Transkript
SCHWERPUNKT
Endometriose-assoziierte Malignome
Eine Übersicht über Pathomechanismen und therapeutische Optionen
Endometriose-assoziierte Ovarialkarzinome sind zwar selten, dürfen aber in der klinischen Praxis nicht vernachlässigt werden, da die Endometriose eine häufige Erkrankung ist. Relevant ist dabei, dass Patientinnen, die an damit assoziierten klarzelligen und endometrioiden Ovarialkarzinomen leiden, im Durchschnitt 10 Jahre früher erkranken als Frauen mit high-grade serösen Karzinomen.
ELEFTHERIOS PIERRE SAMARTZIS, DANIEL FINK
Eleftherios Pierre Samartzis
Das Lebenszeitrisiko für ein Ovarialkarzinom beträgt für eine an Endometriose erkrankte Frau zirka 1,8% und ist somit im Vergleich zur Gesamtpopulation (ca. 1,3%) nur leicht erhöht. Da Endometriose häufig ist, werden damit assoziierte Ovarialkarzinome doch immer wieder gesehen. Relevant sind auch das frühere Erkrankungsalter und die häufige Platinresistenz bei fortgeschrittenen hellzelligen Ovarialkarzinomen. Ein besseres Verständnis der Pathogenese von Endometriose-assoziierten Ovarialkarzinomen sowie der molekularen Charakterisierung von Ovarialkarzinomen, ähnlich wie wir es von anderen Karzinomen (z.B. den Mammakarzinomen) kennen, ist ein entscheidender Schritt, um neue, zielgerichtete Therapieformen und letztlich eine signifikante Prognoseverbesserung in diesem Patientinnenkollektiv zu erreichen.
Merkpunkte
I Endometriose-assoziierte Ovarialkarzinome sind selten. Das Lebenszeitrisiko für eine von Endometriose betroffene Frau, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, beträgt zirka 1,8% und ist im Vergleich zur Gesamtpopulation (ca. 1,3%) nur leicht erhöht.
I Die Früherkennung von Endometriose-assoziierten Ovarialkarzinomen ist, wie für das Ovarialkarzinom im Allgemeinen, schwierig. Ultraschall und CA-125 haben nur eine limitierte Aussagekraft.
I Endometriose-assoziierte, vorwiegend hellzellige und endometrioide Ovarialkarzinome treten im Durchschnitt mindestens 10 Jahre früher auf als die häufigeren highgrade serösen Ovarialkarzinome. Hellzellige Ovarialkarzinome haben in fortgeschrittenen Stadien eine sehr schlechte Prognose, unter anderem auch aufgrund häufiger Platinresistenz.
I Die häufigsten Mutationen bei den hellzelligen und endometrioiden Ovarialkarzinomen sind ARID1A-Mutationen (bis zu 60%) und PI3K/AKT-Alterationen (30–50%).
I Ein besseres Verständnis der Pathogenese und der genotypischen Charakterisierung der verschiedenen Ovarialkarzinomsubtypen, ähnlich wie wir es von den Mammakarzinomen her kennen, ist ein entscheidender Schritt für massgeschneiderte und zielgerichtete Therapien und letztlich zur Erreichung einer signifikanten Prognoseverbesserung.
Assoziation zum Karzinomrisiko und praktische Relevanz
Zahlreiche epidemiologische Studien haben den Zusammenhang zwischen Endometriose und diversen Malignomen untersucht, darunter Ovarial-, Mamma-, Endometrium- und Zervixkarzinome, aber auch diverse nicht gynäkologische Tumorerkrankungen wie Melanome, Non-Hodgkin-Lymphome, Hirntumoren, endokrine Tumoren sowie Schilddrüsen- und Nierenzellkarzinome (1). Eine klare Assoziation konnte bisweilen nur für das Ovarialkarzinom gezeigt werden (2–4). Aus epidemiologischer Sicht ist das Risiko insbesondere für die histologischen Subtypen der hellzelligen (klarzelligen) Ovarialkarzinome (CCOC), der endometrioiden (EnOC) und der low-grade serösen Ovarialkarzinome (LGSOC) erhöht, nicht aber für die weitaus häufigeren high-grade serösen Ovarialkarzinome (HGSOC) (4). Da das Lebenszeitrisiko für ein Ovarialkarzinom in der Gesamtpopulation mit zirka 1,3% aber tief ist, ist das Risiko für an Endometriose erkrankte Frauen ebenfalls relativ klein und beträgt etwa 1,8% (Tabelle 1). Im Vergleich dazu ist das Risiko der von Endometriose betroffenen Frauen, in ihrem Leben an einem Mammakarzinom (12%), einem Lungen- (6%) oder Darmkrebs (4%) zu erkranken, weitaus grösser – nämlich gleich hoch wie in der weiblichen Gesamtpopulation (5). Es gilt also, Patientinnen mit Endometriose zu beruhigen, da ihr Risiko, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, individuell gesehen immer noch sehr klein ist. Aufgrund der Häufigkeit von Endometriose in der Gesamtpopulation (bis zu 10% der Frauen im reproduktionsfähigen Alter) haben die Endometrioseassoziierten Ovarialkarzinome im klinischen Alltag dennoch einen nicht ganz zu vernachlässigenden Stellenwert. Zum einen kann sich die Diagnostik im-
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Tabelle 1:
Einige wichtige Studien zum Zusammenhang zwischen Endometriose und Ovarialkarzinomen
Studie
Brinton et al. 1997 Borgfeldt et al. 2004 Melin et al. 2007 Pearce et al. 2012
Design
Retrospektive Kohortenstudie Fallkontrollstudie
Relatives Risiko für Ovarialkarzinom (und Konfidenzintervall) 1,92 (1,3–2,8)
1,34 (1,03–1,75)
Retrospektive Kohortenstudie Gepoolte Analyse von Fallkontrollstudien
1,37 (1,14–1,62) 1,46 (1,31–1,63)
Besonderes
Kohorte von Frauen (Registerstudie), die wegen Endometriose hospitalisiert waren Retrospektive Angabe von Endometriose bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom Kohorte von Frauen (Registerstudie), die wegen Endometriose hospitalisiert waren CCOC 3,05, EnOC 2,04, LGSOC 2,11 (jedoch keine Assoz. mit HGSOC, Muz. OC oder BOT)
CCOC: hellzelliges Ovarialkarzinom; EnOC: endometrioides Ovarialkarzinom; LGSOC: low-grade seröses Ovarialkarzinom; HGSOC: high-grade seröses Ovarialkarzinom; Muz. OC: muzinöses Ovarialkarzinom; BOT: Borderlinetumoren des Ovars
Tabelle 2:
Histologische Subtypen der epithelialen Ovarialkarzinome und vermutete Vorgängerläsion
Epithelialer Ovarialkarzinom-Subtyp High-grade seröses Ovarialkarzinom (HGSOC) Hellzelliges Ovarialkarzinom (CCOC) Endometrioides Ovarialkarzinom (EnOC) Low-grade seröses Ovarialkarzinom (LGSOC) Muzinöses Ovarialkarzinom
Vorgängerläsion Seröses tubäres intraepitheliales Karzinom (STIC) Endometriose Endometriose Seröser Borderlinetumor (BOT), selten evtl. auch Endometriose unbekannt
mer wieder schwierig gestalten. Auch wenn das Ovarialkarzinom bei jungen Frauen insgesamt sehr selten ist, treten gerade die Endometriose-assoziierten Ovarialkarzinome im Durchschnitt 10 Jahre früher auf als die nicht mit Endometriose assoziierten Ovarialkarzinome (hier insbesondere die HGSOC). Zum anderen kann der Tumormarker CA-125 bei Endometriosepatientinnen häufig aufgrund der Endometriose leicht erhöht sein; zudem können sich in gutartigen Endometriomen sonografisch unklare papilläre Strukturen zeigen, die im Nachhinein oft geronnenem Blut entsprechen. Auch das MRI kann hier nur einen beschränkten Mehrwert in der Unterscheidung zwischen benignem und malignem Gewebe bringen, sodass im Zweifel die Operation und die histologische Untersuchung unvermeidbar sind.
Pathogenese von Endometrioseassoziierten Ovarialkarzinomen
Es wird davon ausgegangen, dass Endometriose-assoziierte Ovarialkarzinome aus Vorgängerläsionen bei Endometriose (sogenannte atypische Endometriose) entstehen. Auch auf genetischer Ebene konnten gemeinsame Mutationen in CCOC und EnOC sowie bei assoziierter Endometriose festgestellt werden (Tabelle 2). Hier nehmen ARID1A-Mutationen einen besonderen Stellenwert ein, da sie in bis zu 60% der CCOC- und in 30% der EnOC-Fälle vorkommen und wahrscheinlich schon sehr früh bei gutartiger Endometriose auftreten. Tatsächlich konnte ein
ARID1A-Expressionsverlust auch schon in einem Anteil von gutartigen Endometriomen und in tief infiltrierender Endometriose beobachtet werden (6). Durch das zellschädigende Milieu im Inneren von Endometriomen, ausgelöst durch freies Häm und katalytisches Eisen, kommt es wahrscheinlich zu mutationsfördernden Zellschädigungen. Durch das Anhäufen von onkogenen Mutationen und mangelhaften Reparaturmechanismen kommt es schliesslich zur malignen Entartung und Entwicklung eines meist hellzelligen oder endometrioiden Ovarialkarzinoms (Abbildung).
Zelluläre Mechanismen Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die wichtigsten zellulären Mechanismen bei Endometrioseassoziierten Ovarialkarzinomen gegeben werden: Mutationen im Tumorsuppressorgen ARID1A wurden erstmals in Endometriose-assoziierten Ovarialkarzinomen festgestellt (7, 8). Rasch wurde aber klar, dass sie zu den häufigsten Mutationen in diversen Tumorarten zählen. Abgesehen von den Endometriose-assoziierten Ovarialkarzinomen, wo sie mitunter am häufigsten vorkommen, spielen sie auch beim Endometriumkarzinom (ca. 40%), bei hämatologischen Tumoren, Nieren- und Blasenkarzinomen, Lungenkarzinomen, Ösophagus-, Magen-, Pankreas-, hepatozellulären und kolorektalen Karzinomen sowie diversen anderen Tumoren eine wichtige Rolle. ARID1A-Mutationen führen zu einem Expressionsverlust des durch ARID1A kodierten Proteins, auch
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Abbildung: Pathomechanismen in der Entwicklung eines Endometrioms zu einem Ovarialkarzinom Oxidativer Stress im Inneren von Endometriomen, ausgelöst durch freies Häm und katalytisches Eisen im blutigen Inhalt der Zysten, führt zu genotoxischen Schäden im auskleidenden Endometrioseepithel. Daraus resultieren häufig Mutationen im Tumorsuppressorgen ARID1A und weitere Second-HitMutationen sowie eine Aktivierung des PI3K-Akt-mTOR-Signalwegs, welche insgesamt schliesslich zur Entwicklung von zumeist hellzelligen oder endometrioiden Ovarialkarzinomen aus atypischer Endometriose führen (adaptiert von Vercellini et al., Hum Reprod [2011] 26 [9]: 2262–2273).
Tabelle 3:
Häufige Mutationen bei CCOC und EnOC
PIK3CA und PTEN sind Bestandteile des PI3K-Akt-mTOR-Signalwegs, wobei daraus in beiden Fällen eine Aktivierung des PI3K-Akt-mTOR-Signalwegs resultiert.
Genmutation ARID1A
PIK3CA PTEN
Mikrosatelliteninstabilität (MSI) P53
CCOC Bis zu 60%
30–50% 20%
12%
EnOC 30–40%
20% 20%
10%
Bemerkungen Mutation führt zu Expressionsverlust, sehr selten bei HGSOC aktivierende Mutation Mutation führt zu Expressionsverlust, selten bei HGSCOC (< 5%) assoziiert mit Lynch-Syndrom Selten (< 10%) Selten (< 10%) P53-Mutationen sind sehr häufig bei HGSOC (> 80–95%)
BAF250a genannt. Dieses Protein gehört zu einem wichtigen Chromatin-modellierenden Komplex, dem SWI/SNF-Komplex, welcher wiederum die Expression von Hunderten von Genen steuert. Fehlt das durch ARID1A kodierte Protein, überwiegen Komplexe mit dem Gegenspieler ARID1B, was in einer Funktionsänderung dieses Komplexes resultiert. So führt der Verlust von ARID1A allein zu einer Art epigenetischer Kaskade, die sich auf die Expression hunderter Gene auswirkt, welche unter anderem die Migration und die Proliferation von Tumorzellen sowie hormonabhängige oder entzündungsbedingte Mechanismen steuern. Ein weiterer wichtiger Faktor in der Pathogenese von Endometriose-assoziierten Ovarialkarzinomen ist der
PI3K-Akt-mTOR-Signalweg (9). Dieser Mechanismus ist in CCOC und EnOC häufig hochreguliert, sei es durch Mutationen oder durch sekundäre Mechanismen, bedingt durch die ARID1A-Mutationen selbst. Der PI3K-Akt-mTOR-Signalweg steuert ebenfalls eine Vielzahl von onkologisch essenziellen Mechanismen und ist zum Beispiel bei Ovarial- und Mammakarzinomen in Resistenzmechanismen auf Chemooder endokrine Therapien wichtig, indem dessen Hochregulierung in Tumorzellen zur Umgehung von Apoptosemechanismen führt. Es konnte in Tiermodellen gezeigt werden, dass ARID1A-Mutationen allein nicht zur Entwicklung von Karzinomen aus Endometriose ausreichten, jedoch eine zusätzliche Aktivierung des PI3K-Akt-mTOR-Signalwegs, zum Beispiel durch eine Mutation in einem seiner Bestandteile (z.B. PIK3CA oder PTEN), in Kombination mit einer ARID1A-Mutation zur Entwicklung von CCOC beziehungsweise EnOC führte (10). So scheinen nachfolgende Mutationen (second-hit mutations) das Potenzial zu haben, in ARID1A-defizienten Endometriosezellen zu einem Endometriose-assoziierten Ovarialkarzinom zu führen. Ob ein immunhistochemisch nachweisbarer ARID1A-Verlust in Endometriomen mit einem erhöhten Ovarialkarzinomrisiko assoziiert ist und als früher Marker hierfür verwendet werden könnte, bleibt noch zu klären.
Hellzellige und endometrioide Ovarialkarzinome
Nicht alle CCOC und EnOC entstehen aus Endometriose. Umgekehrt gehören jedoch die meisten Endometriose-assoziierten Ovarialkarzinome zu diesen beiden histologischen Subtypen. Auch besteht insbesondere bei den CCOC eine grosse geografische Varianz, wobei sie in Europa und Nordamerika 4–8% der epithelialen Ovarialkarzinome ausmachen, in Asien, insbesondere Japan, aber 14–25%. Die EnOC machen hingegen 7–13% der epithelialen Ovarialkarzinome aus. Interessanterweise ähneln sich CCOC und EnOC auch auf genetischer Ebene bei den häufigsten Mutationen (Tabelle 3).
Unterschiedliche klinische Eigenschaften Allerdings verhalten sich die zwei Ovarialkarzinomsubtypen bei den klinischen Eigenschaften sehr unterschiedlich. Während EnOC insgesamt eine sehr gute Prognose besitzen, haben CCOC vor allem in fortgeschrittenen Stadien eine ausgesprochen schlechte Prognose, insbesondere auch schlechter als HGSOC in vergleichbaren Stadien. Dies ist unter anderem auf eine häufige Platinresistenz zurückzuführen (9). Glücklicherweise wird die Mehrheit der Endometriose-assoziierten Ovarialkarzinome in sehr frühen Stadien diagnostiziert, meist zufällig im Rahmen einer Operation bei Endometriose, sodass die adäquate chirurgische Therapie häufig ausreicht. An-
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ders sieht es in fortgeschritteneren Stadien und im Rezidivfall aus. Im Gegensatz zu den HGSOC, die in über 70% der Fälle ein Ansprechen auf eine platinhaltige Chemotherapie zeigen, sprachen CCOC in verschiedenen vorwiegend japanischen Studien gerade einmal in 11–41% auf eine platinhaltige Erstlinien-Chemotherapie an (11, 12).
Zielgerichtete medikamentöse Therapie
Aufgrund der häufigen Platinresistenz und der sehr schlechten Prognose sind bei CCOC dringend neue medikamentöse Therapien notwendig. Einen vielversprechenden Ansatz bieten moderne zielgerichtete molekulare und immunologische Therapieformen. Sicherlich nehmen bei CCOC die Angiogenesehemmer wie Bevacizumab (Avastin®) eine wichtige Rolle ein, da die Tumorneoangiogenese in diesem Ovarialkarzinomsubtyp eine zentrale Rolle spielt. In dieser Hinsicht verhält sich das CCOC interessanterweise auch sehr ähnlich wie das genotypisch nahe verwandte klarzellige Nierenzellkarzinom.
Rolle der PARP-Hemmung Doch auch weitere zielgerichtete Mechanismen sind bei CCOC von zunehmender Wichtigkeit: Auch wenn vererbbare BRCA1- und -2-Mutationen bei CCOC im Gegensatz zu den HGSOC nur eine deutlich untergeordnete Rolle spielen, sind somatische Mutationen (d.h. sekundär im Tumor neu entstandene Mutationen in BRCA1/2) mit zirka 20% bei CCOC wiederum relativ häufig und bieten somit eine Angriffsfläche für eine Therapie mit PARP-Inhibitoren wie Olaparib (Lynparza®), Niraparib (Zejula®) oder Rucaparib (Rubraca®) (13–15). Auch hat sich inzwischen gezeigt, dass das Ansprechen auf PARP-Inhibitoren bei Ovarialkarzinom über BRCA1/2-Mutationen hinausgeht und aktuelle Testungen einer Defizienz in der homologen Rekombination (HRD) (auch bekannt als sogenannte BRCAness) nicht ausreichen, um ein Ansprechen auf PARP-Inhibitoren bei Ovarialkarzinom sicher vorherzusagen. Somit gilt zurzeit die Platinsensitivität im Ovarialkarzinom als bester prädiktiver Marker für ein Ansprechen auf PARP-Inhibitoren. Im Gegensatz dazu stehen die platinresistenten oder sogar -refraktären Ovarialkarzinome, zu denen, wie oben erwähnt, auch ein bedeutender Anteil der CCOC zählen.
Rolle der Mikrosatelliteninstabilität Mikrosatelliteninstabilität (MSI), assoziiert mit dem Lynch-Syndrom, spielt in zirka 10–12% der CCOC und der EnOC eine Rolle. Auch wenn dies nur eine Minderheit ist, ist dieser Anteil ähnlich hoch wie bei den kolorektalen Karzinomen. Es hat sich gezeigt, dass in MSI-Tumoren durch die generell deutlich erhöhte Mutationsrate mehr Neoantigene präsentiert werden, das heisst Proteine, die vom Körper als
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fremd erkannt werden, und es so zu einer vermehrten Anzahl von tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TILS) mit konsekutiv vermehrter Expression von «programmed cell death protein 1» (PD-1) und «programmed death-ligand 1» (PD-L1) kommt. Dieser Mechanismus wird als ursächlich für das sehr gute Ansprechen von MSI-Tumoren auf beispielsweise Pembrolizumab (Keytruda®) angesehen, einen Anti-PD-1-CheckpointInhibitor; in nicht kolorektalen MSI-Tumoren zeigte sich eine Ansprechrate von bis zu 70% (16).
Rolle der mTOR-Hemmung und weiterer Inhibitoren Intensiv werden zurzeit auch Ansätze zielgerichteter Therapien erforscht, die auf ARID1A abzielen, die weitaus häufigsten Mutationen bei CCOC und EnOC. Die Herausforderung besteht darin, dass die ARID1A-Mutation zu einem Proteinexpressionsverlust führt und somit nicht direkt medikamentös therapierbar ist. Mithilfe von Prinzipien der synthetischen Letalität, indem eine Tumorzelle durch den Verlust beispielsweise eines DNA-Reparaturmechanismus oder auf andere Weise auf eine zielgerichtete Therapie anfälliger wird, lassen sich zurzeit neue Therapieformen identifizieren, die bei ARID1A-mutierten Tumoren wirksam sein könnten. Beispiele solcher präklinisch identifizierten Therapieformen sind ATR-Inhibitoren (17), Inhibitoren des PI3K-Akt-mTOR-Signalwegs (18, 19) sowie gegen den Interleukin-6-(IL-6-)Rezeptor gerichtete Antikörper (10), wobei viele dieser Substanzen zurzeit in klinischen Phase-1- und -2-Studien erprobt werden. Einige Vertreter dieser Substanzgruppen sind für andere onkologische und nicht onkologische Erkrankungen auch bereits zugelassen, wie beispielsweise das schon relativ lange bekannte Everolimus (Afinitor®) oder bei rheumatologischen Erkrankungen der Anti-IL-6 Antikörper Tocilizumab (Actemra®). Aufgrund der Wichtigkeit neuerer zielgerichteter molekularer und immunologischer Therapieformen beim Ovarialkarzinom, insbesondere auch bei Resistenz hinsichtlich aktueller medikamentöser Therapieoptionen, laufen derzeit viele klinische Studien, welche in naher Zukunft entscheidende Daten erwarten lassen dürfen.
Schlussfolgerung
Auch wenn Endometriose-assoziierte Ovarialkarzinome insgesamt zum Glück selten sind, können sie individuell sowohl bei der Diagnostik als auch der Therapie höchst herausfordernd sein. Zum einen ist eine Früherkennung (wie für das Ovarialkarzinom insgesamt) schwierig. Zum anderen treten sie signifikant
früher auf als HGSOC. Zudem haben gerade CCOC
in fortgeschrittenen Stadien unter anderem aufgrund
der häufigen Platinresistenz eine sehr schlechte Pro-
gnose.
Ähnlich wie es bei anderen Karzinomen (z.B. Mamma-
karzinom), wo dies schon längst Routine ist, wird die
Charakterisierung genotypischer Mutationsmuster
bei Ovarialkarzinomen helfen, insbesondere bei sel-
tenen histologischen Subtypen, mittels neuer zielge-
richteter molekularer und immunologischer Therapie-
formen eine signifikante Prognoseverbesserung zu
erreichen.
I
Dr. med. Eleftherios Pierre Samartzis (Korrespondenzadresse) (E-Mail: eleftherios.samartzis@usz.ch)
und
Prof. Dr. med. Daniel Fink
Klinik für Gynäkologie Universitätsspital Zürich 8091 Zürich
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