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FIRST-TO-DISCUSS-Newsletter Schweizerische Menopausengesellschaft
Langzeitrisiko für eine erneute venöse Thromboembolie bei früheren Östrogen-Anwenderinnen
Hintergrund: Nach Beendigung der Antikoagulation ist das Risiko für ein Rezidiv einer venösen Thromboembolie (VTE) nach einer ersten spontanen VTE höher als nach einer VTE infolge eines reversiblen Risikofaktors (1, 2). Das gilt vor allem für eine spontane, proximale tiefe Beinvenenthrombose (DVT) oder Lungenembolie (LE). Es ist unklar, ob und für wie lange eine Antikoagulation nach spontaner proximaler DVT oder LE durchgeführt werden soll.
Wie ist die oben genannte Untersuchung von Kearon und Kollegen zu bewerten?
Zusammenfassung der Studie
In einer prospektiven Kohortenstudie mit 410 adipösen Patienten mit spontaner VTE wurde die Antikoagulation nach durchschnittlich 5 Monaten beendet, wenn die D-Dimere im Serum (iS) unter Therapie und 1 Monat nach Abschluss negativ waren (n = 319). In dieser Subgruppe waren 180 Männer (54 ± 12 Jahre), 81 Frauen ohne (55 ± 14 Jahre) und 58 Frauen mit (38 ± 12 Jahre) ÖstrogenTherapie (ET) bei dem spontanen VTEErstereignis. Insgesamt traten 60 VTERezidive während eines Follow-ups von 1180 Patientenjahren auf. Das entsprach pro Patient einer jährlichen VTERezidivrate von 5,1% (95%-KI: 3,9–6,5) und nach 5 Jahren einem kumulativen VTE-Rezidivrisiko von 21,5% (95%-KI: 16,4–26,5). Bezogen auf die drei Subgruppen, lag das kumulative VTE-Rezidivrisiko für Männer bei 29,7% (95%-KI: 22,1–37,3), für Frauen ohne ET bei dem VTE-Erstereignis bei 17% (95%-KI: 8,1–25,9) und für Frauen mit ET bei dem VTE-Erstereignis bei 2,3% (95%-KI: 0,0–6,8). Im Vergleich dazu betrug unter fortbestehender Antikoagulation (positive D-Dimere iS) das jährliche VTE-Rezidivrisiko pro Patient 1,6% (95%-KI: 0,4–4,2) (vergleichbar mit dem jährlichen Risiko für eine schwere Blutung 1,6% [95%-KI: 0,5–3,7]).
Fazit der Autoren Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass bei allen Männern und bei Frauen,
die eine spontane VTE nicht im Kontext einer ET erlitten hatten, das VTE-Rezidivrisiko zu hoch sei, um infolge von negativen D-Dimeren iS die Antikoagulation nach 3 bis 6 Monaten routinemässig zu beenden. Anders bei Frauen, die eine spontane VTE unter ET erlitten hatten: Das VTE-Rezidivrisiko sei ausreichend niedrig, um nach ET-Stopp auf eine Dauerantikoagulation verzichten zu können. Die Bedeutung der D-Dimere iS zur Entscheidung für oder gegen eine Dauerantikoagulation nach spontaner VTE sei fraglich.
Kommentar
Die Studie suggeriert, dass eine ET alle anderen VTE-Risikofaktoren in den Schatten stellt, sodass durch den zukünftigen Verzicht auf eine ET das VTE-Rezidivrisiko auch ohne Dauerantikoagulation niedrig bleibt. Allerdings differenzieren die Autoren nicht nach Östrogen-Typ und -Applikationsmodus. Aufgrund des deutlich jüngeren Alters der ET-Anwenderinnen (im Vergleich zu denjenigen der Gruppe 2) ist anzunehmen, dass viele eine kombinierte hormonale Kontrazeption mit Ethinylestradiol und nur wenige eine (orale/transdermale) menopausale Hormonersatztherapie mit Estradiol anwandten. Auch wiesen die Männer und Frauen ohne ET mehr Komorbiditäten auf, wie die Prävalenz des Diabetes mellitus und die der Therapie mit Aspirin und Statinen vermuten lässt. Hierfür wurde jedoch
Prof. Dr. med. Petra Stute, Präsidentin Schweizerische Menopausengesellschaft, Leitende Ärztin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Inselspital Bern, resümiert und kommentiert kürzlich publizierte Studien zu wichtigen und vielfach kontrovers diskutierten Themen.
Kommentierte Studie: Kearon C et al.: Long-term risk of recurrence in patients with a first unprovoked venous thromboembolism managed according to d-dimer results; a cohort study. J Thromb Haemost 2019; 17(7): 1144–1152. LoE 2b
nicht adjustiert. Es wäre interessant zu
wissen, wie die Entscheidung für oder
gegen eine Dauerantikoagulation nach
spontaner VTE ausfiele, würden der
Östrogen-Typ und andere VTE-Risikofak-
toren mitberücksichtigt.
I
Prof. Dr. med. Petra Stute Präsidentin Schweizerische Menopausengesellschaft (SMG) Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital 3010 Bern E-Mail: petra.stute@insel.ch Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel: keine.
Referenzen: 1. Boutitie F, Pinede L, Schulman S, Agnelli G, Raskob G, Julian J, Hirsh J, Kearon C.: Influence of preceding length of anticoagulant treatment and initial presentation of venous thromboembolism on risk of recurrence after stopping treatment: analysis of individual participants’ data from seven trials. BMJ. 2011; 342: d3036. 2. Iorio A, Kearon C, Filippucci E, Marcucci M, Macura A, Pengo V, Siragusa S, Palareti G.: Risk of recurrence after a first episode of symptomatic venous thromboembolism provoked by a transient risk factor: a systematic review. Arch Intern Med. 2010; 170(19): 1710-1716.
GYNÄKOLOGIE 3/2020
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