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FORTBILDUNGSBERICHT
Forum für medizinische Fortbildung (FOMF)
Menopause
Klimakterium: Therapie auf individuelles Beschwerdebild abstimmen
Peri- und postmenopausal kann ein Östrogenmangel zahlreiche klimakterische Symptome und Spätfolgen bewirken. Wie diese Beschwerden gelindert werden können, allfälligen Spätfolgen vorgebeugt werden kann und welchen Stellenwert die Hormonersatztherapie heutzutage hat, erläuterte Dr. Maddalena Masciocchi, Oberärztin Frauenklinik, Universitätsspital Basel, vor einiger Zeit in Basel.
Die Wechseljahre der Frau sind mit dem Anstieg der Lebenserwartung eine Erscheinung der jüngeren Zeit. Noch im Jahr 1900 erlebten weniger als 50 Prozent der Frauen aufgrund der damals viel kürzeren Lebenserwartung die Menopause, inzwischen sind es über 95 Prozent. Eine frühe Menopause tritt vor dem 45. Lebensjahr ein, eine vorzeitige Menopause vor dem 40. Lebensjahr. In der klimakterischen Übergangsphase kommt es zu einer nur noch unregelmässigen Eierstockfunktion, einem relativen Mangel an Östrogenen, einem Anstieg der Gonadotropinkonzentration im Serum und zu einem relativen Anstieg der Androgenspiegel. Diese Phase wird bei vielen Frauen von zahlreichen mehr oder weniger starken Symptomen begleitet. Dabei macht sich die vasomotorische Instabilität durch Hitzewallungen und Schweissausbrüche bemerkbar, die zwischen 1 und 30 Mal pro Tag auftreten können. Unter dieser neuroendokrinen Dysregulation im Hypothalamus leiden 80 Prozent der Frauen länger als 1 Jahr, etwa 30 Prozent von ihnen länger als 5 Jahre.
Auf einen Blick
I Ein Östrogenmangel kann zahlreiche Beschwerden auslösen und zu postmenopausalen Spätfolgen wie beispielsweise Osteoporose, urogenitale Atrophie, urogenitale Erkrankungen oder zerebrale Veränderungen führen.
I Eine Hormonersatztherapie ist dringend indiziert bei Menopause praecox und empfohlen bei früher Menopause.
I Vor Therapiebeginn sind eine ausführliche Aufklärung und eine individuelle NutzenRisiko-Abwägung angebracht.
Als weiteres Symptom des Klimakteriums können Schlafstörungen auftreten. Sie werden meist durch Hitzewallungen ausgelöst. Von zusätzlichen Schlafstörungen sind etwa 40 Prozent der Frauen betroffen, Folge davon können Nervosität, Aggressivität, psychische Veränderung bis zur depressiven Verstimmung sein. Sie gehen häufig mit Palpitationen/Schwindelgefühl und vermehrter Ermüdbarkeit einher. Davon abzugrenzen sind Schlafstörungen anderer Genese wie beispielsweise Nykturie, Angst, Schmerzen, finanzielle oder familiäre Belastungen. Mit dem Klimakterium kann es auch zu Sexualstörungen kommen. Bei 50 bis 60 Prozent der Frauen bleibt der Wunsch nach sexueller Aktivität jedoch erhalten. Doch können sich Dyspareunie durch vaginale Trockenheit, ausgelöst durch den Östrogenmangel, Depression oder neurologische Störungen negativ auswirken. Zu bedenken gilt auch, dass es bei iatrogen induzierter Menopause beispielsweise nach einer Eierstock- mit/ohne Eileiterentfernung zu einem klinisch relevanten Androgenabfall mit Risiko von Libidoverlust kommen kann. Nach der klimakterischen Phase kann der langfristige Östrogenmangel in der Postmenopause zu Spätfolgen wie Osteoporose, Gewichtszunahme, urogenitaler Atrophie oder urogenitalen Erkrankungen sowie zerebralen Veränderungen führen. Um das osteoporotische Knochenfrakturrisiko einzugrenzen, ist auf eine genügende Kalziumzufuhr (1000 mg/Tag) zu achten und eine Vitamin-D-Supplementierung (800 IE/Tag) zu erwägen. Bei bereits manifester Osteoporose ist eine spezifische Therapie mit Bisphosphonaten, Raloxifen, Denosumab oder Teriparatid notwendig.
Therapiemöglichkeiten in neuem Licht
Bei leichteren Beschwerden des klimakterischen Syndroms seien nicht hormonelle Therapieoptionen häufig genügend, sagt die Gynäkologin. Mit Phytoöstrogenen (Isoflavone) oder Pflanzenextrakten der Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa, 13 mg/ Tag) können die Wechseljahrbeschwerden ohne Wirkung auf die Brustdrüse oder die Gebärmutter gelindert werden. Ausserdem sind Gabapentin wie auch Serotoninwiederaufnahmehemmer, insbesondere Venlafaxin, eine Option bei vasomotorischen Beschwerden bei Frauen mit kontraindizierter Hormonersatztherapie (HRT). Eine HRT braucht neben einer Indikation eine Nutzen-Risiko-Abwägung. Bei vorzeitiger Menopause ist die HRT absolut indiziert, bei früher Menopause dringend empfohlen. Bei zeitgerecht eintretender Menopause ist eine HRT innerhalb der ersten 2 bis 3 Jahre nach Beginn bis zum Alter von 60 Jahren eine Option. Die 2002 und 2004 publizierten Ergebnisse der Studie WHI (women’s health initiative) hatten zu einer massiven Verunsicherung der Patientinnen und Ärzte und zu millionenfachem Absetzen der HRT geführt. Ziel der Studie war herauszufinden, ob die peri- und postmenopausale Hormontherapie während 5 bis 7 Jahren (Östrogen plus Gestagen [n = 16 608] bzw. Östrogen allein bei hysterektomierten Frauen [n = 10 739], 13 Jahre Followup) vor chronischen Erkrankungen schützt. Die Resultate zeigten ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Brustkrebs unter der Kombinationstherapie, unter der Monotherapie ein erhöhtes Hirnschlagrisiko (1, 2). Aus heutiger Sicht waren die teilnehmenden Patientinnen mit Durchschnittsalter von 63 Jahren zu alt und zu weit weg vom Beginn der Menopause. Jede zweite Frau hatte auch schon bedeutende Risiken wie Adipositas, Hypertonie, Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen oder rauchte. Eine spätere Auswertung der kumulativen Daten der WHI-Studie zeig-
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te für die Gruppe der 50- bis 59-jährigen Frauen unter alleiniger Gabe oraler konjugierter equiner Östrogene ein reduziertes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, Karzinome sowie Gesamtmortalität (3).
Aktuelle Interpretation
Nach heutiger Einschätzung kann eine HRT bei starken postmenopausalen Beschwerden und Abwesenheit von kardiovaskulären Risiken (< 5%) sowie innerhalb von 5 bis 10 Jahren nach Beginn der Menopause erwogen werden (4). Liegt das kardiovaskuläre Risiko zwischen 5 und 10 Prozent, soll eine transdermale HRTTherapie gewählt werden. Bei systemischer Östrogentherapie (Östradiol, Östradiolvalerat) bei nicht hysterektomierten Frauen soll ein Gestagenpräparat (Progesteron) dazugegeben werden, um eine Hyperplasie des Endometriums zu vermeiden. Bei niedrig dosierten oder
lokalen Östrogenpräparaten (Östriol) besteht keine dahingehende Gefahr. Eine weitere Möglichkeit ist die Verabreichung von selektiven Östrogenmodulatoren. Etwa 1 bis 2 Jahre nach Menopausebeginn kann Tibolon verabreicht werden. Dieses wirkt durch seine östrogene, gestagene und androgene Partialwirkungen klimakterischen vasomotorischen Beschwerden entgegen, reduziert das Risiko für Osteoporose und hat einen günstigen Effekt auf die Libido. In der späten Postmenopause findet Raloxifen Anwendung. Es zeichnet sich durch eine signifikante osteoprotektive Wirkung aus und wirkt antagonistisch auf Endometrium und Brustdrüse. Eine Wirkung auf vasomotorische Beschwerden fehlt dagegen, und Beinkrämpfe sowie thromboembolische Erkrankungen können auftreten. I
Valérie Herzog
Quelle: «Menopause», FOMF Allgemeine Innere Medizin, 29. Januar bis 1. Februar 2020 in Basel.
Referenzen: 1. Rossouw JE et al.: Risks and benefits of estrogen
plus progestin in healthy postmenopausal women: principal results from the women’s health initiative randomized controlled trial. JAMA 2002; 288: 321– 333. 2. Anderson GL et al.: Effects of conjugated equine estrogen in postmenopausal women with hysterectomy: the women’s health initiative randomized controlled trial. JAMA 2004; 291: 1701–1712. 3. Manson JE et al.: Menopausal hormone therapy and health outcomes during the intervention and extended poststopping phases of the Women’s Health Initiative randomized trials. JAMA 2013; 310: 1353– 1366. 4. Manson JE et al.: Algorithm and mobile app for menopausal symptom management and hormonal/ non-hormonal therapy decision making: a clinical decision-support tool from The North American Menopause Society. Menopause 2015; 22: 247–253.
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