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SCHWERPUNKT
Abklärung und Therapie bei unerfülltem Kinderwunsch
Was ist in der gynäkologischen Praxis möglich?
Ein unerfüllter Kinderwunsch betrifft heutzutage immer mehr Paare. Die Basisabklärung sowie eine konservative Therapie können bereits in der gynäkologischen Praxis erfolgen. Hier präsentieren wir eine Übersicht über die häufigsten Ursachen bei unerfülltem Kinderwunsch und erläutern, was zur Basisabklärung dazu gehört.
ANJA FINK, JARMILA ZDANOWICZ, MICHAEL VON WOLFF
Definitionsgemäss liegt eine Sterilität vor, wenn nach mindestens einem Jahr regelmässigen Geschlechtsverkehrs keine Schwangerschaft eingetreten ist. Bei einer Infertilität ist eine Schwangerschaft ohne reproduktionsmedizinische Hilfe eingetreten, jedoch liegt hier ein Unvermögen zum Austragen einer Schwangerschaft mit konsekutiver Geburt vor. Ist es bereits vormals problemlos zu einer Schwangerschaft gekommen, so spricht man von einer sekundären Paarsterilität. Je nach Situation und Alter sollte bereits vor Ablauf eines Jahres eine Abklärung erfolgen (Tabelle 1). Bei Frauen > 35 Jahren kann bereits nach 6 Monaten eine weiterführende Diagnostik erwogen werden (1).
Aktuelle Situation in der Schweiz
In der Schweiz sind 10 bis 15% der Paare von einer Sterilität betroffen. Nach Angaben des Bundesamtes für Statistik nahmen im Jahre 2015 6055 Frauen eine medizinisch unterstützte Fortpflanzungstherapie in Anspruch. Die Krankenkassen übernehmen meist bis zum 40. Lebensjahr der Frau die Kosten für eine konservative Kinderwunschtherapie mit Stimulation während 12 Monaten sowie drei Inseminationen. Allerdings prüfen die Krankenkassen teilweise bereits vor dem 40. Lebensjahr, ob die Behandlung noch zweckmässig ist. In Ausnahmefällen werden die Kosten aber auch bei Frauen mit über 40 Jahren übernommen, wenn dies überzeugend begründet werden kann. Es muss vor Beginn einer Therapie eine Kostengutsprache bei der Krankenkasse eingeholt werden.
Abklärungen bei Kinderwunsch
Spätestens bei Abklärung eines unerfüllten Kinderwunsches, jedoch sicher vor Beginn einer Therapie, sollte der Impfstatus der Patientin überprüft werden.
Hier ist vor allem ein ausreichender Schutz vor Röteln und Varizellen sicherzustellen. Eine fehlende Impfung sollte unter sicherer Konzeption während eines Monats nachgeholt werden. Weitere Impfempfehlungen sind den Richtlinien des Bundesamtes für Gesundheit zu entnehmen. Auf eine ausreichende Folsäureprophylaxe mit mindestens 400 µg/Tag, in Risikosituation hoch dosiert mit 5 mg/Tag (z.B. bei St.n. Fehlbildungen in einer vorausgegangenen Schwangerschaft, MTHFR-Mutationen, Einnahme bestimmter Medikamente wie z.B. Antiepileptika, Folsäureantagonisten etc.), ist zu achten. Die deutliche Reduktion von Rauchen und das Sistieren von Drogen und übermässigem Alkoholkonsum ist selbstverständlich. Die wichtigsten Parameter bei der Basisabklärung sind in Tabelle 2 aufgeführt. Zunächst sollte bei der Frau wie auch beim Mann eine gute Anamnese erfolgen. Grundlegend ist vor allem eine gute Zyklusanamnese bei der Frau. Zudem gehört auch die Sexualanamnese mit Erfassen der Kohabitationsfrequenz, möglicher Erektions- und Ejakulationsstörungen oder Libidomangel dazu. Bei der Frau sollten aktuelle Zervixabstriche (in der Regel nicht älter als 2 Jahre) vorliegen. Eine Ultraschalluntersuchung kann mögliche Uterus- und Ovarpathologien erfassen sowie zur Bestimmung der antralen Follikelzahl (AFC) dienen. Eine frühzyklische Blutentnahme zwischen dem 2. und 5. Zyklustag mit Bestimmung des Östradiols (E2), FSH, LH, TSH, Prolaktins, AMH und Gesamttestosterons ergänzt die Basisabklärung. Mittels AMH und AFC kann eine Einschätzung der ovariellen Reserve der Frau erfolgen. Beim Mann sollte man vor allem bei einem auffälligen Spermiogramm an mögliche frühere Operationen, frühere und aktuelle Erkrankungen (z.B. Mumps, Varikozelen) im Urogenitalbereich denken. Auch übermässiger Nikotin-, Dro-
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Tabelle 1:
Empfohlener Zeitpunkt einer Abklärung bei unerfülltem Kinderwunsch (modifiziert nach [1])
Unerfüllter Kinderwunsch ≤ 6 Monate
Unerfüllter Kinderwunsch 6–12 Monate Unerfüllter Kinderwunsch > 12 Monate
Indikation I Frauen mit
Oligo-/Amenorrhö Uterus-/Ovarpathologien schwerer Endometriose St. n. Chemotherapie, Radiatio I Frauen, deren Partner eine Erkrankung im Urogenitalbereich, Erektions-/ Ejakulationsstörungen oder eine auffällige Vorgeschichte hat I Frauen > 40 Jahre mit regelmässigem Geschlechtsverkehr ohne o.g. Risikofaktoren I Frauen zwischen 35 und 40 Jahren mit regelmässigem Geschlechtsverkehr ohne o.g. Risikofaktoren I Frauen < 35 Jahre mit regelmässigem Geschlechtsverkehr ohne o.g. Risikofaktoren
Tabelle 2:
Basisabklärung bei unerfülltem Kinderwunsch
Anamnese
Abstriche Ultraschall Hormonanalyse Serologien Spermiogramm
Bei der Frau Dauer des unerfüllten Kinderwunschs? Zyklusanamnese? GV-Frequenz? Medikamente? Nikotin? BMI? Relevante Vorerkrankungen/Voroperationen?
PAP, Chlamydien Pathologien – Uterus, Ovarien? PCO-Syndrom? Frühzyklisch (2.–5. ZT): E2, FSH, LH, TSH, Prolaktin, AMH, Gesamttestosteron Nüchtern: HOMA-Index1 (Glukose, Insulin) Röteln-/Varizellentiter2 Ggf. Blutgruppe –
1 Bei Verdacht auf PCO-Syndrom. 2 Falls nicht nachweislich durchgemacht oder 2 x geimpft.
Beim Mann Erektions-/Ejakulationsstörungen? Erkrankungen/Operationen im Urogenitalbereich? St. n. Mumps? Klinische Zeichen von Testosteronmangel? Anabolika? – Bei stark reduziertem Spermiogramm: Sonografie der Hoden Bei stark reduziertem Spermiogramm: Gesamttestosteron, FSH
–
Konzentration, Motilität, Morphologie, MAR-IgG-Test, ggf. biochemische Analyse, (Fruktose, α-Glukosidase, Zitrat), Aufbereitung
gen- und Anabolikakonsum können zu einer Einschränkung der männlichen Fertilität führen. Auffällige Befunde sollten immer urologisch abgeklärt werden. Zu den häufigsten weiblichen Ursachen für unerfüllten Kinderwunsch zählen: I Hormonelle Dysfunktionen (z.B. Schilddrüsendys-
funktion, Hyperprolaktinämie) I PCOS I Endometriose I Myome und Uterusfehlbildungen I Tubenpathologien I idiopathische Ursache. Auf eine weiterführende Abklärung bei habituellen Aborten (d.h. drei oder mehr Spontanaborte in Folge) wird hier nicht näher eingegangen. Ausführliche Informationen bezüglich Ursachen und Abklärung sind beschrieben worden (2).
Schilddrüsenfunktionsstörungen
Schilddrüsendysfunktionen finden sich häufig bei Frauen im gebärfähigen Alter. Bei unerfülltem Kinderwunsch genügt als Screeningparameter die Bestimmung des Thyreotropin-Releasing-Hormons (TSH), das von der Hypophyse ins Blut sezerniert wird. Für TSH wird präkonzeptionell ein Richtwert von < 2,5 mU/l empfohlen. Häufige Ursachen für eine Hypothyreose sind eine Autoimmunthyreoiditis (v.a. die Hashimoto-Thyreoiditis), aber auch Operationen oder schwerer Iodmangel. Laborchemisch finden sich ein erhöhtes TSH, normale oder erniedrigte fT3- und fT4-Konzentrationen sowie bei einer Hashimoto-Thyreoiditis meist erhöhte Thyreoglobin- (Tg) und Thyroidea-Peroxidase(TPO-)Antikörper (3). Die häufigste Ursache einer Hyperthyreose bei Frauen in der 2. und 3. Lebensdekade ist ein Morbus
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Basedow. Eine latente Hyperthyreose (d.h. TSH < 0,3 mU/l) sollte präkonzeptionell immer abgeklärt werden. Bei einer manifesten Hyperthyreose (erniedrigtes TSH, erhöhte fT3 und fT4) sollten zusätzlich noch die TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) bestimmt werden. Sind diese erhöht, so empfiehlt sich die Therapie mit einem Thyreostatikum (4). Eine Überweisung an beziehungsweise die Mitbetreuung durch einen Endokrinologen ist zu empfehlen.
Hyperprolaktinämie
Prolaktin wird vom Hypophysenvorderlappen ins Blut sezerniert und spielt vor allem bei der Laktation eine Rolle, unterliegt jedoch vielen externen Einflüssen. So können beispielsweise Schlaf, Koitus und Stress das Prolaktin passager erhöhen. Mögliche Beschwerden sind eine beidseitige Galaktorrhö oder Zyklusunregelmässigkeiten. Hauptursachen für eine Hyperprolaktinämie ausserhalb von Schwangerschaft und Stillzeit sind Medikamente (z.B. Antidepressiva, Antiemetika) sowie eine möglicherweise unerkannte oder schlecht eingestellte Hypothyreose. Ist das Prolaktin ohne erkennbare Ursache wiederholt erhöht, so sollte mittels 0-bis-30-Minuten-Test ein blutabnahmebedingter Stress als Ursache ausgeschlossen werden. Auch Makroprolaktin, glykolisiertes Prolaktin mit geringer Bioaktivität, kann als eine Hyperprolaktinämie in Erscheinung treten und sollte laborchemisch abgeklärt werden. Bei Prolaktinwerten > 40–60 ng/ml wird zudem eine Bildgebung mittels MRT empfohlen, um ein Hypophysenadenom auszuschliessen (5). Die Behandlung des Hypophysenadenoms richtet sich nach Grösse und Symptomatik. So wird bei einem Makroadenom > 1 cm mit neurologischer Symptomatik die chirurgische Resektion empfohlen. Bei asymptomatischer Hyperprolaktinämie ohne erkennbare Ursache kann lediglich eine Verlaufskontrolle genügen. Andernfalls ist eine Therapie mit einem Dopaminagonisten möglich, der bei Eintritt einer Schwangerschaft abgesetzt wird.
PCO-Syndrom
Das Polyzystische Ovar-(PCO-)Syndrom betrifft bis zu 15% der Frauen im gebärfähigen Alter. Für die Diagnose des PCO-Syndroms gelten die Rotterdam-Kriterien (6). Hierbei müssen 2 der folgenden 3 Merkmale vorliegen: I Oligo- oder Amenorrhö respektive Oligo- oder
Anovulation I Hyperandrogenämie (laborchemisch: erhöhtes
Gesamttestosteron nach Ausschluss anderer Ursachen) oder Hyperandrogenismus (Hirsutismus mit Ferriman-Gallwey Score > 7 und Akne, aber auch Alopezie oder Seborrhö) I sonografisch in mindestens einem Ovar mindestens 12 Follikel (häufig perlschnurartig angeordnet) mit einem Durchmesser < 10 mm.
Typischerweise liegt bei diesen Patientinnen eine Follikelreifungsstörung vor, sodass sie von einer Follikelstimulationstherapie profitieren. Häufig haben diese Patientinnen zudem einen erhöhten BMI, sodass bereits präkonzeptionell eine Gewichtsreduktion angeraten ist. Ein erhöhter BMI geht nicht nur mit einer erschwerten Konzeption einher, sondern ist auch mit erhöhten Risiken während Schwangerschaft und Geburt vergesellschaftet. Mittlerweile hat sich Metformin zur Begleittherapie bewährt. Als Entscheidungskriterium wird vor allem der HOMA-Index (Nüchtern-Glukose/-Insulin) als Parameter für Insulinresistenz herangezogen (Normwert ca. < 2,0). Hierbei ist zu beachten, dass Metformin aufgrund der Nebenwirkungen schleichend begonnen werden sollte. Eine Verlaufskontrolle der Leberwerte (ASAT, ALAT yGT) ist unter Metformintherapie empfohlen.
Endometriose
Man schätzt, dass 5 bis 10% der reproduktionsfähigen Frauen von einer Endometriose betroffen sind. Das klinische Bild ist heterogen mit typischen Symptomen wie sekundäre, progrediente Dysmenorrhö, Dyspareunie, Dyschezie, Dysurie, aber auch Sterilität. Bei Frauen mit einer Sterilität liegt die Prävalenz der Endometriose bei 20 bis 50%. Die primäre Abklärung der Endometriose erfolgt mittels ausführlicher Anamnese sowie klinischer und sonografischer Untersuchung. Die definitive Diagnose wird histologisch gestellt, die Einteilung wird chirurgisch von mild bis schwer (I bis IV nach rASRM) festgelegt (7). Eine milde Endometriose als alleinige Ursache für eine primäre Paarsterilität konnte bisher nicht abschliessend bestätigt werden (8). Bei höhergradiger Endometriose können Adhäsionen den Eisprung und das Aufnehmen der Oozyte in die Tube hemmen, ebenso kann eine abnormale Follikulogenese und ein reduziertes Fertilitätspotenzial der Oozyten bestehen (9). Ob eine vorgängige Operation die Schwangerschaftschancen bei einer Endometriose rASRM I–II erhöht, wird kontrovers diskutiert, (10, 11), die Sk2Leitlinie empfiehlt den operativen Eingriff (12). Für die höhergradige Endometriose > rASRM II gibt es zurzeit keine randomisierten Studien zum reproduktiven Outcome. Eine medikamentöse Therapie mit Gestagenen oder GnRH-Analoga bei einer Endometriose rASRM I und II zeigte in einer Metaanalyse von 16 randomisierten und kontrollierten Studien keine Verbesserung der Fertilität verglichen mit Plazebo oder zuwartendem Vorgehen (12).
Uterusmyome und Uterusfehlbildungen
Beim Uterus myomatosus spielt die Lokalisation der Myome eine wichtige Rolle. Während submuköse Myome, unabhängig von der Grösse, als mögliche
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SCHWERPUNKT
Tabelle 3:
Übersicht der häufigsten Medikamente bei unerfülltem Kinderwunsch zur konservativen Stimulationstherapie und intrauterinen Insemination
Indikation Monofollikuläre Stimulation
Clomiphencitrat1 FSH
Standarddosierung
50 mg p.o. 1 x tgl. 5.–9. Zyklustag (ZT) ca. 50 IE s.c. 1 x tgl. ab 3.–5. ZT
HMG GnRH-Pumpe
Ovulationsinduktion βHCG
Lutealphasenunterstützung Progesteron
βHCG
ca. 75 IE s.c. 1 x tgl. ab 3.–5. ZT ca. 8 μg s.c. alle 90 Minuten
5000 IE s.c. einmalig 6500 IE s.c. einmalig
200 mg vaginal 1 x tgl. über 14 Tage 90 mg vaginal 1 x tgl. über 14 Tage 3 x 5000 IE s.c. innerhalb der ersten 10 Tage nach Ovulation
1 Nur über die internationale Apotheke, z.B. aus Deutschland, zu beziehen.
Präparat
Puregon®, Gonal- F®, Fostimon®, Pergoveris® Menopur®, Merional® Lutrelef®
Pregnyl®, Choriomon® Ovitrelle®
Utrogestan® Crinone® 8% Pregnyl®, Choriomon®
Sterilitätsfaktoren gelten, haben subseröse Myome kaum Auswirkungen auf die Fertilität (13). Intramurale Myome sind relevant bei Cavumverdrängung. Die operative Technik (Hysteroskopie vs. Laparoskopie) sollte so gewählt werden, dass möglichst wenig Endometrium zu Schaden kommt. Bei Uterusfehlbildungen ist die Ausprägung der Fehlbildung ausschlaggebend. Studien haben eine verminderte Fertilität und ein erhöhtes Abortrisiko insbesondere bei grossen Uterussepten nachgewiesen (14).
Idiopathische Sterilität
Eine idiopathische Sterilität besteht, wenn trotz ausführlicher Abklärungen kein Grund für die ungewollte Kinderlosigkeit gefunden wird. Betroffen sind 10 bis 20% der Sterilitätspaare, davon werden 1 bis 3% der Paare pro Monat spontan schwanger (15). Bei jungen Paaren mit blander Anamnese kann somit ein abwartendes Verhalten vertreten werden. Primär wird ein gesunder Lebensstil zur Erhöhung der Fertilität empfohlen (16). Zudem kann eine Stimulationstherapie, der intrauterine Inseminationen folgen, die Schwangerschaftsrate steigern (17). Sollten diese Massnahmen nicht zu einer Schwangerschaft führen, empfiehlt sich die Zuweisung an ein spezialisiertes Zentrum. Hier zeigt die IVF-Therapie die höchste Schwangerschaftsrate (18).
Weiterführende Diagnostik
Besteht anamnestisch der Verdacht auf eine Tubenpathologie, sollten die Tuben vor der geplanten Therapie auf ihre Durchgängigkeit geprüft werden, jedoch spätestens vor den intrauterinen Inseminationen. Diese Tubenabklärung kann auch ambulant in der Praxis mittels Ultraschall erfolgen: Die Hysterosalpingosonografie hat in mehreren Studien gute Re-
sultate im Vergleich zur Laparoskopie mit Chromopertubation gezeigt (19, 20). Nach Abklärung mittels Hormonanalyse, klinischer Untersuchung und Spermiogramm kann die konservative Stimulationstherapie (s.u.), sofern indiziert, begonnen werden.
Konservative Stimulationstherapie und intrauterine Insemination
Die konservative Stimulationstherapie mit «getimtem» Geschlechtsverkehr wie auch die intrauterine Insemination können in der gynäkologischen Praxis durchgeführt werden. Ist eine Anovulation die Sterilitätsursache, so beträgt die Erfolgschance für eine Schwangerschaft mit Stimulationstherapie pro induzierter Ovulation bei Frauen ≤ 30 Jahren zirka 40%, zwischen 35 und 40 Jahren 30% und > 40 Jahren 20%, entsprechend den Chancen einer Frau mit natürlicher Familienplanung (21).
Das Vorgehen Die Patientin stellt sich in der Praxis meist bei Beginn der Menstruation zum Zystenausschluss mittels sonografischer Kontrolle vor. Danach kann die für die Patientin optimale Stimulationstherapie gewählt werden (Tabelle 3). Kurz vor der zu erwartenden Ovulation erfolgt eine erneute sonografische Kontrolle, bei der die Endometriumsdicke und die Dreischichtigkeit bestimmt und die Anzahl und Grösse der Leitfollikel ausgemessen werden. Optional kann eine Blutentnahme von E2 und LH zur genaueren Bestimmung der Follikelreife erfolgen. Hat ein Follikel die Grösse von mindestens 15 mm erreicht, beträgt die E2-Produktion zirka ≥ 700 pmol/l und die LH-Konzentration < 10 IU/l, wird die Ovulation medikamentös mit HCG ausgelöst. Anschliessend erfolgt 24 Stunden später der «zeitlich optimierte» Geschlechtsverkehr
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beziehungsweise 36 Stunden später die intrauterine Insemination. Die intrauterine Insemination wird durchgeführt bei Paaren mit erfolgloser Therapie bei «optimiertem» Geschlechtsverkehr, milder oder moderater Einschränkung der Spermiogrammparameter, schweren sexuellen Dysfunktionen (wie Vaginismus oder Ejakulationsschwierigkeiten) sowie bei einem zervikalen Faktor. Bei der Insemination wird die Ejakulatprobe des Mannes körperwarm ins Labor gebracht und dort aufbereitet. In der aufbereiteten Probe sollten mindestens eine Million gesamtmotile Spermien vorliegen (22, 23). Das aufbereitete Ejakulat wird der Frau mit so wenig Manipulation wie möglich in den Uterus injiziert. Eine rund 15-minütige anschliessende Ruhephase in einer liegenden Position scheint die Schwangerschaftschance zu erhöhen (24). Die Schwangerschaftsrate bei Inseminationsbehandlungen liegt insgesamt bei 10 bis 15% (25). Wird eine Insemination durchgeführt, weil kein Geschlechtsverkehr möglich ist (z.B. bei Erektionsstörungen), so liegen die Erfolgschancen deutlich höher und dürften im vorherig genannten Bereich für eine induzierte Ovulation liegen. Bei Verdacht auf eine Lutealphaseninsuffizienz wird nach einem «optimierten» Geschlechtsverkehr oder einer intrauterinen Insemination eine zusätzliche medikamentöse Unterstützung der Lutealphase über mindestens 14 Tage empfohlen.
Lutealphaseninsuffizienz
Die Lutealphase (Zeit zwischen Ovulation und Beginn der nächsten Menstruation) dauert immer zwischen 12 und 15 Tagen. Bei einer Lutealphaseninsuffizienz produziert entweder das Corpus luteum nicht genügend Progesteron oder aber die Produktion ist ausreichend, jedoch hat das Progesteron eine ungenügende Wirkung am Endometrium. Daraus resultieren Zwischenblutungen oder «Schmierblutungen» über mehrere Tage vor der nächsten Menstruation. Die Progesteronproduktion kann anhand eines Temperaturanstieges gemessen werden: Die Körpertemperatur steigt um insgesamt etwa 0,5 °C in der Lutealphase und sollte über mindestens 11 Tage erhöht bleiben. Eine laborchemische Bestimmung des Progesterons wird nicht empfohlen (26). Bei einer Lutealphaseninsuffizienz kann das Progesteron vaginal oder oral substituiert werden und sollte ab Eintritt einer Schwangerschaft bis zum Ende der 13. Schwangerschaftswoche gegeben werden.
Überweisung ans Zentrum
Bei fortgeschrittenem Alter der Frau, unklaren oder
relevant pathologischen Befunden in der Basisab-
klärung oder bei Versagen der konservativen Stimu-
lationstherapie sollte eine zeitnahe Zuweisung an ein
auf Reproduktionsmedizin spezialisiertes Zentrum er-
folgen.
I
Dr. med. Jarmila A. Zdanowicz E-Mail: jarmila.zdanowicz@insel.ch
Dr. med. Anja Fink E-Mail: anja.fink@insel.ch
Prof. Dr. med. Michael von Wolff
Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital 3010 Bern
Interessenkonflikte: keine.
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