Transkript
FIRST-TO-DISCUSS-Newsletter Schweizerische Menopausengesellschaft
«Reloaded» – HRT und Alzheimer-Demenz
Hintergrund: Frauen erkranken häufiger an einer Alzheimer-Demenz (AD) als Männer. Bisher gibt es keine medikamentöse präventive oder kausale Therapie. Vor etwa einem Jahr kam eine finnische Registerstudie zu dem Schluss, dass eine systemische Langzeit-Hormonersatztherapie (HRT) mit einem erhöhten AD-Risiko verbunden ist (1). Dieses Ergebnis sorgte weltweit für Diskussionen in Fach- und Laienkreisen. Nun wurden die Daten der qualitativ besseren Cache-County-Studie veröffentlicht.
Wie ist die Untersuchung von Matyi und Kollegen zu bewerten?
Zusammenfassung der Studie
Die Cache-County-Studie ist eine prospektive Kohortenstudie, die in den 1990er-Jahren über 5000 Einwohner (2928 Frauen) im Alter 65 plus im Cache County, Utah/USA, rekrutierte. Für die aktuelle Auswertung wurden die Daten von (bei Studienbeginn) demenzfreien etwa 75-jährigen Frauen (n = 2114) herangezogen. Während 12 Jahren wurden sie alle 3 Jahre einem Kognitionstest (modifizierte Mini-Mental State Examination; 3MS) unterzogen. Die endogene und exogene Östrogen-Exposition wurde durch Erfassen folgender Parameter bei Baseline errechnet: reproduktives Fenster (= Menarchen- bis Menopausenalter), adjustiert für Schwangerschaft und Laktation sowie für HRT-Anwendung (Östrogen mono/Östrogen-Gestagen-Kombination, Anwendungsstart und -dauer).
Resultat Die Dauer der endo- und exogenen Östrogen-Exposition war positiv mit dem kognitiven Status assoziiert (β = 0,03; p = 0,054). Je länger die HRT-Anwendung dauerte, desto besser war der kognitive Status (β = 0,02; p = 0,046). Vor allem ältere Frauen profitierten. Der kognitive Benefit war signifikant höher, wenn die HRT innerhalb von 5 Jahren nach der Menopause gestartet wurde, verglichen mit einem HRT-Beginn später als 6 Jahre nach der Menopause (β = 0,55; p = 0,048). Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine lange Östrogen-Exposition mit einer besseren kognitiven Funktion im späteren Leben verbunden ist.
Für Patientinnen: Factsheets zur Menopause der SMG
Die Broschüre der Schweizerischen Menopausengesellschaft (SMG) ist neu aufgelegt und enthält folgende Themen zur Menopause:
Älterwerden, Alternativtherapie, Begriffe rund um die Menopause, bioidentische Hormone, Brustkrebsrisiko und HRT, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hormonersatztherapie, Kinderwunsch und Verhütung, klimakterisches Syndrom, Körpergewicht und Stoffwechsel, Kognition und Demenz, Osteoporose, prämature Ovarialinsuffizienz, Scheidentrockenheit, Sexualität, Transgender, Wechseljahre.
Die SMG-Mitglieder finden die Factsheets im internen Mitgliederbereich der SMGWebsite http://www.meno-pause.ch in Deutsch, Französisch und Italienisch zum Downloading.
Schweizerische Menopausengesellschaft (SMG) Administration Anne Becker D-35041 Marburg/Lahn Telefon +49 (0) 6420 93444 E-Mail: administration@meno-pause.ch
Prof. Dr. med. Petra Stute, Präsidentin Schweizerische Menopausengesellschaft, Leitende Ärztin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Inselspital Bern, resümiert und kommentiert kürzlich publizierte Studien zu wichtigen und vielfach kontrovers diskutierten Themen.
Kommentierte Studie: Matyi JM et al.: Lifetime estrogen exposure and cognition in late life: the Cache County Study. Menopause. 2019; Dec; 26(12): 1366–1374. LoE IIa
Kommentar
Die Cache-County-Studie bestätigt frühere Studien (eine Metaanalyse [2], eine Fallkontrollstudie und 2 prospektive Kohortenstudien), die insbesondere für den HRT-Start im «Midlife-Alter» einen präventiven Einfluss auf die Kognition zeigten (3). Sie widerspricht damit auch nicht zwangsläufig der Women’s Health Initiative (WHI) Memory Study, welche für postmenopausale Frauen, die nach dem 65. Lebensjahr mit einer kombinierten HRT begannen, ein erhöhtes Demenzrisiko zeigte (4). Zu den Limitationen der aktuellen Auswertung zählt der Ausschluss von Frauen, die bei Studienbeginn bereits einen eingeschränkten kognitiven Status aufwiesen, ein geringeres Bildungsniveau hatten und/oder den Fragebogen WHQ (Women’s Health Questionnaire) nicht ausfüllten. Zudem wurden mit dem 3MSTest nicht alle kognitiven Domänen erfasst. Durch das retrospektive Erfassen der Östrogen-Exposition bestand das Risiko eines «Erinnerungsbias». Die Stärken der Studie liegen in der Grösse der Kohorte, dem prospektiven Studiendesign mit 12-jährigem Follow-up und der Erfassung reproduktiver Faktoren und HRT-Modalitäten.
GYNÄKOLOGIE 1/2020
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FIRST-TO-DISCUSS-Newsletter Schweizerische Menopausengesellschaft*
Welches Fazit können wir ziehen?
Im Moment schlägt das «HRT-Pendel»
wieder zugunsten eines präventiven ko-
gnitiven Effekts aus.
I
Prof. Dr. med. Petra Stute Präsidentin Schweizerische Menopausengesellschaft (SMG) Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital 3010 Bern E-Mail: petra.stute@insel.ch Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel: keine.
Referenzen: 1. Savolainen-Peltonen H, Rahkola-Soisalo P, Hoti F, Vattulainen P, Gissler M, Ylikorkala O, Mikkola TS.: Use of postmenopausal hormone therapy and risk of Alzheimer’s disease in Finland: nationwide case-control study. BMJ 2019; 364: l665. 2. Maki PM.: Critical window hypothesis of hormone therapy and cognition: a scientific update on clinical studies. Menopause 2013; 20(6): 695–709. 3. Henderson VW.: Alzheimer’s disease: review of hormone therapy trials and implications for treatment and prevention after menopause. J Steroid Biochem Mol Biol 2014; 142: 99–106. 4. Shumaker SA, Legault C, Kuller L, Rapp SR, Thal L, et al.: Women’s Health Initiative Memory, conjugated equine estrogens and incidence of probable dementia and mild cognitive impairment in postmenopausal women: Women’s Health Initiative Memory Study. JAMA 2004; 291(24): 2947–2958.
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