Transkript
FIRST-TO-DISCUSS-Newsletter Schweizerische Menopausengesellschaft*
Löst eine Hysterektomie eine Depression aus?
Hintergrund: Für eine Depression nach einer Operation gibt es verschiedene Gründe, beispielsweise Schmerzen, eingeschränkte Mobilität oder/und reduzierte soziale Teilhabe. Im Kontext der Hysterektomie (HE) kommen potenziell noch die Angst vor dem Verlust der Weiblichkeit und der sexuellen Funktion sowie hormonelle Veränderungen (v. a. bei parallel durchgeführter bilateraler Ovarektomie [BSO]) dazu. Bisherige Studienergebnisse sind heterogen (1–5); neben einer Post-HE-Depression werden nämlich auch positive affektive Veränderungen beschrieben. In der Praxis stellt sich die Frage, inwiefern beim Aufklärungsgespräch vor einer HE auf das Risiko einer postoperativen Depression hingewiesen werden sollte.
Wie ist die oben genannte Untersuchung von Choi und Kollegen zu bewerten?
Zusammenfassung der Studie
In einer südkoreanischen retrospektiven Registerstudie (nationales Versichertenregister) wurden Frauen im Alter 30+, bei denen im Zeitraum von 2002 bis 2013 eine HE vorgenommen worden war (n = 9971), im Verhältnis 1:4 mit Kontrollen (n = 39 884) gematcht und maximal 12 Jahre nachbeobachtet. Die Erstdiagnose einer Depression gemäss ICDKlassifikation im Zeitraum von 2002 bis 2013 wurde dem gleichen Register entnommen. Keine der Frauen hatte vor der Operation jemals die Diagnose Depression erhalten. Die Inzidenz der Depression betrug bei Frauen mit HE 6,59 pro 1000 Frauenjahre, die der Kontrollgruppe 5,70 pro 1000 Frauenjahre (adjustierte Hazard Ratio [HR]: 1,15; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,03–1,29; p < 0,05). In der Subgruppenanalyse wurden Frauen mit HE gemäss BSO-Status aufgeteilt. Frauen mit HE ohne BSO hatten ein signifikant höheres Risiko für die Erstdiagnose Depression im Vergleich zu Kontrollen (adjustierte HR: 1,16; 95%-KI: 1,03–1,31; p = 0,014), Frauen mit HE mit BSO jedoch nicht (adjustierte HR: 1,08; 95%-KI: 0,79–1,47). Weitere Subgruppenanalysen bezogen sich auf das Alter bei HE und den Zeitraum seit HE (in Jahren). Im Vergleich zur Kontrollgruppe war das Risiko für die Erstdiagnose Depression bei Frauen, die vor dem 50. Lebensjahr eine HE erhielten, signifikant erhöht (adjustierte HR: 1,18; 95%-KI: 1,04–1,35; p = 0,012). Ebenso war das Risiko für
eine Depression 2 Jahre postoperativ signifikant erhöht (adjustierte HR: 1,81; 95%-KI: 1,40–2,37; p < 0,001), nicht aber nach 1, 3, 4 und 5 Jahren. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass das Risiko, nach einer HE erstmals an einer Depression zu erkranken, erhöht sei.
Kommentar
Die Studie bestätigt das seit den 1970erJahren immer wieder (wenn auch kontrovers) beschriebene «Post-HysterektomieSyndrom». Vorteile der Studie sind ihr grosser Stichprobenumfang, die eindeutige Diagnosestellung per ICD-Klassifikation und der lange Beobachtungszeitraum. Folgende Limitationen schränken die Aussagekraft jedoch ein: 1. Eine Aussage über die Kausalität von
HE und Depression ist aufgrund des Studiendesigns nicht möglich. 2. Die ICD-Klassifikation sagt nichts über die Schwere der Depression und deren Therapie aus. 3. Die Indikationen für eine HE mit/ohne BSO sind unbekannt. 4. Es ist unbekannt, ob Frauen postoperativ eine Hormontherapie (HT) erhielten. Letzteres ist deswegen interessant, weil hier möglicherweise eine Erklärung dafür liegt, warum Frauen nach HE mit BSO kein höheres Risiko für die Erstdiagnose Depression hatten, verglichen mit den Kontrollen: In Erwartung starker menopausaler Symptome wurde Frauen nach HE mit BSO vielleicht sofort postoperativ eine HT angeboten!?
Prof. Dr. med. Petra Stute, Präsidentin Schweizerische Menopausengesellschaft, Leitende Ärztin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Inselspital Bern, resümiert und kommentiert kürzlich publizierte Studien zu wichtigen und vielfach kontrovers diskutierten Themen.
Kommentierte Studie: Choi HG et al.: Association between hysterectomy and depression: a longitudinal follow-up study using a national sample cohort. Menopause 2020; 27(5): 543–549.
Für die Praxis ist wichtig, Frauen mit ge-
planter Hysterektomie mit/ohne BSO
über mögliche (positive und negative) af-
fektive Veränderungen aufzuklären und
auch im weiteren Verlauf (über Jahre) ein
Auge auf psychische Veränderungen zu
haben.
I
Prof. Dr. med. Petra Stute Präsidentin Schweizerische Menopausengesellschaft (SMG) Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital 3010 Bern E-Mail: petra.stute@insel.ch Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel: keine.
Referenzen: 1. Richards DH.: A post-hysterectomy syndrome. Lancet 1974; 2: 983–985. 2. Helmy YA, Hassanin IM, Elraheem TA, Bedaiwy AA, Peterson RS, Bedaiwy MA.: Psychiatric morbidity following hysterectomy in Egypt. Int J Gynaecol Obstet 2008; 102: 60–64. 3. Chou PH, Lin CH, Cheng C, et al.: Risk of depressive disorders in women undergoing hysterectomy: a population-based follow-up study. J Psychiatr Res 2015; 68: 186–191. 4. Farquhar CM, Sadler L, Stewart AW.: A prospective study of outcomes five years after hysterectomy in premenopausal women. Aust N Z J Obstet Gynaecol 2008; 48: 510–516. 5. Gibson CJ, Joffe H, Bromberger JT, et al.: Mood symptoms after natural menopause and hysterectomy with and without bilateral oophorectomy among women in midlife. Obstet Gynecol 2012; 119: 935–941.
30 GYNÄKOLOGIE 3/2020