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SCHWERPUNKT
Tumorassoziierte Fatigue und «Chemobrain»
Ursachen, Diagnostik, Therapieansätze
Fatigue und kognitive Defizite, die in Zusammenhang mit einer Krebserkrankung und -behandlung auftreten können, stellen eine grosse Herausforderung für die moderne Tumornachsorge dar. Das Wissen um ihre Entstehung sowie die Kenntnis diagnostischer Werkzeuge und therapeutischer Möglichkeiten können jedoch zu einer angemessenen Versorgung verhelfen. Die vorliegende Arbeit bietet hierzu eine aktuelle Übersicht.
NOEMI DANNECKER
Noemi Dannecker
Im Zusammenhang mit Krebserkrankungen und -behandlungen berichten etliche PatientInnen von starker Erschöpfung und/oder kognitiven Beeinträchtigungen. Diese Beschwerden, die in einigen Fällen bis zu Jahren nach abgeschlossener Behandlung anhalten können, schränken die Lebensqualität Betroffener meist erheblich ein. Obwohl das Thema «tumorassoziierte Fatigue und Chemobrain» zu Recht seit einigen Jahren in Klinik und Forschung zunehmende Beachtung erfährt, verrät die in Kasten 1 angedeutete Heterogenität der dafür verwendeten Begrifflichkeiten, dass bis zu ihrem Verständnis noch ein weiter Weg zu beschreiten ist. Den bisher gängigen Begriffen ist gemeinsam, dass sie stark vereinfachte Kausalitäten (tumorassoziierte Fatigue und «Chemobrain») und mithin auch eine Unabhängigkeit der beiden Phänomene suggerieren und ihrer Komplexität damit keineswegs gerecht werden. Ein Verständnis ebendieser Komplexität ist jedoch Voraussetzung für eine adäquate Behandlung.
Tumorassoziierte Fatigue
Was ist tumorassoziierte Fatigue? Tritt infolge einer Krebserkrankung und/oder -behandlung eine anhaltende und belastende somati-
Merkpunkte
I Für viele PatientInnen gehören Fatigue und kognitive Defizite zu den am stärksten belastenden Symptomen bei einer Krebserkrankung und -therapie.
I Die gängigen Bezeichnungen dafür können irreführend sein, zumal es sich sowohl bei der tumorassoziierten Fatigue als auch bei «Chemobrain» um hochkomplexe, multifaktorielle Phänomene handelt, die in jedem Einzelfall aus einem anderen Zusammenspiel biologischer, psychologischer und sozialer Veränderungen infolge der Erkrankung und Behandlung entstehen.
I Entsprechend der Entstehung sollte auch die Behandlung individuell und vielschichtig ansetzen. Eine gute Wirksamkeit wurde bisher für psychosoziale, kognitiv-therapeutische und bewegungsbasierte Massnahmen nachgewiesen.
sche, emotionale oder kognitive Erschöpfung auf, welche die Funktionstüchtigkeit im Alltag beeinträchtigt, spricht man von tumorassoziierter Fatigue. Ihr Ausmass steht in keinem Verhältnis zur vorangegangenen Anstrengung und Erholung; Schlaf bringt keine ausreichende Linderung (1). Tumorassoziierte Fatigue kann zu jedem Zeitpunkt des Krankheits- und Therapieverlaufs auftreten – als Erstsymptom der Erkrankung, aber auch erst nach abgeschlossener Behandlung (2). In Abhängigkeit von den Kriterien (und von der Art der Erkrankung sowie Behandlung) bewegen sich Prävalenzschätzungen von Fatigue während einer Krebsbehandlung zwischen 25 und 99%, wobei etwa 30 bis 60% der PatientInnen eine mittelschwere bis schwere Fatigue angeben. Obwohl die Fatigue nach Abschluss der Behandlung in vielen Fällen abklingt, scheint sie in einer Subgruppe (ca. 20–30%) der Betroffenen noch Jahre darüber hinaus zu persistieren (3). Als wichtigster Prädiktor für ein langes Anhalten der Fatigue nach Abschluss der Krebsbehandlung wurde ihr Ausmass während der Behandlung identifiziert (2).
Wie entsteht tumorassoziierte Fatigue? Als Folge der Krebserkrankung und -behandlung kommt es bei den Betroffenen zu verschiedenen biologischen, psychischen und Verhaltensveränderungen, die im Zusammenspiel die Entstehung von Fatigue verursachen oder begünstigen können. Es soll bereits an dieser Stelle deutlich werden, dass die tumorassoziierte Fatigue – anders als die Bezeichnung nahelegt – weit mehr als eben nur «tumorassoziiert» ist. Als wichtigste biologische Mechanismen gelten nach dem aktuellen Wissensstand Fehlsteuerungen des Immunsystems, insbesondere der Zytokine, der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und des serotonergen Neurotransmittersystems sowie eine damit verbundene Dysregulation des zirkadianen Rhythmus (5) – alles Faktoren, die in einem komplexen
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Interaktionsverhältnis stehen. Beispielsweise fördert eine Überproduktion proinflammatorischer Zytokine die Entwicklung von Fatigue, indem sie «Krankheitsverhalten» (Störungen von Schlaf- und Essverhalten, Stimmung und Antrieb) auslösen und zur Entstehung von Kachexie und Anämie beitragen kann (6). Darüber hinaus werden genetische Faktoren sowie Dysregulationen des ATP-Metabolismus und des vegetativen Nervensystems als mögliche Mechanismen diskutiert (7). Auf der Verhaltensebene ist oftmals ein «Teufelskreis aus abnehmender Leistungsfähigkeit, Vermeidung von Anstrengungen, Inaktivität, fehlender Regeneration, Hilflosigkeit und depressiver Verstimmung» ([2], S.161) zu beobachten, der eine Erhaltung und mögliche Aggravierung der Fatigue zur Folge haben kann.
Diagnostik Die Diagnostik der tumorassoziierten Fatigue stellt viele Herausforderungen an Fachpersonen. Zum einen handelt es sich um ein unspezifisches Symptom, das die Folge vieler Ursachen und Erkrankungen sein kann, zum anderen ist Fatigue eine subjektive Erscheinung, deren Quantifizierung allein auf der Selbsteinschätzung Betroffener beruht. Die zentrale Rolle in der Diagnostik nimmt daher eine ausführliche Anamnese ein, die in einem ersten Schritt das Vorliegen einer Erschöpfungssymptomatik und damit verbundener Beeinträchtigungen prüfen soll (2). Als Screening kann eine visuelle Analogskala von 0 (keine Müdigkeit) bis 10 (schwerste Müdigkeit) vorgelegt werden, wobei gemäss Richtlinien des National Comprehensive Cancer Network (NCCN) ein Wert von ≥ 4 (mittelgradige bis schwere Müdigkeit) Anlass zur weiterführenden Abklärung geben soll (1). Auch standardisierte Fragebogen, wie beispielsweise die deutsche Version des Brief Fatigue Inventory (BFI), können eingesetzt werden (8). Einheitliche Diagnosekriterien nach dem ICD-10 liegen bis anhin nicht vor. Bei Vorliegen einer relevanten Fatigue-Symptomatik gilt es dann, in einem zweiten Schritt potenziell behandelbare Ursachen und Einflussfaktoren zu identifizieren (2). Dazu gehören Nebenwirkungen von Medikamenten und Medikamenteninteraktionen, Schmerz, Anämie, Schlaf-, Ernährungs- und Stoffwechselstörungen, mangelnde körperliche Aktivität und/oder verminderte Leistungsfähigkeit, Substanzmissbrauch, somatische Komorbiditäten, psychische Belastung, Depression und andere psychische Erkrankungen (1). Neben Basislabor und körperlichem Befund ist hier eine ausführliche Anamnese bezüglich Eigenschaften, Ausprägung und zeitlichen Verlaufs der Fatigue wesentlich (2). Eine besondere Rolle kommt der Differenzialdiagnostik der depressiven Verstimmung zu, da diese und die Fatigue sich nicht nur wechselseitig verstärken, sondern auch symptomatisch überlappen. Als Screening für das mögliche Vorliegen einer depressiven Verstimmung bietet sich
Kasten 1:
Einige in der (englischen) Literatur verwendete Begriffe für Fatigue und kognitive Defizite, die im Zusammenhang mit Krebserkrankungen und -behandlungen auftreten können
I Cancer fatigue I Cancer-related fatigue, cancer-associated fatigue I Chemo fog I Chemobrain I Chemotherapy-related cognitive impairment I Chemotherapy-induced cognitive impairment I Post-chemotherapy cognitive impairment I Cancer-related cognitive impairment
Kasten 2:
«2-Fragen-Test» nach Rudolf und Kollegen (2, 10)
Werden beide Fragen bejaht, ist die Wahrscheinlichkeit einer depressiven Verstimmung hoch, allerdings sollte bereits ein Ja Anlass für eine weiterführende fachdiagnostische Abklärung bieten. 1. «Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig, bedrückt oder
hoffnungslos?» 2. «Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst
gerne tun?»
ein kurzer, standardisierter Fragebogen wie die Allgemeine Depressionsskala (ADS) (9) an sowie alternativ der «2-Fragen-Test» nach Rudolf und Kollegen (2, 10) (Kasten 2). Bei Verdacht oder Unsicherheit sollte in jedem Fall eine psychologische/psychiatrische Abklärung veranlasst werden. Da Fatigue jederzeit während oder nach einer Krebserkrankung und -behandlung auftreten kann, gehört ihre Diagnostik zu jeder onkologischen Kontrolluntersuchung, auch im Stadium der Nachsorge.
Therapie Wie die Ätiopathogenese ist auch die Therapie der tumorassoziierten Fatigue vielschichtig und dynamisch. In den meisten Fällen erfolgt sie ohne abschliessende Kenntnis aller ursächlichen und beitragenden Faktoren (2). Neben einer kausalen Therapie (potenziell) behandelbarer Ursachen stehen symptomatische Behandlungsansätze im Vordergrund, unter denen insbesondere die Wirksamkeit psychosozialer und bewegungsbasierter Ansätze nachgewiesen ist (11, 12). Unter psychosozialen Ansätzen werden Massnahmen wie Psychoedukation, Beratung zum Umgang mit der Fatigue (Hilfe zur Selbsthilfe) und kognitive Verhaltenstherapie durch ausgebildetes Fachpersonal verstanden (11, 12). Für die Effektivität dieser Massnahmen scheint insbesondere ihre gezielte Ausrichtung auf die Fatigue zentral zu sein (12). Horneber und Kollegen (2) weisen auch auf die Bedeutung der Edukation und Beratung des sozialen Umfeldes hin, zumal Betroffene mit ihren Beschwerden oftmals auf mangelndes Verständnis treffen. Im Bereich Sport und Bewegung scheint ein regelmässiges, moderates Ausdauertraining besonders förderlich für die Reduktion der Fatigue, aber auch moderates Krafttraining und spezifisch auf FatigueBetroffene zugeschnittene achtsamkeitsbasierte Trainings (wie Yoga oder Tai-Chi) (13–15) sind hilfreich.
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Nicht zuletzt werden auch medikamentöse Therapien diskutiert, unter anderem mit Psychostimulanzien, hämatopoetischen Wachstumsfaktoren, Antidepressiva, progestativer Steroiden und Phytotherapeutika (3), wobei bisher nur für das Psychostimulans Methylphenidat eine kleine, aber signifikante Verbesserung der Fatigue nachgewiesen werden konnte (16).
«Chemobrain»
Was ist «Chemobrain»? «Chemobrain», ein ursprünglich von Betroffenen geprägter (und daher eher umgangssprachlich anmutender) Begriff, bezeichnet kognitive Defizite, die in Zusammenhang mit einer Krebserkrankung und -therapie auftreten können. Während und unmittelbar nach einer Chemotherapie sind etwa 75% der PatientInnen davon betroffen, nach Abschluss der Behandlung 35% (17). Subjektiv berichten Betroffene am häufigsten von Wortfindungsstörungen, Vergesslichkeit, Konzentrationsproblemen und einer Unfähigkeit, sich mehreren Dingen gleichzeitig zu widmen (18). Die Beschwerden überlappen teilweise mit kognitiven Fatiguesymptomen. In standardisierten neuropsychologischen Tests, also «objektiv»*, zeigen sich am häufigsten Beeinträchtigungen von Gedächtnis, Konzentration, Aufmerksamkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit und Exekutivfunktionen (19, 20) – ein Muster, das funktionell-anatomisch auf Dysfunktionen fronto-subkortikaler Hirnregionen respektive Schlaufen hindeutet. In Übereinstimmung damit stellen zahlreiche funktionelle Bildgebungsstudien Auffälligkeiten in der Aktivierung frontaler Hirnregionen während der Bearbeitung kognitiver Aufgaben fest: Kurz nach abgeschlossener Therapie zeigt sich eine (a.e. kompensatorische) Hyperaktivierung, während sich im weiteren Verlauf (vermutlich als Folge einer Erschöpfung der kompensatorischen Mechanismen) eine frontale Hypoaktivierung einstellt (21). Hirnstrukturell sind unmittelbar nach der Chemotherapie eine diffuse Minderung des Volumens der weissen und grauen Substanz sowie mikrostrukturelle Veränderungen der weissen Substanz festzustellen. Nur ein Teil der Studien jedoch findet diese Veränderungen auch noch einige Jahre später (22). Trotz dieser Befundlage ist die Existenz von «Chemobrain» unter einigen Fachleuten bis heute umstritten (23). Dies rührt daher, dass (a) einige Studien so-
* Die Autorin möchte an dieser Stelle betonen, dass die Ergebnisse einer neuropsychologischen Untersuchung – wie sämtliche auf menschlicher Interaktion und Einschätzung basierende Ergebnisse – nicht im eigentlichen Sinne objektiv sind; der Begriff «objektiv» wird im nachfolgenden Text aber um der Leserfreundlichkeit willen stellvertretend für «durch neuropsychologische Tests erhoben» verwendet.
wohl neuropsychologische als auch hirnstrukturelle und -funktionelle Auffälligkeiten bei KrebspatientInnen im Vergleich zu gesunden Kontrollen bereits vor Beginn der Chemotherapie feststellen (21) und dass (b) die subjektiven kognitiven Defizite die objektiven in ihrem Ausmass häufig deutlich übersteigen (26). Wie der nachfolgende Abschnitt darlegt, ist angesichts dieser scheinbaren Unstimmigkeiten jedoch nicht die Existenz von «Chemobrain» infrage zu stellen, sondern lediglich die Bezeichnung.
Wie entsteht «Chemobrain»? Tatsächlich kann die Chemotherapie eben nicht, wie ursprünglich angenommen (24), allein für die berichtete Symptomatik verantwortlich gemacht werden. Wie die tumorassoziierte Fatigue entsteht auch «Chemobrain» aus einem komplexen Zusammenspiel zahlreicher mit der Krebserkrankung und -behandlung assoziierter Faktoren, das im Einzelfall meist nicht (vollständig) verstanden werden kann. Die oben erwähnten Befunde, die gewisse kognitive Defizite sowie hirnstrukturelle und -funktionelle Auffälligkeiten schon vor Beginn einer Chemotherapie feststellten, sollten vor diesem Hintergrund nicht erstaunen. Ein wichtiger Mechanismus sind systemische Veränderungen, die als direkte oder indirekte Folge einer Krebserkrankung oder einer Chemotherapie, aber auch einer Immun- oder Hormontherapie (sowie einer Kombination ebendieser Faktoren) entstehen. Zu solchen Veränderungen gehören oxidativer Stress sowie Fehlsteuerungen des Immunsystems, insbesondere der Zytokine, sowie endokrine Dysregulationen, die sich auf Gehirn und Kognition auswirken können (25, 27). Eine Chemotherapie kann abgesehen davon auch direkt lokale neurotoxische Effekte im Gehirn verursachen, da (entgegen früheren Annahmen) ein geringer Anteil der Zytostatika die Blut-Hirn-Schranke passiert. Es kann dadurch unter anderem zu Schädigungen der weissen Substanz, Veränderungen der Durchblutung sowie der Neurogenese-, Zellteilungsund Zelltodraten kommen (25, 27). Eine weitere zentrale Rolle spielen bei der Entstehung von «Chemobrain» Faktoren wie die psychische Belastung, Depressionen, Angst, Fatigue und Schmerz, die häufig mit einer Krebserkrankung und -behandlung einhergehen (24). Zahlreiche Studien zeigen einen Zusammenhang dieser Faktoren mit subjektiven, nicht jedoch mit objektiven kognitiven Einschränkungen (26). Die oben erwähnte Diskrepanz zwischen subjektiven und objektiven kognitiven Defiziten könnte also dadurch zu erklären sein, dass subjektive kognitive Einschränkungen eher Ausdruck von psychischer Belastung, affektiver Verstimmung und (kognitiver) Fatigue sind als Ausdruck objektiver kognitiver Einbussen.
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Diagnostik Leiden PatientInnen Monate oder Jahre nach abgeschlossener Krebstherapie an kognitiven Einbussen, ist eine neuropsychologische Fachdiagnostik indiziert. Im Rahmen einer solchen erfolgt neben einer differenzierten anamnestischen Erfassung der subjektiven kognitiven Defizite eine objektive Messung der kognitiven Funktionen mittels standardisierter Tests. Eine Schwierigkeit bei der neuropsychologischen Diagnostik von «Chemobrain» ist, dass auch im Einzelfall die subjektiven kognitiven Einschränkungen häufig viel ausgeprägter sind als die testdiagnostisch objektivierbaren. Falls noch nicht erfolgt, ist daher die Abklärung von Fatigue, psychischer Belastung, affektiver Verstimmung und weiteren Faktoren, die häufig mit subjektiven kognitiven Defiziten zusammenhängen, fundamental. Bildgebende Marker für «Chemobrain» mit diagnostischem Wert für den Einzelfall gibt es (bisher) keine, obwohl auf Gruppenebene sowohl strukturelle als auch funktionelle Veränderungen festgestellt wurden. Eine Bildgebung wie auch eine ergänzende neurologische Untersuchung kann im Zweifelsfall aber zum Ausschluss anderer hirnorganischer Ursachen kognitiver Auffälligkeiten hinzugezogen werden.
Therapie Wie bei der tumorassoziierten Fatigue gilt es auch bei der Behandlung von «Chemobrain», zunächst (potenziell) behandelbare Ursachen oder Einflüsse wie Medikamente, Schmerzen oder somatische Faktoren anzugehen (28). Von spezifisch auf kognitive Einschränkungen ausgerichteten Ansätzen erweisen sich bis jetzt neuropsychologische/kognitive Trainings und kognitiv-verhaltenstherapeutische Massnahmen als besonders effektiv. Letztere fokussieren dabei meist auf das Erlernen von Bewältigungs- und kompensatorischen Strategien im Umgang mit kognitiven Beeinträchtigungen. Mit solchen Massnahmen können sowohl Verbesserungen der subjektiven als auch (in einem etwas geringeren Mass) der objektiven kognitiven Leistungsfähigkeit erreicht werden (29–31). Darüber hinaus scheint sich regelmässige körperliche Betätigung positiv auf die kognitive Leistung auszuwirken (29), unter anderem auch eine spezifisch für KrebspatientInnen adaptierte Form von Yoga (32). Für pharmakologische Therapien, beispielsweise mittels Psychostimulanzien (wie Methylphenidat oder Modafinil) wurde bisher keine eindeutige Wirksamkeit im Zusammenhang mit «Chemobrain» nachgewiesen (29).
Schlussfolgerung
Obwohl die Erkenntnisse zur Entstehung von tumorassoziierter Fatigue und «Chemobrain» stetig wachsen, ist unser Verständnis dieser beiden Phänomene noch lange nicht vollständig. Indem ein zunehmen-
des Bewusstsein für ihre Komplexität und ihre Be-
deutung für die Lebensqualität Betroffener geschaf-
fen wird, ist allerdings ein erster Schritt zu einer ange-
messenen Versorgung hin getan.
I
Noemi Dannecker, MSc Abteilung für Neuropsychologie, Klinik für Neurologie Universitätsspital Zürich 8091 Zürich E-Mail: noemi.dannecker@usz.ch
noemi.dannecker@gmail.com
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