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SCHWERPUNKT
Bildgebung in der Urogynäkologie
Perinealsonografie: Praktische Tipps beim Ultraschall
Dank der Sonografie gewinnen wir dynamische und simultane Einblicke in die Anatomie des unteren Urogenitaltraktes und können damit dessen Diagnostik und Therapie verbessern. Der Artikel beschreibt Möglichkeiten und Grenzen verschiedener Techniken in der Diagnostik der Belastungsinkontinenz, überaktiven Blase, des Genitaldeszensus, der Harnblase generell sowie als postoperative Kontrolle.
DAVID SCHEINER, CORNELIA BETSCHART, DANIEL FINK, DANIELE PERUCCHINI
David Scheiner
Seit Jahrtausenden macht sich der Mensch ein Bild von anatomischen Strukturen, wenngleich nicht immer aus medizinischem Interesse und manchmal religiös motiviert wie bei einer 30 000 Jahre alten, in Fels gravierten schematischen Darstellung der Vulva (Abbildung 1).
Sonografie in der Urogynäkologie
Die Urogynäkologie als Spezialgebiet der Gynäkologie befasst sich mit Diagnostik und Therapie der Beckenbodenschwäche (u.a. Senkungszustände und Harninkontinenz) sowie mit Beschwerden von Blase und unterem Harntrakt. Zur Basisdiagnostik zählt die Erhebung von Anamnese und klinischen Befunden sowie die sonografische Bildgebung. Letztere ermöglicht eine rasche funktionell-morphologische Beurteilung und Beschreibung der anatomischen Strukturen. Die Diagnostik kann je nach Fragestellung durch eine Urodynamik (Blasendruckmessung, Flowmetrie, s. auch Artikel zu Drangbeschwerden in diesem Heft, Seite 14) komplettiert werden. Da die Abdominalsonde (Curved-Linear-Array-Sonde) zur Standardausrüstung heutiger Ultraschallgeräte in der Praxis zählt, steht die Perinealsonografie allen als einfach anwendbare Untersuchungstechnik zur Verfügung. Die verwendeten Ultraschallfrequenzen liegen hier zwischen 3,5 und 5 MHz. Damit können die meis-
Merkpunkte
I Die Perinealsonografie ist dank der ubiquitär vorkommenden Abdomensonde eine einfache, nicht invasive sonografische Untersuchungstechnik des Beckenbodens.
I A und O der urogynäkologischen Abklärung ist die Restharnbestimmung, die sonografisch anhand der einfachen Formal erfolgen kann: Blasenlänge × Breite × Tiefe (in cm) × 0,6 = Restharn (in ml).
I Zur Planung der korrekten Operation bei Harninkontinenz ermöglicht die Perinealsonografie die Unterscheidung zwischen einer hypermobilen und einer immobilen Urethra.
I Gerade die Zystozele kann funktionell-morphologisch dank der nicht invasiven Perinealsonografie «in situ», d.h. ohne Beeinflussung der Vaginalwände, beurteilt werden, womit die Unterscheidung zwischen einem zentralen und lateralen Defekt unterstützt wird.
ten klinischen und sogar wissenschaftlichen Fragestellungen in der Urogynäkologie beantwortet werden. In der gynäkologischen Praxis wird übrigens das innere Genitale endosonografisch mittels Transvaginalsonde beurteilt (Transvaginalsonografie). Hier liegen die Ultraschallfrequenzen zwischen 5 und 9 MHz. Führt man die Sonde nicht vaginal ein, sondern setzt sie lediglich von extern dem Introitus vaginae auf, so handelt es sich um die Introitussonografie. Perineal- und Introitussonografie sind vergleichbar und heute Goldstandard der urogynäkologischen Bildgebung des Beckenbodens. Im Folgenden beziehen wir uns auf die Perinealsonografie aufgrund des Vorteils ihrer ubiquitären Verfügbarkeit.
Perinealsonografie
Bei dieser dynamischen Untersuchung sitzt die Patientin auf dem gynäkologischen Untersuchungsstuhl in Steinschnittlage. Massgebend ist die Sagittalebene (Abbildung 2): Die Abdominalsonde wird mit einem möglichst geringen Auflagedruck sagittal auf den Introitus vaginae platziert, ohne die Gewebestrukturen zu komprimieren. Andernfalls werden die Distanzen wie die Urethralänge oder der Winkel zwischen Blasenboden und Urethra (β-Winkel) verfälscht. Gleichzeitig soll die Sonde über ihrer ganzen Fläche Kontakt zum Gewebe haben und das gesamte Schnittbild beschallen. Dies erlaubt eine wirklichkeitsnahe und physiologische Visualisierung der Beckenbodenregion in Ruhe, während die Patientin presst (Valsalva-Manöver), hustet oder den Beckenboden anspannt (Klemmen). Dem zunehmend geübten Auge erschliesst sich bald der gesamte Hiatus urogenitalis von der Symphyse bis zum Anorektum mit Darstellung des urologischen Kompartiments mit Blase und Urethra, des gynäkologischen mit Vagina, Uterus und Douglas sowie des proktologischen mit Rektum und Analsphinkter. Auch die Beckenbodenmuskulatur kann mitbeurteilt werden. Die Harnblase soll etwa mit 300 ml gefüllt sein, da sich dieses Volu-
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Abbildung 1: 30 000 Jahre alte Kalkfelsgravur einer Vulva in einer Felsnische in La Ferrassie, Dardogne (Frankreich). Musée nationale de préhistoire, les Eyziesde-Tayrac, CC Sémhur (aus Wikipedia: Religion im Paläolithikum)
men als Standard zur prä- und posttherapeutischen klinischen Objektivierung einer Harninkontinenz bewährt hat. Im deutschsprachigen Raum hat sich folgende Bildausrichtung eingebürgert: Die kranialen Strukturen (Uterus und Blase) sind oben im Bild, die kaudalen (Urethra) unten, die ventralen (Symphyse) rechts und die dorsalen (Anorektum) links (Abbildung 3). Mit der «Cine-Loop-Technik», die fortlaufend Ultraschallbilder der letzten Sekunden als Videosequenz aufnimmt, kann die Dynamik der Beckenbodenstrukturen anschliessend in Ruhe analysiert werden.
Die 3D- und die 4D-Sonografie Die meisten Fragestellungen an die Perinealsonografie können durch die 2D-Sonografie beantwortet werden. Die 3D- und die 4D-Sonografie (3D-Sonografie in Echtzeit) ermöglichen das «Volume Contrast Imaging» (VCI) und «Tomographic Ultrasound Imaging» (TUI) und sind derzeit spezifischen oder wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten. So kann die Horizontal- oder Axialebene in der Urogynäkologie eigentlich nur mittels der 3D-Sonografie dargestellt («gerendert») (d.h. softwaremässig aus dem 3DDatensatz umgerechnet werden), womit erst die Beurteilung des Hiatus urogenitalis und der Levatormuskulatur möglich wird. Ein weiterer Vorteil der 3DSonografie liegt in der «plastischen» Darstellung von Inkontinenzschlingen, Netzen oder periurethral injizierter Füllstoffe («Bulking Agents»). Letztlich sind aber im urogynäkologischen Alltag die 3D-basierten Ultraschalltechniken wenig relevant, weshalb hier nicht weiter darauf eingegangen wird. Eine gute Übersicht und Grundlage zum Ultraschall in der Urogynäkologie bietet die Guideline der AWMF (1). Im folgenden Abschnitt möchten wir Ihnen einige ge-
Abbildung 2: Die drei Körperebenen: Sagittalebene (blau), Frontalebene (grün) und Transversalebene (rot). Zur Beantwortung der meisten Fragestellungen reicht in der urogynäkologischen Ultraschalldiagnostik der Sagittalschnitt aus. Hierbei wird der Körper in eine linke und rechte Körperhälfte geteilt. Es soll auf einen exakten medialen Schnitt geachtet werden. Für die Frontalebene (oder Koronarschnitt) wird die Sonde um 90 Grad rotiert: Der Körper wird in einen vorderen (ventralen) und hinteren (dorsalen) Abschnitt geteilt. Die dritte Ebene ist die Horizontalebene (oder Transversaloder Axialebene) und teilt den Körper wie ein Gürtel in einen kranialen und einen kaudalen Abschnitt. Sie ist in der Perinealsonografie nur mittels elektronischer Bildbearbeitung zugänglich, wozu es der 3D-Sonografie bedarf. Bildquelle: adaptiert nach Human_anatomy_planes.svg: YassineMrabet, https://commons.wikimedia.org/w/index. php?curid=14709215
zielte urogynäkologische Fragestellungen aus dem gynäkologischen Praxisalltag näherbringen.
Belastungsinkontinenz
Bei der Belastungsinkontinenz kommt es zeitgleich bei abdominaler Drucksteigerung wie beim Husten, Niesen oder Lachen zu unwillkürlichem Urinabgang, klinisch objektivierbar respektive visuell erkennbar am Meatus urethrae externus (2). Hierbei kann zwischen einer hypermobilen Urethra (aufgrund geschädigter oder geschwächter pubourethraler Ligamente) und einer immobilen, meist hypotonen
Abkürzungen: AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften BES Blasenentleerungsstörung DEGUM Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin HWI Harnwegsinfekt ICS International Continence Society IUGA International Urogynecological Association MRI Magnetic Resonance Imaging (Magnetresonanztomografie) MHz Megahertz OAB Overactive bladder syndrome (überaktive Blase) RH Restharn TOT Transobturatorische Schlinge (Tape) TVT retropubisches Tension-free Vaginal Tape
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Urethra (sog. intrinsischen Sphinkterinsuffizienz) unterschieden werden. Diese Differenzialdiagnose ist entscheidend für eine korrekte und optimale operative Therapie: Während Inkontinenzschlingen wie das retropubische Tension-free Vaginal Tape (TVT) die pubourethralen Ligamente ersetzen und somit bei der hypermobilen Urethra indiziert sind, wird die intrinsische Sphinkterinsuffizienz respektive die starre (z.B. voroperierte) Urethra mittels periurethraler Injektion von «Bulking Agents» behandelt. Somit möchten wir bei der Diagnostik der Belastungsinkontinenz folgende Parameter untersuchen: I Restharn: Eine Überlaufblase als Ursache einer In-
kontinenz ist auszuschliessen. Ebenso soll präoperativ erhöhter Restharn (als Ausdruck einer Blasenentleerungsstörung) bekannt sein, um Restharn bzw. Blasenentleerungsstörungen nach Inkontinenzoperationen besser einordnen zu können. I Urethralänge: Bei bekannter Länge kann die optimale Platzierung der Schlinge besser abgeschätzt werden. I Trichterbildung (Funneling) der Urethra als Nachweis funktioneller Störungen. I Lage des Meatus urethrae internus: Dessen Lage und Mobilität ist entscheidend in der Differenzialdiagnose zwischen einer (hyper-)mobilen Urethra und einer intrinsischen Sphinkterinsuffizienz bei immobiler (und meist hypotoner) Urethra (siehe Abbildung 4). I Urethraldivertikel sind auszuschliessen. Diese können Ursache von rezidivierenden Harnwegsinfektionen (HWI), aber auch mit postmiktionellem Tröpfeln verbunden sein und damit eine Inkontinenz vortäuschen. Des weiteren dient die Ultraschalluntersuchung der Beurteilung der Beckenbodenkoordination in Ruhe, unter Valsalva, beim Husten und beim Klemmen und ermöglicht der Patientin ein rasches Biofeedback durch Visualisierung von Urethra und Blasenboden.
Syndrom der überaktiven Blase
Eine überaktive Blase (overactive bladder syndrome, kurz OAB) liegt beim Auftreten von imperativem Harndrang, der schwer unterdrückbar ist und typischerweise von häufigem Harndrang und Nykturie begleitet wird, vor (2). Geht dabei ungewollt Urin ab, handelt es sich um eine «OAB wet» (nass), andernfalls um eine «OAB dry» (trocken). Bei der idiopathischen OAB dürfen keine offensichtlichen ursächlichen Pathologien vorliegen. Entsprechend sind beispielsweise ein HWI, ein Diabetes mellitus, aber auch Fremdkörper und Blasentumore, die Drangbeschwerden verursachen können, auszuschliessen. A und O der urogynäkologischen Sonografie ist der Ausschluss von Restharn (s. oben unter Belastungsinkontinenz), der sowohl rezidivierende HWI als auch
Abbildung 3: Urogynäkologische Sonostrukturen. Darstellung gemäss Empfehlungen der DEGUM, ICS und IUGA: kraniale Strukturen sind oben im Bild, kaudale unten, ventrale rechts und dorsale links. Adaptiert nach: «Interdisziplinäre S2k-Leitlinie: Sonografie im Rahmen der urogynäkologischen Diagnostik». AWMF-Register-Nummer: 015/055.
Abbildung 4: Perinealsonografische Bestimmung der Urethramobilität. Dazu wird die Lage des Meatus urethrae internus (MI) im Sagittalschnitt unter Zuhilfenahme eines Koordinatensystems mit der x-Achse, die durch die Symphyse (mit Schnittpunkten mit der unteren und oberen Symphysenkante) verläuft, und der y-Achse mit dem Nullpunkt bei der unteren Symphysenkante (Koordinatenursprung), bestimmt. Der x-Wert des MI ist meist negativ, weshalb zur Vereinfachung die Werte auf der x-Achse von rechts nach links zunehmen. Gemessen werden Distanz (Dx) und Höhe (Dy) des MI (in Millimeter) in Ruhe und unter Pressen. Der Bewegungsumfang zwischen MI in Ruhe und MI unter Pressen kann mit Hilfe des Satzes von Pythagoras berechnet werden (euklidischer Abstand). Beträgt dieser Abstand 10 mm oder mehr, so ist die Urethra hypermobil. Bild adaptiert nach «Interdisziplinäre S2k-Leitlinie: Sonografie im Rahmen der urogynäkologischen Diagnostik». AWMF-Register-Nummer: 015/055. OAB (mit-)verursachen kann. Sonografisch kann nach Blasentumoren oder Fremdkörpern sowie nach (grösseren) Blasen- und Urethraldivertikeln gesucht werden, wobei die Blase besser transabdominal beurteilt wird. Auch eine Zystozele kann OAB verursachen und
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lässt sich – obschon klinisch ausreichend diagnostizierbar – im Perinealschall erkennen. Kontrovers diskutiert wird die sonografische Messung der Blasenwanddicke als wenig invasive und günstige Untersuchung in der OAB-Diagnostik. Während einige Autoren 3 mm als Grenzwert für die Blasenwanddicke in der Diagnostik einer Detrusorhyperplasie sehen, bezweifeln andere Autoren die Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit einer transvaginalsonografischen Bestimmung, lehnen den Ultraschall als Ersatz für eine Urodynamik zur Diagnostik der Detrusorüberaktivität ab, sehen keinen Nutzen in der sonografischen Überwachung der Blasenwanddicke im Rahmen einer medikamentösen OABBehandlung oder finden keine reproduzierbare Korrelation zwischen Blasenwanddicke und Detrusorüberaktivität (3–7).
Genitaldeszensus
Der Genitaldeszensus manifestiert sich als Senkung der vorderen Vaginalwand mit Tiefertreten der Blase (Zystozele), der hinteren Vaginalwand mit Tiefertreten vom Rektum (Rektozele) oder des Apex (Deszensus uteri oder Vaginalstumpfdeszensus) und weist zu-
sammen mit der Harninkontinenz ein Lebensrisiko von 11 bis 19% für eine operative Korrektur auf (8–10). Meist senkt sich die vordere Vaginalwand (Zystozele), die dann wiederum trotz operativer Korrektur in 5 bis 17 % auch am häufigsten rezidiviert (11–16). Es lassen sich unter den Zystozelen zwei Typen unterscheiden: I die Pulsationszystozele mit einem zentralen De-
fekt der endopelvinen Faszie und I die Traktionszystozele mit einem lateralen Abriss (17). I Dazu kommen die Mischformen. Zwar erfolgt diese Unterscheidung klinisch, doch kann die Perinealsonografie die klinische Diagnostik ergänzen und die nachfolgende Therapie verbessern. Bei der Pulsationszystozele sind der vesikourethrale Abschnitt fixiert und die Sulci vaginales laterales erhalten, wogegen die vaginale Querfalten (Rugae vaginales) über der Zystozele verstrichen sind. Perinealsonografisch zeigt sich ein spitzer urethrovesikaler β-Winkel, während es beim normalen Situs etwa 100° sind. Mit der Senkung oder gewissermassen «Aussackung» des Blasenbodens durch den Fasziendefekt sind Blasenentleerungsstörungen, erhöhter Restharn, rezidivierende HWI und Drangbeschwerden zu erwarten. Senkt sich der urethrovesi-
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kale Abschnitt mit (rotatorischer Deszensus), kann es zum Quetschhahnphänomen kommen: Bei Belastung kann die Urethra abgeknickt werden, was eine Inkontinenz kaschieren kann (larvierte Belastungsinkontinenz). Anders ist es bei der Traktionszystozele (lateraler Defekt). Hier liegt ein lateraler Abriss der endopelvinen Faszie von der Beckenwand (Arcus tendineus fascia pelvis) vor, und die vordere Vaginalwand sackt nach distal zusammen: Hier sind die Rugae erhalten, die Sulci vaginales laterales dagegen verstrichen. Mittels Perinealsonografie lässt sich beim lateralen Defekt unter Valsalvamanöver das Tiefertreten der Urethra unterhalb der Symphyse visualisieren, ohne dass der β-Winkel sich relevant ändert. Der zentrale Defekt bei der Pulsationszystozele wird klassischerweise mit der Raffung der zentral auseinandergewichenen endopelvinen Faszie behoben (Diaphragmaplastik). Doch dasselbe Vorgehen beim lateralen Defekt würde lediglich das in der Mittellinie vorliegende Gewebe raffen und sogar die bereits geschädigte laterale Faszienaufhängung zusätzlich belasten: Eine zunehmende Senkung bzw. das Rezidiv sind die Folge (18). Eine Übersicht über die Behandlung des Genitaldeszensus gibt unser Artikel «Die Behandlung bei Genitaldeszensus» (GYNÄKOLOGIE 3/2012; S 34–38; siehe Archiv: www.ch-gynaekologie.ch) Beim Genitaldeszensus soll auch eine Nierensonografie zum Ausschluss einer Harnstauung erfolgen. Im hinteren Kompartiment kann eine Rektozele visualisiert werden, bei Stuhlentleerungsstörungen eine Intussuszeption erkannt und der Analsphinkter untersucht werden. Die 3D-Sonografie ermöglicht eine gewisse Vorhersage für das postoperative Outcome nach Deszensusoperationen. So haben Frauen, bei denen die Hiatusfläche unter Valsalva auf eine Fläche von über 25 cm2 «balloniert», dreieinhalb- bis viermal häufiger geburtshilflich bedingte Läsionen des M. levator ani (19). Erhalten Patientinnen nach einem solchen Levatortrauma eine Diaphragmaplastik, zeigt sich im Follow-up nach zwei Jahren ein 2,4-fach erhöhtes Rezidivrisiko (20). Sogar eine anteriore Netzeinlage feit Frauen mit einem Levatortrauma nicht vor Rezidiven: So hatten im Followup nach 2,2 Jahren Frauen mit einem Levatortrauma in 35% ein Rezidiv, ohne Levatortrauma dagegen nur 19% (OR 2,24) (21).
Blase
Die Blase kann perinealsonografisch mitbeurteilt werden, allerdings ist die Abdomensonografie gera-
de bei grösserer Blasenfüllung besser dazu geeignet, insbesondere in der Diagnostik von Blasentumoren, Blasensteinen oder Urethraldivertikeln als möglichen Ursachen von Hämaturie oder rezidivierenden Harnwegsinfekten. Dagegen kann der Restharn gut perinealsonografisch bestimmt werden. Verfügt das Ultraschallgerät nicht über eine Volumenmessfunktion, so kann der Restharn anhand der Elipsoid-Formel abgeschätzt werden. Dazu werden Länge, Breite und Höhe der Blase in zwei Ebenen bestimmt (in cm): Volumen (in ml) = Länge (in cm) × Breite (in cm) × Höhe (in cm) × 0,6
Postoperative Kontrolle
Jeder urogynäkologische Eingriff birgt das Risiko der
postoperativen Blasenentleerungsstörung; dies be-
trifft die retropubischen oder transobturatorischen
Schlingenoperationen sowie die periurethrale Injek-
tion von Bulking Agents zur Behandlung der Belas-
tungsinkontinenz, aber auch die intravesikale Botox-
injektion in der Therapie der OAB. Die Messung er-
folgt wie beschrieben sonografisch oder mittels Ein-
malkatheterismus. Nach Schlingenoperation können
nebst dem Restharn auch die Position der Schlinge in
Bezug zur Urethralänge und deren Abstand zur Ure-
thra gemessen und als Hinweis für eine nicht span-
nungsfreie Bandsituation ein Kinking (d.h. ein Ab-
knicken der Urethra um das zu straffe Band beim
Pressen) beobachtet werden. Ein lockeres Band liegt
im Sagittalschnitt in «l-shape» parallel und ohne
Knick zur Urethra. Die «perfekte» Bandlage liegt bei
50 bis 70% der Urethralänge (wo 0% am Meatus ure-
thrae internus und 100% beim externus liegt) mit ei-
nem Abstand von 3 bis 5 mm von der Urethra (22). Bei
einem Abstand unter 3 mm ist das Risiko für Restharn
oder eine «de novo»-OAB erhöht. Die Perinealsono-
grafie hilft zudem, die Entfaltung und Lage eines
Netzes sowie ein allfälliges Shrinking nach netzunter-
stützter Deszensuschirurgie zu beurteilen.
I
Dr. med. David Scheiner (Erstautor, Korrespondenzadresse) E-Mail: david.scheiner@usz.ch
PD Dr. med. Cornelia Betschart Prof Dr. med. Daniel Fink PD Dr. med. Daniele Perucchini
Klinik für Gynäkologie Universitätsspital Zürich 8091 Zürich
Interessenkonflikte: keine.
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