Transkript
Kongressbericht
San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), Dezember 2015
Knochenkomplikationen unter Aromatasehemmertherapie/Denosumab
Osteoprotektion plus verlängertes krankheitsfreies Überleben
Der RANKL-Inhibitor Denosumab schützt Patientinnen mit Mammakarzinom unter Aromatasehemmertherapie vor osteoporotischen Frakturen und verlängert die progressionsfreie Zeit. Diese Daten wurden auf dem San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) präsentiert. An einem Fachpresseworkshop fasste der Gynäkoonkologe Prof. Dr. Ingo J. Diel die derzeitige Datenlage zusammen.
Bereits jüngere Frauen mit Mammakarzinom haben aufgrund der Tumorerkrankung und der tumoraktiven Therapie ein erhöhtes Risiko für einen Knochenmasseverlust. Bei postmenopausalen Frauen kommt das Alter als zusätzlicher Risikofaktor hinzu. Bei Patientinnen mit hormonsensitivem Mammakarzinom wird die Knochendichte zudem durch antihormonelle Therapien negativ beeinflusst. Mit dem humanen monoklonalen Antikörper Denosumab gibt es zusätzlich zu den schon länger etablierten Bisphosphonaten eine wichtige medikamentöse Option zur Knochenprotektion. Der Antikörper bindet mit hoher Spezifität an das Protein RANK-Ligand (RANKL) und hemmt dadurch die RANKL-induzierte Osteoklastenfunktion.
Dosis hängt von Indikation ab
Während Denosumab zur Behandlung der Osteoporose in einer Dosis von 2-mal jährlich 60 mg s.c. als Prolia® eingesetzt wird, ist es für die Prävention von skelettbezogenen Komplikationen bei Patienten mit Knochenmetastasen aufgrund solider Tumoren in der Dosierung von 120 mg s.c. alle 4 Wochen als XGEVA® zugelassen – also in der 12-fachen Dosis, wie Diel hervorhob. Doch es gibt mittlerweile auch Studien zur osteoprotektiven Wirksamkeit in der niedrigeren Dosierung: In einer kleineren Studie erhielten insgesamt 252 Frauen mit Aromatasehemmer-induzierter Osteopenie entweder Denosumab in der Prolia®-Dosierung (60 mg s.c. alle 6 Monate) oder in gleichen Intervallen Plazebospritzen (1). Es konnte eine signifikante Zunahme der Knochendichte nachgewiesen werden,
mit einem Unterschied zu Plazebo von 5,5% nach 1 und 7,6% nach 2 Jahren. Allerdings lieferte diese Studie keine Frakturdaten.
ABCSG-18-Studie: Signifikante Reduktion osteoporotischer Frakturen und …
Das wurde inzwischen in der Phase-IIIStudie Nummer 18 der Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group (ABCSG18) nachgeholt. Deren Auswertungen wurden bei der Jahrestagung der ASCO im Juni 2015 und zuletzt mit allerneuesten Daten im Dezember 2015 beim SABCS präsentiert sowie ferner im «Lancet» publiziert (2–4). Denosumab wurde in der 60-mg-Dosis alle 6 Monate subkutan gespritzt und mit Plazebo verglichen. Insgesamt 3425 postmenopausale Patientinnen mit primärem HR-positivem Mammakarzinom, das mit einem Aromatasehemmer behandelt wurde, erhielten randomisiert den Antikörper oder das Plazebo. Das geschätzte 6-Jahres-Frakturrisiko in der Denosumab-Gruppe betrug 10% gegenüber 20% in der Plazebogruppe (Hazard Ratio 0,50; p < 0,0001). Auch die Inzidenz vertebraler Frakturen wurde unter Denosumab halbiert. Unter Denosumab war eine Verbesserung der Knochendichte in der Lendenwirbelsäule, der Hüfte und dem Oberschenkelhals festzustellen, während unter Plazebo die Knochendichte an diesen Lokalisationen abnahm (p = jeweils < 0,0001). Subgruppenauswertungen zeigten, dass sowohl Frauen mit normaler Knochendichte bei Randomisierung als auch diejenigen mit einer Osteopenie bezüglich der Frakturprävention von der Denosumab-Therapie profitierten.
… Verlängerung des progressionsfreien Überlebens erreicht
In einer auf dem SABCS präsentierten Analyse konnte für Denosumab auch ein Vorteil hinsichtlich des sekundären Endpunkts krankheitsfreies Überleben (DFS) dokumentiert werden, der in der ITTAnalyse das Signifikanzniveau knapp verpasste (HR: 0,816; p = 0,051) (4). «Das ist aber das Problem der Auswertung, die vorzeitig erfolgen musste», betonte hierzu Prof. Diel. Denn leider erwies sich der eindeutige Erfolg dieser Studie hinsichtlich der Frakturreduktion auch als Bremse im Hinblick auf den Nachweis des krankheitsfreien Überlebens, da dieser Erfolg in der Frakturprävention zur Entblindung nach einer ersten Datenanalyse führte. Die DFS-Daten basieren daher auf den bis zur Entblindung vorliegenden 370 DFS-Ereignissen, von denen 203 unter Plazebo und 167 unter Denosumab in einer medianen Follow-up-Zeit von 4 Jahren registriert wurden. Der dennoch darstellbare positive Effekt von Denosumab, der nach 5 Jahren einen Vorteil von absolut 2,1% ausmachte, schien dabei bei Frauen mit grösseren Tumoren über 2 cm (HR: 0,66; p = 0,017), duktal invasiver Histologie (HR: 0,79; p = 0,048), mit Östrogen- plus Progesteron-sensitiven Tumoren (HR: 0,75; p = 0,013) sowie bei gleichzeitigem Start der Aromatasehemmer- und Denosumab-Therapie am deutlichsten ausgeprägt zu sein. So profitierten beispielsweise Frauen mit einer Tumorgrösse oberhalb von 2 cm mit einer Risikoreduktion für Rezidive um absolut 10,5% nach 7 Jahren. «Der positive Effekt von Denosumab auf das DFS wird zusätzlich zur Reduktion des Frakturrisikos erreicht. Man schlägt also zwei Fliegen mit einer Klappe und verbessert sowohl die Knochengesundheit als auch das DFS», betonte Diel: «Ich hoffe, dass eine neue, derzeit laufende Analyse tatsächlich diese Daten noch erhärtet.»
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Kongressbericht
San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), Dezember 2015
Nebenwirkungen auf Plazeboniveau
Die komplementäre Denosumab-Gabe wurde insgesamt gut vertragen. Die Inzidenz von unerwünschten Wirkungen wie auch diejenige von schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen war in beiden Gruppen ohne signifikante Unterschiede und hauptsächlich durch die Aromatasehemmer-Therapie bedingt, mit 80% in der Denosumab- und mit 79% in der Plazebogruppe. Bezüglich des potenziellen Osteonekroserisikos konnte Entwarnung gegeben werden: Zwar wurden unter Denosumab 31 Fälle von dentalen Veränderungen berichtet, die jedoch in keinem Fall die Kriterien einer Kieferosteonekrose erfüllten. Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse empfahlen die Autoren der Studie, postmenopausalen Frauen mit Mammakarzi-
nom, die Aromatasehemmer erhalten sollen, eine begleitende osteoprotektive Therapie mit Denosumab anzubieten.
Ausblick: D-CARE
Als weitere Studie zum Einsatz von Denosumab bei Brustkrebspatientinnen läuft derzeit D-CARE unter der Leitung von Prof. Robert Coleman aus Sheffield/ Grossbritannien. Diese Studie soll zeigen, ob mit Denosumab die Knochenmetastasierung verzögert oder diese sogar verhindert werden kann. Aufgenommen wurden 4500 Patientinnen mit primärem Mammakarzinom und hohem Rekurrenzrisiko. Hier wird Denosumab nach einem anderen Schema verwendet: Zusätzlich zur adjuvanten Standardtherapie erhalten die Patientinnen der Verumgruppe in den ersten 6 Monaten einmal pro Monat 120 mg Denosumab subkutan,
danach alle 3 Monate 120 mg subkutan
für 4,5 Jahre. Über die komplette Zeit von
5 Jahren erfolgt zudem eine Vitamin-D-/
Kalzium-Supplementierung. Der primäre
Endpunkt ist die knochenmetastasenfreie
Überlebenszeit. Die Rekrutierung wurde
bereits im August 2012 abgeschlossen.
«Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr die
ersten Daten haben», sagte Diel.
L
Adela Žatecky
Quelle: 32. Münchner Fachpresse-Workshop der Agentur POMME-med mit Highlights vom Jahreskongress der ASH 2015 und vom SABCS 2015, 13.1.16 in München.
Referenzen: 1. Ellis GK et al.: J Clin Oncol 2008: 4875. 2. Gnant M et al.: Lancet 2015; 386: 433. 3. Gnant M et al.: ASCO 2015, Abstract 504. 4. Gnant et al.: SABCS 2015, Abstract S2-02.
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