Transkript
Bericht zur Fortbildungstagung «Gyn – Endo – Repro» 2018
Weltkongresse der ISGE, der IMS, der ESHRE und der FMF
Highlights der Weltkongresse 2018 – Teil 1
Zum siebten Mal fand im Herbst 2018 die Fortbildung «Weltkongresse: Neues und praktisch Relevantes aus der gynäkologischen Endokrinologie, der Reproduktionsmedizin und der Pränatalmedizin» in Olten statt, bei der die Kongress-Highlights des letzten Jahres kondensiert vorgestellt wurden. In diesem ersten Teil gehts um die Highlights aus der Reproduktionsmedizin und der Geburtshilfe/feto-maternalen Medizin. Der zweite Teil (GYNÄKOLOGIE 2.2019) resümiert wichtige Studien aus der gynäkologische Endokrinologie und der Menopause.
MICHAEL VON WOLFF, PETRA STUTE, BÉATRICE MOSIMANN
Praxisrelevante Neuigkeiten für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen werden jedes Jahr von der Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Universitätsfrauenklinik Bern ausgewählt und von den Autorinnen und Autoren vorgetragen (s. Kasten).
Neues aus der Reproduktionsmedizin
Jahreskongress der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE), Barcelona
Wie gut oder schlecht ist die Qualität der Spermien von ICSI-Kindern? Seit der Einführung der ICSI-Technik im Jahr 1991 und nach der Geburt von mehr als 5 Millionen ICSI-Kindern weltweit stellt sich folgende Frage: Haben ICSIKinder schlechtere Spermiogramme? In der Keynote Lecture der ESHRE, in der traditionsgemäss die Publikation des ESHRE-Journals «Human Reproduction» vorgestellt wird und die die meisten Downloads in den ersten 6 Monaten nach der Onlinepublikation im Jahr davor erzielt hatte, wurde erstmals auf diese Frage eingegangen. Bekannt war bereits, dass eine IVF/ICSI zu einem höheren Risiko für Frühgeburten und zu einem grösseren Risiko für Small Gestational Age (SGA) und Fehlbildungen führt. Die Hodenentwicklung und die Inhibin-B-Konzentrationen der ICSI-Knaben zeigten jedoch im Alter von 8 und 14 Jahren keine Veränderungen. Für die Studie erfüllten 215 Männer (18–22 J.) die Einschlusskriterien, diese
wurden angeschrieben. 54 Männer konnten in die Studie eingeschlossen und mit einem Kontrollkollektiv von 57 gleichaltrigen Männern nach Spontankonzeption verglichen werden (1). Die Spermienkonzentration bei ICSI-Kindern lag im Median bei 17 Mio./ml (IQR 7–36) und die der Kontrolle bei 37 Mio./ml (IQR 18–63) (RR nach Adjustierung: 1,9; 95%-KI: 1,1–3,2). Die entsprechenden Werte für die Gesamtmotilität betrugen 12 Mio. (IQR 4–48) versus 38 Mio. (IQR 17–84) (RR nach Adjustierung: 2,1; 95%-KI: 1,2–3,6). Es lag eine schwache Korrelation zwischen den Parametern der Väter und der mit ICSI gezeugten Söhnen bei der totalen Spermienanzahl, nicht aber bei der Konzentration und der Gesamtmotilität vor. 40% der Väter mit einer Spermienanzahl < 39 Mio. hatten Söhne mit einer Spermienanzahl < 39 Mio. Fazit Eine IVF/ICSI bei Männern mit sehr schlechten Spermiogrammen ist häufig, aber nicht immer mit schlechten Spermiogrammen bei den Söhnen assoziiert. Allerdings können diese ersten Ergebnisse nicht auf alle ICSIKinder transferiert werden, da in den ersten Jahren nach der Einführung der ICSI diese Technik nur bei sehr stark erniedrigten Spermienparametern durchgeführt wurde. Auch gab es noch keine TESE. Deswegen könnten zukünftige Studien sowohl bessere als auch schlechtere Ergebnisse zeigen. Die alljährliche Oltener Fortbildung Ende September erfreut sich zunehmender Beliebtheit, dies mit rund 250 Teilnehmern und einer Gesamtbewertung von 5,8 von maximal 6 Punkten. Ende September 2018 fand bereits zum siebten Mal die Fortbildung «Weltkongresse – Gyn – Endo – Repro» in Olten statt. Rund 250 Teilnehmer sind ein Lob und eine Verpflichtung zugleich. Wie jedes Jahr hatten wir zuvor die Evaluationen der Teilnehmer studiert und sind auf Wünsche und Anregungen eingegangen. Wir sind in den grossen Kinosaal des zentral am Bahnhof gelegenen Stadttheaters umgezogen (Abbildung), das eine bessere Akustik und mehr Platz hat. Berichtet wurde (u.a.) von den vorjährigen Kongressen: I der ISGE (International Society of Gyneco- logical Endocrinology) in Florenz I der IMS (International Menopause So- ciety) in Vancouver I der ESHRE (European Society of Human Reproduction and Embryology) in Barcelona und I der Fetal Medicine Foundation (FMF) in Athen. Dieses Programm, umrahmt von Pausenmusik, Apéro und der Möglichkeit des kollegialen Austausches in der eleganten Stadttheateratmosphäre, führte zu folgendem Urteil vieler Teilnehmer: «Weltkongresse sind Kult.» Die Vorträge der letzten 6 Jahre, die Evaluationsberichte sowie eine Fotogalerie und ein Video sind auf der Website www.weltkongresse.ch abrufbar. Die nächste Veranstaltung findet am 19. September 2019 im Stadttheater Olten statt. Intramurale Myome bei einem Kinderwunsch – operieren oder nicht operieren? So gradlinig diese Frage erscheint, so komplex und somit schwierig zu beantworten ist sie letztlich. So spielen viele individuelle Faktoren wie die Grösse der Myome, das Alter der Frau, zusätzliche Beschwerden wie Blutungsstörungen 26 GYNÄKOLOGIE 1/2019 Bericht zur Fortbildungstagung «Gyn – Endo – Repro» 2018 Weltkongresse der ISGE, der IMS, der ESHRE und der FMF und letztlich auch die Erfahrung des Operateurs eine Rolle. Deshalb ist eine Entscheidung für oder gegen eine Operation immer individuell zu stellen. Allerdings sollte auch eine individuelle Entscheidung auf wissenschaftlicher Evidenz basieren. Hamdan und Nuzaim (2) führten eine Metaanalyse durch und untersuchten die Effekte intramuraler Myome auf die IVF-Erfolgsrate. 26 von 2482 Publikationen erfüllten die Einschlusskriterien. Allerdings war keine der Studien, die 7733 IVF-Zyklen einschlossen, randomisiert. Die klinische Schwangerschaftsrate war bei Frauen mit intramuralen Myomen signifikant reduziert (RR = 0,83; 95%-KI: 0,77–0,89) und die Fehlgeburtenrate war erhöht (RR = 1,26; 95%-KI: 1,06–1,50). Dies reduzierte signifikant die Lebendgeburtenrate (RR = 0,80; 95%-KI: 0,73–0,87). Eine Myomektomie änderte weder die klinische Schwangerschafts- und Abortrate noch die Lebendgeburtenrate. Allerdings konnten zum Effekt der Myomektomie nur 2 Studien eingeschlossen werden. Wenn diese sperrigen statistischen Werte in praxistaugliche Zahlen übersetzt werden, dann liegt die Schwangerschaftsrate bei einer IVF-Therapie ohne Myome pro Embryotransfer bei zirka 30%, mit intramuralen Myomen bei 25%. Die Abortrate beträgt zirka 15% versus 20%, und die Lebendgeburtenrate pro Transfer ohne Myome liegt bei zirka 25% versus mit Myomen bei 20%. Fazit Intramurale Myome reduzieren die Schwangerschaftsrate und erhöhen die Abortrate bei einer IVF-Therapie und somit sicher auch bei dem Versuch einer Spontankonzeption. Dieser Effekt und die sich daraus ableitende Reduktion der Lebendgeburtenrate ist jedoch nicht sehr gross. Der Effekt einer Myomektomie ist aufgrund der schlechten Datenlage weiterhin unklar. Neues von der Lutealphase Die Lutealphase wird oft etwas stiefmütterlich behandelt, obwohl sie für den Eintritt und den Erhalt einer Schwangerschaft wesentlich ist. Progesteron-Bestimmungen sind aufgrund der grossen Abbildung: Die Veranstaltung «Weltkongresse» fand 2018 erstmals im Kinosaal des direkt am Bahnhof gelegenen Stadttheaters Olten statt. Der stilvolle Konzertsaal konnte somit für die Pause und das Pausenprogramm der rund 250 Teilnehmer genutzt werden. individuellen Schwankungsbreite nicht sinnvoll. Von einer Lutealphaseninsuffizienz ist bei einer Lutealphase (Ovulation bis Beginn der Menstruation) von < 12 Tagen (3) und einem prämenstruellen Schmieren auszugehen. Die Durchführung einer Lutealphasensubstitution ist nur sinnvoll bei den genannten Kriterien und wenn gleichzeitig eine Sterilität oder Infertilität vorliegt. Bei einer FSH-Stimulation erhöht eine Lutealphasensubstitution die klinische Schwangerschaftsrate (RR = 1,45; 95%KI: 1,21–2,02) (4). Gleiches gilt für eine klassische IVF-Therapie mit einer Gonadotropinstimulation (RR = 1,83; 95%-KI: 1,29–2,61) (5). Eine Lutealphasensubstitution erhöht jedoch nicht die Schwangerschaftsrate bei einer Clomifen-Stimulation (4) und auch nicht bei einer IVF im natürlichen Zyklus (3). Meist wird eine Lutealphasensubstitution mit vaginalem Progesteron durchgeführt, die jedoch häufig zu lokalen Irritationen führt (6,7). Aufgrund dessen wurde in zwei grossen prospektiv randomisierten Studien getestet, ob die Schwangerschaftsrate mit oralem Dydrogesteron (3 × 10 mg) äquieffektiv ist wie eine vaginale Gabe von Utrogestan® (3 × 200 mg) (Lotus-IStudie [8]) oder Crinone® 8% (1 × tgl) (Lotus-II-Studie [9]). Es konnte gezeigt werden, dass die klinische Schwangerschaftsrate unter der Verwendung von Dydrogesteron nicht niedriger war. Die Schwangerschaftsrate war sogar um 4 bis 5% (nicht signifikant) erhöht. Fazit Eine Lutealphasensubstition sollte bei einem Kinderwunsch nur bei verkürzten Zyklen, einem prämenstruellen Schmieren, einer FSH-Stimulation oder bei einer klassischen IVF-Therapie durchgeführt werden. Die orale Gabe von Dydrogesteron ist eine Alternative zur vaginalen ProgesteronGabe. «Vanishing twins» – Effekte auf die Schwangerschaft Klar ist, dass Zwillingsschwangerschaften mit einem erhöhten Frühgeburtsrisiko einhergehen. Unklar war jedoch bisher, welchen Effekt «vanishing twins» haben. Kamath und Kollegen (10) führten eine retrospektive Analyse der Daten der britischen Behörde zur Überwachung von Fertilitätsbehandlungen, HFEA, durch. Ausgewertet wurden 508 410 Frischzyklen der Jahre 1991 bis 2011, die zu 95 779 Einlingsgeburten führten. Die adjustierte Odds Ratio für eine Frühgeburt (< 37. SSW) bei einer Zwillingsschwangerschaft mit einem «vanishing twin» betrug im Vergleich zu einer Einlingsschwangerschaft 2,70 (95%-KI: 2,37–3,05), entsprechend einer Inzidenz von 21,1 versus 9,1%. Die Odds Ratio für ein niedriges Geburtsgewicht (< 2500 g) betrug 2,76 (95%-KI: 2,44–3,13), entsprechend einer Inzidenz von 21,8% versus 9,1%. GYNÄKOLOGIE 1/2019 27 Bericht zur Fortbildungstagung «Gyn – Endo – Repro» 2018 Weltkongresse der ISGE, der IMS, der ESHRE und der FMF Fazit Die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt und/oder eines niedrigen Geburtsgewichts ist bei «vanishing twins» knapp dreifach erhöht. In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass bei «vanishing twins» zirka 20% statt 10% der Zwillingsschwangerschaften zu einer Frühgeburt führen. Wie wird die Disposition für Übergewicht auf die nächste Generation übertragen? Bekannt ist, dass eine Adipositas der Mutter tendenziell zu einer Makrosomie/Adipositas der Kinder führt (11). Die Ursache ist vermutlich ein intrauterines Imprinting (12). Auch gilt inzwischen als erwiesen, dass diese genetischen Modifikationen weitervererbt werden. Im Mausmodell konnte bereits gezeigt werden, dass die Vererbung über die Oozyten erfolgt (13). Unklar war jedoch, ob die Transmission über die Kern-DNA oder die Mitochondrien stattfindet. Moley und Kollegen (14) führten eine experimentelle Studie zur Überprüfung des Transmissionsmodus am Mausmodell durch. Die Studie wurde beim ESHREKongress ausgezeichnet: Testmäuse wurden mit einer Fett-/Zuckerdiät fehlernährt, was zu kardialen Fehlfunktionen führte. Kontrollmäuse erhielten eine normale Ernährung und waren entsprechend kardial gesund. Aus den Eizellen beider Tiere wurden generiert: I Zygoten aus dem Zytoplasma der fehlernährten Testmäuse und dem Pronukleus der normal ernährten Kontrollmäuse I Zygoten mit dem Zytoplasma der normal ernährten Kontrollmäuse und dem Pronukleus der fehlernährten Kontrollmäuse. In der Studie wurden praktisch in den Zygoten beider Mausgruppen die Mitochondrien ausgetauscht. Die Herzmuskelmorphologie und -funktion war signifikant verschlechtert, was auf Zygoten mit einem Zytoplasma der fehlernährten Testmäuse und dem Pronukleus der normal ernährten Kontrollmäuse zurückzuführen war. Fazit G Adipositas wird durch eine intraute- rine Prägung adipöser Mütter generiert. G Adipositas wird auch über die Mitochondrien der Oozyten weitervererbt. G Es ist möglich, dass durch den Vererbungsmodus eine Tendenz zur Adipositas über mehrere Generationen weitervererbt wird. Verbesserung der Oozytenfunktion durch einen «Mitochondrien-Boost»? Als ein möglicher Grund für die nachlassende Erfolgsrate bei Frauen im fortgeschrittenen Alter wurde die nachlassende Mitochondrienfunktion postuliert. Aufgrund dessen wird inzwischen kommerziell ein sogenanntes MitochondrienBoosting angeboten. Bei der kommerziell angebotenen Form dieses «Boostings» wird den Patientinnen Ovargewebe entnommen. Aus dem Gewebe werden als ovarielle «Stammzellen» postulierte Zellen isoliert und daraus Mitochondrien extrahiert. Die Mitochondrien werden in die Oozyten, die bei einer regulären IVF-Therapie gewonnen wurden, bei einer intrazytoplasmatischen Spermieninjektion zusammen mit dem Spermium injiziert. Labarta Demur und Kollegen (15) führten eine prospektiv randomisierte Studie zur Überprüfung der Effektivität eines «Oozytenboostings» durch. Die Studie beruhte auf der Annahme, dass durch ein «Boosting» die klinische Schwangerschaftsrate um 15% steigt. Aufgrund gegenteiliger Studienergebnisse zum Zeitpunkt einer Interimsanalyse wurde die Studie nach der Behandlung von 106 Frauen vorzeitig abgebrochen. Die Lebendgeburtenrate war in der «BoostingGruppe» zwar ähnlich hoch wie in der Kontrollgruppe, die Tag-5-BlastozystenEntwicklungsrate war jedoch mit 27,2% signifikant geringer als in der Kontrollgruppe mit 43,5% (p = 0,002). Fazit Eine Verbesserung der Eizellenqualität ist durch eine Injektion von autologen, aus Ovargewebe isolierten Mitochondrien in die Oozyten nicht möglich. Neues aus Geburtshilfe und fetomaternaler Medizin Ersttrimester-Screening auf Präeklampsie im Vergleich zum Screening anhand anamnestischer Risikofaktoren – der SPREE Trial (screening programm for preeclampsia) Im letzten Jahrzehnt wurde von der FMF, London, ein kombinierter ErsttrimesterScreening-Algorithmus für Präeklampsie (PE) entwickelt: Die Untersuchung ASPRE (Aspirin for evidence based preeclampsia prevention) erbrachte 2017 den Nachweis, dass Aspirin in der so definierten Risikopopulation die Prävalenz von PE signifikant senken kann (16). Ziel der SPREE-Studie war nun, im direkten Vergleich nachzuweisen, dass die Detektionsrate (DR) der frühen PE vor 37 Schwangerschaftswochen im kombinierten Ersttrimester-Screening besser ist als im herkömmlichen Screening, basierend auf maternalen Charakteristika und anamnestischen Risikofaktoren (17). In 7 britischen Spitälern wurden 16 747 schwangere Frauen mit Einlingsschwangerschaften in die Studie eingeschlossen. Bei allen wurden zwischen 11+0 und 13+6 Schwangerschaftswochen die anamnestischen Risikofaktoren für eine PE erfasst, der arterielle Mitteldruck (MAP) gemessen, der «placental growth factor» (PlGF) und das «pregnancy associated plasma protein A» (PAPP-A) bestimmt sowie der Pulsatilitätsindex in den uterinen Arterien (UtA PI) mittels Dopplerultraschall gemessen. Die damit durchgeführte Risikoberechnung wurde weder der Schwangeren noch dem behandelnden Arzt offengelegt; der Arzt sollte die Schwangere gemäss den nationalen Guidelines von NICE (National Institute for Health and Care Excellence) behandeln, die Resultate wurden anschliessend nach Aspirin-Effekt korrigiert. 0,8% der Probandinnen entwickelten eine frühe PE. Beide Screeningmodalitäten wiesen eine Falschpositiv-Rate (FPR) von zirka 10% auf, die DR der frühen PE war aber signifikant höher im kombinierten Ersttrimester-Screening: Die alleinige Kombination von Anamnese, MAP und PAPP-A (der sogenannte Mini-Test) wies eine um 10,5% höhere DR auf als das konventionelle Screening, die Kombination von Anamnese, MAP, UtA PI und 28 GYNÄKOLOGIE 1/2019 Bericht zur Fortbildungstagung «Gyn – Endo – Repro» 2018 Weltkongresse der ISGE, der IMS, der ESHRE und der FMF PlGF konnte sogar 35,1% mehr frühe PE detektieren. Fazit Wie in diversen früheren Validationsstudien zeigt sich auch in der SPREEStudie die Überlegenheit des kombinierten Ersttrimester-Screenings gegenüber dem konventionellen Screening in der Detektion der frühen PE. Es ist an der Zeit, dies im Alltag umzusetzen. Aspirin zur Prävention von Präeklampsie: Timing, Dosierung, Komplikationen. Resultate von neuen Metaanalysen Niedrig dosiertes Aspirin (LDA) reduziert das Risiko einer Präeklampsie (PE) (18, 19), man fürchtet sich aber vor dem Risiko einer antepartalen Blutung oder vorzeitigen Plazentalösung (20). 2 neue Metaanalysen untersuchten nun die Abhängigkeit der LDA-Wirkung von der Dosierung und vom Gestationsalter (GA), zu welchem es verordnet wird (21, 22); eine dritte untersuchte das Risiko der beschriebenen Komplikationen (23). Die Studie von Meher reevaluierte Daten einer bereits 10 Jahre zuvor publizierten Metaanalyse zum Effekt von LDA in der Prävention von PE neu (24); die Studien wurden nun eingeteilt nach GA, zu welchem LDA verordnet wurde, in solche vor und solche nach 16 Schwangerschaftswochen (SSW). Alle Studien, welche den Effekt von LDA auf PE, Gestationshypertonie und fetale Wachstumsrestriktionen untersuchten und in denen LDA mit Plazebo oder keiner Therapie verglichen wurde, wurden bis 2005 eingeschlossen; die Dosierung von LDA wurde dabei nicht berücksichtigt. 32 Studien mit insgesamt 30 670 eingeschlossenen Schwangeren zeigten, dass LDA unabhängig vom GA das Risiko einer PE um etwa 10% reduziert; der Effekt ist nach 16 SSW knapp und vor 16 SSW nicht signifikant. In der Studie von Roberge und Kollegen wurden Studien bis 2017 berücksichtigt, welche ausschliesslich den Effekt von LDA auf PE mit Plazebo oder keiner Therapie verglichen. Zusätzlich zum LDA-Therapie-Beginn wurde auch die LDA-Dosierung untersucht. In 16 Studien mit insgesamt 18 907 Schwangeren konnte im Gegensatz zur Studie von Meher gezeigt werden, dass LDA einzig in einer Dosierung von ≥ 100 mg und wenn damit vor der 16. SSW begonnen wird, das Risiko einer PE signifikant um 67% reduziert. Schliesslich zeigte die zweite Metaanalyse von Roberge aus 20 Studien mit 12 585 Schwangeren, dass LDA in einer Dosierung < 100 mg das Risiko einer antepartalen Blutung oder Plazentalösung nicht beeinflusst, während das Risiko bei einer Dosierung von ≥ 100 mg vor der 16. SSW eher reduziert und nach der 16. SSW hingegen tendenziell erhöht ist. Fazit Das PE-Risiko lässt sich durch LDA vor allem in einer Dosierung von ≥ 100 mg, begonnen vor der 16. SSW, reduzieren. So verordnet, zeigt LDA zudem einen eher protektiven Effekt hinsichtlich der vorzeitigen Plazentalösung. Hilft die prophylaktische Gabe von Tranexamsäure, postpartale Blutungen zu verhindern? Postpartale Blutungen (PPH) sind weltweit immer noch die Hauptursache maternaler Mortalität (25); in England sind PPH nach thromboembolischen Ereignissen die zweithäufigste direkte maternale Todesursache (26). Die prophylaktische Verabreichung von Oxytocin reduziert das PPH-Risiko um zirka 50% (27, 28). Tranexamsäure (TXA) wirkt antifibrinolytisch und reduziert die Inzidenz maternaler Todesfälle im Fall einer PPH signifikant (29). Das Ziel des TRAAP-Trials (Tranexamic acid for preventing postpartum hemorrhage following a vaginal delivery) war nun, zu untersuchen, ob die zusätzliche prophylaktische Verabreichung von 1 g TXA i.v. zusammen mit Oxytocin im Vergleich zu Plazebo und Oxytocin das Risiko einer PPH nach vaginaler Geburt reduziert (30). In 15 französischen Spitälern wurden 3891 Schwangere unter der Geburt 1:1 in die TXA- oder die Plazebo-Gruppe randomisiert; das Medikament wurde jeweils nach der routinemässigen Gabe von Oxytocin innerhalb 2 Minuten postpartal verabreicht, der Blutverlust (BV) wurde mittels Messbeutel objektiv erfasst: Die Inzidenz der PPH mit ≥ 500 ml BV ebenso wie der schweren PPH mit ≥ 1000 ml BV war nicht signifikant unterschiedlich. Das subjektive Empfinden des Geburtshelfers zeigte hingegen signifikant mehr PPH in der Plazebogruppe, entsprechend wurde den Frauen in der TXA-Gruppe seltener zusätzliche Uterotonika verabreicht. Mehr Frauen in der TXA-Gruppe erlitten Nausea oder Erbrechen, die Inzidenz von thromboembolischen Ereignissen war in beiden Gruppen niedrig und zeigte keinen signifikanten Unterschied, ebenso zeigte sich keine erhöhte Inzidenz von anderen Nebenwirkungen. Fazit Die TRAAP-Studie konnte keinen Nutzen der routinemässigen postpartalen Verabreichung von TXA zur Prävention von PPH aufzeigen. TXA soll aber bei vermehrter Blutung weiterhin grosszügig und rasch verabreicht werden. Ist Carbetoxin in der Prävention von postpartalen Blutungen mindestens gleich effektiv wie Oxytocin? Die routinemässige Verabreichung von Oxytocin unmittelbar nach der Geburt reduziert das Risiko einer postpartalen Blutung (PPH) um zirka 50% (27, 28). Oxytocin ist ein hitzeempfindliches Medikament, es muss kühl gelagert werden, das ist in vielen wärmeren Regionen nur beschränkt möglich. Carbetocin (ein Oxytocin-Analogum) kann im Gegensatz zu Oxytocin auch in einer hitzestabilen Form hergestellt werden und bleibt mindestens 3 Jahre stabil bei 30 °C (oder mindestens 1 Monat bei 60 °C); es ist nicht lichtempfindlich und wirkt ebenso gut, wenn es vorgängig eingefroren wurde (31). Die Studie Carbetocin Haemorrhage Prevention (CHAMPION), ein sogenannter Non-Inferiority-Trial, sollte nachweisen, dass Carbetocin hinsichtlich der primären PPH-Prävention nicht schlechter wirkt als richtig gelagertes Oxytocin (32). 29 539 Frauen aus 10 Ländern und 23 Spitälern wurden unter der Geburt entweder zu 10 IU Oxytocin i.m. oder 100 µg Carbetocin i.m. randomisiert. Beide Produkte wurden kühl gelagert, damit die Wirkung von Oxytocin gewährleistet war, der Blutverlust (BV) wurde objektiv erfasst. GYNÄKOLOGIE 1/2019 29 Bericht zur Fortbildungstagung «Gyn – Endo – Repro» 2018 Weltkongresse der ISGE, der IMS, der ESHRE und der FMF Es zeigte sich kein Unterschied in der Inzidenz der PPH mit einem BV von ≥ 500 ml, die Power der Studie war nicht ausreichend, die Nichtunterlegenheit hinsichtlich der schweren PPH mit einem BV von ≥ 1000 ml zu beweisen. Fazit Carbetocin wirkt nicht schlechter als Oxytocin in der Prävention einer PPH nach einer vaginalen Geburt. Anders als Oxytocin kann Carbetocin aber hit- zestabil produziert werden und bietet den potenziellen Vorteil, auch bei höheren Temperaturen und mangel- hafter Kühlung optimal zu funktionie- ren. Hitzestabiles Carbetocin wird sich gerade in wärmeren Regionen mögli- cherweise als dem Ocytocin überle- gen erweisen, dieser Effekt muss aber erst in weiteren Studien untersucht werden. I Prof. Dr. med. Michael von Wolff (Korrespondenzadresse) E-Mail: Michael.vonWolff@insel.ch PD Dr. med. Béatrice Mosimann Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital, Bern. Prof. Dr. med. Petra Stute Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Universitäts-Frauenklinik Inselspital 3010 Bern Referenzen: 1. Belva F, Bonduelle M, Roelants M, Michielsen D, et al.: Se- men quality of young adult ICSI offspring: the first results. Hum. Reprod. 2016; 31: 2811–2820. 2. 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