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KONGRESSBERICHT
ASCO20 Virtual – Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, 29. bis 31. Mai 2020
HER2-positives, fortgeschrittenes Mammakarzinom
Neue Medikamente für die metastasierte Erkrankung
Für die Behandlung der metastasierten, HER2-positiven Erkrankung sind mehrere zielgerichtete Wirkstoffe zugelassen; für den Fall der Resistenz werden zusätzliche irreversible Tyrosinkinasehemmer benötigt. Beim ASCO-Kongress 2020 wurden vielversprechende Ergebnisse vor allem für Pyrotinib und Tucatinib vorgestellt.
Effektive Zweit-/Drittlinientherapie: Pyrotinib plus Capecitabin
Die chinesische Phase-III-Studie PHOEBE untersuchte randomisiert die Therapie mit Pyrotinib plus Capecitabin versus Lapatinib plus Capecitabin bei 267 Patientinnen mit pathologisch bestätigtem, HER2-positivem, metastasiertem Brustkrebs (1). Die Patientinnen waren laut Einschlusskriterien mit Trastuzumab und Taxan und/oder Anthrazyklinen behandelt worden. Bis zu zwei vorangegangene Chemotherapielinien für die metastasierte Erkrankung waren erlaubt. Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt: Das Risiko für einen Progress wurde mit Pyrotinib im Vergleich zu Lapatinib um 61% reduziert (HR: 0,39; 95%-KI: 0,27–0,56; p < 0,0001). Das mediane PFS betrug 12,5 versus 6,8 Monate. Ein Vorteil für Pyrotinib wurde für alle untersuchten Subgruppen gesehen. Patientinnen sprachen häufiger auf die Pyrotinib- als auf die Lapatinib-Therapie an (67,2% vs. 51,5%), zudem war die Dauer des Ansprechens mit 11,1 versus 7,0 Monate im PyrotinibArm verlängert. Eine frühe Auswertung des Gesamtüberlebens (OS) gibt bereits Hinweise auf einen Überlebensvorteil unter Pyrotinib-haltiger Therapie (HR: 0,46; 95%-KI: 0,22–0,99). Im Median erhielten die Patientinnen 11,9 Zyklen Pyrotinib plus Capecitabin versus 8,0 Zyklen Lapatinib plus Capeci-
tabin. Therapieassoziierte Nebenwirkungen von Grad ≥ 3 traten bei 57,5% versus 34,1% der Patientinnen auf, klinisch relevante Nebenwirkungen bei 6,0% versus 1,5%. Die Studienmedikation wurde von 3% der Patientinnen im Pyrotinib- und von 2,3% im Lapatinib-Arm abgebrochen. Die häufigste Nebenwirkung Grad ≥ 3 im Pyrotinib-Arm war eine Diarrhö (30,6%).
Effektiv bei Hirnmetastasen: Tucatinib
Etwa die Hälfte der Patientinnen mit HER2-positivem Brustkrebs entwickelt im metastasierten Stadium Hirnmetastasen. Tucatinib blockiert hochselektiv den HER2-Rezeptor, aber nur minimal EGFR. Die 2:1-randomisierte, doppelblinde, globale HER2CLIMB-Studie untersuchte plazebokontrolliert die zusätzliche Gabe von Tucatinib zu Trastuzumab und Capecitabin bei insgesamt 612 Patientinnen mit vorbehandeltem, HER2-positivem, metastasiertem Mammakarzinom (2). Alle eingeschlossenen Patientinnen erhielten ein Hirn-MRT zu Studienbeginn. Bei 291 Patientinnen wurden Hirnmetastasen identifiziert. Die Studie erreichte den primären Endpunkt – eine Verlängerung des PFS – wie auch die sekundären Endpunkte OS und PFS bei Patientinnen mit Hirnmetastasen bereits mit der ersten Zwischenanalyse. Nun wurden aktualisierte Daten zur Kohorte der Patientinnen mit Hirnmetastasen beim ASCOKongress veröffentlicht:
Das mediane PFS der Patientinnen mit
Hirnmetastasen wurde durch die zusätzli-
che Gabe von Tucatinib zu Trastuzumab
und Capecitabin in der aktuellen Auswer-
tung von 4,2 auf 9,9 Monate verlängert
und das Risiko für einen Progress signifi-
kant um 68% reduziert (HR: 0,32; 95% KI:
0,22–0,48; p < 0,00001). Nach 12 Mona-
ten lebten 40,2% der Patientinnen im ex-
perimentellen Arm progressionsfrei,
aber keine Patientin (0%) im Plazeboarm.
Der Vorteil durch die Tucatinib-Gabe
übertrug sich auch auf das Gesamtüber-
leben. 70,1% versus 46,7% der Patientin-
nen mit Hirnmetastasen überlebten
12 Monate. Das mediane OS betrug 18,1
versus 12,0 Monate (HR: 0,58; 95%-KI:
0,40–0,85; p = 0,005).
Innerhalb der Gruppe der Patientinnen
mit aktiven Hirnmetastasen bei Studien-
einschluss (n = 174) wurde ebenfalls eine
Verlängerung des PFS (HR: 0,36; 95%-KI:
0,22–0,57; p < 0,0001) und des OS (HR:
0,49; 95%-KI: 0,30–0,80; p = 0,004) gese-
hen. Nach 12 Monaten lebten 71,7% ver-
sus 41,1% der Patientinnen beider Stu-
dienarme. Bei 35,0% versus 0% der Pati-
entinnen bestand kein Fortschreiten der
Erkrankung. Die Ansprechrate betrug
bei den Frauen mit aktiven und mess-
baren Hirnläsionen 47% versus 20%
(p = 0,03).
I
Ine Schmale
Quelle: ASCO20 Virtual Scientific Program, 29. bis 31. Mai 2020.
Referenzen: 1. Xu B et al.: Pyrotinib or lapatinib plus capecitabine
for HER2+ metastatic breast cancer (PHOEBE): A randomized phase 3 trial. ASCO 2020, Abstr. #1003. 2. Lin NU et al.: Tucatinib vs placebo added to trastuzumab and capecitabine for patients with previously treated HER2+ metastatic breast cancer with brain metastases (HER2CLIMB). ASCO 2020, Abstr. #1005.
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