Transkript
Bericht zur Fortbildungstagung «Gyn – Endo – Repro» 2017
Weltkongresse der ISGE, NAMS, ESHRE im Resümee – Olten, Herbst 2017
Highlights der Weltkongresse 2017 – Teil 1
Zum sechsten Mal fand im Herbst 2017 die Fortbildung «Weltkongresse: Neues und praktisch Relevantes der Gynäkologischen Endokrinologie, Reproduktionsmedizin und Pränatalmedizin» in Olten statt, bei der die Kongress-Highlights des letzten Jahres kondensiert vorgestellt wurden. In diesem ersten Teil werden Highlights zur Reproduktionsmedizin sowie Geburtshilfe und fetomaternalen Medizin vorgestellt; im zweiten Teil gehts um Gynäkologische Endokrinologie und Ernährung (s. GYNÄKOLOGIE 2.2018)
MICHAEL VON WOLFF, PETRA STUTE, BÉATRICE MOSIMANN
Veranstaltet wurde diese Fortbildung wieder von der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Universitäts-Frauenklinik am Inselspital Bern. Die praxisrelevanten, auf den niedergelassenen Gynäkologen zugeschnittenen Themen und die zentrale Lage in einem sehr schönen Ambiente (Abbildung, S. 26) haben die Veranstaltung zu einer der grössten Tagesfortbildungen der Schweiz werden lassen. Mit viel Sorgfalt wurden die Kongress-Highlights des letzten Jahres von Michael von Wolff und Petra Stute vorgestellt (s. Kasten). Wieder dabei war Béatrice Mosimann von der Universitäts-Frauenklinik Bern, die den Nachmittag mit praxisrelevanten Themen aus der Geburtshilfe und fetomaternalen Medizin bereicherte.
Reproduktionsmedizin
Jahreskongress der ESHRE
Ist die Schwangerschaftschance bei einem dünnen Endometrium wirklich verringert? Metaanalysen haben eindeutig gezeigt, dass bei einer klassischen In-vitro-Fertilisation (IVF) mit einer hoch dosierten Gonadotropinstimulation die Schwangerschaftsrate bei Frauen mit einer Endometriumdicke von < 8 mm niedriger ist (1). Bei einer Low-dose- oder Clomifen-Stimulation in Verbindung mit intrauterinen Inseminationen konnte ein solcher Effekt jedoch nicht nachgewiesen werden (2). Somit stellt sich die Frage, welchen Effekt die Endometriumdicke bei unstimulierten Frauen hat, bei denen die Hor-
monstimulation zu keiner funktionellen Veränderung des Endometriums führt. Da alle bisher durchgeführten Studien ausschliesslich bei Frauen mit einer Hormonstimulation gemacht wurden, wurde in Bern mithilfe des Modells der NaturalCycle-IVF diese Fragestellung überprüft (ESHRE 2017, P473). Bei 105 Frauen wurde nach einer IVF ohne Hormonstimulation genau 1 Embryo in einem genau definierten Patientenkollektiv übertragen. Die Schwangerschafts-(SS-)Rate betrug 7,4% bei Frauen mit einer Endometriumdicke von < 8 mm und war damit signifikant geringer als bei Frauen mit einer Endometriumdicke ≥ 8 mm (SS-Rate: 30,8%). Bei der Lebendgeburtenrate konnte jedoch, vermutlich aufgrund des kleinen Patientinnenkollektivs, keine Signifikanz erzielt werden. Weiterführende statistische Untersuchungen zeigten zudem auf, dass nicht nur ein sehr dünnes, sondern auch ein sehr dickes Endometrium die Schwangerschaftschancen zu reduzieren scheint.
Fazit: Erstmals konnte gezeigt werden, dass auch ohne eine Hormonstimulation Frauen mit einem dünnen Endometrium geringere Schwangerschaftschancen haben. Da diese Frauen jedoch in vielen Fällen doch schwanger geworden sind, scheint ein dünnes Endometrium eher ein Subfertilitätsfaktor und kein Infertilitätsfaktor zu sein.
Braucht es bei der Fortpflanzung mehr als Spermien? (Bedeutung des Seminalplasmas?) Die IVF ändert vieles: War «Mann» früher froh, bei der Geburt dabei sein zu dürfen, kann er sich inzwischen glücklich schät-
Die alljährliche Oltener Fortbildung «Gyn – Endo – Repro» Ende September erfreut sich einer zunehmenden Beliebtheit mit inzwischen über 200 Teilnehmern und einer Gesamtbewertung von 5,7 von maximal 6 Punkten.
Berichtet wurde (u.a.) von den Kongressen: I der DGE (Deutsche Gesellschaft für
Ernährung) in Kiel 2017; I der NAMS (North American Menopause
Society) in Orlando 2016; I der ESHRE (European Society of Human
Reproduction and Embryology) in Genf 2017. Als «Special» wurde ein «Quiz-the-Expert» durchgeführt: Fragen zu allen Themen der Menopause und Kinderwunschtherapie aus dem Publikum wurden von Petra Stute und Michael von Wolff spontan beantwortet. Somit konnte in 30 Minuten über 12 aktuelle Themen referiert werden, die den Zuhörern besonders am Herzen lagen. Die Vorträge der letzten 6 Jahre, die Evaluationsberichte sowie eine Fotogalerie und ein Video sind auf der Website www.weltkongresse.ch abrufbar. Die nächste Veranstaltung findet am 20. September 2018 – abermals im Stadttheater Olten – statt.
zen, der Konzeption beizuwohnen! Aber wie viel «Mann» braucht es wirklich? Sind für die IVF nur Spermien erforderlich, oder hat Seminalplasma als Trägersubstanz des Ejakulats auch einen Effekt? Im Jahr 2000 wurde eine grosse italienisch-spanische Studie publiziert (3), die eine geringe, nicht signifikante Verbesserung bei IVF-Paaren zeigte, die kurz vor oder nach dem Transfer Geschlechtsverkehr hatten. Aus dieser Studie wurde nach zahlreichen grundlagenwissenschaftlichen Untersuchungen, die einen stimulierenden Effekt von Seminalplasma auf die Expression von Zytokinen und Wachstumsfaktoren in vitro zeigten (4), eine Behandlung entwickelt, bei der unverdünntes Seminalplasma zum Zeitpunkt der Follikelpunktion in den Zervikalkanal injiziert wurde (5). Diese Studie
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zeigte eine verbesserte Schwangerschaftsrate. Aufgrund dessen wurden weitere Studien mit einer gleichen oder ähnlichen Therapie in den Folgejahren durchgeführt, die inzwischen in einer Metaanalyse zusammengefasst wurden. Insgesamt 8 Studien, in welchen der Effekt einer jeglichen vaginalen, zervikalen oder intrauterinen Exposition mit Seminalplasma oder Ejakulat bei einer IVF-Therapie untersucht worden war, ergaben gesamthaft eine signifikante Verbesserung der klinischen Schwangerschaftsrate (OR: 1,20; 95%-KI: 1,04–1,45) (6). In einer weiteren Analyse wurden nur jene 4 Studien eingeschlossen, bei denen unverdünntes Seminalplasma in den Zervikalkanal und/ oder in die Vagina in dem Zeitfenster zwischen Follikelpunktion und Embryotransfer appliziert wurde – gemäss der 2009 erstmals durchgeführten Studie (6). Auch diese Analyse zeigte eine signifikante Verbesserung der Schwangerschaftsrate (OR: 1,23; 95%-KI: 1,05–1,45).
Fazit: Zum einen scheint Seminalplasma mehr Funktionen zu haben als die einer reinen Trägersubstanz der Spermien. Zum anderen ist Geschlechtsverkehr zum Zeitpunkt der Follikelpunktion und/oder des Transfers nicht nachteilig, sondern scheint sogar die Schwangerschaftschance zu erhöhen.
Zunehmendes Alter und Fortpflanzung – welche Rolle spielt der Mann? Wer kennt das nicht: Inzwischen kommen manchmal Männer in die Kinderwunschsprechstunde, bei denen man sich fragt, ob es der zukünftige Vater oder Grossvater ist. Aber hat dies auch einen Effekt auf die Erfolgschance der IVF und der Gesundheit der Kinder? 15 Männer liessen in jüngeren Jahren und dann 9 bis 21 Jahre später nochmals ein Spermiogramm anfertigen. Das Ejakulatvolumen reduzierte sich signifikant,
nicht aber die anderen Spermienparameter wie die Konzentration und die Motilität (7). Mit zunehmendem Alter verschlechtert sich hingegen der DNA-Fragmentationsindex (8). Sowohl bei Männern mit einer Normozoospermie als auch bei jenen mit Oligozoospermie war der DNA-Fragmentationsindex im Alter von 40 Jahren und darüber signifikant höher als bei Männern unter 40 Jahren. In einer weiteren Studie wurde gezeigt, dass nicht nur der DNA-Fragmentationsindex bei Männern über 50 Jahre signifikant zunimmt, sondern bei der IVF auch die embryonale Aneuploidierate – was mit einer Reduzierung der Blastozystenformationsrate um fast die Hälfte einherging (9). In der Folge dürfte die Lebendgeburtenrate nach einer IVF bei älteren Männer niedriger sein, was in einer Studie von Dodge und Kollegen (ESHRE, abstract # 0-178) bestätigt wurde. So betrug die Lebendgeburtenrate nach einer IVF nur 46%, wenn die Männer über 40 Jahre alt
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Abbildung: Die Veranstaltung «Weltkongresse» fand auch 2017 wieder im stilvollen Ambiente des Stadttheaters Olten statt.
waren (bei einem Alter der Frauen von 30 bis 35 Jahren), wohingegen sie bei 73% lag, wenn das Alter der Männer 30 bis 35 Jahre betrug. Da diese altersbedingten Effekte insbesondere auf den zunehmenden DNA-Fragmentationsindex zurückzuführen sein dürften, stellt sich die Frage, ob es Massnahmen gibt, diesen zu senken. Christensen und Kollegen (ESHRE, abstract # P-073) motivierten 96 Männer mit einem DFI von > 15%, ihre Ernährung umzustellen und weniger rotes Fleisch, Alkohol, Brot, zuckerhaltige Softdrinks und mehr Gemüse zu konsumieren, das Rauchen aufzugeben und mehr Sport zu treiben. Nach 9 Monaten sank der DFI von 34,1% auf 25,7% (p < 0,0001). Die Zahlen zeigen eindrücklich, dass ein hohes Alter der Männer mit einer geschätzten Halbierung der IVF-Erfolgsrate einhergehen kann und damit sicherlich auch die Chance auf eine Spontankonzeption verringert. Dies wirft die Frage auf, ob auch das gesundheitliche Risiko für die Kinder von älteren Männern erhöht ist. Gromoll und Kollegen (10) gingen dieser Frage nach und verglichen das Risiko für eine Vielzahl von Erkrankungen bei Männern im Alter von über 40 Jahren im Vergleich zur Normalbevölkerung. Das Risiko betrug bei älteren
Männern 1:42 im Vergleich zu 1:50 in der Gesamtbevölkerung, was einer Prävalenz von 2,4% statt 2% entspricht.
Fazit: Auch ein höheres Alter des Mannes spielt eine relevante Rolle für die Wahrscheinlichkeit eines Schwangerschaftseintritts und scheint auch das Risiko für zahlreiche Erkrankungen des Kindes leicht zu erhöhen.
Schilddrüsendysfunktionen und habituelle Aborte – was ist wirklich dran? Die Schilddrüsenfunktion ist sicherlich eines der am meisten von Patientinnen vorgebrachten Themen im Rahmen habitueller Aborte. Aber ist die Schilddrüsendysfunktion wirklich so relevant? Zu manifesten Schilddrüsendysfunktionen liegen keine Studiendaten bei habituellen Aborten vor. Zur manifesten Hyperthyreose gibt es Studien zu Spontanaborten, die eindeutig eine Risikoerhöhung aufgezeigt haben (11). Eine manifeste Hypothyreose muss allein schon aus kindlicher Sicht immer therapiert werden, sodass sich hier gar nicht die Frage stellt, ob sie für Aborte ursächlich sein kann. Eine subklinische Hypothyreose (d.h. eine Erhöhung des TSH-Wertes über den
Referenzbereich bei normwertigen freien Schilddrüsenwerten) ist gemäss einer kleinen Metanalyse mit zwei Studien nicht mit habituellen Aborten assoziiert (12). Erhöhte Konzentrationen von Schilddrüsenautoantikörpern scheinen jedoch mit habituellen Aborten assoziiert zu sein. In einer kleinen Metaanalyse mit drei Studien fand sich tendenziell eine Assoziation, eine Signifikanz wurde aber nicht erreicht (OR: 4,22; 95%-KI: 0,97–18,44) (13). Eine kleine Metaanalyse mit zwei Studien zeigte einen Trend für eine (nicht signifikante) Reduktion des Risikos für einen Spontanabort bei Frauen mit erhöhten Konzentrationen von Schilddrüsenautoantikörpern bei einer Euthyreose. Durch eine Schilddrüsensubstitutionsbehandlung lässt sich das Risiko für Spontanaborte senken (OR: 0,48; 95%-KI: 0,25– 0,92) (13). Blidddal und Kollegen (ESHRE 2017; abstract # O 239) untersuchten in einer retrospektiven monozentrischen Studie, ob eine Risikoreduktion auch bei habituellen Aborten durch eine Schilddrüsensubstitutionsbehandlung erzielt werden kann. Die Lebendgeburtenrate bei einer Substitution war mit 63,3% jedoch etwa gleich hoch wie ohne eine Substitution (59,5%, OR: 1,69; 95%-KI: 0,67–4,3).
Fazit: Basierend auf kleinen Studien ist eine subklinische Hypothyreose nicht, erhöhte Schilddrüsenautoantikörper tendenziell aber doch mit habituellen Aborten assoziiert. Eine Schilddrüsensubstitutionsbehandlung scheint das Risiko für weitere Aborte nicht zu reduzieren.
Geburtshilfe und Perinatalmedizin
Progesteron bei Zwillingsschwangerschaften mit kurzer Zervix Frühgeburtlichkeit ist nach wie vor eine der Hauptursachen perinataler Morbidität und Mortalität; weltweit werden mehr als 10% aller Kinder vor der 37. Schwangerschaftswoche (SSW) und etwa 1,5% sogar vor der 32. SSW geboren (14). Verschiedene randomisierte Studien und eine prospektive Metaanalyse zeigen, dass bei Ein-Kind-Schwangerschaften mit einer Zervixlänge ≤ 25 mm (im Zeit-
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raum zwischen 18 und 24 SSW) die Applikation von vaginalem Progesteron das Risiko einer Frühgeburt vor der 34. SSW signifikant reduziert (15). Etwa die Hälfte aller Zwillingsschwangerschaften werden vor der 37. SSW entbunden (16). Bisherige randomisierte Studien zeigten keinen Nutzen einer prophylaktischen oder Notfall-Cerclage bei Zwillingsschwangerschaften (17). Bettruhe erhöht das Risiko einer Frühgeburt eher noch, als dass es dieses reduziert (18). Arabin-Pessare scheinen das Risiko von Frühgeburten bei Zwillingen ebenfalls nicht zu reduzieren (19), und die bisherige Datenlage zu Progesteron, zumindest in einer unselektionierten Zwillingspopulation, war auch enttäuschend (20). In den letzten Jahren wurden nun verschiedene Studien publiziert, die einen möglichen Nutzen von vaginalem Progesteron bei Zwillingsschwangerschaften mit einer verkürzten Zervix zeigten. In einer prospektiv geplanten Metaanalyse wurden die Daten aus sechs Studien mit insgesamt 303 Zwillingsschwangerschaften mit einer Zervix ≤ 25 mm zwischen 18 und 24 SSW offen zusammengelegt (21). Nach Chorionizität und Amnionizität wurde nicht unterschieden; 159 Frauen erhielten vaginales Progesteron in einer Dosierung zwischen 100 und 400 mg/Tag, und 144 erhielten Plazebo. Die Metaanalyse zeigt, dass mit vaginalem Progesteron das Risiko einer Frühgeburt vor der 33. SSW ebenso wie das Risiko einer Frühgeburt zwischen 30. und 35. SSW signifikant reduziert werden kann.
Fazit: Erstmalig konnte gezeigt werden, dass bei Zwillingsschwangerschaften mit einer Zervixlänge ≤ 25 mm im zweiten Trimenon vaginales Progesteron das Risiko von Frühgeburten signifikant reduziert. Zurzeit laufen mehrere randomisierte Studien, welche einerseits hoffentlich diese Resultate bestätigen und andererseits die Frage der optimalen Dosierung klären sollen.
Nutzen von Sildenafil bei früher Wachstumsrestriktion Frühe schwere Wachstumsrestriktionen (EO-IUWR) betreffen 0,4% aller Schwangerschaften und sind assoziiert mit schwerer perinataler Morbidität und
Mortalität. Daten aus Ex-vivo-Studien und Tiermodellen zeigen, dass Sildenafil die utero-plazentare Durchblutung verbessert und das Geburtsgewicht der Jungtiere erhöht (22). Sildenafil ist ein Phosphodiesterase-5-(PDE5-)Inhibitor, hat einen vasodilatatorischen Effekt auf Stickstoffmonoxid-(NO-)sensitive Gefässe und wirkt vor allem in den Beckengefässen. Die STRIDER-Studie (Sildenafil therapy in dismal prognosis early-onset intrauterine growth restriction) ist ein Zusammenschluss individueller Studien, welche die Frage klären wollen, ob Sildenafil 25 mg täglich das Outcome von Schwangerschaften mit früher Wachstumsrestriktion verbessert (23). Es sind fünf Studienarme registriert, bei allen handelt es sich um randomisierte, plazebokontrollierte Studien. Es werden Schwangerschaften zwischen 18+0 und 29+9 Wochen mit schwerer und mit hoher Wahrscheinlichkeit plazentar verursachter Wachstumsrestriktion eingeschlossen. Das primäre Behandlungsziel ist in den jeweiligen Zentren unterschiedlich: Wachstum (Australien/Neuseeland), Verlängerung der Schwangerschaft um 1 Woche (Irland und UK), Gestationsalter bei Entbindung (Kanada) oder gesundes Überleben am errechneten Termin (Niederlande). Nach Abschluss der individuellen Studien sollen die Daten offengelegt und in einer prospektiv geplanten Metaanalyse untersucht werden. Bisher ist einzig der Studienarm in England abgeschlossen, die Resultate wurden am 16. Weltkongress der FMF (Fetal Medicine Foundation) in Ljubljana im Sommer 2017 präsentiert. Es konnte kein Unterschied gezeigt werden bei der Verlängerung des Gestationsalters, beim Kurzzeit-Outcome oder im Wachstum. Es wurden auch keine signifikanten maternalen Nebenwirkungen registriert.
Fazit: Die bisherige Datenlage zum Nutzen von Sildenafil bei EO-IUWR beim Menschen ist leider enttäuschend. Die anderen vier Studienarme laufen weiter, die abschliessende Analyse ist ausstehend und zeigt eventuell bessere Resultate. Bis dahin sollte Sildenafil nur im Rahmen von Studien verordnet werden.
Aspirin bei erhöhtem Risiko für Präeklampsie im Ersttrimester-Screening Präeklampsie (PE) betrifft 2 bis 3% aller Schwangerschaften und ist eine der Hauptursachen fetaler und maternaler Morbidität und Mortalität (24). Verschiedene grosse Metaanalysen zeigen, dass niedrig dosiertes Aspirin (LDA, low dose aspirin) das Risiko einer PE vor dem Termin in Hochrisikoschwangerschaften signifikant reduziert, wenn die Einnahme vor der 16. Schwangerschaftswoche beginnt (25, 26). Die FMF (Fetal Medicine Foundation) in London und andere Gruppen haben Screening-Algorithmen im ersten Trimenon mit dem Ziel entwickelt, möglichst viele Hochrisikoschwangerschaften vor 16 Wochen zu erfassen (27, 28). Der Screening-Algorithmus der FMF London wurde intern und extern validiert (29–32). Von der FMF London wurde dann eine internationale randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte Studie lanciert, welche untersucht, ob in so definierten Risikoschwangerschaften LDA das Risiko einer PE ebenfalls reduziert (33). Eingeschlossen wurden Ein-KindSchwangerschaften mit einem Risiko > 1:100 für eine PE vor der 37. SSW gemäss dem Algorithmus. Über 26 000 Frauen wurden untersucht, unter ihnen wurden schliesslich 1776 mit einem erhöhten Risiko randomisiert zu 150 mg LDA oder Plazebo – begonnen direkt nach dem Screening und fortgeführt bis zur 36. SSW. Die Studie zeigte eine Reduktion des Risikos einer PE vor der 37. SSW von 62%.
Fazit: Erstmalig gelang es, das Konzept der Umkehr der Pyramide der Schwangerenvorsorge (Nicolades, 2011) umzusetzen. Mithilfe des ErsttrimesterScreenings für PE können 75% aller Frauen identifiziert werden, welche eine PE vor der 37. SSW entwickeln, und mit LDA kann in diesem Kollektiv das Risiko um über 60% reduziert werden. Im Vergleich werden nur 40% aller Schwangerschaften mit PE vor der 37. SSW durch anamnestische Parameter und maternale Charakteristika erfasst; die Risikoreduktion in dem Kollektiv beträgt 50%.
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Wundinfektionsrisiko nach Sectio bei Adipositas Weltweit werden heute fast 20% aller Schwangerschaften per Kaiserschnitt entbunden, in Nordamerika und Europa sind es in einigen Ländern bereits über 30% (34). Eine routinemässig verabreichte perioperative Antibiotikaprophylaxe reduziert das Risiko von Wundinfektionen um 60%, von Endometritis um 62% und das Risiko schwerer Infektion inklusive septischen Schocks, septischer Thrombophlebitis, nekrotisierender Fasziitis oder sogar Tod wegen Infektion sogar um fast 70% (35). Adipöse Frauen habe ein erhöhtes Risiko von Wundinfektionen und Sepsis (36, 37). Mit dem Ziel, dieses Risiko zu reduzieren, wurde eine doppelblinde, randomisierte Studie durchgeführt, welche den Nutzen einer zusätzlichen prophylaktischen Antibiotikagabe für 48 Stunden postoperativ untersuchte (38). Frauen mit einem BodyMass-Index (BMI) von ≥ 30 wurden zu oralen Zephalosporinen plus Metronidazol oder Plazebo randomisiert, alle Frauen erhielten die übliche perioperative intravenöse Antibiotikadosis. 403 Frauen wurden in die Studie eingeschlossen, und es zeigte sich eine signifikante Reduktion von Wundinfektionen in der Studiengruppe mit erweiterter Antibiotikaprophylaxe (6,4 vs. 15,4%, p = 0,01). In einer Subanalyse der Frauen mit vorzeitigem Blasensprung (ROM) zeigt sich sogar eine Risikoreduktion von 30,2 auf 9,5% (p = 0,008). Dagegen reduziert sich das Wundinfektrisiko nicht bei Frauen mit intakten Membranen.
Fazit:
Adipöse Frauen haben ein erhöhtes
Risiko von Wundinfektionen bei Kai-
serschnitt, vor allem, wenn es vorgän-
gig bereits zum Blasensprung kam.
Nebst einer zeitgerechten periopera-
tiven Antibiotikaprophylaxe bis maxi-
mal 1 Stunde vor der Operation (39)
kann bei diesen Frauen zusätzlich eine
weiterführende orale Prophylaxe für
48 Stunden erwogen werden.
I
Prof. Dr. med. Michael von Wolff (Erstautor, Korrespondenzadresse) E-Mail: Michael.vonWolff@insel.ch
und Prof. Dr. med. Petra Stute
und Dr. med. Béatrice Mosimann
Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und
Reproduktionsmedizin Universitäts-Frauenklinik
Inselspital 3010 Bern
Interessenkonflikt: keiner.
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28 GYNÄKOLOGIE 1/2018