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EMPFEHLUNGEN DER SGGG – gynécologie suisse
(Stand: 14. April 2020) https://www.sggg.ch/fileadmin/user_upload/Dokumente/1_Ueber_uns/Empfehlung_Coronavirusinfektion_COVID-19_14.04.2020.pdf
Verifizierte Version von Prof. Daniel Surbek, Präsident Kommission Qualitätssicherung, SGGG/gynécologie suisse
Coronavirusinfektion COVID-19 – Schwangerschaft und Geburt
Die COVID-19-Pandemie (Coronavirus-, Sars-CoV-2-Infektion) stellt uns vor grosse Herausforderungen gerade auch innerhalb der Geburtshilfe. Was ist bekannt zum Risiko für Mutter und Kind? Die SGGG gibt – stichwortartig – erste aktualisierte Antworten und Empfehlungen für behandelnde Ärztinnen und Ärzte.
Derzeit gibt es noch wenig Informationen zur Ansteckungsrate und zu den Verläufen von Sars-CoV-2-Infektionen bei Schwangeren. Bisher gibt es keine Anzeichen für ein erhöhtes Infektionsrisiko oder einen schwereren Krankheitsverlauf bei schwangeren Frauen.
I Bisher gibt es keinen Hinweis, dass die Ansteckungsrate bei schwangeren Frauen höher ist als in der Allgemeinbevölkerung. Bezüglich Massnahmen zum Schutz vor einer Infektion und einer Übertragung des Virus gelten gemäss BAG zurzeit dieselben wie für die Allgemeinbevölkerung.
I Bei den wenigen bisher publizierten Fällen von COVID-19 bei Schwangeren gibt es keinen Hinweis darauf, dass eine Sars-CoV-2-Infektion bei Schwangeren häufiger zu Erkrankungssymptomen oder zu schwereren Verläufen führt als bei Nichtschwangeren. Das zeigt auch die gegenwärtige Erfahrung in Norditalien. Somit gehören Schwangere nicht zu den besonders gefährdeten Personen für eine COVID19-Erkrankung, wie sie das BAG definiert hat. Eine akute Erkrankung (insbesondere auch starker Husten oder Fieber) kann aber ungünstige Auswirkungen auf den Schwangerschaftsverlauf haben. Deshalb sollte eine schwangere Frau sich mit den zur Verfügung stehenden Massnahmen vor einer Infektion schützen, auch bei der Arbeit (gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers). Bei Schwangeren mit besonderen Vorerkrankungen oder bei Risikoschwangerschaften kann ein erhöhtes Risiko durch die COVID-19-Erkrankung bestehen. Hier sollen allenfalls spezielle Massnahmen durch die Gynäkologin/den Gynäkologen festgelegt werden.
I Ein Test auf eine Sars-CoV-2-Infektion bei Schwangeren ist sinnvoll, wenn die typischen Symptome einer Infektion bestehen. Schwangere ohne Symptome einer Infektion wird – Stand heute (24.4.20) – kein COVID-19-Test empfohlen. Einige Kliniken empfehlen, Schwangere bei einer Hospitalisation und bei Eintritt zur Geburt zu testen.
I An COVID-19 erkrankte Schwangere oder Verdachtsfälle sollen in der Schwangerschaft dort weiterbetreut werden, wo die Betreuung bisher stattgefunden hat respektive geplant
war. Ebenso soll die Geburt in der Klinik stattfinden, wo sie geplant war und von der Frau gewünscht wird. Der Arzt/die Ärztin und das Spital sollten telefonisch über die Erkrankung informiert werden, damit das Vorgehen besprochen und entsprechende Massnahmen vorbereitet werden können. Eine Sars-CoV-2-Infektion alleine ist kein Grund, die Frau an eine Zentrumsklinik zu überweisen, ausser wenn geburtshilflichmedizinische Gründe oder ein schwerer Verlauf der COVID19-Erkrankung das notwendig machen. Ist eine ausserklinische Geburt geplant, soll das Vorgehen mit der betreuenden Fachperson (Hebamme) frühzeitig abgesprochen werden. I Bei den bisherigen untersuchten Fällen von COVID-19 bei Schwangeren konnte kein Hinweis auf eine intrauterine Übertragung auf das Kind vor der Geburt nachgewiesen werden. Weder im Fruchtwasser noch in der Plazenta konnte bisher der Virus nachgewiesen werden. Allerdings hat eine neue Studie gezeigt, dass Anti-Sars-CoV-2-IgM-Antikörper im Nabelschnurblut von Neugeborenen vorhanden sein können. Es gibt bisher keine Hinweise, dass das Kind vor der Geburt durch eine COVID-19-Infektion geschädigt werden könnte (z.B. Fehlbildungen), wenn die Frau in der Schwangerschaft infiziert wurde. Es gibt allerdings bisher kaum Daten zur COVID-19-Erkrankung im 1. oder 2. Trimester der Schwangerschaft. Studien über die SARS-Epidemie zeigen, dass bei Infektion während der Schwangerschaft das Risiko einer intrauterinen Wachstumsrestriktion signifikant erhöht ist. Folglich: Wenn eine COVID-19 Erkrankung in der Schwangerschaft eintritt, muss diese engmaschig betreut werden (u.a. mittels Ultraschallkontrollen), um mögliche Komplikationen früh zu erkennen. I Die Geburt bei Schwangeren mit COVID-19 soll der geburtshilflichen Situation und dem Allgemeinzustand angepasst werden. Ein Kaiserschnitt nur alleine aufgrund einer COVID-19-Erkrankung ist nicht notwendig, ausser es besteht eine schwere Erkrankung mit starker Einschränkung des Gesundheitszustandes. Eine Epiduralanästhesie («PDA») ist während der Geburt empfohlen, um in einer Notfallsituation eine Narkose umgehen zu können. Lange
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Geburtsverläufe sollen wenn möglich vermieden werden. Eine kontinuierliche Ableitung der fetalen Herztöne (CTG) ab der aktiven Eröffnungsperiode ist empfohlen (gemäss RCOG). Strikte Schutzmassnahmen müssen eingehalten werden, um das Neugeborene und das Personal bei der Geburt vor einer Übertragung zu schützen. I Die Anwesenheit des Partners bei der Geburt ist wichtig für die Unterstützung der Frau und sollte auch bei an COVID-19 erkrankten Frauen ermöglicht werden, vorausgesetzt, er/sie ist gesund (= keine Symptome einer COVID-19-Erkrankung). Dabei ist das Tragen einer Gesichtsmaske durch den Partner/die Partnerin Pflicht. Besondere Bestimmungen in den Kliniken müssen in jedem Falle befolgt werden. I Nach der Geburt bei Frauen mit COVID-19-Infektion muss das Neugeborene so weit wie möglich vor einer Übertragung der Infektion geschützt werden. Unmittelbar nach der Geburt muss es vor einer Übertragung durch kontaminierte Schutzanzüge oder Handschuhe von Hebammen oder Ärzt/Innen geschützt werden. Mit welchen Methoden das Neugeborene vor einer Übertragung durch die Mutter geschützt werden soll, muss im Einzelfall mit der Mutter besprochen und festgelegt werden. Eine generelle räumliche Trennung von Mutter und Neugeborenem nach der Geburt wird zurzeit nicht empfohlen, ausser die Mutter wünscht es. Im Falle eines Rooming-in empfehlen wir gemäss CDC und ACOG einen Abstand zwischen Mutter und Kind von 2 Metern – ausser während des Stillens – um das Risiko der Ansteckung des Neugeborenen möglichst klein zu halten. I Bezüglich Stillen bei Frauen mit COVID-19 gibt es derzeit zu wenig Daten, um eine klare Empfehlung auszusprechen. Bisher konnte das Virus nicht in der Muttermilch nachgewiesen werden. Mit der Mutter soll individuell festgelegt werden, ob sie stillen möchte respektive die Muttermilch abpumpen soll. Dabei müssen die generell positiven Auswirkungen des Stillens auf die Gesundheit des Neugeborenen berücksichtigt werden. Wenn die Mutter sich für das Stillen oder das Milchabpumpen entscheidet, müssen während des Stillens und des Pumpens strikte Massnahmen zur Verhinderung der Virusübertragung auf das Kind eingehalten werden (Händewaschen und -desinfektion, Gesichtsmaske, Desinfektion der Milchpumpe usw.) I Der Klinikaufenthalt nach der Geburt soll nur so lange wie nötig respektive so kurz wie möglich sein, und ist unter anderem abhängig von der Schwere der COVID-19-Erkrankung. Bei Entlassung aus der Klinik muss die Gesundheit von Mutter und Kind gewährleistet und eine Nachbetreuung
durch eine Hebamme zu Hause organisiert sein. Auch dort ist das Einhalten der allgemeinen Schutz- und Hygienemassnahmen wichtig. I Im Falle einer Hospitalisation sollen aufgrund des erhohten Thromboembolierisikos bei COVID-19-Infektion alle an COVID-19 erkrankten schwangeren Frauen und Mütter pränatal und postnatal eine Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin erhalten – für die Dauer der Hospitalisation und bis 10 Tage nach Entlassung, ausser peripartal (ca. 12 Stunden vor Geburt und 6 Stunden nach Geburt) (RCOGEmpfehlung). I Die einzelnen Geburtskliniken sowie der Schweizerische Hebammenverband haben, basierend auf den Empfehlungen der SGGG und des BAG, institutsbezogene Massnahmen etabliert, um eine Weiterverbreitung des Virus möglichst zu minimieren. I Aufgrund der dynamischen Situation der COVID-19Epidemie und des zurzeit begrenzten Wissensstands in Bezug auf Schwangerschaft und Geburt können sich diese Empfehlungen generell rasch ändern.
Autoren:
Prof. Dr. med. Daniel Surbek Universitätsfrauenklinik, Inselspital Bern
Prof. Dr. med. David Baud Maternité, CHUV Lausanne
Diese Empfehlungen entstanden unter Konsultation des BAG (Abteilung Übertragbare Krankheiten).
Referenzen: – Rasmussen SA, Smulian JC, Lednicky JA, Wen TS, Jamieson DJ.: Coronavirus Disease 2019
(COVID-19) and Pregnancy: What obstetricians need to know. Am J Obstet Gynecol. 2020 Feb 24. [Epub ahead of print]. Review. – WHO Guidance: Clinical management of severe acute respiratory infection (SARI) when COVID19 disease is suspected. https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/331446/WHO-2019nCoV-clinical-2020.4 – eng.pdf?sequence=1&isAllowed=y – Chen H et al.: Clinical characteristics and intrauterine vertical transmission potential of COVID19 infection in nine pregnant women: a retrospective review of medical records. The Lancet. Published online February 12, 2020 https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)30360-3 – Yang H, Wang C, Poon LC.: Novel coronavirus infection and pregnancy. Ultrasound Obstet Gynecol. 2020 published online DOI: 10.1002/uog.22006 – Favre G, Pomar L, Qi X, Nielsen-Saines K, Musso D, Baud D.: Guidelines for pregnant women with suspected SARS-CoV-2 infection. Lancet Infect Dis. 2020; published online March 3. http://dx.doi.org/10.1016/S1473-3099(20)30157-2. – https://www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/specific-groups/pregnancy-faq.html – https://www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/specific-groups/pregnancy-guidancebreastfeeding.html – https://www.acog.org/Clinical-Guidance-and-Publications/Practice-Advisories/PracticeAdvisory-Novel-Coronavirus2019?IsMobileSet=false – https://www.rcog.org.uk/globalassets/documents/guidelines/2020-04-09-coronavirus-covid-19infection-in- pregnancy.pdf – http://www.swissnoso.ch/ – https://mailchi.mp/67046138de82/sgp-newsletter-4349895?e=6600148583 – Link zu allgemeinden Schutzmassnahmem (BAG): https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/ krankheiten/ausbrueche- epidemien-pandemien/aktuelle-ausbrueche-epidemien/novelcov/so-schuetzen-wir-uns.html – Link zu Testkriterien des BAG: http://www.bag.admin.ch/infreporting
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