Transkript
Kongressbericht
ASCO 2017 – Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, Chicago, 2. bis 6. Juni 2017
Brustkrebs bei jungen Frauen
«Weg frei» für die Erfüllung des Kinderwunsches
Entwarnung für Frauen mit behandeltem Brustkrebs in der Frühphase: Eine Schwangerschaft hat keinen negativen Einfluss auf Rückfallrisiko oder Tod. Dies ergab eine auf dem «ASCO 2017» präsentierte, retrospektive Langzeitstudie an 1207 prämenopausalen Frauen mit frühem Brustkrebs, von denen über die Hälfte Östrogenrezeptor-(ER-)positive Tumoren hatten. Der Zeitraum für eine Schwangerschaft nach überstandener Krankheit sollte aber mit ärztlicher Beratung geplant werden.
Ein Mammakarzinom im prämenopausalen Alter ist besonders hart, denn eine solche Diagnose im jungen Alter schlägt eine tiefe Bresche in die Lebens-/Familienplanung und die Berufskarriere. Hinzu kommt, dass Brustkrebs in diesem Alter häufig aggressiv ist und spezielle Behandlungsstrategien verlangt. Bisher bestand Unsicherheit, inwieweit die zusätzlich hohe Östrogenexposition durch eine Schwangerschaft ein Risiko für ein Rezidiv darstellt, insbesondere für Frauen mit ER-positiven Tumoren. Zudem wird diskutiert, ob die Unterbrechung der adjuvanten endokrinen Therapie während zirka eines Jahres einen Einfluss auf das Rezidivrisiko hat. Frühere Studien hatten keine negativen Wirkungen einer Schwangerschaft auf das Krebsrisiko betroffener Frauen gezeigt; dies bezog sich aber nur auf die ersten 5 Jahre nach der Konzeption. Die neue Studie analysierte Langzeitdaten.
ER-positive Karzinome speziell im Visier
Die multizentrische, retrospektive Studie schloss 1207 prämenopausale Frauen nach überstandener Brustkrebserkrankung ein, von denen rund ein Viertel schwanger geworden waren, sowie eine Kohorte nicht schwangerer Patientinnen. Das Verhältnis betrug 1:3 (n = 333 bzw.
874). Stratifiziert wurde nach Tumor- und Therapiecharakteristika. Jede eingeschlossene nicht schwangere Frau musste, so die Kriterien, mindestens so lange krankheitsfrei sein wie die Schwangeren im medianen Zeitraum zwischen Brustkrebsdiagnose und Konzeption. Primärer Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben (DFS) bei Patientinnen mit überstandener ER-positiver Krankheit. Zu den sekundären Endpunkten gehörten das DFS und das Gesamtüberleben (OS) bei Frauen speziell nach ER-negativem Brustkrebs sowie bei allen Frauen unabhängig vom Hormonstatus. Zudem wurde der Einfluss eines induzierten Schwangerschaftsabbruchs auf das Rezidivrisiko untersucht.
Follow-up über 12½ Jahre
57% der Patientinnen hatten im Gesamtkollektiv einen ER-positiven Tumor überstanden. Im Zeitraum 12½ Jahre nach der Konzeption (festgelegt über die Kohorte der «Schwangeren») zeigte sich quasi kein Unterschied beim DFS zwischen den schwanger und nicht schwanger gewordenen Frauen – dies unabhängig vom Hormonstatus. Die Hazard Ratios (HR) für das DFS betrugen: I bei Frauen mit ER-positiven Tumoren:
HR 0,94 (95%-KI: 0,70–1,26)
I bei Frauen mit ER-negativen Tumoren: HR 0,75 (95%-KI: 0,53–1,06)
I bei allen Frauen: HR 0,85 (95%-KI: 0,68–1,06).
Bezüglich OS bestand kein Unterschied zwischen den Kohorten mit ER-positiver Krankheit. Interessanterweise war das Gesamtüberleben bei den schwanger gewordenen Frauen mit überstandenen ER-negativen Tumoren signifikant verlängert (HR: 0,57; 0,36–0,90). Damit wird geschätzt, dass nach ER-negativem Brustkrebs Familienbildung protektiv wirkt. Eine Abtreibung hatte bei keiner Subgruppe Einfluss auf das Rezidivrisiko.
Schlussfolgerung
Der Studienleiter, Dr. med. Matteo Lam-
bertini, Brüssel, folgerte, dass nach be-
handelter Brustkrebserkrankung nicht
von einer Schwangerschaft abgeraten
werden muss, auch nicht bei ER-positi-
ven Tumoren. Allerdings bliebe unklar,
wie lange nach der Diagnose (und The-
rapie) bis zu einer Schwangerschaft ab-
gewartet werden sollte, vor allem wenn
eine erforderliche adjuvante endokrine
Therapie wegen der Schwangerschaft
unterbrochen werden muss. Diese Frage
wird in der laufenden IBCSG-BIG-NAB-
CG-POSITIVE-Studie evaluiert.
Weitere Forschungsarbeiten müssen die
Wirkung einer Schwangerschaft bei
Brustkrebspatientinnen mit geerbter
BRCA-Mutationen klären; da betroffene
Frauen häufig in jungem Alter Brustkrebs
entwickeln.
I
hir
Quelle: 1. Lambertini M et al.: Safety of pregnancy in patients
(pts) with history of estrogen receptor positive (ER+) breast cancer (BC): Long-term follow-up analysis from a multicenter study. ASCO annual meeting 2017; abstract LBA10066./ASCO-Medienkonferenz.
GYNÄKOLOGIE 3/2017
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