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SCHWERPUNKT
«Eizellen für die Zukunft»
Anlage einer Fertilitätsreserve bei medizinischen und nicht medizinischen Indikationen
Fertilitätsprotektive Massnahmen aus medizinischer Indikation («medical freezing») sind insbesondere bei onkologischen Erkrankungen ein etabliertes Verfahren, um den Kinderwunsch verschieben zu können. Auch fertilitätserhaltende Massnahmen aus nicht medizinischer Indikation («social freezing») sind inzwischen klinisch etabliert und zunehmend gefragt. Was ist wann möglich und sinnvoll?
ALEXANDRA KOHL SCHWARTZ, VERA MITTER, MICHAEL VON WOLFF
Die Kryokonservierung von befruchteten Eizellen (Zygoten) und von Spermien ist im Rahmen der IVF-Therapie seit Langem ein klinisch gut etabliertes Verfahren. Mit der Einführung der Vitrifikationstechnik wurde auch die Konservierung von unbefruchteten Eizellen möglich. Ferner ist es inzwischen möglich, Ovargewebe zu konservieren. Beide Techniken stellen die Hauptsäulen der Anlage einer Fertilitätsreserve bei medizinischen und nicht medizinischen Indikationen dar.
Was ist «medical freezing»?
Als «medical freezing» werden die konservierenden Verfahren der Fertilitätsprotektion bei medizinischen Indikationen bezeichnet. Sie umfassen die Kryokonservierung von befruchteten oder unbefruchteten Eizellen wie auch von Ovargewebe. Angewendet werden diese Verfahren zum Beispiel vor gonadotoxischen Behandlungen wie Chemo- oder Strahlentherapien, seltener bei Frauen mit einer Endometriose oder bei Erkrankungen, die zu einer frühen Menopause führen können wie bei Turner-Syndrom
Merkpunkte
I Das Anlegen einer Fertilitätsreserve kann aus medizinischen und nicht
medizinischen Gründen erfolgen.
I Praktisch kommen bei einer medizinischen Indikation die Kryokonservie-
rung von Ovargewebe und die Gabe von GnRHa und bei einer medizinischen
und nicht medizinischen Indikation die Kryokonservierung von Oozyten in-
frage.
I Die Erfolgsraten sind altersabhängig, etwa 1 von 3 Frauen, die kryokonser-
viertes Ovargewebe oder kryokonservierte Oozyten nach einer einmaligen
Stimulation verwenden, gebärt nach der Verwendung des Gewebes und der
Oozyten ein Kind. Können mehrere Stimulationszyklen durchgeführt wer-
den, steigt die Erfolgsrate entsprechend an.
I Sollten die Eizellen später genutzt werden, so sind die Risiken für die Mütter definitiv – bei einer Schwangerschaft > 45 Jahren – und für die Kinder möglicherweise – durch die erforderliche IVF – erhöht.
oder bei Fragilem-X-Syndrom. Bei einer Chemotherapie besteht zusätzlich die Möglichkeit, die Ovarfunktion durch die Applikation von GnRH-Agonisten (GnRHa) zu schützen. Alle diese Massnahmen werden oft nicht von der Krankenkasse bezahlt und kosten mehrere hundert (GnRHa) bis mehrere tausend Franken (Oozyten- und Ovargewebekryokonservierung).
Was ist «social freezing»?
«Social freezing» bezeichnet die Fertilitätsprotektion aus nicht medizinischer Indikation. Die Gründe dafür können ganz unterschiedlich sein, zum Beispiel die Verschiebung des Kinderwunsches aufgrund der Karriereplanung und familiäre Gründe (wie ein fehlender Partner). Die Konservierung von Ovargewebe aus nicht medizinischer Indikation wird bis heute nicht durchgeführt, jedoch als mögliche Technik diskutiert. Ein «social freezing» wird nicht von der Krankenkasse bezahlt.
Wie ist das praktische Vorgehen?
In Tabelle 1 sind die Techniken vergleichend zusammengefasst. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, sowohl unbefruchtete Eizellen als auch Ovargewebe zu konservieren. Die Konservierungstechnik ist für die beiden unterschiedlichen Indikationen die gleiche.
Kryokonservierung von unbefruchteten Eizellen Wie bei einer IVF-Therapie werden nach einer etwa zweiwöchigen Stimulationsbehandlung möglichst viele Eizellen durch eine transvaginale Follikelpunktion gewonnen. Nach Beurteilung des Reifegrades werden die Eizellen entsprechend vorbereitet und vitrifiziert. Das neue Verfahren der Vitrifikation verhindert durch das sehr schnelle Einfrieren eine Kristallisation des Zytoplasmas. Dadurch wird die Überlebensrate der kryosensitiven Eizellen erhöht. Bei einer späteren Verwendung wird die Oozyte aufge-
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SCHWERPUNKT
taut, fertilisiert und im Embryonalstadium transferiert. Für die Fertilisation ist oft eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) erforderlich (1). Ein ovarielles Hyperstimulationssyndrom (OHSS) muss vermieden werden, was mithilfe neuer Stimulationsprotokolle gut möglich ist.
Kryokonservierung
von Ovargewebe Die Entnahme und Kryokonservierung
von Ovargewebe ist eine Technik, die kurzfristig vor Beginn einer zytotoxischen Therapie durchgeführt werden
Abbildung 1: OP-Bilder: Retransplantation von Ovargewebe in die Beckenwand (1. Spalte), in das Ovar (2. Spalte) sowie auf das Ovar (3. Spalte), Universitätsspital, Inselspital Bern
kann und ein Zeitfenster von einer hal-
ben bis einer Woche erfordert. Laparoskopisch wird Oozytenverlust scheinbar reduziert wird. Der «Flare-
entweder das ganze Ovar oder häufiger 50% des up»-Effekt der GnRHa dauert ungefähr eine Woche,
Ovarkortex entnommen, präpariert und kryokonser- sodass GnRHa idealerweise erstmals eine Woche vor
viert (2). Besteht nach einer ausreichend langen Rezi- Beginn der Chemotherapie verabreicht werden soll-
divfreiheit ein Kinderwunsch, so kann das Gewebe ten.
retransplantiert werden. Die optimale Lokalisation Möglicherweise treten klimakterische Beschwerden
für die Retransplantation wird derzeit in einer rando- als Nebenwirkung auf, sodass gelegentlich eine Add-
misierten Studie ermittelt (Abbildung 1).
back-Therapie mit Östrogen durchgeführt wird. Eine
Im FertiPROTEKT-Register (www.fertiprotekt.ch), Metaanalyse (Abbildung 2; modifiziert nach [5]) unter
welches die fertilitätsprotektiven Massnahmen in Berücksichtigung von 1231 Frauen mit einem
Deutschland, Teilen der Schweiz und Österreich Mammakarzinom zeigte eine signifikante Reduktion
erfasst, wurden bis 2015 21 Schwangerschaften und der prämaturen Ovarialinsuffizienz (POI), definiert
17 Geburten nach einer Retransplantation regis- als Amenorrhö ein Jahr nach Chemotherapie (Odds
triert (3). Besonders geeignet ist die Kryokonservie- Ratio: 0,36; [95%-Konfidenzintervall: 0,23–0,57];
rung von Ovargewebe für jüngere Patientinnen mit p < 0,001) (5). Allerdings scheint der protektive Effekt einer hohen Ovarialreserve und somit einer hohen der GnRHa gemäss einer ersten Langzeitstudie nicht Follikeldichte. Wahrscheinlich ist, dass bei diesen Pa- über mehrere Jahre anzuhalten (6). tientinnen noch mehrere Jahre bis zur Retransplantation vergehen, sodass sie von den Fortschritten in der Transplantationstechnik des Ovargewebes profitieren werden. Welche Frauen entscheiden sich für ein «medical freezing» – wie hoch sind die Erfolgschancen? Zu bedenken ist jedoch, dass die Erfahrung mit die- Die Kryokonservierung unbefruchteter Eizellen ist zur ser Technik, insbesondere mit der Retransplantation, Fertilitätsprotektion vor onkologischen Therapien noch begrenzt ist und theoretisch auch maligne Zel- len übertragen werden könnten. Entsprechend sollte das Gewebe nur von spezialisierten Zentren kryokonserviert werden. Risikoarm ist eine Transplantation unter anderem nach einem Mammakarzinom, einem Hodgkin-Lymphom und einem Sarkom möglich, falls Tabelle 1: Vergleichende Darstellung des Zeitbedarfs, der Schwangerschafts-/ Geburtenraten und der notwendigen Kosten der verschiedenen fertilitätsprotektiven Techniken bei der Kryokonservierung noch keine Metastasierung bestand (4). Eine Kryokonservierung ist derzeit bei hämatologischen Erkrankungen (z.B. Leukämien) noch als experimentell zu werten. Zeitbedarf Kryokonservierung von fertilisierten Oozyten (IVF) Kryokonservierung ca. 2 Wo. ca. 2 Wo. Erreichbare Geburtenraten* 30–50% ? 30–40% ? Kosten (Fr.)** ca. 3000 bis 4000 ca. 3000 bis Wie funktioniert die Fertilitätsprotektion mit GnRH-Agonisten – wie effektiv ist sie? Durch die Gabe von GnRH-Agonisten (GnRHa) wird nach einer initialen Freisetzung der Gonadotropine von unfertilisierten Oozyten (IVF) Kryokonservierung von Ovarialgewebe GnRH-Analoga ca. ½ Wo. optimal: 1 Woche 30–40% ? 4000 0 bis (4000?) 0 bis (1000?) («Flare-up»-Effekt) ein vorübergehender hypogonadotroper Hypogonadismus erzeugt, durch den der * Die Geburtenraten sind aufgrund der begrenzten Datenlage nur grob abschätzbar. ** Die Kosten variieren, da die Krankenkassen die Kosten zwar manchmal, aber nicht immer übernehmen. GYNÄKOLOGIE 3/2017 23 SCHWERPUNKT Abbildung 2: Metaanalyse: Vergleich (Odds Ratios der prämaturen Ovarialinsuffizienz [POI]) von 1231 behandelten Frauen mit Brustkrebs, mit oder ohne GnRHa-Agonisten während der Chemotherapie (modifiziert nach [5]) schon länger Routine. 2013 wurden im FertiPROTEKT-Register 190 Beratungen mit 134 resultierenden Behandlungen registriert, 2014 verdoppelten sich bereits die Behandlungszahlen. Die Kryokonservierung von Ovargewebe wird insbesondere bei jungen onkologischen Patientinnen mit einer altersbedingt hohen Ovarreserve durchgeführt, wogegen ovarielle Stimulationen insbesondere bei Frauen im Alter von rund 35 bis 40 Jahren empfohlen werden. Nach der Transplantation von Ovargewebe bekommen gemäss aktuellen Studien (7, 3) etwa ein Drittel der Frauen ein Kind. Der Erfolg der Kryokonservierung von Oozyten ist abhängig vom Alter und der follikulären Reserve (u.a. sichtbar im AMH-[Anti-Müller-Hormon-]Wert [8]). Grob orientierend gebären auch bei dieser Massnahme nach der Verwendung der Oozyten rund ein Drittel der Frauen ein Kind. Genauere Zahlen finden sich im Abschnitt «Social freezing». Bei einer Endometriose oder bei chronischen, zu einer frühen Menopause führenden Erkrankungen wird eine Fertilitätsprotektion eher selten durchgeführt. Welche Frauen entscheiden sich für ein «social freezing» – wie hoch sind die Erfolgschancen? Immer häufiger verschieben in westlichen Ländern die Frauen ihren Kinderwunsch in ein höheres Alter. Dies erhöht einerseits die Risiken in der Schwangerschaft, andererseits auch das Risiko einer ungewollten Kinderlosigkeit (9). Um das Risiko der Kinderlosigkeit zu vermindern, entscheiden sich Frauen zunehmend für die Möglichkeit der Fertilitätsprotektion durch ein «social freezing». Gemäss einer Auswertung des FertiPROTEKT-Registers sind die meisten Frauen, die ein «social freezing» in Anspruch genommen haben, zwischen 35 und 39 Jahre alt und grösstenteils Akademikerinnen. Als Hauptbeweggrund gaben die Frauen an, «keinen Partner zu haben» (8). Die Fertilitätsprotektion wird meist aufgrund einer sich ändernden Lebenssituation, zum Beispiel der Trennung vom Partner, durchgeführt und nicht als langfristig geplante Anlage einer Eizellreserve. Daten zur Häufigkeit des «social freezing» in der Schweiz liegen nur unzureichend vor. Die Europäische Fachgesellschaft hat keine Vorbehalte gegenüber der Kryokonservierung von Eizellen bei nicht medizinischen Indikationen, empfiehlt aber eine ausführliche Beratung (ESHRE Task Force, 2012). Die Erfolgsraten der Kryokonservierung sind nur bedingt kalkulierbar, jedoch bei medizinischen und nicht medizinischen Indikationen vergleichbar. In Tabelle 2 wurden die Zahl der gewonnenen Eizellen pro Stimulationszyklus nach drei Altersklassen aus dem FertiPROTEKT-Register aufgeschlüsselt und die theoretischen Geburtenraten nach 1, 2 oder 3 durchgeführten Stimulationszyklen berechnet. Die Erfolgschancen sind stark abhängig von der Zahl der gewonnenen Eizellen und dem Alter der Frau bei der Entnahme sowie von der Expertise des Zentrums bei der Kryokonservierung (10). Die Datenlage zur Verwendung kryokonservierter Eizellen aus nicht medizinischer Indikation ist sehr dünn. In diesem Zusammenhang ist auch eine kürzlich erschienene australische Auswertung der reproduktiven Aktivität von Frauen nach einem «social Tabelle 2: Berechnung der theoretischen Geburtenchancen nach Alter bei einem «social freezing» oder «medical freezing», basierend auf der 2013 im FertiPROTEKT-Register gemeldeten Gesamtzahl von Eizellen pro Stimulation und Frau für 1, 2 und 3 Stimulationszyklen Alter der Frau bei Kryokonservierung < 35 Jahre 36–39 Jahre 40–44 Jahre Anzahl kryokonservierter Eizellen/Stimulation (Mittelwert ± SD) 11,1 ± 6,5 8,7 ± 7,3 9,1 ± 8,3 Erwartete Geburtenrate nach 1 Stimulation (zirka)*/** 40% 30% 15% Erwartete Geburtenrate nach 2 Stimulationen (zirka)*/** 64% 51% 28% Erwartete Geburtenrate nach 3 Stimulationen (zirka)*/** 78% 66% 37% * Rate fertilisierter Eizellen nach Auftauen und Fertilisierung: 44%ige (Nach Levi Setti; [20]: 63,1% × 70,1% = 44%), Rate von Embryonen aus fertilisierten Oozyten: 67% (DIR; [2]). Somit Rate an Embryonen pro aufgetauter Oozyte: 29,5% (44% × 67% = 29,5%). ** Geschätzt nach Garrido et al., 2011 (22): Die Kalkulationen basieren auf der Annahme, dass das Entwicklungspotenzial von Embryonen, die aus kryokonservierten Oozyten generiert wurden, und jenen aus «frischen» Oozyten vergleichbar ist. 24 GYNÄKOLOGIE 3/2017 SCHWERPUNKT freezing» interessant. Von 93 Befragten, die Eizellen einfrieren liessen, hatten nur 6 Frauen ihre konservierten Eizellen aufgetaut und 3 davon ein Kind geboren. 47% der Frauen hatten die konservierten Eizellen noch nicht verwendet, da weiterhin der Partner fehlte, und 36% versuchten noch, spontan schwanger zu werden. Bei 11% hatte sich der Kinderwunsch in der Zwischenzeit spontan erfüllt (11). Welche Risiken sind bei Schwangerschaften nach der Verwendung einer Fertilitätsreserve gegeben? Mit der Anlage einer Fertilitätsreserve besteht die Möglichkeit einer Schwangerschaft und einer Geburt in höherem Alter. Dass damit erhöhte Risiken in der Schwangerschaft und bei der Geburt einhergehen, ist generell bekannt. Schwangerschaftskomplikationen wie Frühgeburtlichkeit, schwangerschaftsinduzierte Hypertonie oder Präeklampsie nehmen mit höherem Alter deutlich zu (12, 13). Auch das Thromboserisiko während der Schwangerschaft sowie die Risiken während der Entbindung (signifikant mehr Kaiserschnitte, mehr postpartale Hämorrhagien und Hysterektomien) sind mit einem höheren Alter der Mutter assoziiert (14). Relevant bei der Diskussion der Risikofaktoren des «social freezing» ist auch das Fehlbildungsrisiko für die Kinder. Assistierte Reproduktionstechniken gehen nach einer grossen australischen Studie, die 6163 IVF-Kinder in einem Gesamtkollektiv von 308 974 Kindern untersucht hat, mit einem erhöhten Fehlbildungsrisiko einher. Die Fehlbildungsrate betrug nach IVF-Therapie 8,3% im Vergleich zu 5,8% nach Spontankonzeption (adjusted Odds Ratio: 1,30; (95%-KI: 1,16–1,45) (15). Mehrere grosse Studien vermuten inzwischen einen Zusammenhang zwischen der IVF per se mit dem Auftreten funktioneller organischer Veränderungen, die auf epigenetischen Modifikationen beruhen. So wiesen unter anderem Celeen und Kollegen (16) sowie Scherrer und Kollegen (17) bei IVF-Kindern einen höheren Blutdruck, höhere Nüchtern-BlutzuckerKonzentrationen und eine gestörte periphere Fettverteilung nach. Frühe epigenetische Modulation im Embryonalstadium, provoziert durch die Hormonstimulation oder die IVF-Technik, stehen unter Verdacht. Deshalb ist ein erhöhtes Risiko für Kinder aus kryokonservierten Eizellen auch bei gesunden und vermutlich fruchtbaren Müttern denkbar. Allerdings dürfte das Aneuploidierisiko (z.B. Trisomie 21) bei der SCHWERPUNKT Verwendung von Oozyten, die in einem jüngeren Alter kryokonserviert und in einem höheren Alter der Frau verwendet werden, geringer sein. Dr. med. Alexandra Kohl Schwartz (Erstautorin, Korrespondenzadresse) E-Mail: alexandra.kohl-schwartz@insel.ch Ethische Überlegungen bei einem «social freezing» Die Entscheidungsfreiheit der Frau zur Anlage einer Fertilitätsreserve wird ethisch als relevant eingeschätzt (19). Dies war bei der Einführung der oralen hormonalen Kontrazeption und der IVF gleich. Da die hormonale Kontrazeption, die IVF und die Anlage einer Fertilitätsreserve aus medizinischen Gründen inzwischen weitgehend akzeptiert sind, wäre es ein Widerspruch, das «social freezing» pauschal als ethisch nicht zulässig zu beurteilen. Häufig sind «soziale Gründe» nicht klar von «medizinischen Gründen» abzugrenzen, da beispielsweise die mit zunehmendem Alter abnehmende Fertilität auch als medizinische Indikation interpretiert werden könnte. Dennoch ist die Situation beim «social freezing» mehrschichtig: Die Frau muss bei der Entscheidung für die Konservierung unfertilisierter Eizellen zwar nur die Risiken für die eigene Gesundheit tragen, werden jedoch die Eizellen für eine Schwangerschaft genutzt, so trägt sie auch die gesundheitlichen Risiken des Kindes. Es ist deshalb unabdingbar, dass die Frau korrekt über die Erfolgsaussichten und Risiken des «social freezing» informiert wird. Die Tatsache, dass die Behandlung überhaupt möglich ist und von einigen Grosskonzernen (wie Apple und Facebook) für Mitarbeiterinnen finanziell übernommen wird, kann den Druck auf die Frauen erhöhen. Wenn der Druck dazu führt, den Kinderwunsch aufzuschieben, wird das Konzept der reproduktiven Autonomie wieder untergraben (19). Die Nationale Ethikkommission schreibt dazu in ihrer Stellungnahme Nr. 22/2013 (www.nek-cne.ch) im November 2013, dass die Konservierung der eigenen Eizellen weder das Problem der Partnersuche noch jenes der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben löse. Diese Probleme müssen auch auf gesellschaftlicher und politischer Ebene angegangen werden, unter anderem durch die Förderung der Gleichberechtigung von Frau und Mann. Zusammenfassung Die Anlage einer Fertilitätsreserve ist inzwischen sowohl aus medizinischer wie aus nicht medizinischer Indikation möglich. Die Erfolgschancen sind allerdings stark altersabhängig. Bei der Anlage einer Fertilitäsreserve aus medizinischer Indikation ist eine enge Abstimmung mit den Onkologen erforderlich. Ein Buch mit Anleitungen zu den Indikationen, Risiken und Chancen sowie zu Informationen über die Durchführung der Techniken ist kostenfrei über die Startseite der Website www.ferti-protekt.com abrufbar. Vera Mitter (MSc) Prof. Dr. med. 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