Transkript
SCHWERPUNKT
Vulvovaginale Beschwerden in der Menopause
Update 2018
Beschwerden aufgrund vulvovaginaler Atrophie (VVA) gelten noch immer als Tabuthema und werden während ärztlicher Konsultationen selten aktiv angesprochen. Dabei lässt sich eine VVA und damit auch die sexuelle Gesundheit der menopausalen Frauen durch einfache Therapieansätze deutlich verbessern. Objektive Kriterien zur Beurteilung der VVA und eine Übersicht zu den traditionellen wie neueren Behandlungsansätzen leisten einen Beitrag, dies zu ändern.
ANJA WÜEST, PETRA STUTE
Anja Wüest Petra Stute
Objektive Kriterien zur vulvovaginalen Gesundheit
In der Perimenopause reduziert sich infolge Aufbrauchs der Ovarreserve die Östrogenkonzentration im Blut um 95%. Die Serumöstradiolspiegel liegen bei der reproduktiven Frau zwischen 147 und 1468 pmol/l und fallen nach der Menopause auf < 70 pmol/l ab. Der Urogenitaltrakt reagiert auf den Östrogenabfall besonders empfindlich. Das Vaginalepithel besitzt Östrogenrezeptoren, welche unter Hormonstimulation die Vaginalwand dick und elastisch halten. Dieses Epithel befindet sich in einem ständigen Umbauprozess, welcher von der Östradiolkonzentration im Serum abhängig ist. Nehmen die zirkulierenden Östrogene ab, wird das Vaginalepithel dünner und trockener – die Diagnose einer Vaginalatrophie wird gestellt. Durch die Vaginalatrophie fehlt es an der Vaginaloberfläche an Glykogen, welches als Nährboden für die Laktobazillen dient. Durch die Abnahme der Laktobazillen verschiebt sich der pH-Wert der Vagina in den Bereich von 6,0 bis 8,0. Dieser mehr alkalische pH-Wert führt zu einer Veränderung innerhalb der Vaginalflora hin zu mehr koliformen Bakterien und ist zusammen mit anderen atrophen Veränderungen für eine erhöhte Anfälligkeit und Häufigkeit von Infektion des Urogenitalstraktes verantwortlich. Die Atrophie und der Mangel an Laktobazillen führen auch zu einem verminderten Vaginalsekret.
Merkpunkte
I Die Initiative, über vulvovaginale Beschwerden zu sprechen, sollte von der Ärztin/dem Arzt ausgehen.
I Eine Therapie sollte frühestmöglich begonnen und kontinuierlich angewandt werden. I Die Patientin sollte über die verschiedenen Therapiemöglichkeiten aufgeklärt werden.
Das Dünnerwerden des Vaginalepithels mit Verlust der vaginalen Rugae durch Auseinanderbrechen der kollagenen Stützfasern wird etwa 2 bis 3 Jahre nach dem Eintritt der Menopause sichtbar und ist ein progressiver Prozess. Im Gegensatz zu den vegetativ vermittelten klimakterischen Symptomen nehmen die urogenitalen Menopausenbeschwerden im zunehmenden Lebensalter nicht ab, sondern führen hormonell und altersbedingt zu persistierenden, teilweise nicht reversiblen Veränderung der Trophik.
Diagnostik
Die Diagnose vulvovaginale Atrophie basiert auf Anamnese und Klinik; jedoch führten Bachmann und Kollegen 1995 den Vaginal Health Index (Tabelle 1) zur Objektivierung der Vaginalatrophie ein (1). Ein kürzlich entwickelter multidimensionaler Fragebogen von Huang und Kollegen (The Day-to-Day Impact of Vaginal Aging [DIVA] Questionnaire; [2]) ermöglicht es, die Auswirkungen einer vulvovaginalen Atrophie auf die Lebensqualität der postmenopausalen Frau zu evaluieren, und dient auch als Messinstrument eines Therapieerfolgs.
Symptomatik
45 bis 63% aller postmenopausalen Frauen, viele davon stillschweigend, erleiden Symptome aufgrund einer VVA, die das Sexualleben und die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Die Frauen leiden an Trockenheitsgefühl, Juckreiz und brennenden Schmerzen im Vaginalbereich. Die verminderte Lubrikation, die verminderte Dehnbarkeit durch Abnahme der Kollagenproduktion sowie der Elastizität des Bindegewebes und die verminderte Durchblutung führen zu Dyspareunie und Kontaktblutungen. Bei einer schweren vaginalen Atrophie ist das Vaginalepithel leicht verletzlich, und es finden sich Petechien
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Tabelle 1:
Vaginal Health Index (nach [1]; Bachmann; 1995)
Score 1 2 3 4
Elastizität keine schlecht gering gut
Sekretmenge und -konsistenz keine wenig, dünn-gelblich oberflächlich, dünn-weisslich mittelmässig, dünn-weisslich
5 exzellent normal (weiss-flockig)
pH 6,1 5,6–6,0 5,1–5,5 4,7–5,0
< 4,6
Vaginalepithel Petechien vor Kontakt Blutung bei leichtem Kontakt Blutung bei Kratzen des Epithels nicht verletzlich, dünne Tunica mucosa nicht verletzlich, normale Tunica mucosa
Befeuchtungsgrad keiner, T. mucosa entzündlich keiner, T. mucosa nicht entzündlich minimal mittelmässig
normal
sowie Ulzerationen bei der Spekularuntersuchung. Die Region der Vulva verändert sich ebenfalls mit dem Älterwerden, indem sich das labiale Fettpolster zurückbildet und sich im Bereich der Labia majora und minora sowie des Präputiums Synechien bilden können. Dadurch werden vermehrt sensitive Gebiete freigelegt, was zusätzlich zu einer Reizung und Blutung nach mechanischer Belastung führen kann. Der Östrogenmangel in der Postmenopause führt auch an der Blase und Urethra zu charakteristischen Veränderungen. Als Folge davon kann es zu Dysurie, Pollakisurie, rezidivierenden Harnwegsinfekten und Inkontinenz kommen, da auch die distale Urethra reich an Östrogenrezeptoren ist. Da die Veränderungen durch den Östrogenmangel an der Vagina und an Blase/Urethra nicht isoliert betrachtet werden sollten, wurde 2013 sinnvollerweise von der nordamerikanischen Menopausegesellschaft der neue Terminus «urogenitales Menopausen-Syndrom» vorgeschlagen (3) (Kasten).
Therapie
Die Behandlung der vulvovaginalen Atrophie sollte mit Beginn der ersten Symptome verordnet werden, um die sexuelle Gesundheit sowie die Lebensqualität der peri- oder postmenopausalen Frau nicht einzuschränken und die urogynäkologischen Folgeerkrankungen zu verhindern. Frauen in einer Partnerschaft sollten auch darüber informiert werden, dass eine regelmässige sexuelle Aktivität/vaginale Stimulation die Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen Dyspareunie senkt. Die Therapiepräferenz der Frau muss erfragt werden und sollte eines der Hauptkriterien für die Therapiewahl sein. Es gibt einige Behandlungsoptionen, welche der Patientin erläutert werden sollten.
Kasten:
Die vorherrschenden Symptome des «urogenitalen Menopausen-Syndroms» sind:
I subjektiv: vulvovaginal Trockenheitsgefühl, Juckreiz oder/und Brennen; unangenehme Sensibilitätssteigerung
I verminderte oder fehlende Lubrifikation I Dyspareunie, Beeinträchtigung des Sexuallebens I Petechien und Ulzerationen der Vagina I Kontaktblutungen I Inkontinenz I erhöhte Infektanfälligkeit (im Urogenitaltrakt)
Konventionelle Therapieansätze
Topische Östrogene Bei urogenitalen Beschwerden ist die lokale Östrogentherapie, in Form von Vaginaltabletten, Vaginalcremes oder Vaginalring, der systemischen überlegen. Eine systemische Hormonersatztherapie kann in bis zu 45% die vulvovaginalen Beschwerden nicht lindern, weshalb die alleinige vulvovaginale Atrophie keine Indikation für eine systemische Hormonsubstitution (HRT) darstellt. Die systemische Resorption einer lokalen Östrogengabe ist gering, das heisst, es werden bei vorgeschriebener Dosierung keine systemisch relevanten Serumspiegel erreicht. Ist das Epithel atroph, ist die initiale vaginale Absorption der Östrogene etwas höher. Östrogene mit einer geringeren Potenz wie Östriol haben eine genügende Wirkung an der Vaginalwand und werden nur begrenzt absorbiert. Es empfiehlt sich initial die tägliche lokale Östrogenisierung für 3 bis 4 Wochen, danach folgt eine Erhaltungstherapie im Intervall, welche langfristig fortgeführt werden muss, um den Therapieeffekt zu erhalten. Einzig der Vaginalring wird dauerhaft eingelegt mit Wechsel alle 3 Monate. Gemäss aktueller Studienlage gibt es keine Präferenz für eine Anwendungsform der lokalen Östrogenisierung hinsichtlich Effektivität, Nebenwirkungen und Sicherheit (Endometriumdicke, Brusterkrankungen) (4). Die Gabe von Gestagenen als Endometriumprotektion bei korrekter lokaler Anwendung von niedrig dosierten Östrogenen ist gemäss aktueller Studienlage nicht erforderlich (5–7), wobei allerdings die Datenlage hinsichtlich einer Behandlung über 1 Jahr schwach ist. Eine sonografische Überwachung des Endometriums ist nicht notwendig, jedoch ist eine Postmenopausenblutung stets abklärungsbedürftig. In der Schweiz erhältliche Präparate zur lokalen Östrogenisierung sind in Tabelle 2 aufgeführt. Eine lokale Östrogentherapie erhöht die Durchblutung, lässt das Epithel an Dicke zunehmen, verbessert die vaginale Lubrikation und senkt den vaginalen pH-Wert signifikant. Innerhalb weniger Wochen zeigt sich eine Reduktion der vulvovaginalen Symptome bei 80 bis 90% der Frauen. Nach der Anwendung sollte man eine Stunde keinen Geschlechtsverkehr haben, um eine Transmission der Hormone auf den Partner zu verhindern. Die vaginale Östrogenisierung vermindert zudem signifikant die Rate von Harnwegsinfekten, wohingegen eine orale HRT keinen Einfluss auf die Reduktion der Harnwegsinfekte zeigt (8).
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Tabelle 2:
In der Schweiz erhältliche topische Östrogenpräparate:
Präparat Estring® Blissel® Ovestin® Ovestin® OestroGynaedron® Vagifem® Gynoflor®
Wirkstoff Estradiol Estriol Estriol Estriol Estriol Estradiol Estriol
Galenische Form Vaginalring Vaginalgel Vaginaltablette Salbe Salbe Vaginaltablette Vaginaltablette
Wirkstoffmenge/Einheit 7,5 µg E2/24 h 1 g = 0,05 mg E3 0,5 mg E3 1 g = 1 mg E3 1 g = 0,5 mg E3 0,01 mg E2 0,03 mg E3
Dosierung (Erhaltungsdosis) Wechsel alle 3 Monate 1 Applikatorfüllung (1g) 2 x/Woche 1 Tbl 2 x/Woche 1 Applikatorfüllung (0,5 mg) 2 x/Woche 1 Applikatorfüllung (1g) 2 x/Woche 1 Tbl 2 x/Woche 1 Tbl 2 x/Woche
Vaginale Medizinprodukte (Moisturizer, Lubrikativa, Emollienzien) Moisturizer binden als hydrophile polymere Substanzen Wasser und steigern so den Feuchtigkeitsgehalt und auch die Elastizität der Vagina. Sie enthalten weitere Zusatzstoffe (pflanzliche oder synthetische Polymere), welche einen positiven Einfluss auf den vaginalen pH, die Viskosität und Osmolalität haben. Sie müssen regelmässig angewendet werden, da sie mit der Zeit wie die Plattenepithelzellen abgeschilfert werden. Der Befeuchtungseffekt hält 2 bis 3 Tage an, im Gegensatz zu den Gleitmitteln. Lubrikativa, basierend auf wasser- oder silikonhaltiger Basis, sind kurzfristig anwendbar bei Dyspareunie und mangelnder Lubrikation und zeigen keinen anhaltend positiven Effekt auf das Vaginalepithel. Zu beachten sind die Zusatzstoffe: Glyzerin- und parabenhaltige Produkte können mukosale Reizungen auslösen, indem sie die Osmolalität verändern und den Laktobazillenstatus vermindern. Parabene wurden auch in Mammakarzinomen entdeckt, jedoch ist bis anhin eine direkte Assoziation – Paraben als Karzinogen – nicht abschliessend bestätigt worden (9). Mikrobizide als Inhaltsstoffe zur Gewährung langer Haltbarkeit der Produkte können zu Epithelschäden und Entzündungsreaktionen und somit zu einer höheren Anfälligkeit gegenüber sexuell übertragbaren Krankheiten führen. Vaseline und pflanzliche Öle können die Barrierefunktion von Kondomen verändern, teilweise auch zu allergischen Reaktionen führen. Emollienzien sind hydratisierende Zubereitungen (z.B. Öl-in-Wasser-Emulsionen) mit einem hohen Feuchtigkeitsgehalt und rückfettenden Lipiden. Vaginale Medizinprodukte haben einen therapeutischen Effekt auf die Symptome einer milden bis moderaten VVA, jedoch keinen Einfluss auf die Struktur des Bindegewebes, und erzielen in den meisten Fällen einen vorübergehenden Nutzen bezüglich der vulvovaginalen Gesundheit. Beim Vergleich Moisturizer versus topische Östrogene ist die Studienlage heterogen. Mehrheitlich wird aber eine Äquipotenz hinsichtlich subjektiver Symptome und eine Unterlegenheit der Befeuchtungsmittel bei objektiven Kriterien beschrieben. Emollienzien erwiesen sich im intraindividuellen Vergleich mit Moisturizern bezüglich subjektiver wie auch objektiver Kriterien als signifikant überlegen (10).
Neuere Ansätze
Ospemifen Ospemifen (Senshio®) ist ein selektiver Östrogenrezeptormodulator (SERM), zugelassen seit Januar 2013 in den USA und seit 2015 in Europa «für die Therapie einer moderaten bis schweren symptomatischen VVA bei postmenopausalen Frauen, bei welchen eine lokale Östrogenisierung nicht infrage kommt». In der Schweiz ist Ospemifen jedoch noch nicht registriert. Durch den selektiven agonistischen Effekt an den Östrogenrezeptoren im Vaginalepithel ist die Wirkung vergleichbar mit der lokalen Östrogentherapie. Ospemifen wird täglich peroral eingenommen (60 mg/Tag). Gemäss Literatur hat Ospemifen keinen stimulierenden Effekt auf das Endometrium, und die Inzidenz der Postmenopausenblutungen nimmt nicht zu (11). Präklinische Daten beschreiben einen inhibitorischen Effekt auf die Karzinogenese in der Brust. Als Nebenwirkung findet sich eine Zunahme der Inzidenz von Hitzewallungen (12). Aufgrund der aktuellen Datenlage ist ein Zusatznutzen im Vergleich mit einer lokalen Östrogentherapie nicht gegeben.
DHEA Die Sekretion von DHEA nimmt im Alter zwischen 30 und 50 Jahren um durchschnittlich 60% ab. Der intrazelluläre Metabolismus von Östrogenen (E2) und Androgenen (Testosteron) aus DHEA vollzieht sich nur in Geweben, welche die entsprechenden Enzyme zur Umwandlung von DHEA besitzen. Im vaginalen Epithel wird DHEA in E2 umgewandelt und verbessert so die Lubrikation und die Intaktheit des Vaginalepithels. Auch wird die Dichte der Kollagenfasern in der Lamina propria durch die vaginale Applikation von DHEA gesteigert. Die tägliche intravaginale Applikation von 0,50% DHEA (6,5 mg) zeigt gemäss aktueller Studienlage eine signifikante Verbesserung der vulvovaginalen Beschwerden, insbesondere eine Reduktion der Schwere der Dyspareunie und der vaginalen Trockenheit sowie eine Steigerung der sexuellen Gesundheit, vergleichbar mit der lokalen Östrogenisierung bei konstant bleibenden Serumsteroidlevels (13, 14). Als Nebenwirkung wurde eine Zunahme des Fluor vaginalis beschrieben. Eines der wichtigsten Charakteristika von DHEA ist das Ausbleiben eines Stimulationseffekts auf das Endometrium aufgrund des Fehlens von Enzymen (v.a. Aromatase) im Endometrium; somit kann DHEA dort nicht in Östrogene umgewandelt werden (15, 16).
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SCHWERPUNKT
Es braucht noch mehr Langzeitstudien, insbesondere auch Daten über die Verbesserung der sexuellen Gesundheit/Libido bei Frauen ohne vaginale Atrophie unter DHEA (17). In der Schweiz gibt es noch kein zugelassenes Präparat (Grund: keine Patentierbarkeit humanidentischer Präparate, mangelnde Wirtschaftlichkeit); es lässt sich aber über eine Magistralrezeptur durch eine spezialisierte Schweizer Apotheke verschreiben.
Laser Für die vaginale Lasertherapie bei VVA wird entweder ein mikroablativer, fraktionierter CO2-Laser oder ein ablativer CO2- und Er:YAG-Laser eingesetzt, welcher tiefer ins Gewebe penetriert. Bei Ersterem kommt es initial in der akuten thermalen Phase zur Ödembildung, Freisetzung chemischer Mediatoren und Kollagenschrumpfung, der sich die Kollagenproliferations- und Remodellierungsphase anschliesst, mit Neoformation von Kollagen und elastischen Fasern. Zudem wird durch die Freisetzung von Glykogen aus dem Epithel der pH-Wert wieder in den alkalischen Bereich gebracht. Die Anwendung erfolgt für 3-mal 10 Minuten alle 4 Wochen ohne Anästhesie: Es handelt sich um keine Pflichtleistung der Krankenkassen. Publizierte Studien zeigen eine hohe Patientinnenzufriedenheit hinsichtlich VVA-Symptome (> 90% nach 2 Monaten) ohne kurzfristige Komplikationen und mit nur milden, selbstlimitierenden, postinterventionellen Beschwerden (Juckreiz, vaginales Brennen, leichte Schwellung) (18, 19). Die Nachhaltigkeit der 3-maligen Laseranwendung wird derzeit mit bis zu 2 Jahren beschrieben. Es fehlen noch randomisierte, plazebokontrollierte (Langzeit-)Studien (20). Es gibt noch wenige Studien bezüglich Lasertherapie bei VVA in der Perimenopause; Arroyo fand aber nach 3-maliger Anwendung eine signifikante Verbesserung der vulvovaginalen Beschwerden und insbesondere der sexuellen Befriedigung durch den straffenden Effekt (vaginale Rejuvenation) (21).
Spezialfall: östrogenabhängige Neoplasie und VVA
Bis zu 74% der Patientinnen mit Mammakarzinom leiden an Beschwerden im Urogenitalbereich, insbesondere Frauen mit ER-positivem Mammakarzinom unter adjuvanter endokriner Therapie. Bei postmenopausalen Frauen in hypoöstrogenem Zustand wirkt Tamoxifen vaginal als Östrogenagonist, dennoch leiden viele dieser Frauen an Dyspareunie. Bei prämenopausalen Frauen scheint Tamoxifen als Östrogenantagonist zu wirken; dies resultiert in progredienten vulvovaginalen Beschwerden. Eine adjuvante Therapie mit einem Aromataseinhibitor (AI) hat eine noch höhere Prävalenz und einen höheren Schweregrad der vaginalen Trockenheit und Dyspareunie (22).
Als Erstlinientherapie gilt die Gabe von vaginalen Medizinprodukten; einige enthalten Genistein (ein Isoflavon) mit möglichem Östrogeneffekt und sind deshalb kontraindiziert (23). Eine andere nicht hormonelle Therapiemöglichkeiten ist der CO2-Laser, welcher gemäss Literatur eine hohe Patientinnenzufriedenheit bezüglich Symptomen der VVA aufweist (24, 25). Niedrig dosierte topische Östrogene können den Patientinnen mit Beschwerdepersistenz unter nicht hormoneller Therapie nach einem ausführlichen Gespräch über Benefit und Risiken angeboten werden. Die Anwendungsdauer sollte nicht unlimitiert sein. Am besten kontrollierbar ist die Östrogendosis in Vaginaltabletten mit vorzugsweise Östriol als Wirkstoff. Die aktuelle Studienlage zeigt kein erhöhtes Rezidivrisiko bei Frauen mit Mammakarzinom, welche eine niedrig dosierte topische Östrogentherapie angewendet haben (26, 22). Obwohl keine evidenzbasierten Daten vorliegen, können Frauen nach Endometriumkarzinom bei grossem Leidensdruck und zur Ermöglichung der Nachkontrolle (Spekularuntersuchung, transvaginale Sonografie) niedrig dosierte topische Östrogene verabreicht werden (Leitlinie SGGG).
Schlussfolgerung
Die vulvovaginale Atrophie ist ein chronischer, alters-
abhängiger Zustand, welcher eine Folge des post-
menopausalen Östrogendefizites ist und der sich bei
inadäquater Behandlung progressiv verschlechtert –
mit Auswirkungen auf die sexuelle und urogynäkolo-
gische Gesundheit sowie auf die Lebensqualität.
Trotz hoher Prävalenz zögern Frauen, die Beschwer-
den anzusprechen, und somit bleiben diese oft un-
behandelt. Es empfiehlt sich, mithilfe objektiver Kri-
terien dem Thema aktiv zu begegnen und frühzeitig
eine Behandlung einzuleiten, denn die Therapie ist
simpel, nebenwirkungsarm und dient der sofortigen
Wiederherstellung der Lebensqualität.
Der Goldstandard der Therapie mit der grössten Evi-
denz ist die lokale Östrogenisierung – sofern keine
Kontraindikation besteht und sie von der Patientin
akzeptiert ist. Alternativen können stets in Erwägung
gezogen werden.
I
Dr. med. Anja Wüest (Erstautorin; Korrespondenzadresse) E-Mail: AnjaRebekka.Wueest@insel.ch
Prof. Dr. med. Petra Stute
Universitäts-Frauenklinik Inselspital 3010 Bern
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