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EDITORIAL
Schwerpunkt: Reproduktionsmedizin aktuell
D ie Entwicklung der medizinischen Genetik verläuft rasant. Wenngleich sich die Entwicklungen (noch) weitgehend auf die genetische Diagnostik begrenzen, sind die medizinischen Konsequenzen doch bereits erheblich. So eröffnen die Fortschritte in der Diagnostik ein weites Feld der Prävention und der Optimierung unserer Therapien. Allgegenwärtige Beispiele in unserem Fach sind die BRCA-Mutationen in der Gynäkologie und die nicht invasiven Pränataltests in der Geburtshilfe. Aber auch die Reproduktionsmedizin profitiert von den rasanten Entwicklungen.
Neueste diagnostische Techniken – Chancen, ... So haben wir inzwischen die Möglichkeit, bei Erkrankungen wie der prämaturen Ovarialinsuffizienz und
Reproduktionsgenetik – rasante Entwicklungen
der Infertilität nach genetischen Ursachen zu fahnden. Hier geht es aber nicht nur um eine Klärung der Ursache, was für viele Frauen schon sehr hilfreich ist. Anja Fink und Anja Rebekka Wüest beschreiben entsprechend in ihrem Artikel, dass aus der Diagnostik auch schon therapeutische Konsequenzen abgeleitet werden können. Zu diesen Konsequenzen gehört auch die seit Ende 2017 in der Schweiz erlaubte Präimplantationsdiagnostik (PID). Bei einigen Erkrankungen erlaubt eine Diagnostik anhand weniger embryonaler Zellen eine Selektion «gesunder» Embryonen. Die Diagnostik von genetischen Erkrankungen ist definitiv ein grosser Schritt zu einer Erkrankungsprävention in der Reproduktionsmedizin. Allerdings ist in der Reproduktionsmedizin nicht alles Gold, was glänzt. So gibt es inzwischen auch Techniken, deren Nutzen noch nicht erwiesen ist und die in manchen Fällen sogar risikoreich sein können. Rebekka Moffat und Kollegen gehen in ihrem Artikel auf die heutigen Möglichkeiten, aber auch auf die Grenzen und Risiken der PID ein.
... aber auch Grenzen und Risiken Zu den Risiken gehören die erhöhten Fehlbildungsraten und möglicherweise auch funktionellen Veränderungen bei Kindern, die durch In-vitro-Fertilisationstechnologie gezeugt werden. Michael von Wolff und Thomas Haaf haben 2019 infolge der – insbesondere in der Schweiz – viel diskutieren, potenziell kardiovaskulären Risiken unter IVF-Techniken ein systematisches Review erstellt, um die Risiken und deren Veränderung in den letzten Jahren korrekt zu beziffern. Die im Schwerpunktteil dargestellte Zusammenfassung bestätigt, dass die Risiken für das Kind unter IVF gegenüber spontaner Zeugung erhöht sind. Der Artikel zeigt aber auch, dass die Risiken in den letzten Jahren abgenommen haben oder gar nicht unbedingt auf der IVF-Technologie beruhen, sondern vielfach auch maternaler und paternaler Natur sein können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie sehen, ist in der Reproduktionsmedizin in den letzten 10 Jahren viel passiert. Ich bin gespannt, ob es in weiteren 10 Jahren bereits einen Schwerpunkt(-thema) zur genetischen Therapie geben wird. Wie Sie wissen, gibt es dahingehend schon erste Versuche.
Es grüsst Sie ganz herzlich, Michael von Wolff
GYNÄKOLOGIE 2/2020
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