Transkript
Journal Club
Kontrazeption
Was ist bei Frauen mit Epilepsie zu beachten?
Da Antiepileptika mit teratogenen Risiken verbunden sind, sollten Epilepsiepatientinnen nicht ohne sorgfältige Planung schwanger werden. Eine konsequente Kontrazeption ist somit von grosser Bedeutung. Bei der Auswahl geeigneter Verhütungsmethoden müssen Wechselwirkungen zwischen Antiepileptika und hormonellen Kontrazeptiva berücksichtigt werden.
British Medical Journal
Etwa die Hälfte aller Frauen mit einer Epilepsie sind im gebärfähigen Alter. Deshalb sollten sie unbedingt über das teratogene Potenzial von Antiepileptika informiert werden und eine Beratung zur Vermeidung ungewollter Schwangerschaften erhalten. Für eine «10-MinuteConsultation» erläutern britische Wissenschaftlerinnen die Vorgehensweise bei der Auswahl einer geeigneten Verhütungsmethode und zur Planung einer Schwangerschaft.
Was muss abgeklärt werden?
Im Rahmen der Anamnese wird zunächst der Epilepsiestatus evaluiert: In welchem Alter begannen die Anfälle? Mit welchen Antiepileptika wurden sie bis anhin kontrolliert? Kam es dabei zu Nebenwirkungen? Anschliessend werden die Erfahrungen und Wünsche der Patientin bezüglich der Verhütung besprochen. In diesem
Merksätze
I Antiepileptika weisen ein teratogenes
Potenzial auf.
I Enzyminduzierende Antiepileptika be-
einträchtigen die Wirksamkeit oraler
Kontrazeptiva.
I Die Wirkung von Intrauterinpessaren
und Levonorgestrel freisetzenden In-
trauterinsystemen wird durch enzymin-
duzierende Antiepileptika nicht beein-
trächtigt.
I Orale Kontrazeptiva verringern die Se-
rumkonzentration von Lamotrigin.
Zusammenhang sollte auch nach sexuell übertragbaren Krankheiten sowie nach Beschwerden wie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder Läsionen im Vaginalbereich gefragt werden, die möglicherweise behandelt werden müssen und auch die Wahl der Verhütungsmethode beeinflussen können. Des Weiteren wird abgeklärt, ob die Patientin unter Erkrankungen leidet, bei denen hormonelle Kontrazeptiva kontraindiziert sind. Dazu gehören Diabetes, Hypertonie, ischämische Herzerkrankung, Schlaganfall, venöse Thromboembolie sowie Leber- und Nierenerkrankungen.
Welche Verhütungsmethode ist geeignet?
Bei ausgebliebener Monatsblutung ist ein Schwangerschaftstest anzuraten. Falls sich die Schwangerschaft bestätigt, sollte ein Facharzt für Geburtshilfe für das Management der potenziell teratogenen Effekte der antiepileptischen Medikation hinzugezogen werden.
Notfallkontrazeption Hatte die Patientin innerhalb von fünf Tagen vor dem Arztbesuch ungeschützten Geschlechtsverkehr, kann eine Notfallverhütung erforderlich sein. Für Patientinnen, die enzyminduzierende Antiepileptika einnehmen, ist zu diesem Zweck eine Kupferspirale geeignet. Alternativ kann Levonorgestrel (NorLevo®) in einer Dosierung von 3 mg angeboten werden. Ulipristalacetat (EllaOne®) wird unter einer Behandlung mit enzyminduzierenden Antiepileptika nicht empfohlen.
Langzeitkontrazeption Für Patientinnen, die in absehbarer Zeit kein Kind bekommen möchten, wird eine dauerhafte Kontrazeption angestrebt. Barrieremethoden sind als Einzelmassnahme zur Verhütung für Epilepsiepatientinnen nicht geeignet, da sie mit einer relativ hohen Fehlerquote verbunden sind. Bei der Auswahl einer geeigneten Verhütungsmethode muss berücksichtigt werden, dass sich Antiepileptika und hormonelle Kontrazeptiva gegenseitig in ihrer Wirksamkeit beeinflussen können. Enzyminduzierende Antiepileptika (Tabelle 1) erhöhen die Aktivität der Zytochrom-P450-Enzyme in der Leber. Dadurch wird die Verstoffwechselung von Östrogen und Progesteron beschleunigt, sodass die Serumkonzentrationen beider Hormone abnehmen. Bei einer Verhütung mit kombinierten oralen Kontrazeptiva, Progesteron-Monopräparaten, Etonogestrel-Implantaten (Implanon®), Vaginalringen (NuvaRing®, Circlet®) oder transdermalen Pflastern (Evra®, Lisvy®) und gleichzeitiger Einnahme enzyminduzierender Antiepileptika besteht daher kein gesicherter Empfängnisschutz. Die Wirksamkeit kombinierter oraler Kontrazeptiva kann durch eine höhere Östrogendosis (50–70 µg) verbessert werden. Zur Verlässlichkeit dieser Massnahme liegen allerdings unterschiedliche Beobachtungen vor. Patientinnen, die enzyminduzierende Antiepileptika einnehmen, sollten sich nicht auf die hormonelle Kontrazeption verlassen, sondern zusätzlich mit Barrieremethoden wie Kondomen oder einem Vaginaldiaphragma verhüten. Als besser geeignete Alternativen stehen aber auch Intrauterinpessare oder Levonorgestrelabgebende Intrauterinsysteme (Mirena®) zur Verfügung. Deren Wirksamkeit wird durch enzyminduzierende Antiepileptika nicht beeinträchtigt. Nicht enzyminduzierende Antiepileptika lassen die Wirkung hormoneller Kontrazeptiva unbeeinflusst, sodass unter diesen Substanzen alle Verhütungs- und Notverhütungsmethoden angewendet werden können.
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Bei Einnahme von Lamotrigin ist zu beachten, dass kombinierte orale Kontrazeptiva die Blutkonzentrationen dieses Antiepileptikums um 40 bis 60% senken, was in einer unzureichenden Anfallskontrolle resultieren kann. Somit muss die Lamotrigindosis bei dieser Verhütungsmethode angepasst werden.
Was ist bei der Schwangerschaftsplanung zu beachten?
Wenn die Patientin in absehbarer Zeit schwanger werden möchte, sollte sie über die Fehlbildungsrisiken im Zusammenhang mit verschiedenen Antiepileptika informiert werden (Tabelle 2). Valproinsäure weist das höchste teratogene Risiko auf. Im Rahmen der Schwangerschaftsplanung sollte daher eine Umstellung auf weniger teratogene Substanzen vorgenommen werden. Lamotrigin und Levetiracetam sind mit einem geringeren teratogenen Risiko verbunden und werden als Antiepileptika der ersten Wahl während der Schwangerschaft empfohlen. Wenn in den letzten fünf Jahren keine Anfälle aufgetreten sind, kann auch ein Absetzen der antiepileptischen Medikation in Betracht gezogen werden. I
Petra Stölting
Quelle: Gooneratne IK et al.: Contraception advice for women with epilepsy. BMJ 2017; 357: j2010; DOI: 10.1136/bmj.j2010.
Tabelle 1:
Enzyminduzierende und nicht enzyminduzierende Antiepileptika
Enzyminduzierende Antiepileptika Carbamazepin (Tegretol® und Generika) Eslicarbazepin (Zebinix®, Aptiom®) Oxcarbazepin (Trileptal®, Apydan® extent) Phenobarbital (Aphenylbarbit®,
Phenobarbital® Bichsel) Phenytoin (Phenhydan®, Phenytoin-Gerot®) Primidon (Mysoline®) Rufinamid (Inovelon®) Topiramat (Topamax® und Generika)* Perampanel (Fycompa®)
Nicht enzyminduzierende Antiepileptika Acetazolamid (Diamox®, Glaupax®) Clobazam (Urbanyl®) Clonazepam (Rivotril®) Ethosuximid (Petinimid®) Gabapentin (Neurontin® und Generika) Lacosamid (Vimpat®) Levetiracetam (Keppra® und Generika) Lamotrigin (Lamictal® und Generika)** Piracetam (Nootropil®) Pregabalin (Lyrica®) Valproinsäure (Depakine® und Generika) Stiripentol (nicht im AK der Schweiz) Tiagabin (in der Schweiz ausser Handel) Vigabatrin (Sabril®) Zonisamid (Zonegran®)
* in Dosierungen > 200 mg ** reduzierte Wirksamkeit bei Kombination mit oralen Kontrazeptiva
(nach Kishara et al. 2017)
Tabelle 2:
Risiko fetaler Missbildungen*
Antiepileptikum Valproinsäure Topiramat Phenobarbital Phenytoin Carbamazepin Lamotrigin Oxcarbazepin Levetiracetam
Fehlbildungsrisiko 4,7–10% 4,2–7,7% 5,5–7,4% 2,9–6,7% 2,6–5,6% 2,0–3,4% 1,8–3,3% 0–2,4%
Häufigste kongenitale Fehlbildungen Neuralrohrdefekte, Hypospadie, Herzfehlbildungen orofaziale Spalten Herzfehlbildungen Herzfehlbildungen Herzfehlbildungen Herzfehlbildungen, orofaziale Spalten orofaziale Spalten** Herzfehlbildungen**, Neuralrohrdefekte**
* Daten aus Schwangerschaftsregistern: International Register of Antiepileptic Drugs and Pregnancy, North American Antiepileptic Drug Pregnancy Register, UK Epilepsy and Pregnancy Register, Medical Birth Register of Norway, Swedish Medical Birth Register; nach Kishara et al. 2017 ** selten
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