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KONGRESSBERICHT
ASCO20 Virtual – Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, 29. bis 31. Mai 2020
HER2-negatives Mammakarzinom
Vielversprechende Strategien vor allem für die fortgeschrittene Erkrankung
Beim HER2-negativen Brustkrebs konnten beim diesjährigen ASCO-Kongress wieder Fortschritte «verbucht werden». Insbesondere für die Behandlung der metastasierten Erkrankung wurden neue Strategien aufgetan, wie beispielsweise die Hemmung von PI3Kα. Optimierungsversuche im neoadjuvanten Setting bestätigten die gleichwertige Wirksamkeit der etablierten, endokrin wirkenden Substanzen.
Letrozol und Fulvestrant: Gleichwertige Kombinationspartner für Palbociclib
In der Behandlung des endokrin sensitiven metastasierten Mammakarzinoms ist der CDK4/6-Inhibitor Palbociclib in Kombination mit Letrozol eine etablierte Standardtherapie. Da auch die Kombination von CDK4/6-Inhibitoren plus Fulvestrant bei endokrin resistenten Patienten zu verlängerten Überlebensraten geführt hat, wurde nun in der PARSIFAL-Studie der optimale Kombinationspartner für Palbociclib gesucht (1). 486 Patientinnen mit HR-positivem, HER2-negativem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom erhielten in der ersten Therapielinie im Verhältnis 1:1 randomisiert Palbociclib in Kombination mit Fulvestrant oder Letrozol bis Tumorprogress oder intolerierbaren Toxizitäten. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Die in die Studie eingeschlossenen Patientinnen waren median 63 Jahre alt, in 30% der Fälle adjuvant und in 9% neoadjuvant vorbehandelt. Eine TamoxifenTherapie hatten 22%, einen Aromatasehemmer 10% und beides 14% der Patientinnen erhalten. Das PFS zeigte sich in beiden Studien vergleichbar (HR: 1,13; 95%-KI: 0,89–1,45; p = 0,321). Im Median lebten die Patientinnen im Letrozol-Arm 32,8 Monate versus 27,9 Monate im Fulvestrant-Arm progressionsfrei. In Subgruppenanalysen waren die Regime auch bezüglich der viszeralen Metastasierung und der Präsentation der Tumorerkrankung nicht unterschiedlich: Patientinnen mit nicht viszeraler Erkrankung erreichten unter dem Letrozol- versus das Fulvestrant-Regime ein medianes PFS von 35,9 versus 36,6 Monate (HR: 0,97;
95%-KI: 0,67–1,40), und Patientinnen mit viszeraler Metastasierung erzielten ein medianes PFS von 25,6 versus 17,9 Monate (HR: 1,27; 95%–KI: 0,91–1,77). Präsentierten sich Patientinnen mit einem Krankheitsrückfall, wurde im Median ein PFS von 32,9 versus 27,7 Monate beobachtet (HR: 1,14; 95%-KI: 0,82–1,56) und bei einer De-novo-Erkrankung ein medianes PFS von 31,6 versus 28,1 Monate (HR: 1,13; 95%-KI: 0,77–1,75). Der Median war – mit einer Nachbeobachtungszeit von 32 Monaten – bezüglich des Gesamtüberlebens (OS) in beiden Studienarmen noch nicht erreicht. Nach 3 Jahren lebten 77,1% versus 79,4% der Patienten im Letrozol- respektive im FulvestrantArm (HR: 1,00; 95%-KI: 0,68–1,48). Die Autoren schlossen aus den Ergebnissen, dass die Therapieentscheidung nach Präferenz von Patientin und Arzt wie auch in Hinblick auf die nachfolgende Therapiestrategie gefällt werden sollte.
Alpelisib plus endokrine Therapie nach CDK- plus Aromatasehemmer
Die endokrine Resistenz wird unter anderem durch eine Hyperaktivierung des PI3K-Signalwegs aufgrund einer PIK3CAMutation bewirkt. Diese tritt bei etwa 40% der Hormonrezeptor-(HR-)positiven, HER2-negativen Mammakarzinome auf und geht mit einer schlechteren Prognose einher. In der Phase-II-Studie BYLieve wurde die Kombination des PI3Kα-Inhibitors Alpelisib mit einer endokrinen Therapie (Fulvestrant oder Letrozol) nach einer CDK4/6-Inhibitor-basierten Behandlung bei fortgeschrittener Erkrankung untersucht (2). Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt: 50,4% (gefordert waren > 30%) der
Patientinnen zeigten bis Monat 6 keinen Progress, das mediane PFS betrug 7,3 Monate. Ein Ansprechen wurde bei 17,4% der Patientinnen beobachtet, die klinische Kontrollrate lag bei 45,5%. Therapieassoziierte Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 traten bei 62,2% sowie klinisch relevante Nebenwirkungen bei 14,2% der Patientinnen auf. 20,5% brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab. Im Vergleich zu «Real-World-Daten» aus einem US-amerikanischen Register bringt die Therapie mit Alpelisib plus Fulvestrant einen Vorteil bezüglich des PFS und sollte, so das Fazit der Autoren, weiterentwickelt werden.
Tripelnegativ: Pembrolizumab plus Chemotherapie wirksam
Die Monotherapie mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab führte bei Patientinnen mit metastasiertem, tripelnegativem Mammakarzinom (TNBC) zu anhaltenden Antitumoraktivitäten. Die 2:1-randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studie KEYNOTE-355 prüfte nun plazebokontrolliert die zusätzliche Gabe von Pembrolizumab zu einer Chemotherapie bei Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem, nicht operablem oder metastasiertem TNBC und PD-L1-Expression im Erstliniensetting (3). Primäre Studienendpunkte waren das PFS und das OS, jeweils in der ITT-Population sowie bei Patientinnen mit PD-L1-positiven Tumoren (CPS ≥ 1 und CPS ≥ 10). Das Risiko für einen Progress wurde durch die Pembrolizumab-Gabe bei Patientinnen mit einem PD-L1-CPS ≥ 10 um 35% reduziert (HR: 0,65; 95%-KI: 0,49– 0,86; p = 0,0012). Im Median betrug das PFS 9,7 versus 5,6 Monate. Nach 6 Monaten waren 65,0% versus 46,9% und nach 12 Monaten 39,1% versus 23,0% der Patientinnen mit hoher PD-L1-Expression progressionsfrei. Auch bei Patientinnen mit einem PD-L1-CPS ≥ 1 wurde eine statistisch signifikante Verlängerung des PFS durch Pembrolizumab beobachtet: Das mediane PFS betrug 7,6 versus 5,6 Monate mit 6-Monats-PFS-Raten von
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56,4% versus 46,6% und 12-Monats-PFSRaten von 31,7% versus 19,4% (HR: 0,74; 95%-KI: 0,61–0,90; p = 0,0014). Für die ITT-Population wurde eine Risikoreduktion von 18% (HR: 0,82; 95%-KI: 0,69–0,97) mit einem medianen PFS von 7,5 versus 5,6 Monate und 6- bzw. 12-Monats-PFSRaten von 55,4% versus 47,8% respektive 29,8% versus 20,9% beobachtet. Patienten mit einem CPS < 1 profitierten gemäss Subgruppenanalyse nicht von der zusätzlichen Pembrolizumab-Gabe (median 6,3 vs. 6,2 Monate; HR: 1,08; 95%-KI: 0,77–1,53). Neoadjuvante Ribociclib-Gabe erhöht Letrozol-Effekt nicht Da beim fortgeschrittenen Brustkrebs die zusätzliche Gabe von Ribociclib zur endokrinen Therapie den Therapieerfolg verbessern konnte, wurde in der randomisierten, plazebokontrollierten, multizentrischen US-amerikanischen FELINEStudie die Zugabe von Ribociclib zu Letrozol auch im neoadjuvanten Setting untersucht (4). Die dreiarmige Studie schloss insgesamt 120 Patientinnen ein, die 6 Zyklen (q28d) Plazebo plus Letrozol, intermittierend Ribociclib plus Letrozol oder kontinuierlich Ribociclib plus Letrozol bis zum Tag vor der Operation erhielten. Primärer Endpunkt war das Erreichen eines PEPI 0 zum Zeitpunkt der Operation. Der PEPI-Score (= Preoperative Endocrine Prognostic Index) ist ein validierter Algorithmus, der Daten des pathologischen Berichts unter endokriner Therapie einschliesst. Ein PEPI-Score von 0 ist mit einem sehr niedrigen Risiko für einen Progress ohne adjuvante Chemotherapie assoziiert. Im Ergebnis zeigten 25,4% der Patientinnen in den beiden Ribociclib-Armen versus 25,8% der Patientinnen im PlazeboArm einen PEPI 0 (p = 0,96). Ein klinisches Ansprechen wurde bei 76,1% versus 71,4%, ein Ultraschallansprechen bei 44,4% versus 30,4% und ein MRT-Ansprechen bei 27,9% versus 22,6% der Patientinnen beobachtet. Einzig der CCCA (= Complete Cell Cycle Arrest; Ki-67≤ 2,7%) am Tag 14 des ersten Zyklus wurde signifikant häufiger in den Ribociclib-Armen festgestellt (91,9% vs. 51,7%; p < 0,0001). Zur Zeit der Operation war der CCCA in beiden Studienarmen vergleichbar (71,4% vs. 61,3%; p = 0,42), was möglicherweise auf früh erworbene Resistenzen gegenüber Ribociclib hindeutet. An Nebenwirkungen traten AST- und ALT-Erhöhungen sowie Neutropenien häufiger in den Ribociclib-Armen auf. Optimierung der neoadjuvanten Therapie mit Fulvestrant Auch in der dreiarmigen ALTERNATEStudie wurde nach einer Optimierung der neoadjuvanten Therapie gesucht (5). Patientinnen erhielten Anastrozol versus Fulvestrant versus Anastrozol plus Fulvestrant mit dem Ziel eines PEPI 0. Wurde dieser erreicht, erhielten die Patientinnen in der adjuvanten Phase der Studie entsprechend der Studienarme im neoadjuvanten Studienteil Anastrozol für 4,5 Jahre oder Fulvestrant für 1,5 Jahre, danach folgte Anastrozol für 3 Jahre oder Anastrozol plus Fulvestrant für 1,5 Jahre, danach Anastrozol für 3 Jahre. Wurde der PEPI 0 nicht erreicht, erhielten die Patientinnen eine adjuvante Chemotherapie, danach folgte eine endokrine Therapie nach Wahl des Behandlers. Primärer Endpunkt des neoadjuvanten Studienteils war der Anteil an Patientinnen mit endokrin sensitiver Erkrankung (ESDR). Beim adjuvanten Studienteil wurde als primärer Endpunkt das brustkrebsfreie Intervall untersucht. Beim ASCO-Kongress 2020 wurden die Ergebnisse der neoadjuvanten Phase sowie die Veränderung des Ki67 bis Woche 4, verglichen mit Studienbeginn, präsentiert. Insgesamt wurden 1362 Patientinnen eingeschlossen, von 1299 Patientinnen konnten die Daten ausgewertet werden. Einen PEPI 0 erreichten 17,7% der Patientinnen im Anastrozol-Arm, 21,8% der Patientinnen unter Fulvestrant sowie 20,0% der Patientinnen im Kombinationsarm. Eine pathologische Komplettremission (pCR) zeigten 0,9% versus 0,9% versus 0,5% der Patientinnen in den drei Studienarmen. Der ESDR (= PEPI 0 plus pCR) war in den drei Armen mit 18,6% versus 22,7% versus 20,5% vergleichbar. Alle drei Regime waren auch gleich effektiv in der Reduktion der Tumor-Ki-67-Spiegel von Therapiebeginn bis Woche 4. I Ine Schmale Quelle: ASCO20 Virtual Scientific Program, 29. bis 31. Mai 2020. Referenzen: 1. Llombart-Cussac A et al.: A randomized, multicenter, open-label, phase II trial to evaluate palbociclib in combination with fulvestrant or letrozole in endocrine-sensitive patients with estrogen receptor ER+/HER2- metastatic breast cancer: PARSIFAL trial. ASCO 2020, Abstr. #1007. 2. Rugo HS et al.: Alpelisib + fulvestrant in patients with PIK3CA-mutated hormone-receptor positive (HR+), human epidermal growth factor receptor-2-negative (HER2-) advanced breast cancer previously treated with cyclin-dependend kinase 4/6 inhibitor (CDKi) + aromatase inhibitor (AI): BYLieve study results. ASCO 2020, Abstr. #1006. 3. Cortes J et al.: KEYNOTE-355: Randomized, doubleblind, phase 3 study of pembrolizumab + chemotherapy versus placebo + chemotherapy for previously untreated locally recurrent inoperable or metastatic triple-negative breast cancer. ASCO 2020, Abstr. #1000. 4. Khan QJ et al.: Letrozole plus ribociclib compared to letrozole plus placebo as neoadjuvant therapy for ER positive early breast cancer (FELINE trial). ASCO 2020, Abstr. #505. 5. Ma CX et al.: ALTERNATE: Neoadjuvant endocrine treatment (NET) approaches for clinical stage II or III estrogen receptor-positive HER2-negative breast cancer (ER+ HER2- BC) in postmenopausal women: Alliance A011106. ASCO 2020, Abstr. #504. Auf einen Blick I Letrozol und Fulvestrant sind gleichwertige Therapiepartner für Palbociclib. Die Therapieentscheidung sollte in Hinblick auf die Nachfolgetherapien getroffen werden. I Die Kombination Alpelisib plus Fulvestrant ist eine vielversprechende Therapieoption für das HR-positive, HER2-negative Mammakarzinom nach einer CDK4/6-basierten Behandlung. I Beim tripelnegativen Brustkrebs ist die Kombination von Pembrolizumab plus Chemotherapie eine wirksame Erstlinienoption bei Patientinnen mit einem CPS ≥ 1. I Die neoadjuvante Gabe von Ribociclib zusätzlich zu Letrozol konnte die Wirksamkeit nicht verbessern. Auch die Kombination Anastrozol plus Fulvestrant war in der neoadjuvanten Phase der ALTERNATE-Studie den Einzelsubstanzen nicht überlegen. GYNÄKOLOGIE 4/2020 33