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KONGRESSBERICHT
ASCO20 Virtual – Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, 29. bis 31. Mai 2020
Rezidiviertes Ovarialkarzinom
PARP-Hemmer zur Verlängerung des Überlebens
Gemäss Langzeitbeobachtung profitieren Frauen mit rezidiviertem Ovarialkarzinom (rOC) und BRCA1/2-Mutation von der Erhaltungstherapie mit dem PARP-Inhibitor Olaparib mit einem verlängerten Gesamtüberleben von fast 13 Monaten. Unter der Kombination Niraparib/Bevacizumab wurde in finaler Analyse das signifikant verbesserte PFS in mehreren Subgruppen bei meist vorbehandelten rOC-Patientinnen bestätigt. Weitere Kombinationen mit PARP-Hemmern zeigen deutliche Überlebensvorteile, darunter in der Erstlinientherapie.
Das platinsensitive, rezidivierte Ovarialkarzinom (PSrOC) gehört zu den schwierig zu behandelnden Erkrankungen, insbesondere wenn eine BRCA1- oder -2Mutation vorliegt. Therapieoptionen mit verschiedenen PARP-Hemmer-Kombinationen in fortgeschrittenen Krankheitsstadien und in diversen Subgruppen werden derzeit in klinischen Studien untersucht.
wechselten zum Verum. Nach diesen 5 Jahren hatten 28,3% der Frauen unter Olaparib (vs. 12,8% unter Plazebo) gemäss Kaplan-Meier-Schätzungen keine Folgetherapie erhalten, 42,1% in der Olaparib-Gruppe lebten (vs. 33,2%). Die Langzeitverträglichkeit war konsistent mit früheren Erfahrungen. Die Autoren folgern daraus, dass sich hier eine neue Standardoption etabliert.
SOLO-2-Studie: Erhaltungstherapie mit Olaparib
Eine statistisch signifikante Verbesserung des medianen progressionsfreien Überlebens (PFS) von 13,6 Monaten unter einer Erhaltungstherapie mit Olaparib hatte die randomisierte Studie SOLO 2 bereits im Jahr 2017 gegenüber Plazebo gezeigt. Beim ASCO-Kongress 2020 wurden nun die Ergebnisse der geplanten Analyse zum Gesamtüberleben (OS) präsentiert (1): In der Langzeitbeobachtung nach 5 Jahren Therapie lebten 42,1% der Frauen unter Erhaltungstherapie mit dem PARP-Hemmer, aber nur 33,2% derjenigen unter Plazebo, was einer Lebensverlängerung von fast 13 Monaten entspricht. Frauen mit BRCA-mutiertem PSrOC hatten nach mehr als 2 Therapielinien randomisiert im Verhältnis 1:1 eine Erhaltungstherapie mit Olaparib (oder Plazebo) erhalten. Stratifiziert wurde nach Ansprechdauer (komplett vs. partiell; platinfreies Intervall). Das OS war sekundärer Endpunkt. Beim finalen Cut-off am 3. Februar 2020 und bei einer medianen Beobachtung von 65 Monaten zeigte sich der Vorteil von Olaparib beim OS mit einer Hazard Ratio (HR) von 0,74 (95%-KI: 0,54–1,00). 38,4% der Patientinnen unter Plazebo
Phase III: Olaparib-Monotherapie versus Cediranib + Olaparib versus Chemotherapie
Lässt sich die PARP-Therapie durch Hinzunahme eines VEGFR-Tyrosinkinasehemmers (TKI) weiter verbessern? In einer am ASCO-Kongress 2020 präsentierten offenen Phase-III-Studie (2) wurde die Olaparib-Monotherapie mit der Kombination Olaparib plus dem neuen VEGFRTKI Cediranib bei Patientinnen mit PSrOC verglichen und untersucht, ob diese Therapien der Standardchemotherapie überlegen sind. Eine Phase-II-Studie hatte bereits gezeigt, dass die Kombination das PFS gegenüber der Olaparib-Monotherapie verlängert. 549 Patientinnen mit rezidiviertem, hochgradig serösem, endometrioidem oder BRCA-mutiertem Ovarialkarzinom wurden nach mindestens einem 6-monatigen platinfreien Intervall im Verhältnis 1:1:1 randomisiert für I eine Standardchemotherapie oder I Olaparib (300 mg 2 × täglich) oder I Cediranib plus Olaparib (30 mg täg-
lich + 200 mg 2 × täglich). Ausschlusskriterien für die Studie waren eine vorhergehende Therapie mit einem Antiangiogen oder PARP-Hemmer. Die erste Analyse startete 2 Jahre nach Ein-
schluss der letzten Patientin; primärer Endpunkt war das PFS. Die Daten von 528 Frauen konnten ausgewertet werden; 23,7% hatten eine BRCA-Mutation, das mediane Follow-up betrug 29,1 Monate. Resultate: Die berechnete HR für das PFS betrug 0,86 (95%-KI: 0,66–1,11) für Cediranib + Olaparib versus Chemotherapie. Für Olaparib versus Chemotherapie betrug die HR für das PFS 1,20 (95%-KI: 0,93–1,54). Das mittlere PFS erreichte 10,3 Monate unter der Chemotherapie, 8,2 Monate unter der Olaparib-Monotherapie und 10,4 Monate unter der Kombination. Die Ansprechraten waren entsprechend 71,3%, 52,4% und 69,4%. Bei den Frauen mit BRCA-Mutation betrugen die HR für das PFS 0,55 für die Kombination versus Chemotherapie und 0,63 für Olaparib versus Chemotherapie. Lag keine BRCA-Mutation vor, beliefen sich die HR entsprechend auf 0,97 und 1,41. Bezüglich OS wurden bisher keine Unterschiede festgestellt. Die Kombination brachte mehr Nebenwirkungen von Grad 3 und 4 als die Chemotherapie, vor allem gastrointestinale (30,1 vs. 8,4%) und Hypertonie (31,7% vs. 1,8%). Die Schlussfolgerung der Studienleiter: Die Therapien zeigten ähnliche Wirksamkeiten, der primäre Endpunkt (das verlängerte PFS) wurde trotz positiver Tendenz in der Kombinationstherapie nicht erreicht.
AVANOVA2/ENGOT-OV24Studie mit Niraparib + Bevacizumab
Finale Resultate dieser Phase-II-Studie (3) bestätigten die in der ersten Analyse beobachtete signifikante Verlängerung des PFS sowie die weiteren klinischen Überlebensvorteile unter der Kombination Niraparib plus Bevacizumab (im Vergleich zur Niraparib-Monotherapie). Die Vorteile unter der Kombination waren unabhängig vom HRD-Status (homologous recombination deficiency), von der Zahl der Vortherapien und der chemotherapiefreien Dauer.
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KONGRESSBERICHT
ASCO20 Virtual – Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, 29. bis 31. Mai 2020
Die offene Studie randomisierte 97 Patientinnen mit serösem, hochgradig entdifferenziertem PSrOC im Verhältnis 1:1 zu Niraparib/Bevacizumab oder zur Niraparib-Monotherapie. Primärer Endpunkt war das PFS; stratifiziert wurde nach HRD-Status und Dauer des chemotherapiefreien Intervalls. Das Endresultat zeigte ein mehr als verdoppeltes medianes PFS von 12,5 Monaten (versus 5,5) unter der Kombination. (HR: 0,34; 95%-KI: 0,21–0,55). Die Zeit bis zur ersten Folgetherapie war deutlich verlängert (HR: 0,40; 95%-KI: 0,25–0,64), ebenso die Zeit bis zur zweiten Folgetherapie (HR: 0,56; 95%-KI: 0,35–0,90). Der HRD-Status und die Dauer des chemotherapiefreien Intervalls hatten keinen Einfluss auf das Überleben. Das OS war ebenfalls verlängert (HR: 0,77; 95%-KI: 0,42–1,41); die Studie hatte aber insgesamt nicht genügend statistische Power, um OS-Unterschiede in den Kollektiven zu bestimmen (kleine Studie; «nur» 49 von 97 Patientinnen starben im Studienzeitraum). Bis auf Hypertonie (n = 22,9 vs. 0%) und Neutropenie (8,3 vs. 2,0%) zeigten sich keine weiteren Unterschiede bei den Grad-3bis -4-Nebenwirkungen.
VELIA-Studie bei neu diagnostiziertem Karzinom mit Velaparib-Kombination
Die Phase-III-Studie VELIA (4) hatte in einer ersten Analyse durch die Studienärzte bei Patientinnen mit fortgeschrittenem, neu diagnostiziertem, hochgradig serösem Ovarialkarzinom ein signifikant verbessertes PFS unter der Kombination
des neuen PARP-Hemmers Velaparib (V)
plus Chemotherapie (Carboplatin/Paclita-
xel; CP) plus Velaparib-Erhaltungsthera-
pie (CPV-V) versus Velaparib-CP versus
Plazebo-CP gezeigt. Beim ASCO-Kon-
gress 2020 wurden nun die Auswertun-
gen von einem unabhängigen Komitee
präsentiert.
1140 Patientinnen im Stadium III bis IV
waren eingeschlossen (Erstlinientherapie
6 Zyklen, Erhaltungstherapie zusätzlich
30 Zyklen). 26% des Kollektivs hatten eine
BRCA-Mutation, 55% einen homologen
Rekombinationsmangel (HR-Mangel).
Die unabhängige Auswertung mit Sub-
gruppenanalyse übertraf teilweise mit
ihren positiven Resultaten sogar die
Analysen der Studienärzte: Das mediane
PFS war in der Kombinationsgruppe un-
ter CPV-V gegenüber der Kontrollgruppe
(CP) im Gesamtkollektiv signifikant mit
29,3 versus 19,2 Monate (HR: 0,64) er-
höht. Bestätigt wurden die Vorteile für
Patientinnen mit BRCA-Mutation mit
deutlich verlängertem PFS («nicht er-
reicht» vs. 28,8 Monate; HR: 0,44).
Zum Vergleich: Bei Frauen mit BRCA-
Wildtyp-Tumoren betrug die PFS-Dauer
23,7 (vs. 17,1) Monate (HR: 0,73). Bei Pati-
entinnen, deren Tumoren ein HR-Mangel
aufwies, betrug das PFS 34,7 (vs. 22,7)
Monate (HR: 0,60). Bei denjenigen ohne
HR-Mangel betrug das mediane PFS 21,1
(vs. 13,1) Monate (HR: 0,65).
I
Bärbel Hirrle Quelle: ASCO20 Virtual Scientific Program, 29. bis 31. Mai 2020.
Referenzen: 1. Poveda A et al.: Maintenance Therapy With PARP In-
hibitor Olaparib Extends Survival By Over 1 Year in Patients With Relapsed Ovarian Cancer and BRCA Mutation. ASCO 2020, Abstr. #6002. 2. Liu JF et al.: A phase III study comparing singleagent olaparib or the combination of cediranib and olaparib to standard platinum-based chemotherapy in recurrent platinum-sensitive ovarian cancer. ASCO 2020, Abstr.c #6003. 3. Mirza MR et a.: Final survival analysis of NSGOAVANOVA2/ENGOT-OV24: Combination of niraparib and bevacizumab versus niraparib alone as treatment of recurrent platinum-sensitive ovarian cancer – A randomized controlled chemotherapy-free study. ASCO 2020, Abstr. #6012. 4. Aghajanian C et al.: PFS by blinded independent central review (BICR) in the VELIA trial of veliparib (V) plus carboplatin/paclitaxel (CP) and as monotherapy in newly diagnosed patients (pts) with high-grade serous ovarian cancer (HGSC). ASCO 2020, Abstr. #6077.
Auf einen Blick
I 5-Jahres-Follow-up der SOLO-2-Studie: Die Erhaltungstherapie mit Olaparib verlängert das Gesamtüberleben um 13 Monate (vs. Plazebo) bei fortgeschrittenem Ovarialkarzinom mit BRCA-Mutation.
I Finale Studienresultate bestätigen signifikantes Überleben unter Niraparib + Bevacizumab gegenüber Niraparib-Monotherapie.
I Phase-III-Studie: Olaparib + Cediranib können das PFS gegenüber Olaparib-Monotherapie oder Chemotherapie nicht verlängern (primärer Endpunkt nicht erreicht).
I VELIA-Studie: Die Kombination Velaparib/ Chemotherapie plus Velaparib-Erhaltungstherapie verlängert signifikant das PFS bei De-novo-Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom und verbessert es weiter bei Patientinnen mit BRCAMutation, das gemäss einer unabhängigen Analyse.
GYNÄKOLOGIE 4/2020
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