert gemäss ASRMEmpfehlungen 2017: Guidance on the limit to the number of embryos to transfer: a committee opinion, Practice committee of ASRM and SART) (Tabelle 1).
Daten aus der Literatur
Die folgenden Abschnitte gehen detailliert auf die im Entscheidungsgespräch benötigten Daten aus der Literatur ein.
1. Geburtsausgänge Mehrlingsschwangerschaften, einschliesslich Zwillingsschwangerschaften, sind ein Komplikationsrisiko für Mutter und Fetus/Feten. Die Transferstrategie sollte Geburtskomplikationen und Zwillingsschwangerschaften minimieren (Tabelle 2). Vor 9 Jahren untersuchte eine schwedische Studie (Sazonova et al.; 2011) alle Geburten nach ART zwischen 2002 und 2006 in Schweden im Vergleich zu allen Geburten, die nicht aus ART resultierten. Im Falle des Einzelembryotransfers waren die Geburtsausgänge hinsichtlich Geburtsgewicht, Frühgeburt-
lichkeit, Apgar-Score und peri- sowie neonataler Mortalität mit denjenigen von «nicht-ART-Kindern» vergleichbar. Lediglich Frühgeburten vor der 28. SSW waren bei ART mit einer adjustierten OR von 1,45 (1,04–2,03) erhöht. Im Falle des Transfers von zwei Embryonen (unabhängig von der Anzahl der Implantationen) waren die Geburtsausgänge im Vergleich zu Schwangerschaften, die nicht aus ART hervorgingen, ungünstig, das mit einer adjustierten OR (95%-KI) von: Frühgeburt < 28. SSW: 1,85 (1,37–2,50), < 32. SSW: 2,26 (1,92– 2,65), < 37. SSW: 2,78 (2,58–2,99); Gewicht: < 1500 g: 2,16 (1,81– 2,57), < 2500 g: 3,16 (2,93–3,34); Apgar (5 min) < 7: 1,34 (1,09– 1,64); peri-/neonatale Mortalität 1,92 (1,26–2,92). Darüber hinaus besteht auch bei Einlingsschwangerschaften, die aus dem Transfer mehrerer Embryonen resultieren, ein höheres Risiko, insbesondere im Falle des «Vanishing-TwinSyndroms» (VTS). Einlinge aus ART-Schwangerschaften mit VTS haben ein geringeres Geburtsgewicht (-116 g), ein höheres IUGR-Risiko (OR: 1,48) sowie ein höheres Frühgeburtlichkeitsrisiko im Vergleich zu ART-Einlingen ohne VTS (Magnus et al. 2017).
2. Beurteilung der Risikofaktoren In bestimmten Situationen ist eine Zwillingsschwangerschaft nicht zu empfehlen, deshalb sollte der Transfer von zwei Embryonen vermieden werden.
III
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2.1. Frühgeburtsrisiko
vorausgegangene Präeklampsie, Adipositas, fortgeschrittenes
Das Risiko für eine Frühgeburt sollte jeweils im Einzelfall beur- Alter der Mutter) wird empfohlen, eine Zwillingsschwanger-
teilt werden. In Situationen mit erhöhtem Frühgeburtsrisiko schaft zu vermeiden.
wird der Transfer eines einzelnen Embryos empfohlen, insbe-
sondere bei ausgeprägter Uterusfehlbildung oder wenn zervi- Diabetes
kale Konisation, Frühgeburt oder zervikale Insuffizienz ana- Bei Patientinnen mit vorbestehendem Diabetes mellitus scheint
mnestisch bekannt sind. Hinsichtlich des Risikos einer Uterus- eine Zwillingsschwangerschaft ein unabhängiger Risikofaktor
ruptur bei anamnestisch bekannter Myomektomie geht aus für das Auftreten peripartaler/perinataler Ereignisse (hyperten-
der aktuellen Literatur kein übermässiges Risiko für eine sive Komplikationen, Frühgeburt und Einweisung in die
Uterusruptur oder eine Frühgeburt im Falle einer Zwillings- Neonatologie) zu sein (Gonzalez et al. 2014; Darke et al. 2016).
III schwangerschaft hervor, verglichen mit einer Einlingsschwan- Deshalb sollte der Transfer von > 1 Embryo bei einer Diabeti-
gerschaft.
kerin vermieden werden. Zu beachten ist, dass Patientinnen mit
vorbestehendem Diabetes eine Kohorte mit höherem Alter und
Konisation in der Anamnese
höherem BMI darstellen, woraus sich eine entsprechende
Eine zervikale Konisation aufgrund einer Dysplasie in der Vervielfachung der Risikofaktoren ergibt.
B Vorgeschichte erhöht das Risiko für eine Frühgeburt bei
Einlingsschwangerschaften aus ART (13,1% Frühgeburten von Body-Mass-Index
Einlingen nach Konisation gegenüber 8,2% ohne Konisation; Nicht untersucht wurde bisher, ob Adipositas der Mutter die
aOR: 1,56 [95%-KI: 1,21–2,01]). Im Falle einer aus ART resultie- maternalen und neonatalen Geburtsausgänge bei Zwillings-
renden Zwillingsschwangerschaft beträgt das Risiko für eine und Einlingsschwangerschaften unterschiedlich beeinflusst
Frühgeburt 58,2% versus 41,3% bei Frauen mit bzw. ohne (Ram et al. 2019). Die mütterliche Adipositas geht sowohl bei
III Konisation in der Anamnese (aOR: 1,94 [95%-KI: 1,04–2,94]). Das Einlings- als auch bei Mehrlingsschwangerschaften mit einem
Risiko für eine Geburt vor der 32. SSW verdoppelt sich ebenfalls erhöhten Risiko für Präeklampsie, Gestationsdiabetes und
(Pinborg et al. 2015).
Kaiserschnitt einher. Es muss stets beachtet werden, dass sich
Bei Frauen mit anamnestisch bekannter Konisation wird ein die Risiken summieren (Davies et al. 2018)! Bei untergewichti-
Einzelembryotransfer empfohlen.
gen Patientinnen bestand dagegen in derselben Studie ein
erhöhtes Risiko, vor der 32. SSW zu entbinden.
Uterusfehlbildungen
C Uterusfehlbildungen sind mit einem erhöhten Risiko für Addendum: Bei Embryotransferverfahren Komplikationen wie Fehl- oder Frühgeburt und einem niedri- eingesetzte Labortechniken
gen Geburtsgewicht assoziiert (Prior et al. 2018; Cahen-Peretz Verlängerte Kultur bis zum Blastozystenstadium 2019; Ozgur 2017). Vor diesem Hintergrund erhöht eine Die verlängerte Kultur mit Transfer im Blastozystenstadium hat
Mehrlingsschwangerschaft zusätzlich das Risiko für eine sich in den letzten Jahren rasant entwickelt, insbesondere dank Ib
Frühgeburt und das Risiko für ungünstige Geburtsausgänge.
der Vitrifizierung, die es ermöglicht, Embryonen mit Über-
Bei einer ausgeprägten Uterusfehlbildung (Uterus septus mit lebensraten von über 90% einzufrieren. In der Schweiz ist seit
kompletter Septierung U2b, Uterus bicornis U3b oder Uterus September 2017 die verlängerte Kultur für bis zu 12 Embryonen
unicornis U4, gemäss ESHRE/ESGE-Klassifikation 2014) wird erlaubt. Die FIVNAT-Statistiken für 2018 zeigen, dass die meis- Ia
ein Einzelembryotransfer empfohlen.
ten Frischtransfers derzeit im Blastozystenstadium erfolgen –
mit höheren Schwangerschaftsraten nach längerer Kultur
2.2. Maternale Risikofaktoren
(Schwangerschaftsraten bei Frischtransfers im Jahr 2018:
Mütterliches Alter
Embryo ≤ 2 Tage: 25,4% [n = 744], Embryo 3–4 Tage: 27,3% [n =
Aus einer Bevölkerungsstudie in den USA mit mehr als 950 000 1057], Embryo im Blastozystenstadium: 41,5% [n = 1871]).
Zwillingsschwangerschaften ging kein wesentliches durch das Eine randomisierte Studie zeigte, dass sich die Schwanger- III
Alter der Mutter bedingtes Geburtsrisiko hervor (McLennan et schaftsraten nach dem Transfer zweier Embryonen im Mehrzell-
al. 2017). Jedoch sind Zwillingsschwangerschaften mit Eizellen stadium statistisch nicht von denjenigen nach dem Transfer
C von Spenderinnen bei Frauen über 45 Jahre (Gerber et al. 2017) einer Einzelblastozyste unterschieden (61% vs. 76%) (Gardner et
mit höheren Kaiserschnitt-, Präeklampsie- und Gestations- al. 2004).
diabetesraten assoziiert. In diesem Zusammenhang und ange- Eine systematische Übersichtsarbeit von Cochrane bestätigt die
sichts der guten Prognose bei Eizellen von Spenderinnen wird höheren Implantationsraten bei Blastozysten. Der Frischtransfer
ein Einzelembryotransfer empfohlen (zur Erinnerung: Die von Blastozysten im Vergleich zu Embryonen im Mehrzell-
Eizellspende ist in der Schweiz verboten).
stadium führt zu höheren Geburtenraten (OR: 1,48; 95%-KI:
1,20–1,82) (Glujovsky et al. 2016).
Hypertonie
Oron et al. (2014) verglichen perinatale und Geburtsausgänge
Die Zwillingsschwangerschaft stellt an sich einen Risikofaktor für bei Einlingen nach Transfer von Embryonen im Mehrzellstadium
C Präeklampsie dar (RR: 3,5) (Francisco et al. 2017). Bei und im Blastozystenstadium. Die Schwangerschaftsraten waren
Risikofaktoren für Präeklampsie (vorbestehende Hypertonie, nach Blastozystentransfer deutlich höher (50,1% vs. 19,9%),
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ebenso die Lebendgeburtenraten (33,5% vs. 13,8%). In Bezug Präeklampsierisiko war bei Kryozyklen erhöht, mit einem RR von
auf maternale oder neonatale Komplikationen waren keine 3,13 (95%-KI: 1,06–9,30).
Ia
III Unterschiede feststellbar.
Aktuelle Daten deuten darauf hin, dass ein Kryotransfer im
Bei Frauen > 40 Jahre soll der elektive Einzelblastozysten- Substitutionszyklus im Vergleich zum Kryotransfer im natür-
transfer («elective Single Blastocyst Transfer», eSBT) mit ver- lichen Zyklus mit einem höheren Risiko für hypertensive Ib
gleichbaren Lebendgeburtenraten assoziiert sein wie der Schwangerschaftserkrankungen und Störungen der Plazenta-
Doppelblastozystentransfer («Double Blastocyst Transfer», bildung einhergeht. Das Vorliegen oder Fehlen eines Gelbkör-
DBT), und dies bei einer geringeren Rate von Mehrlings- pers könnte Auswirkungen auf den Geburtsausgang haben.
schwangerschaften (Tannus et al. 2017; retrospektive Studie mit
310 Patientinnen, mit einer Lebendgeburtenrate von 20% bei eSBT vs. 22% bei DBT; OR: 1,43 [95%-KI: 0,78–2,64] und mit 0 vs. 16% Mehrlingsschwangerschaften, p = 0,02). In derselben
Zwei aufeinanderfolgende Einzel- versus
Doppelembryotransfer Die Vitrifizierung von Embryonen ermöglicht es, anstelle eines
Ib
III Studie erreichten jedoch Patientinnen mit elektivem DBT, d. h. Mehrembryonentransfers mehrere sukzessive Einzelembryo-
Patientinnen mit überzähligen Blastozysten, die zum Einfrieren transfers durchzuführen, ohne negative Auswirkungen auf die
zur Verfügung standen und für die zwei Embryonen für den kumulativen Schwangerschaftsraten, wie die Metaanalyse von
Frischtransfer ausgewählt wurden, eine höhere Rate an McLernon 2010 gezeigt hat.
Lebendgeburten (30,6% vs. 20,0% [OR: 2,32, 95%-KI: 1,16–4,68]) Mit Embryonen im Mehrzellstadium wurden zwei randomisierte
sowie eine hohe Rate an Mehrlingsschwangerschaften (22% vs. Studien durchgeführt. Thurin et al. veröffentlichten 2004 eine
0%, p = 0,001).
multizentrische, randomisierte Studie mit Frauen < 36 Jahre, die In einer schwedischen Studie verglichen Ginström Ernstad 4819 ≥ 2 Embryonen guter Qualität im Mehrzellstadium erhielten. Einlinge nach Blastozystentransfer, 25 747 Transfers von Die Studie zeigt in Bezug auf die kumulativen Lebendgeburten III Embryonen im Mehrzellstadium und 1 196 394 Spontankonzep- von mindestens einem Kind keinen Unterschied zwischen tionen. Die meisten Geburtsausgänge waren bei Mehrzell- einem frischen Doppeltransfer und einem Frischtransfer plus stadium-Embryonen und Blastozysten vergleichbar. Aus einem einem Kryotransfer (42,9% vs. 38,3%, Differenz von 4,1% Blastozystentransfer hervorgegangene Kinder hatten ein gerin- [95%-KI: -3,4–11,6%]). Eine randomisierte Studie von Lukassen geres IUGR-Risiko (aOR: 0,71 [95%-KI: 0,56–0,88]), eine höhere (2005) verglich zwei Zyklen mit Einzelembryotransfer (2SET) mit neonatale Mortalität (aOR: 1,61 [95%-KI: 1,14–2,29]) und ein einem einzelnen Doppeltransferzyklus (1DET) bei Frauen III höheres Risiko für eine Kaiserschnittgeburt (aOR: 1,21 [95%-KI: < 35 Jahre, die sich einem ersten IVF-Zyklus mit mindestens 1,13–1,31]). In Bezug auf Fehlbildungen waren keine zwei Dreitagesembryonen unterzogen, von denen einer laut Unterschiede zwischen den beiden Gruppen feststellbar. morphologischer Analyse von ausgezeichneter oder sehr guter Im Jahr 2017 veröffentlichten Wang et al. eine systematische Qualität war. Die Ergebnisse zeigen vergleichbare kumulative Übersichtsarbeit mit Metaanalyse über 12 Studien. Das Risiko Geburtenraten (CLBR) pro Frau (2SET 41% vs. DET 36%) und für eine Frühgeburt war bei Blastozystentransfer gegenüber deutlich höhere Raten an Mehrlingsschwangerschaften in der dem Transfer von Embryonen im Mehrzellstadium leicht erhöht DET-Gruppe (2SET 0% vs. DET 37%). (RR: 1,11; 95%-KI: 1,01–1,22). Dieser Unterschied wurde bei den Die retrospektive Studie von Vidhisha (2018) konzentrierte sich Frischzyklen festgestellt. In der Subanalyse bei Kryozyklus auf das Blastozystenstadium. Sie vergleicht den zweizeitigen wurde dieser Unterschied nicht mehr gefunden. Transfer zweier Einzelblastozysten (2SBT) mit dem einzeitigen Transfer zweier Blastozysten (DBT) bei Frauen im ersten IVF- Frische versus vitrifizierte Blastozysten Zyklus mit eigenen Eizellen oder Eizellen einer Spenderin. Bei Die Vitrifizierung von Blastozysten ist eine etablierte Technik, Frauen, die ihre eigenen Eizellen verwendeten, waren die es gestattet, überzählige Embryonen mit sehr hohen Schwangerschafts-, Lebendgeburten- und Fehlgeburtenraten Überlebensraten nach dem Auftauen zu konservieren und nach vergleichbar, das bei deutlich niedrigeren Zwillingsschwanger- Ib dem Transfer im Kryozyklus («Frozen-Embryo-Transfer», FET) schaftsraten in der SBT-Gruppe (2SBT 4% vs. DBT 51,2%). Schwangerschaftsraten zu erzielen, die vergleichbar oder sogar höher sind als nach dem Transfer im Frischzyklus. Die FIVNAT- Auswahl des Embryos für den Transfer Statistiken für 2018 zeigen vergleichbare Schwangerschafts- Die Chancen auf Schwangerschaft und Geburt nach dem raten nach Transfer im Frisch- und im Kryozyklus. Transfer hängen direkt mit der Qualität der Embryonen und Eine vor Kurzem an 21 Zentren in China durchgeführte multizen- dem Alter der Patientin zusammen. Die Auswahl des zu übertra- trische, randomisierte Studie verglich den Frischtransfer einer genden Embryos ist entscheidend, um Paaren die besten Einzelblastozyste mit dem Kryotransfer einer Einzelblastozyste Chancen auf eine Geburt innerhalb der kürzesten Zeit zu bie- III bei Frauen im ersten IVF-Zyklus (Wei et al., Lancet 2019). Die ten. Zur Auswahl des Embryos im Rahmen eines eSET können Lebendgeburtenraten waren nach Blastozystentransfer im verschiedene Methoden verwendet und miteinander kombi- Kryozyklus besser als nach Transfer frischer Blastozysten (50% vs. niert werden; überzählige Embryonen können für zukünftige Ib 40%; RR: 1,26; 95%-KI: 1,14–1,41). In Bezug auf das Risiko von Kryotransfers vitrifiziert werden. Man unterscheidet die Hyperstimulation, Fehlgeburten, Geburtskomplikationen und Embryonenselektion nach morphologischen Kriterien, auf Basis neonataler Morbidität bestanden keine Unterschiede. Das morphokinetischer Analysen (Time-Lapse-Technik) und auf GYNÄKOLOGIE 1/2021 21 Basis genetischer Tests auf Aneuploidien. Protokolle, die sich Forman et al. verglichen 2003 in einer randomisierten, kontrol- auf die embryonale Morphologie und die Morphokinetik stüt- lierten Studie die Schwangerschaftsraten nach der 24. Woche zen, sind für jedes Labor spezifisch und werden hier nicht einge- sowie die Mehrlingsschwangerschaftsraten bei Frauen < 43 Jahre Ib hend behandelt. mit Transfer einer einzelnen euploid getesteten Blastozyste mit denjenigen einer Kontrollgruppe mit Transfer von zwei Präimplantationsdiagnostik betreffend Aneuploidie (PID-A) Blastozysten, die nach morphologischen Kriterien ausgewählt Die PID-A ist seit 2017 in der Schweiz zulässig und wird in meh- wurden. Die Schwangerschaftsraten nach der 24. Woche ent- reren Zentren angeboten. Die rasante Entwicklung der Tech- sprachen sich in beiden Gruppen (60,7% vs. 65,1% [95%-KI: 18- niken und der Mangel an randomisierten, kontrollierten Studien 7–9,9%). Die Raten der Mehrlingsschwangerschaften unter- erschweren die Veröffentlichung von Übersichtsarbeiten. Diese schieden sich signifikant (0% vs. 53,4%, p < 0,001). Technik ist derzeit noch immer höchst umstritten (Rosenwaks et Die Autoren folgern aus den Ergebnissen, dass der «Blastocyst al. 2018). Gegenstand der Debatte sind die Indikationen für die Euploid Single Embryo-Transfer» (BEST) eine Strategie sein PID-A und ihr Nutzen hinsichtlich der kumulativen Schwanger- könnte, um Mehrlingsschwangerschaften auch bei Patientinnen schaftsraten nach einem Zyklus sowie die Verringerung des im Alter von 40 bis 43 Jahren zu reduzieren. Fehlgeburtsrisikos. Einige Studien berichten von einem Rückgang der kumulativen Lebendgeburtenraten nach einem Komplettzyklus, insbesondere bei jungen Frauen (Murphy et al. 2018). Im Gegensatz dazu erhöht die PID-A die Geburtenrate Datum des Expertenbriefs: 15.10.2020 Deklaration von Interessenkonflikten: Die Autoren unterliegen keinen Interessenkonflikten in Bezug auf den Gegenstand dieses Expertenbriefs. pro Transfer insbesondere bei Frauen über 38 Jahre (Murphy et al. 2018; Munné et al. 2019). Die Technik begünstigt den eSET Literatur bei den Autoren. bei älteren Frauen und senkt die Rate der Zwillingsschwanger- schaften in dieser Population, die an sich bereits ein höheres Risiko für Geburtskomplikationen aufweist. * Evidenzlevel und Empfehlungsgrade der Therapieangaben Evidenzlevel Ia Evidenz durch die Metaanalyse von randomisierten, kontrollierten Untersuchungen Ib Evidenz durch mindestens eine randomisierte, kontrollierte Untersuchung IIa Evidenz durch mindestens eine gut angelegte, kontrollierte Studie ohne Randomisierung IIb Evidenz durch mindestens eine gut angelegte andere quasiexpe- rimentelle Studie III Evidenz durch gut angelegte, beschreibende Studien, die nicht experimentell sind, wie Vergleichsstudien, Korrelationsstudien oder Fallstudien IV Evidenz durch Expertenberichte oder Meinungen und/oder klinische Erfahrung anerkannter Fachleute Empfehlungsgrad Es ist in der Literatur, die gesamthaft von guter Qualität und A Konsistenz sein muss, mindestens eine randomisierte, kontrol- lierte Untersuchung vorhanden, die sich auf die konkrete Empfehlung bezieht (Evidenzlevel Ia, Ib). B Es sind zum Thema der Empfehlung gut kontrollierte, klinische Studien vorhanden, aber keine randomisierten, klinischen Untersuchungen (Evidenzlevel IIa, IIb, III). C Es ist Evidenz vorhanden, die auf Berichten oder Meinungen von Expertenkreisen basiert und/oder auf der klinischen Erfahrung von anerkannten Fachleuten. Es sind keine qualitativ guten, klinischen Studien vorhanden, die direkt anwendbar sind (Evidenzlevel IV). Good-Practice-Punkt Empfohlene Best Practice, die auf der klinischen Erfahrung der Expertengruppe beruht, die den Expertenbrief/die Guideline herausgibt. Übersetzt aus dem Englischen (Quelle: RCOG Guidelines Nr. 44, 2006) 22 GYNÄKOLOGIE 1/2021