Transkript
EDITORIAL
Z wei Namen sind mit den Begriffen Dysplasie und HPV eng verbunden: George Nicholas Papanicolaou (1883–1962) und Harald zur Hausen (geb. 1936). Im Jahr 1943 veröffentlichte Papanicolaou seine weltberühmte Publikation «Diagnosis of Uterine Cancer by the Vaginal Smear». Der weitverbreitete Einsatz der Zytologie in den Siebzigerjahren, also viele Jahre später, führte zu einer drastischen Reduktion der Inzidenz an Zervixkarzinomen. Obwohl Papanicolaou mehrfach für den Medizinnobelpreis nominiert wurde, erhielt er diese Auszeichnung nie. Ganz im Gegensatz zu Harald zur Hausen, der 2008 den Nobelpreis für Medizin erhielt: Er formulierte die Hypothese, dass das Zervixkarzinom durch das Humane Papillomavirus (HPV)
Die Dysplasie-Sprechstunde
16/18 verursacht wird. Zur Hausen gelang es, diese Virustypen aus Biopsien zu isolieren. Dies führte zu einem besseren Verständnis der virusinduzierten Karzinogenese und schaffte die Grundlagen zur Entwicklung der HPV-Impfung.
Revolutionäre Diagnosetechniken in rascher Folge Die Sensitivität eines einzelnen konventionellen Pap-Abstriches liegt bei nur 40 bis 50%. Grund dafür sind unter anderem eine schlechte Entnahmetechnik, mangelnde Qualitätskontrollen sowie eine hohe Interobservervariabilität. Verbessert wird die Situation durch die Kolposkopie und die neuen Möglichkeiten der HPV-Diagnostik: Die unter kolposkopischer Sicht entnommene gezielte Knipsbiopsie ermöglicht eine histologische Diagnose des auffälligsten zervikalen Bezirkes. Dies und der in ausgewählten Fällen eingesetzte HPV-Test erlauben eine sicherere Einschätzung der vorliegenden Situation und – nicht selten – die Vermeidung einer unnötigen Konisation respektive Übertherapie. Die Abklärung setzt allerdings gute Kenntnisse in der Basis- und Differenzialkolposkopie und/oder die Einrichtung von Dysplasie-Sprechstunden für die Zuweisung komplexer Fälle voraus. Cornelia Betschart und Kollegen zeigen in ihrem Artikel die Bedeutung kolposkopischer Befunde für einen eventuellen Therapieentscheid auf und erläutern dabei die aktuelle Klassifikation.
Medikamente erweitern die Palette der Therapieoptionen Neben der Durchführung der Diagnostik wird in der Dysplasie-Sprechstunde das weitere Management im Detail besprochen. Werden Behandlungen bei zervikaler, vaginaler und vulvärer Dysplasie (CIN, VAIN, VIN) festgelegt, können diese – falls ambulant möglich – auch hier durchgeführt werden. Therapeutisch kommen dabei neben lokaler Exzision oder Lasertherapie zunehmend auch Medikamente infrage. Gian-Piero Ghisu und Kollegen beschreiben in ihrem Artikel sowohl die Therapieindikationen als auch die -möglichkeiten.
HPV-Impfung und -Test mit grossen Potenzialen Mit dem HPV-Impfstoff werden Infektionen mit den häufigsten HPV-Typen primär sowie deren Folgen zum Teil auch posttherapeutisch verhindert. In der Sekundärprävention erhöht der HPV-Test in Kombination mit dem Pap-Abstrich die Sensitivität für das Erkennen zervikaler Dysplasien. Gleichzeitig hilft der HPV-Test in ausgewählten Situationen bei der Beurteilung des Risikopotenzials zervikaler Dysplasien. Astrid Baege und Kollegen fassen in ihrem Artikel die in der gynäkologischen Praxis notwendigen Kenntnisse zum Einsatz dieser Präventivmassnahmen zusammen.
Wir hoffen, Ihnen mit dieser Themenpalette eine Hilfe für den Praxisalltag geleistet zu haben, und wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen dieser Ausgabe.
Prof. Dr. med. Daniel Fink Direktor Klinik für Gynäkologie
Universitätsspital Zürich
GYNÄKOLOGIE 4/2016
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