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ASCO 2017 – Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, Chicago, Juni 2017
Welches Krebsrisiko haben Verwandte ohne BRCA1/2-«Familienmutation»?
Bei Familienmitgliedern von Brustkrebs- oder Eierstockkrebspatientinnen mit BRCAMutationen besteht oftmals die Befürchtung vor eigener Erkrankung, auch wenn die Gentestung negativ war. Die bisher grösste Studie, EMBRACE, ergab, dass die Befürchtung unbegründet ist.
Bisher bestand keine eindeutige Evidenz, dass weibliche Familienmitglieder, welche nach genetischer Testung keine BRCA1/BRCA2-Mutationen tragen, ein erhöhtes Risiko für Brust- oder Eierstockkrebs haben. Diese Unsicherheit führt zu ungleicher klinischer Praxis in der Beratung der Angehörigen von Patientinnen mit diesen Karzinomen und zu unterschiedlicher Präventionsempfehlung. Ziel der grossen, prospektiven Kohortenstudie EMBRACE war es, das Mammaund das Ovarialkarzinomrisiko bei verwandten Nichtträgerinnen dieser Genmutationen zu ermitteln. Die Risiken wurden separat für invasiven Brustkrebs und epitheliales Ovarialkarzinom (EOC) errechnet, und zwar mittels Kohortenanaly-
sen zur Schätzung der jeweiligen Inzidenz, der kumulativen Risiken und der standardisierten Inzidenzratio (SIR).
Entwarnung – aber weiterhin Beratungsbedarf Gesamthaft wurden 1895 Nichtträgerinnen dieser Genmutationen für die Analyse bezüglich Brustkrebs und 1736 für die Analyse bezüglich Ovarialkarzinom eingeschlossen. Es kam in der Beobachtungszeit zu 23 inzidenziellen invasiven Brustkrebs- und zu 2 EOC-Fällen. Das kumultative Brustkrebsrisiko bis zum Alter von 85 Jahren betrug 9,4%, das entsprechende Risiko für EOC 0,6%. Die SIR für Brustkrebs betrug 0,93 in der gesamten Kohorte und 0,85 bei den Nichtträgerin-
nen der Genmutation in «BRCA1-Fami-
lien» und 1,03 bei den Nichtträgerinnen
der Genmutation in «BRCA2-Familien».
Die SIR für ein EOC war 0,79 in der Ge-
samtkohorte, aber 1,74 bei Nichtträge-
rinnen der Genmutation in «BRCA2-
Familien».
Die Studienleiter folgern, dass keine er-
höhten Risiken für Brust- und Eierstock-
krebs bei Familienmitgliedern von Krebs-
patientinnen bestehen, deren geneti-
sche Testung sie als Nichtträgerin von
BRCA1/2-Mutationen auswies. Aller-
dings sollten betroffene Familien unbe-
dingt eine genetische Beratung erhalten.
Denn: Etwas erhöhte Risiken in einigen
Familien können nicht ausgeschlossen
werden.
I
hir
Quelle: Girardi F et al.: Risk of breast or ovarian cancer in family members who do not carry the BRCA1 or BRCA2 family mutation: Findings from the EMBRACE study. ASCO Annual Meeting 2017; Abstract 1558.
Sport bei BRCA1/2-Trägerinnen vermindert das Brustkrebsrisiko
Frauen mit bekannten Mutationen der BRCA1- und BRCA2-Gene haben ein sehr hohes Lebensrisiko für Brustkrebs, und es gibt Hinweise, dass veränderbare Faktoren das Risiko vermindern können. Lässt sich mit «gesunder Lebensführung» eine Prävention erreichen? Eine neue Studie spricht dafür.
Die Studienärzte analysierten Daten eines spanischen Zentrums für genetische Beratung von 892 Frauen mit BRCA1/2Keimbahnmutationen und sammelten Daten zu Lebensstilfaktoren, darunter sportliche Aktivität (aktuelle und im Jugendalter), Rauch- und Ernährungsgewohnheiten. 582 Frauen im Kollektiv waren an Brustkrebs erkrankt; bei rund 46% davon waren BRCA2-Mutationen nachgewiesen worden. Mittels logistischer Regressionsanalyse wurden die Assoziation zur Brustkrebsinzidenz und über sta-
tistische Schätzungen das Krebsrisiko der Familienmitglieder ermittelt. Dabei wurden Alter, Menopausenstatus, BMI, Parität und Anwendung einer Kontrazeption als Kovariablen mit einbezogen; bei den Brustkrebspatientinnen wurde der Hormonrezeptorstatus (HR+/–) dokumentiert.
Täglich Sport seit der Jugend vermindert das Risiko massiv Die erste Analyse ergab, dass Frauen, die täglich körperlich aktiv waren, ihr
Brustkrebsrisiko gegenüber denjenigen mit sitzender Tätigkeit halbierten (Odds Ratio 0,53; OR 0,40 bei Sport im Jugendalter), und zwar ohne Unterschied bei BRCA1- und BRCA2-Trägerinnen. Bei Frauen, die aktuell und seit der Kindheit täglich körperlich aktiv waren, betrug die Odds Ratio für Brustkrebs gerade nur 0,22; besonders ausgeprägt war der Effekt bei prämenopausalen Frauen. Nicht signifikant assoziiert mit dem Brustkrebsrisiko dieser Frauen war dagegen der Einfluss von Ernährung und Rauchen. Die Studienärzte folgern, dass täglicher Sport als Präventionsfaktor effektiv ist. I
hir
Quelle: Pollan M et al.: Effects of lifestyle and diet as modifiers of risk of breast cancer (BC) in BRCA1 and BRCA2 carriers. ASCO Annual Meeting 2017; Abstract #1505.
GYNÄKOLOGIE 4/2017
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