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SCHWERPUNKT
Endokrine Therapieoptionen nach gynäkologischen Karzinomen
Wann kann eine Hormonsubstitution erwogen werden?
Im Rahmen gynäkologischer Krebstherapien kommt es häufig zum Verlust der ovariellen Funktion, sei es direkt durch die chirurgische Entfernung der Ovarien oder indirekt durch die zytotoxische System- und/ oder Radiotherapie. Die resultierenden klimakterischen Beschwerden können nach einer iatrogen induzierten Menopause schwerer und akuter als im natürlichen Verlauf auftreten. Ferner können vor allem bei jungen Patientinnen (< 40 Jahren) vermehrt östrogendeprivationsabhängige Erkrankungen verursacht werden. Wann ist eine Hormongabe bei Betroffenen sinnvoll?
IOANNIS DEDES, PATRICK IMESCH, DANIEL FINK
Ioannis Dedes Patrick Imesch Daniel Fink
Historisch gesehen sind endokrine Therapien (ET; Synonym zur Hormonersatztherapie) ein Tabuthema im Bereich der gynäkologischen Karzinome. Der Einfluss der Östrogen/Progesteron-Exposition bei der Entwicklung und Prognose der gynäkologischen Karzinome – insbesondere beim Brustkrebs und Endometriumkarzinom – ist unbestritten, die genaue Wechselwirkung jedoch noch nicht abschliessend geklärt. Die vorhandenen Daten über ET nach gynäkologischen Krebserkrankungen sind äusserst spärlich, kontrovers, die Studien meist von schlechter bis mässiger Qualität. Vor Beginn einer etwaigen ET nach abgeschlossener Krebsbehandlung sollte die Patientin über diesen Umstand aufgeklärt werden. Es gibt Anhaltspunkte, dass in speziellen Fällen auch beim Brust- oder Endometriumkarzinom eine ET zumindest erwogen werden darf.
Mammakarzinom
Rund 30% der Mammakarzinome treten vor dem 55. Lebensjahr auf und sind in etwa 80% der Fälle endokrinsensibel, wodurch sie einer antiendokrinen The-
Merkpunkte
I Die vorhandenen Daten über endokrine Therapien nach gynäkologischen Krebserkrankungen sind äusserst spärlich, kontrovers und meist von schlechter bis mässiger Qualität.
I Vor Beginn einer etwaigen endokrinen Therapie sollte ein ausführliches Aufklärungsgespräch mit der Patientin geführt und entsprechend dokumentiert werden.
I Eine lokale Östrogenisierung kann in den meisten Fällen nach Ausschöpfung nicht hormoneller Therapien angeboten werden.
I Es gibt Anhaltspunkte, dass in speziellen Fällen auch beim Brust- oder Endometriumkarzinom eine HRT zumindest erwogen werden darf.
rapie zugänglich sind. Die antiendokrine Therapie ist somit die häufigste Ursache von iatrogen induzierten (jedoch reversiblen) klimakterischen Beschwerden. Bei jüngeren Frauen werden zudem – nicht zuletzt aufgrund gehäufter aggressiver Karzinome – vermehrt Chemotherapien verabreicht, wodurch alleinig dadurch zu 20 bis 80% eine Ovarialinsuffizienz verursacht wird.
Hormonelle Einflüsse Aus epidemiologischen Studien ist bekannt, dass eine höhere Lebenszeitexposition an Östrogenen (frühe Menarche, späte Menopause, Nulliparität, Schwangerschaften nach dem 30. Lebensjahr), andererseits die Einnahme hormoneller Kontrazeptiva (1 zusätzlicher Fall pro 7690 Frauen pro Jahr der Einnahme einer kombinierten hormonellen Kontrazeption) (1) sowie die postmenopausale ET, das Risiko von Brustkrebs (HR = 1,26; 95%-KI: 1,00–1,59) – unabhängig vom Hormonrezeptorstatus – moderat steigert (2). Demgegenüber sollte nicht vergessen werden, dass in der metastasierten respektiv Rezidivsituation die Östrogentherapie (Diethylstilbestrol) eine Therapieform darstellte (3) und Schwangerschaften nach Brustkrebs (mit der damit einhergehenden Hyperöstrogenämie) zu keiner Prognoseverschlechterung führen (4).
Hormontherapie nach Krebsbehandlung In einer gepoolten Metaanalyse von Observationsstudien konnte sogar eine Risikoreduktion für Rezidive unter ET nachgewiesen werden (RR = 0,64; 95%-KI: 0,5–0,82) (5) und zumindest für Patientinnen unter 50 Jahren keine Risikoerhöhung gezeigt werden (RR = 1,04; 95%-KI: 0,45–2,41) (6). Hier muss aber auf die grosse Bias dieser Studien und auf die zu ver-
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Brustkrebs:
Faktoren zur Berücksichtigung einer endokrinen Therapie (ET) nach Brustkrebs und erfolgter adjuvanter Radio-/Chemotherapie (alle Stadien und Histologien) – basierend auf dem Rezeptorstatus, TamoxifenEinnahme und Zustand nach Hysterektomie
(adaptiert nach R. Angioli et al., mit Ergänzungen aus AGO Mamma 06/2018; Level of Evidence 2b)
Endokrine Therapie Systemisch*
Lokal§
Uterus
vorhanden hysterektomiert
vorhanden hysterektomiert
ER Positiv
Tamoxifen
Aromatase Inhibitor
In Ausnahmefällen
Keine Daten
Kann erwogen werden
Nein°/In Ausnahmefällen **
(Östrogen-Mono-Therapie)
Kann erwogen werden
In Ausnahmefällen**
Kann erwogen werden
In Ausnahmefällen**
ER Negativ°
Kann erwogen werden Kann erwogen werden (Östrogen-Mono-Therapie) Kann erwogen werden Kann erwogen werden
° Gemäss Arbeitsgemeinschaft Gynäkologischer Onkologie, AGO-Mamma 06/2018, Level of Evidence 3b. § Level of evidence 4.
* 24 Monate nach Brustkrebsdiagnose für maximal 18 Monate.
** Für kurze Zeit mit regulärer Monitorisierung des Plasma-Estradiols.
mutende Selektion zwischen Niedrig- und Hochrisikofällen vor Beginn einer ET hingewiesen werden.
Widersprüchliche Studienergebnisse in RCT Auf der anderen Seite konnte in 2 von 3 prospektiv randomisiert kontrollierten Studien (RCT) vorzeitig eine Erhöhung des Rezidivrisikos mit einer relativen Risiko (RR) von 3,41 (95%-KI: 1,59–7,33) nachgewiesen werden (HABITS-Studie mit kombinierter HRT, Stadium 0–II) und LIBERATE-Studie mit Tibolon, Stadium I–IIIA). Jedoch zeigte sich kein Unterschied beim Gesamtüberleben. Beide Studien wurden aber aufgrund der deutlichen und früh nachgewiesenen Erhöhung der Rezidivrate vorzeitig geschlossen. Die Stockholm-Studie (Stadium I–IV, kombinierter HRT) konnte als einziges RCT keinen Unterschied der Rezidivraten nachweisen (HR = 0,82; 95%-KI: 0,35–1,9) (7). Die Studie wurde jedoch im Schatten der Resultate der HABITS-Studie und der damit erschwerten Rekrutierbarkeit von Patientinnen ebenfalls vorzeitig geschlossen. Erst im 10-jährigen Follow-up zeigte sich eine erhöhte Inzidenz der kontralateralen Mammakarzinome, wobei über die Hälfte einem anderen histologischen Subtyp entsprachen. Bezüglich Gesamtüberleben gab es auch nach 10 Jahren keinen Unterschied. Im Direktvergleich der ähnlich konzipierten HABITS und Stockholm-Studie fiel auf, dass in HABITS mehr nodalpositive Patientinnen eingeschlossen waren (26% vs. 16%) und deutlich weniger adjuvante endokrine Therapien mit Tamoxifen (21% vs. 52%) als in der Stockholm-Studie durchgeführt wurden. Zudem hatten die Patientinnen in der Stockholm-Studie eine höhere Gestagenexposition. Es wird diskutiert, dass dies die wesentlichen Konditionen sind, die zu den unterschiedlichen Resultate beigetragen haben.(6) Der Einfluss der exogenen Hormonzufuhr hinsichtlich Prognose nach Brustkrebserkrankung ist dementsprechend nicht abschliessend geklärt. Bei den östro-
genrezeptornegativen Tumoren konnte aber bei allen 3 RCT kein erhöhtes Risiko an Rezidiven nachgewiesen werden. Es muss aber angemerkt, werden, dass die Post-hoc-Analyse hierfür «underpowered» war (6).
Empfehlung Die Arbeitsgemeinschaft gynäkologischer Onkologie («AGO Mamma 03/2018») rät generell von einer ET nach Mammakarzinom ab. Beim triple-negativen Mammakarzinom kann die Gabe bei Bedarf aber zumindest diskutiert werden. Eine östrogenhaltige Monotherapie ist nach aktuellem Wissensstand vorzuziehen, insbesondere unter Tamoxifentherapie und Zustand nach Hysterektomie. Tibolon ist aufgrund der klaren Daten aus den LIBERATE-Trial nicht empfohlen. Eine lokale Östrogenisierung kann bei Versagen von nicht hormonellen Präparaten im Vergleich zur systemischen ET grosszügiger angeboten werden. Auf eine hormonelle Kontrazeption bei Brustkrebspatientinnen sollte dagegen generell verzichtet werden. Eine Notfallkontrazeption mittels Ulipristalacetat ist aber zulässig.
Endometriumkarzinom
Das Endometriumkarzinom ist das häufigste Karzinom des Genitaltraktes und tritt typischerweise in der Postmenopause mit einem medianen Erkrankungsalter von 69 Jahren auf. Dennoch sind in 25% der Fälle prämenopausale Frauen betroffen – in 2,5 bis 14,4% auch junge Patientinnen unter 40 Jahre (8). Die häufigste Form der Endometriumkarzinome sind die endokrin-sensiblen Typ-1-Karzinome (60–70%), welche eine gute Prognose aufweisen (86% 5-JahresÜberleben) – unter anderem auch, da sie in über 75% der Fälle im Frühstadium diagnostiziert (FIGO I–II) werden. Dadurch ist das Kollektiv an Langzeitüberlebenden sehr gross. Umso wichtiger ist es, die Lebensqualität der Betroffenen langfristig zu gewährleisten.
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Endometriumkarzinom:
Faktoren zur Berücksichtigung einer ET nach Endometriumkarzinom bis Stadium II, basierend auf der Histologie adaptiert nach R. Angioli et al.,
mit Anpassung an AGO S3 Endometriumkarzinom 04/2018; Expertenkonsens
Endokrine Therapie Systemisch Lokal*
Endometrioid In Ausnahmefällen Kann erwogen werden
Serös In Ausnahmefällen Kann erwogen werden
Klarzellig In Ausnahmefällen Kann erwogen werden
* Gemäss Arbeitsgemeinschaft Gynäkologischer Onkologie, S3 Endometriumkarzinom 04/2018, Expertenkonsens 9.19: Nach Ausschöpfen aller nicht hormoneller Therapien.
Ovarialkarzinom:
Faktoren zur Berücksichtigung einer ET nach Ovarialkarzinom (alle Stadien) unter Berücksichtigung der Histologie (adaptiert nach R. Angioli et al; [16])
Endokrine Therapie Systemisch Lokal
Serös In Ausnahmefällen* Kann erwogen werden
* Optimal für unter 5 Jahre, nicht länger als 10 Jahre.
Endometroid In Ausnahmefällen* Kann erwogen werden
Keimzell In Ausnahmefällen* Kann erwogen werden
Granulosa Nein Nein
Zervixkarzinom:
Faktoren zur Berücksichtigung einer HRT nach Zervixkarzinom unter Berücksichtigung der Histologie (11, 16)
Endokrine Therapie Systemisch Lokal
Plattenepitheliales Karzinom Kann erwogen werden Kann erwogen werden
Adenokarzinom In Ausnahmefällen* Kann erwogen werden
* Bis max. FIGO II, entsprechend dem Endometriumkarzinom. Insgesamt nur spärliche Daten.
Hormonelle Einflüsse Wie bei Brustkrebs steigert eine Östrogensubstitution bei gesunden Frauen in der Menopause die Inzidenz des Endometriumkarzinomes. Im Gegensatz zum Brustkrebs kann aber die Hinzugabe von Gestagenen (Progestin) dieses Risiko sogar reduzieren. Der Nutzen einer kombinierten HRT bezüglich Endometriumkarzinom kann aber die dadurch bedingte erhöhte Inzidenz des Brustkrebses nicht überwiegen. (9) Gemäss Women’s Health Initiative-(WHI)-Studie konnte keine Risikoerhöhung für ein Endometriumkarzinom durch eine kombinierte Hormontherapie (Östrogene + Progestin) bei Menopausenbeschwerden nachgewiesen werden (Odds Ratio; OR: 0,83 [0,47–1,47]) (2). Bei anderen ET-Formen ist aber das Gegenteil der Fall (9); die Anwendung von hormonelle Kontrazeptiva hingegen scheinen keinen Einfluss auf die Entwicklung von Endometriumkarzinomen zu haben.
Hormontherapie nach Krebsbehandlung In der kürzlich erschienenen Metaanalyse (11), der im Wesentlichen die GOG-Studie aus dem Jahr 2006 mit insgesamt 618 Patientinnen zugrunde liegt, konnte kein Nachteil einer ET in den Frühstadien FIGO I–II nachgewiesen werden. Die Studie wurde trotz der positiven Resultate wegen einer erschwerten Rekrutierungsquote nach Bekanntgabe der erhöhten Brustkrebsinzidenz im Rahmen der WHI-Studie frühzeitig beendet. Da in dieser Studie über 71% endometrioide Adenokarzinome vorlagen, können diese Resultate nicht ohne Vorbehalt auf die anderen histologischen Subtypen angewendet werden.
Empfehlung Gemäss Expertenkonsens der AGO kann eine lokale Östrogenisierung nach Versagen der hormonfreien Therapieformen angewendet werden. (S3-Leitlinie Endometriumkarzinom 04/2018 9.19). Generell muss von einer systemische Östrogentherapie abgeraten werden. Anhand der oben erwähnten Daten kann aber eine Ausnahme bei den frühen endometrioiden, niedriggradigen Karzinomen gemacht werden, insbesondere wenn die onkologische Therapie mehr als zwei Jahre zurückliegt (16).
Ovarialkarzinom
Das mittlere Erkrankungsalter liegt beim Ovarialkarzinom mit 69 Jahren deutlich in der Menopause. Rund 35% der Krankheitsfälle betreffen aber prämenopausale Frauen (12)
Hormonelle Einflüsse Aus epidemiologischen Studien ist bekannt, dass die Anwendung einer kombinierten hormonellen Kontrazeption zu einer Risikoreduktion des Ovarialkarzinomes führt (10). Bei der Anwendung einer ET zeigt sich aber eine Risikoerhöhung für die Entwicklung von epithelialen Ovarialkarzinomen (Relatives Risiko; RR = 1,37 (95%KI: 1,29–1,46; p < 0,0001) unabhängig vom Typ der ET; Alter bei Beginn der Einnahme oder der Dauer. Am deutlichsten war die Risikoerhöhung beim serösen und endometrioiden Ovarialkarzinom (13). In der WHI zeigte sich ebenfalls eine Risikoerhöhung, welche aber weder signifikant noch auf den histologischen Subtyp oder das Stadium korreliert werden konnte (2).
Hormontherapie nach Krebsbehandlung Im Gegensatz dazu konnte eine Metaanalyse aus dem Jahr 2015 zur ET nach Behandlung eines epithelialen Ovarialkarzinom keine negative Beeinflussung der Prognose nachweisen. Diese Arbeit beinhaltete 2 randomisierte kontrollierte Studien und 4 Kohortenstudien mit insgesamt 419 Patienten, verglichen
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wurde mit 1029 Patientinnen, welche keine ET erhalten hatten. Bezüglich Gesamtüberleben konnte sogar ein Benefit nachgewiesen werden (HR = 0,69; 95%-KI: 0,61–0,79), der aber bei der gesonderten Betrachtung zwischen Kohorten- und randomisierten, kontrollierten Studien relativiert werden muss (HR = 0,63; 95%-KI: 0,49–0,81 im Vergleich zu HR = 1,03; 95%-KI: 0,58–1,83). Die Rezidivrate scheint durch die ET ebenfalls nicht negativ beeinflusst zu werden (RR = 0,83; 95%-KI: 0,64–1,07) – unabhängig vom Stadium der Erkrankung oder der verwendeten ET in der Subgruppenanalyse (14).
Empfehlung Eine Hormontherapie mit Östrogenen kann daher bei Frauen nach behandeltem epithelialem Ovarialkarzinom erwogen werden (S3-Leitlinie AGO 10/2016). Dies betrifft auch auch Keimzellkarzinome; Granulosazelltumoren sind aber ausgeschlossen.
Adenokarzinome der Zervix weisen zu rund einem Drittel die Expression von Östrogen- und Progesteronrezeptoren auf und metastasieren gehäuft in die Ovarien (5% vs. 0,5% beim Plattenepithelkarzinom). Obwohl vermutlich eine endokrine Assoziation besteht, sind die ER/PR-Expression weder prognostisch noch prädiktiv zu werten. Dennoch kann eine Östrogenstimulierbarkeit – entsprechend dem Endometriumkarzinom – nicht ausgeschlossen werden (17).
Hormontherapie nach Krebsbehandlung In einer Studie aus dem Jahre 1987 wurde die Wirkung einer ET nach Operation oder Radiochemotherapie bei Patientinnen in frühen Karzinomstadien untersucht: 80 Frauen unter 45 Jahre unter einer Hormonsubstitution wurden mit 40 Fällen ohne ET verglichen. Dabei konnte kein signifikanter Unterschied bezüglich Rezidiv oder Überlebensrate nachgewiesen werden.
Zervixkarzinom
Das Zervixkarzinom tritt von allen gynäkologischen Karzinomen am häufigsten in der Prämenopause auf mit rund 70% der Fälle bei Frauen unter 54 Jahren. In zirka 80% der Fälle sind es plattenepitheliale Karzinome, in 15% Adenokarzinome; selten sind Mischtypen oder klarzelligen Karzinome. Obwohl die klassische Wertheimoperation die Ovarektomie beim plattenepithelialen Zervixkarzinom nicht beinhaltet, kommt es im Verlauf dennoch häufig zu einer verfrühten ovariellen Insuffizienz. Auch eine Radio-(chemo-) therapie kann diese bewirken.
Hormonelle Einflüsse Die Einnahme einer kombinierten hormonellen Kontrazeption scheint zu einer Risikoerhöhung für die Entwicklung eines Zervixkarzinoms bei vorhandener HPV-Infektion zu führen, wobei das Risiko von der Dauer der Einnahme abhängt. Die Inzidenz steigt durch die Anwendung der Kontrazeption von 3,8 auf 4,5 pro 1000 Frauen in entwickelten Ländern (15). Die Risikoerhöhung scheint aber nach Absetzen der Kontrazeption wieder abzunehmen. Die hormonelle Beeinflussung durch orale Kontrazeptiva beruht vermutlich auf eine erhöhte Suszeptibilität der Zellen zum HPV-Virus, bedingt durch die modulatorische Wirkung der Östrogene. Reine Gestagenpräparate scheinen das Risiko zur Entstehung eines Zervixkarzinoms dagegen nicht zu erhöhen (15). Die ET konnte bisher nicht mit der Entwicklung eines plattenepithelialen Zerivxkarzinomes assoziiert werden. Davon ausgenommen sind allerdings die Adenokarzinome, welche eine deutliche Risikoerhöhung unter alleiniger Östrogentherapie aufweisen (OR = 2,7; 95%-KI: 1,1–6,8). Das Risiko war aber bei Anwendung einer kombinierten ET bei den Adenokarzinomen nicht mehr nachweisbar RR 1,1 (95%-KI: 0,26–5,0) (16).
Empfehlung Bei plattenepithelialem Zervixkarzinom besteht sicherlich im Frühstadium keine Einschränkung zum Einsatz einer ET. Bei Adenokarzinomen sollte aber Vorsicht geboten sein und entsprechend den Endometriumkarzinomen vorgegangen werden.
Vulva-/Vaginalkarzinom
Das vulväre und vaginale Epithel gelten als hormonunabhängig – trotz Expression von Östrogen-/Progesteron- und Androgenrezeptoren. Epidemiologisch konnte keine Assoziation der Hormonexposition (endogen/exogen) mit der Entwicklung von invasiven oder nicht invasiven Vulva- oder Vaginalkarzinomen nachgewiesen werden.
Empfehlung
Es kann davon ausgegangen werden, dass eine exo-
gene Hormonzufuhr (ET oder orale kombinierte Kon-
trazeptiva) bei Zustand nach maligner Erkrankung
der Vulva/Vagina nicht kontraindiziert ist. Eine Aus-
nahme bilden aber auch hier die seltenen Adenokar-
zinome (17).
I
Dr. med. Ioannis Dedes (Erstautor; Korrespondenzadresse) E-Mail: ioannis.dedes@usz.ch
PD Dr. med. Patrick Imesch und Prof. Dr. med. Daniel Fink
Klink für Gynäkologie Universitätsspital Zürich 8091 Zürich
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