Transkript
TAGUNGSBERICHT
32. Schweizerische Jahrestagung für Phytotherapie, Brugg, 23. November 2017
Brustkrebs
Tumortherapiefolgen mit Phytotherapie lindern
Frauen mit Brustkrebs sind im Rahmen ihrer Tumorbehandlung verschiedenen Neben- und Nachwirkungen ausgesetzt. Einige lassen sich phytotherapeutisch abmildern, was dem Wunsch vieler Patientinnen nach einer (im Vergleich zur Chemotherapie) weniger belastenden Arzneimitteltherapie entgegenkommt. Welche Möglichkeiten bestehen, das resümierte Dr. med. Teelke Beck, Leiterin Brustteam Richterswil, an der Schweizerischen Jahrestagung für Phytotherapie.
Die Diagnose Brustkrebs ist nicht nur mit einer grossen psychischen Belastung verbunden, auch die Therapie bringt die Betroffenen häufig an den Rand ihrer physischen Belastbarkeit. Unter einer Chemotherapie treten häufig Magen-DarmStörungen wie Durchfall (bis 60%), Übelkeit (bis 90%) und Obstipation auf; zudem haben die Patientinnen mit Polyneuropathien (bis 84%), insbesondere unter Taxan- und Platintherapie, und der Fatigue (20–70%), die noch Monate nach der Behandlung auftreten kann, zu kämpfen (1). Unterzieht sich eine Mammakarzinompatientin einer Radiotherapie, sind in 80 bis 90% Hautprobleme wie Rötung, Schwellung und Entzündung die Folge; bei 30 bis 80% ist es eine Fatigue. Bei einer endokrinen Therapie haben 30 bis 40% der betroffenen Frauen mit Menopausensymptomen zu kämpfen: Schlafstörungen, Hitzewallungen, Libidoverlust, Schleimhauttrockenheit (insbesondere vaginal) können die Lebensqualität massiv beeinträchtigen. Darüber hinaus stören Depression, Fatigue (> 10%) sowie Arthralgien (25–30%) (1) und muskuloskelettale Beschwerden häufig das tägliche Leben massiv und führen oft zu einem Therapieabbruch, so Beck zur Problematik. Der Wunsch der Patientinnen, diese Therapiefolgen mit alternativen, das heisst schonenderen Methoden, anzugehen, ist daher nicht selten gross. Mit der Phytotherapie kann diesem Wunsch Rechnung getragen werden.
Magen-Darm-Störungen pflanzlich angehen
Übelkeit und Erbrechen sind unter einer Chemotherapie häufig. Neben den konventionellen Antiemetika können bei leichteren Formen der Übelkeit Teezu-
bereitungen mit Pfefferminze oder Ingwer Erleichterung verschaffen. In einer doppelblinden, randomisierten und plazebokontrollierten Studie mit 51 Patienten unter Chemotherapie wurde der Effekt auf die Lebensqualität bezogen auf Nausea und Erbrechen mit 1,2 g (4 × 300 mg) Ingwerextrakt oder Plazebo während dreier Chemotherapiezyklen untersucht. Es zeigte sich, dass mit der zusätzlichen Ingwertherapie signifikant weniger Nausea und Erbrechen auftraten, die Lebensqualität höher war und es auch zu weniger Fatigue kam verglichen mit der Kontrollgruppe. Die Nebenwirkungen lagen auf Plazeboniveau (2). Bei Appetitlosigkeit eignen sich Bitterstoffe, die in Form von Enzianwurzel, Wermutkraut oder Artischockenblättern 30 Minuten vor dem Essen die Ausschüttung von Verdauungssäften anregen. Eine Kombination dieser Arzneipflanzen ist beispielweise in Iberogast® zu finden, so Dr. Beck. Bei Übersäuerung des Magens sind Protonenpumpenhemmer die übliche Behandlung, doch auf Dauer sind sie problematisch. Nach Absetzen kann es zu einem Reboundproblem kommen. Hier empfiehlt sich der alternative Versuch mit Kamille oder Süssholz, die zusammen mit der säurebindenden Heilerde die Reizung und überschüssige Säure verringern. «Hat die Patientin noch andere Begleitmedikationen, können diese durch die Heilerde ebenfalls absorbiert werden», sagt Beck.
Periphere Neuropathien: Funktionseinschränkungen lindern
Periphere Neuropathien als Folge neurotoxischer Wirkungen der Chemotherapie
können zu längeren Funktionseinschränkungen mit langsamer Rekonvaleszenz führen. Schulmedizinisch stehen keine etablierten Behandlungen zur Verfügung. Phytotherapeutisch gibt es verschiedene Optionen, das Evidenzniveau ist aber sehr niedrig, so Beck. Quercetin, Kurkuma, Ginkgo und topisches Hanföl, das mit dem endogenen Cannabinoid Betacaryophyllen antientzündlich wirksam ist, sind einen Versuch wert (3). Kurkuma wirkt durch die Hemmung der Zyklooxygenase, antioxidativ, antiproliferativ, antiangiogenetisch und die Apoptose fördernd. In einer doppelblinden, randomisierten Studie mit 97 Patienten mit soliden Tumoren, die 180 mg Kurkuma oder Plazebo erhielten, verbesserte Kurkuma die Entzündungsmarker wie auch die Lebensqualität (4, 5).
Fatigue – das grosse Problem pflanzlich angehen
Fatigue kann die Alltagstauglichkeit massiv beeinträchtigen. Eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit, ausgeprägte Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Schwäche und kognitive Einschränkungen können Probleme bei Alltagstätigkeiten machen. Konventionelle Antidepressiva werden normalerweise eingesetzt, allerdings mit mässigem Erfolg, so Beck. Alternativ können hier einige Arzneipflanzen gegeben werden. Mittels Misteltherapie (Viscum album) verbessern sich die Symptome, wie Studiendaten zeigen konnten (6, 7). Eine weitere Möglichkeit besteht in der Gabe von Rosenwurz (Rhodiola rosacea), einem pflanzlichen Adaptogen, das in der Arktis, in Eurasien und Nordamerika heimisch ist. Rosenwurz senkt den Kortisolspiegel, wirkt der Müdigkeit entgegen und verbessert die Denkleistung (8, 9). Auch Johanniskraut (Hypericum perforatum) ist einen Versuch wert. Doch soll aufgrund des Interaktionspotenzials ein möglichst hyperforinarmes Präparat ausgewählt werden, so die Empfehlung von Beck. Ferner kann die Gabe von Vitamin C unterstützend wirken. Mehrere Studien haben trotz unterschiedlicher Do-
GYNÄKOLOGIE 2/2018
33
TAGUNGSBERICHT
32. Schweizerische Jahrestagung für Phytotherapie, Brugg, 23. November 2017
Phytotherapeutische Optionen bei Folgen von Brustkrebstherapien
Symptom Durchfall Übelkeit Obstipation Neuropathie Fatigue
Haut: Rötung, Schwellung, Ödem Menopausensymptome: vaginale Trockenheit Hitzewallungen
Arthralgie
Phytotherapeutischer Ansatz Flohsamenschalen, Apfelpektin, Heilerde Ingwertee, Kamillentee, Melissentee, Pfefferminztee Flohsamenschalen, Weizenkleie Quercetin, Kurkuma, Grüntee, Ginkgo (Ginkgo biloba), Hanfsalbe Mistel (Viscum album), Rosenwurz (Rhodiola rosacea), Johanniskraut (Hypericum perforatum), Vitamin C Ringelblumensalbe (Calendula officinalis)
Hyaluronsalbe, sibirischer Rhabarber, Granatapfelkernöl, Sanddorn
Traubensilberkerze (Cimicifiga racemosa), Salbei (Salvia officinalis), Hopfen (Humulus lupulus) Kurkuma, Weihrauch, Teufelskralle, Arnika, Kampher, Vitamin D
sierungen zwischen 7,5 und 100 g Vitamin C i.v. einen lindernden Effekt auf Chemotherapie-induzierte Fatigue zeigen können (10).
Radiotherapie verbrennt die Haut – topische Optionen
Bei der Bestrahlung kann die Haut stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Folgen sind lokal und äussern sich durch Schmerzen, Rötung, Schwellung und Entzündungen. Die topische Anwendung von Ringelblumencreme (Calendula officinalis) ist in Studien positiv bewertet worden (11), so Dr. Beck. Aloe-vera-Gel zeigte gegenüber Plazebo dagegen keinen überlegenen Effekt (12). «Wichtig ist, dass Sie solche Massnahmen während der Bestrahlung mit dem Radiologen absprechen, danach können Sie ausprobieren, was hilft.»
Menopausensymptome – Kombination von Phytotherapeutika sinnvoll
Unter einer Antihormontherapie bei hormonaktivem Brustkrebs kommt es häufig zu klimakterischen Beschwerden. Heute dauert eine solche Therapie aber nicht mehr 5, sondern häufig 10 Jahre. Das führt zu relevanten menopausalen Problemen
wie Hitzewallungen, vaginaler Trockenheit und Schlafstörungen. Phytoöstrogene eignen sich bei hormonempfindlichem Mammakarzinom jedoch nicht. Dagegen sei eine topische beziehungsweise vaginale Applikation von beispielsweise Granatapfelkernöl bei vaginaler Trockenheit problemlos, dies fügte Frau Dr. Beck hinzu. Eine weitere Option sei auch das anthroposophische Präparat Bryophyllum pinnatum, hergestellt aus dem Presssaft des Dickblattgewächses, das eine gute Wirkung zur Reduktion von Hitzewallungen und Unruhezuständen zeigte. Weitere Möglichkeiten bestehen beispielsweise in der Anwendung von Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa), Salbei (Salvia officinalis), Weissdorn (Crataegus oxyacantha), Artischocke, Hopfen (Humulus lupulus), Zitronenmelisse oder Baldrian (Valeriana officinalis). «Verschiedene Phytotherapeutika hier zu kombinieren, ist sinnvoll, nutzen Sie Synergien.»
Gelenkbeschwerden – Therapieabbruch phytotherapeutisch vorbeugen
Bis zu ein Drittel der Frauen brechen die Chemotherapie, insbesondere unter Aromatasehemmern, infolge auftretender
Gelenkbeschwerden ab. «Manche Frauen
leiden sehr darunter, kommen morgens
nicht aus dem Bett, fühlen sich wie 80, da-
bei sind sie erst 50. Regelmässige Bewe-
gung hilft, doch ist der Anfangsschmerz
gross und die Überwindung dazu eben-
so», so beschrieb Dr. Beck die häufige Si-
tuation. Diesen Frauen könne man zur
Linderung Phytotherapeutika, beispiels-
weise Kurkuma, Weihrauch (Boswellia ser-
rata), Weidenrinde (Salix sp.), Teufelskral-
le (Harpagophytum procumbens), Arnika
oder Kampher, anbieten (13).
Weidenrinde und Teufelkralle wirken anti-
inflammatorisch und analgetisch, auch
Weihrauch kann die Gelenkbeschwer-
den verbessern. Bei arthrosebedingten
Schmerzen bewirkte Weihrauch eine Re-
duktion von Schmerzen, der Gelenkstei-
fe und eine Verlängerung der schmerz-
frei zurücklegbaren Gehstrecke (14).
In einer Beobachtungsstudie wurde bei
1561 Patientinnen unter Hormontherapie
mit Arthralgien und Schleimhauttrocken-
heit während 4 Wochen eine Kombinati-
on aus Selen 300 µg, Linsenlektin 20 mg
und den proteolytischen Enzymen Bro-
melain/Papain 400 mg untersucht. Nach
Studienende gaben 63% der Patientin-
nen mit Arthralgien und 72% der Patien-
tinnen mit Schleimhauttrockenheit je-
weils eine signifikante Besserung an. Die
Reduktion der Nebenwirkungen der Hor-
montherapie war statistisch signifikant.
Es gibt also durchaus Möglichkeiten, die
Therapiefolgen phytotherapeutisch ab-
zumildern, so Dr. Beck.
«Es lohnt sich aber auch, den Vitamin-D-
Spiegel zu messen. Ein ausreichender
Spiegel ab 40 bis 60 ng/ml sorgt auch für
geringere Gelenkschmerzen», rät sie ab-
schliessend.
I
Valérie Herzog Quelle: Phytotherapeutische Optionen bei Brustkebs. 32. Schweizerische Jahrestagung für Phytotherapie, 23.11.2017 in Brugg.
34 GYNÄKOLOGIE 2/2018
TAGUNGSBERICHT
32. Schweizerische Jahrestagung für Phytotherapie, Brugg, 23. November 2017
Referenzen: 1. Hack CC et al.: Lokale und systemische Therapien
der Patientin mit Mammakarzinom: kurzfristige Symptome lindern mit Methoden der integrativen Medizin. Gerburtshilfe Frauenheilkd 2015; 75: 675–682. 2. Marx W et al.: The Effect of a Standardized Ginger Extract on Chemotherapy-Induced Nausea-Related Quality of Life in Patients Undergoing Moderately or Highly Emetogenic Chemotherapy: A Double Blind, Randomized, Placebo Controlled Trial. Nutrients 2017; 9. pii: E887. 3. Cheng XL et al.: Chemotherapy-induced peripheral neurotoxicity and complementary and alternative medicines: progress and perspective. Front Pharmacol 2015; 6: 234. 4. Chrubasik-Hausmann S: Krebstherapie mit Kurkuma. Dt Zeitschrift für Onkologie 2017; 49: 109–116. 5. Lopes CM et al.: Phytotherapy and Nutritional Supplements on Breast Cancer. Biomed Res Int 2017. doi.org/10.1155/2017/7207983. 6. Marvibaigi M et al.: Preclinical and clinical effects of mistletoe against breast cancer. Biomed Res Int 2014. doi.org/10.1155/2014/785479. 7. Kienle GS et al.: Viscum album L. extracts in breast and gynaecological cancers: a systematic review of clinical and preclinical research. J Exp Clin Cancer Res 2009; 28: 79. 8. Olsson EM et al.: A randomised, double-blind, placebo-controlled, parallel-group study of the standardised extract shr-5 of the roots of Rhodiola rosea in the treatment of subjects with stress-related fatigue. Planta Med 2009; 75: 105–112. 9. Spasov AA et al.: A double-blind, placebo-controlled pilot study of the stimulating and adaptogenic effect of Rhodiola rosea SHR-5 extract on the fatigue of students caused by stress during an examination period with a repeated low-dose regimen. Phytomedicine 2000; 7: 85–89. 10. Carr AC et al.: The effect of intravenous vitamin C on cancer- and chemotherapy-related fatigue and quality of life. Front Oncol 2014; 4: 283. 11. Kumar S et al.: Management of skin toxicity during radiation therapy: a review of the evidence. J Med Imaging Radiat Oncol 2010; 54: 264–279. 12. Kole AJ et al.: Acute radiation dermatitis in breast cancer patients: challenges and solutions. Breast Cancer Target and Therapy 2017; 9: 313–323. 13. Dragos D et al.: Phytomedicine in Joint Disorder. Nutrients 2017; 9: pii E70. 14. Kimmatkar N et al.: Efficacy and tolerability of Boswellia serrata extract in treatment of osteoarthritis of knee – a randomized double blind placebo controlled trial. Phytomedicine 2003; 10: 3–7. 15. Beth J et al.: Large-scale Survey of the Impact of Complementary Medicine on Side-effects of Adjuvant Hormone Therapy in Patients with Breast Cancer. In Vivo 2016; 30: 73–75.
GYNÄKOLOGIE 2/2018
35