Transkript
EDITORIAL
Schwerpunkt: Neues in der Urogynäkologie
B lasen- und Beckenbodenschwäche belasten die betroffenen Frauen körperlich, psychisch und finanziell. Jede zehnte Frau in der westlichen Welt wird deswegen operiert. Allein Harninkontinenz betrifft jede vierte Frau. Und doch sucht nur ein Drittel der Betroffenen ärztliche Hilfe. Das erstaunt umso mehr, als dass unter den «klassischen» Inkontinenzformen Belastungsinkontinenz und überaktive Blase (OAB) gerade Letztere die Lebensqualität stärker beeinträchtigt als beispielsweise Diabetes mellitus.
Neue Optionen bei OAB im Visier Die Urogynäkologie erfuhr in den letzten Jahren einige Änderungen. Zum seit über vier Jahrzehnten in
Kleine Orientierungshilfe im Praxisalltag
der Behandlung der OAB eingesetzten Anticholinergikum Oxybutynin gesellen sich moderne und nebenwirkungsärmere Anticholinergika, aber auch neue Substanzklassen wie ein Beta-3-AdrenozeptorAgonist, das Phytotherapeutikum Bryophyllum pinnatum und das Botulinum-Neurotoxin. Bahnbrechende Erkenntnisse über die physiologische und pathologische Keimbesiedelung der Harnblase, das urogenitale Mikrobiom, lassen Entstehung und Therapie von OAB und Harnwegsinfektionen in einem neuen Licht erscheinen.
Technologie im Fortschritt Innovative Operationstechniken kommen und gehen. Waren erst gestern transvaginale Netze in der Deszensuschirurgie en vogue, sind sie heute im Zuge der 2011 von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) ausgesprochenen Warnung in manchen Ländern geächtet; von einigen Herstellern wurden sie zurückgezogen oder sind zumindest obsolet geworden. Doch was gilt für den Einsatz von alloplastischem Material bei der Sakrokolpopexie oder bei Belastungsinkontinenz?
Das Ultraschallgerät ist das Stethoskop der heutigen Ärzteschaft. Diese Technologie ermöglicht die nicht invasive und rasche Diagnostik vor Therapiebeginn, aber auch die Beurteilung postoperativer Komplikationen.
Praxisrelevante Antworten Trotzdem sind Diagnostik und Therapie nicht immer einfach zu bewerkstelligen. Braucht es immer einen Urinuntersuch? Was stoppt die OAB? Sind Antibiotika ein Segen? Wo hilft uns der Ultraschall weiter? Was gilt heute in der chirurgischen Behandlung von Belastungsinkontinenz oder Genitaldeszensus? Zur Beantwortung solcher Alltagsfragen haben wir für Sie in dieser Ausgabe von GYNÄKOLOGIE vier relevante Themen aus unserem gynäkologischen Klinikalltag aufgearbeitet: Drangbeschwerden, das urogenitale Mikrobiom, urogynäkologische Ultraschalldiagnostik und die Schweizer Leitlinien und Expertenbriefe.
Wir hoffen, für Sie einen Beitrag zur Bewältigung Ihres Praxisalltags geleistet zu haben, und wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen dieser Ausgabe.
Prof. Dr. med. Daniel Fink Direktor Klinik für Gynäkologie
Universitätsspital Zürich
GYNÄKOLOGIE 4/2019
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