Transkript
Bericht zur Fortbildungstagung «Gyn – Endo – Repro» 2016
Weltkongresse der ISGE, NAMS, ESHRE im Resümee – Olten, Herbst 2016
Highlights der Weltkongresse 2016 –Teil 1
Zum fünften Mal fand im Herbst 2016 die Fortbildung «Weltkongresse» zu den Themenbereichen Gynäkologische Endokrinologie, Reproduktionsmedizin und Pränatalmedizin statt, bei der die Kongress-Highlights des letzten Jahres kondensiert und Neues sowie Praxisrelevantes vorgestellt wurden. In diesem ersten Teil werden fünf der Kongress-Highlights vorgestellt, acht weitere folgen im zweiten Teil (GYNÄKOLOGIE 2/2017).
MICHAEL VON WOLFF, BÉATRICE MOSIMANN, PETRA STUTE
Veranstaltet wurde diese Fortbildung wiederum von der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Universitäts-Frauenklinik am Inselspital Bern. Der Ausrichtungsort Olten wurde wegen der guten Erreichbarkeit von der gesamten Schweiz aus beibehalten. Mit abermals über 200 Teilnehmern hat sich die Veranstaltung fest im Fortbildungskalender vieler Gynäkologen und Gynäkologinnen etabliert. Erstmalig wurde das Vortragsspektrum auf die Pränatalmedizin, vertreten durch Béatrice Mosimann, erweitert.
International Society of Gynecological Endocrinology, Florenz
Ist die Schwangerschaftschance bei einem dünnen Endometrium verringert? Seitdem es möglich ist, songrafisch die Endometriumdicke zu messen, wird darüber diskutiert, ob die Schwangerschaftschance bei einem dünnen Endometrium verringert ist. Eine Metaanalyse (1) hat gezeigt, dass bei einer In-vitroFertilisations-Behandlung (IVF) ein Endometrium von ≤ 7 mm mit erniedrigten Schwangerschaftsraten assoziiert ist (RR: 0,42; 95%-KI: 0,27–0,67), was bei Patientinnen oft zu einer Verunsicherung führt. Allerdings ist nicht klar, ob die Dicke des Endometriums wirklich ein unabhängiger Prognosefaktor für eine Schwangerschaft ist. So wäre es beispielsweise denkbar, dass ein schlechtes ovarielles Ansprechen zu wenigen Eizellen und somit «eizellbedingt» zu einer geringeren Schwangerschaftsrate führt. Ein dünneres Endometrium könnte nur eine Folge
einer geringeren Östrogenkonzentration sein. Das geringere ovarielle Ansprechen und die damit einhergehende Eizellzahl wären somit die Ursachen der geringeren Schwangerschaftschance, nicht aber die Dicke des Endometriums. Die Studie: Aufgrund dieser Erkenntnisse hat die Arbeitsgruppe um Griesinger aus Lübeck die Daten von zwei grossen Studien zur Wirksamkeit intrakutan applizierter Gestagene in der Lutealphase untersucht (2, 3), da die Homogenität beider Studien und die grosse Fallzahl (n = 1483) auch eine Analyse des Effektes der Endometriumdicke erlaubt. Die Lebendgeburtenrate betrug bei einer Endometriumdicke von < 9 mm 27,4% und war damit signifikant niedriger als bei einer Endometriumdicke von 9 bis 11 mm (38,4%) und bei einem noch dickeren Endometrium. Wurden weitere Prädiktoren für den Eintritt einer Schwangerschaft (Eizellzahl, Östradiolkonzentration etc.) bei der Auswertung mit berücksichtigt, so war die Endometriumdicke jedoch nicht mehr mit der Schwangerschaftschance assoziiert. Fazit für die Praxis: Die Endometriumdicke ist bei einer IVF möglicherweise eher ein Sekundärphänomen eines geringeren ovariellen Ansprechens mit einer darauf beruhenden geringeren Schwangerschaftsrate und nicht ein unabhängiger Prognosefaktor für den Eintritt einer Schwangerschaft. Aufgrund dessen sollten Patientinnen nicht unnötig beunruhigt werden, wenn das Endometrium etwas dünner ist. Aber: Alle bisherigen Daten beruhen nur auf Gonadotropin-stimulierten IVF-Behandlungen. Es ist vollkommen unklar, ob In der Oltener Fortbildung zu den Weltkongressen der Gynäkologischen Endokrinologie, Reproduktionsmedizin und Pränataldiagnostik berichten die Experten von den Kongressen: I der ISGE (International Society of Gyne- cological Endocrinology) in Florenz 2016 I der NAMS (North American Menopause Society) in Orlando 2015 und I der ESHRE (European Society of Human Reproduction and Embryology) in Helsinki 2016. Als «Special» wurde das Thema «Schlaf» in Form eines Dialogs zwischen Petra Stute und Michael von Wolff vorgetragen. Die Vorträge und Evaluationsberichte sowie eine Fotogalerie sind auf der Website www.weltkongresse.ch abrufbar. Die nächste Veranstaltung «Weltkongresse Gyn-Endo-Repro» findet am 28. September 2017 wieder im Stadttheater Olten statt. und inwieweit die Endometriumdicke in unstimulierten Zyklen mit der Schwangerschaftsrate assoziiert ist. Kann ein Asherman-Syndrom mit Stammzellen therapiert werden? Das Asherman-Syndrom, das überwiegend infolge einer Kürettage entsteht (4), geht meistens mit einer Sterilität einher. Vielfältige Therapieversuche wie eine Synechiolyse, danach einer zyklischen Östradiol/Progesteron-Gabe, der Einlage eines Kupfer-IUD, eines Foley-Katheters über 10 Tage oder die intrauterine Applikation von Hyaluronsäure wurden getestet, allerdings mit einem zumeist unbefriedigendem Ergebnis. Aufgrund dessen wurden von der Arbeitsgruppe um C. Simon in Valencia umfangreiche Studien durchgeführt, die zeigten, dass das Endometrium mesenchymale Stammzellen enthält, dass diese wahrscheinlich aus dem Knochenmark in das Endometrium einwandern und dass sie nach einer GCSF-Stimulation gewonnen wer- GYNÄKOLOGIE 1/2017 27 Bericht zur Fortbildungstagung «Gyn – Endo – Repro» 2016 Weltkongresse der ISGE, NAMS, ESHRE im Resümee – Olten, Herbst 2016 den können (5). Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurde vorgeschlagen, die Stammzellen zu gewinnen, zu isolieren und zur Regeneration eines atrophen Endometriums zu nutzen. Die Studie: Aufgrund dessen wurde in Spanien von der Arbeitsgruppe um Simon eine prospektive, experimentelle, nicht kontrollierte Studie mit 16 Frauen im Alter von 30 bis 45 Jahren mit einem Asherman-Syndrom und/oder einer endometrialen Atrophie durchgeführt (6). Nach der Gewinnung von CD133Stammzellen durch eine GCSF-Stimulation und einer katheterunterstützten Injektion der Zellen in die endometrialen Arteriolen wurden als Zielkriterien unter anderem die endometriale Dicke, die Neoangiogenese und die Schwangerschaftsrate 3 und 6 Monate nach der Injektion der Zellen gemessen. Die maximale Dicke des Endometriums betrug vor der Behandlung im Durchschnitt 4,3 mm (2,7–5) und nach der Behandlung 6,5 mm (3,1–12) (p = 0,004), und die Anzahl reifer Blutgefässe war 3 (nicht aber 6) Monate nach der Behandlung signifikant erhöht. 10 der 16 Frauen wurden schwanger. 3 Spontanschwangerschaften führten zu 1 Geburt, zu 1 fortlaufenden Schwangerschaft und zu 1 Fehlgeburt. 7 IVF-Schwangerschaften führten zu 1 Geburt, 1 fortlaufenden Schwangerschaft, 1 EUG und zu 3 biochemischen Schwangerschaften. Abbildung 1: Die Veranstaltung «Weltkongresse» fand auch 2016 wieder an bewährter Lage im Stadttheater Olten statt. Fazit für die Praxis: Eine Behandlung eines AshermanSyndroms mit Stammzellen ist möglicherweise eine realistische Option bei einer Sterilität. Allerdings sind weitere Studien zur Effektivität dieser Behandlung und zum Ausgang der eingetretenen Schwangerschaften erforderlich. European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) Erfordert die Natural-Cycle-IVF eine Lutealphasensupplementation (P727)? Bei der IVF und bei der Low-dose-FSHStimulation wird in der Regel eine Lutealphasensupplementation, meist mit vaginal appliziertem Progesteron, durchgeführt. Dies ist erforderlich, da aufgrund der hohen Östradiol-(E2-)Konzentratio- Abbildung 2: Kern der Fortbildung war nicht nur die Präsentation von Fakten. Bei den Diskussionen von Petra Stute und Michael von Wolff wurden zusätzlich klinikrelevante Punkte herausgearbeitet. nen die hypophysäre LH-Freisetzung gehemmt und somit die Gelbkörperfunktion gestört wird. Eine vaginale Progesterongabe führt jedoch bei 10 bis 50% der Frauen zu Nebenwirkungen (7, 8). Bei der Natural-Cycle-IVF bleiben die E2Konzentrationen zwar im physiologischen Bereich, aber eine Funktionsstörung des Gelbkörpers ist durch die Aspiration und den Verlust von Granulosazellen durch die meist durchgeführte Follikelspülung denkbar. Studie: Aufgrund dessen wurde in der Universitäts-Frauenklinik Bern in der Arbeitsgruppe um von Wolff bei 23 Frauen zunächst ein Zyklus durchgeführt, bei dem HCG zur Ovulationsinduktion ver- abreicht, nicht aber eine Follikelaspiration durchgeführt wurde. In einem Folgezyklus erfolgte ein identischer Zyklus, aber mit einer Aspiration und einer mehrfachen Spülung der Follikel. Bestimmt wurden in allen Zyklen die Lutealphasenlänge (primäres Zielkriterium) und dreimalig die Konzentration von E2 und Progesteron (sekundäres Zielkriterium). Weder die Lutealphasenlänge noch die Hormonkonzentrationen waren in den beiden Zyklen verschieden. Fazit für die Praxis: Eine Lutealphasensupplementation scheint bei der Natural-Cycle-IVF nicht erforderlich zu sein. In Bern wird 28 GYNÄKOLOGIE 1/2017 Bericht zur Fortbildungstagung «Gyn – Endo – Repro» 2016 Weltkongresse der ISGE, NAMS, ESHRE im Resümee – Olten, Herbst 2016 aufgrund der Studienergebnisse inzwischen auf eine Lutealphasensupplementation verzichtet, was ein weiterer Schritt in Richtung einer maximal vereinfachten und somit minimal belastenden IVF-Therapie ist. täglichen Praxis durchgeführt werden sollte. Diese Daten lassen jedoch nicht die Schlussfolgerung zu, dass eine Liegezeit auch nach dem Geschlechtsverkehr von Vorteil ist – stellen dies aber zur Diskussion. Prof. Dr. med. Michael von Wolff (Erstautor, Korrespondenzadresse) E-Mail: Michael.vonWolff@insel.ch und Prof. Dr. med. Petra Stute Ist es sinnvoll, nach einer intrauterinen Insemination (IUI) kurz liegen zu bleiben (O165)? Eine 2009 publizierte Studie (9) hatte gezeigt, dass die Lebendgeburtenrate steigt, wenn Frauen nach einer IUI nicht direkt aufstehen, sondern 15 Minuten lang liegen bleiben (17% vs. 27%, RR: 1,6; 95%-KI: 1,1–2,4). Allerdings wurde diese Studie wegen der fehlenden biologischen Plausibilität und des heterogenen Studienkollektivs vielfach kritisiert. Studie: Aufgrund dessen wurde nochmals eine prospektive, randomisierte, multizentrische Studie mit 391 Paaren in den Niederlanden von der Arbeitsgruppe um van Rijswijk et al. durchgeführt, bei der 3 IUI-Zyklen ohne eine Stimulation und danach 3 Zyklen mit einer Low-dose-FSH-Stimulation bei Paaren mit einer seit 1,8 bis 3,6 Jahren bestehenden milden andrologischen oder idiopathischen Sterilität durchgeführt wurden. Die Frauen wurden randomisiert angewiesen, entweder nach der IUI sofort aufzustehen oder 15 Minuten liegen zu bleiben. Die fortlaufende Schwangerschaftsrate (primäres Zielkriterium) betrug 29,2% versus 37,0% (RR: 0,79; 95%KI: 0,61–1,02) und die Lebendgeburtenrate (sekundäres Zielkriterium) 28,3% versus 35,0% (RR: 0,79; 95%-KI: 0,62–1,06). Fazit für die Praxis: Gemäss der zweiten durchgeführten niederländischen Studie erhöht eine Liegephase von 15 Minuten statistisch die Schwangerschafts- und Geburtenrate nicht. Es lag aber ein deutlicher Trend in Richtung einer Erhöhung vor, sodass zusammen mit der ersten Studie davon auszugehen ist, dass eine Liegezeit tatsächlich von Vorteil ist und eine solche nach der IUI in der Essure® – eine Alternative zur Salpingektomie bei einer Hydrosalpinx (O201)? Hydrosalpingen verdoppeln bei einer IVF die Fehlgeburtenrate und halbieren die Lebendgeburtenrate (10). Aufgrund dessen wird bei Hydrosalpingen vor einer IVF eine Salpingektomie empfohlen, die zu einer signifikanten Erhöhung der Schwangerschaftsrate (RR: 2,31; 95%-KI: 1,48–3,62) führt. Alternativ können die Tuben proximal koaguliert werden, was die Schwangerschaftsrate ebenfalls erhöht (RR: 4,66: 95%-KI: 2,47–10,01) (11). Zur Vermeidung einer Laparoskopie oder bei einem Adhäsionssitus, der eine Salpingektomie gegebenenfalls verunmöglicht, wäre möglicherweise ein Tubenverschluss mittels hystersokopisch einzulegender intratubarer Essure®-Spiralen eine Alternative. Studie: Aufgrund dessen wurden in den Niederlanden von der Arbeitsgruppe um Dreyer et al. 85 Frauen mit ein- oder beidseitigen Hydrosalpingen randomisiert. Ihnen wurden entweder die Essure®Spirale eingelegt oder die Tuben entfernt. Im Anschluss führten sie eine IVF durch. Die Schwangerschaftsrate (primäres Zielkriterium) betrug nach dem Transfer aller Embryonen in der Essure®-Gruppe 26,2% (vs. 55,8% in der Salpingektomie-Gruppe) (RR: 0,47; 95%-KI: 0,27–0,83) und die Lebendgeburtenrate (sekundäres Zielkriterium) 21,4% (vs. 46,0%) (RR: 0,46; 95%-KI: 0,24–0,89). Fazit für die Praxis: Bei Hydrosalpingen führt die Essure®- Spirale zu einer signifikant geringeren Schwangerschafts- und Geburtenrate als eine Salpinkektomie, weswegen vor einer IVF selbst bei einem Adhäsionssi- tus weiterhin eine Salpingektomie an- gestrebt werden sollte. I und Dr. med. Béatrice Mosimann Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Universitäts-Frauenklinik Inselspital 3010 Bern Die Autoren geben keinen Interessenkonflikt an. Quellen: 1. Kasius A, Kleinstein J. (Luteal Phase Study Group): Efficacy and tolerability of vaginal progesterone capsules (Utrogest 200) compared with progesterone gel (Crinone 8%) for luteal phase support during assisted reproduction. Fertil Steril 2005; 83: 1641–1649. 2. Lockwood G, Griesinger G, Cometti B.: Subcutaneous progesterone versus vaginal progesterone gel for luteal phase support in in vitro fertilization: a noninferiority randomized controlled study. Fertil Steril. 2014; 101: 112–119. 3. Baker VL, Jones CA, Doody K et al.: A randomized, controlled trial comparing the efficacy and safety of aqueous subcutaneous progesterone with vaginal progesterone for luteal phase support of in vitro fertilization. Hum Reprod. 2014; 29: 2212–2220. 4. Conforti A, Alviggi C, Mollo A et al.: The management of Asherman syndrome: a review of literature. Reprod Biol Endocrinol. 2013; 11: 118. 5. Cervelló I, Gil-Sanchis C, Mas A et al. Human endometrial side population cells exhibit genotypic, phenotypic and functional features of somatic stem cells. PLoS One. 2010; 5: e10964. 6. Santamaria X, Cabanillas S, Cervelló I et al.: Autologous cell therapy with CD133+ bone marrow-derived stem cells for refractory Asherman’s syndrome and endometrial atrophy: a pilot cohort study. Hum Reprod. 2016; 31: 1087–1096. 7. Kleinstein J. (Luteal Phase Study Group): Efficacy and tolerability of vaginal progesterone capsules (Utrogest 200) compared with progesterone gel (Crinone 8%) for luteal phase support during assisted reproduction. Fertil Steril 2005; 83: 1641–1649. 8. Simunic V, Tomic V, Tomic J, Nizic D.: Comparative study of the efficacy and tolerability of two vaginal progesterone formulations, Crinone 8% gel and Utrogestan capsules, used for luteal support. Fertil Steril 2007; 87: 83–87. 9. Custers IM, Flierman PA, Maas P et al.: Immobilisation versus immediate mobilisation after intrauterine insemination: randomised controlled trial. BMJ. 2009; 339: b4080. 10. Zeyneloglu HB, Arici A, Olive DL.: Adverse effects of hydrosalpinx on pregnancy rates after in vitro fertilization-embryo transfer. Fertil Steril. 1998; 70: 492–499. 11. Johnson N, van Voorst S, Sowter MC et al.: Surgical treatment for tubal disease in women due to undergo in vitro fertilisation. Cochrane Database Syst Rev. 2010: CD002125. 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