Transkript
EXPERTENBRIEF NR. 42 DER GYNÉCOLOGIE SUISSE SGGG – NEUBEARBEITUNG
In der GYNÄKOLOGIE werden – nach Auswahl der Herausgeber – an dieser Stelle aktuelle Expertenbriefe publiziert (verifizierte Printform).
Evidenzlevel*
Expertenbrief Nr.42 (ersetzt Nr.28)
(siehe auch: http://sggg.ch/de/members_news/1005)
Kommission Qualitätssicherung Präsident Prof. Dr. med. Daniel Surbek
Aktuelle Empfehlungen zur menopausalen Hormontherapie (MHT)
Anwendung und Effektivität der menopausalen Hormontherapie wurden von Experten der SGGG – nach neueren Erkenntnissen und Studiendaten der Women’s Health Initiative (WHI) sowie aktuellen randomisierten sowie Beobachtungsstudien hinsichtlich ihres Evidenzlevels neu bewertet.
Martin Birkhäuser, Regina Bürki, Christian De Geyter, Bruno Imthurn, Katharina Schiessl, Isabelle Streuli, Petra Stute, Dorothea Wunder
Allgemeine Grundsätze
I Sexualhormone spielen über die ganze Lebenszeit für das körperliche und seelische Wohlbefinden und für den Stoffwechsel eine entscheidende Rolle.
I Durch den postmenopausalen Mangel an Estrogenen und anderen Sexualsteroiden kann es neben dem klimakterischen Syndrom zur Abnahme der Trophik des Bindegewebes, zu Stoffwechselveränderungen mit Folgeerkrankungen wie postmenopausaler Osteoporose, Diabetes mellitus Typ II oder kardiovaskulären Erkrankungen, zu Störungen des vegetativen und zentralen Nervensystems und zu einer Beeinträchtigung von Sexualität und Lebensqualität kommen.
I Bei symptomatischem Estrogenmangel kann eine menopausale Hormontherapie (MHT) sinnvoll sein.
I Jede MHT braucht eine Indikation und muss individualisiert sein.
I Bei frühem Beginn nach der Menopause kann eine individualisierte MHT in mittlerer und niedriger Dosierung bei gesunden Frauen als sicher eingestuft werden.
I Die Bezeichnung der verwendeten Estrogendosierungen (im Handel erhältliche Dosierungen, Bioäquivalenz nicht untersucht) ist in der Tabelle aufgeführt.
I Innerhalb des «günstigen Fensters» (Beginn der MHT innerhalb der ersten 10 Jahre nach der Menopause respektive vor dem 60. Altersjahr) übersteigt der Nutzen die Risiken.
I Vor Beginn der MHT soll die Ärztin/der Arzt die Patientin ausführlich über die Auswirkungen eines Estrogenmangels, die praktischen Möglichkeiten zu deren Behandlung und den Nutzen und die Risiken einer MHT aufklären.
I Eine systemische Estrogen-Monotherapie eignet sich nur für Frauen nach Hysterektomie.
I Bei intaktem Uterus ist zum Schutz des Endometriums die zusätzliche Verabreichung von mikronisiertem Progesteron oder einem synthetischen Gestagen erforderlich. Alternativ steht die direkte Abgabe eines Gestagens mittels IUD zur Verfügung.
I Die altersabhängige Gewichtszunahme ist bei Frauen unter MHT geringer als bei unbehandelten Frauen.
I Die zur MHT verwendeten Präparate weisen unterschiedliche Risiken und Nutzen auf. Insbesondere für Gestagene ist der Begriff «Klasseneffekt» verwirrend und falsch.
I Es ist nicht notwendig und sinnvoll, die Anwendungsdauer der MHT willkürlich zu beschränken.
I Jede MHT sollte jährlich reevaluiert werden. I Frauen mit prämaturer Ovarialinsuffizienz (POI; < 40.
Lebensjahr) und früher Menopause (< 45. LJ) ohne Kontraindikationen sollen eine MHT bis zum Erreichen des durchschnittlichen Menopausenalters (51. LJ) erhalten. I Eine Androgensubstitution sollte Frauen mit Symptomen einer Androgen-Insuffizienz (v.a. reduziertes sexuelles Verlangen und verminderte Erregbarkeit) vorbehalten bleiben.
Empfehlungen zur Anwendung einer MHT bei Frauen mit zeitgerechter Menopause
Klimakterisches Syndrom Systemische Symptome I Bei vasomotorischen Beschwerden und urogenitaler
Atrophie ist die individualisierte MHT altersunabhängig die wirksamste Therapie. Sie besitzt innerhalb der ersten 10 Jahre nach der Menopause ihren grössten Nutzen. I Zur Behebung von vegetativen Symptomen wie vasomotorischen Beschwerden (Hitzewallungen, Schweissausbrüche) und Schlafstörungen ist oft eine niedrigere als die früher üblichen mittleren Dosierungen (siehe Tabelle) ausreichend. I Gleichzeitig können auch andere Symptome des Estrogenmangels (z.B. Müdigkeit, Reizbarkeit, Nervosität, depressive Verstimmung, Leistungsfähigkeit, Störungen der Sexualität) gebessert werden, sodass die Lebensqualität erhalten bleibt. Bei depressiven Symptomen ist die transdermale Estrogengabe der oralen überlegen. I Orale Estrogene antagonisieren das postmenopausale Androgenübergewicht und hemmen somit Androgenisierungserscheinungen wie Akne, Seborrhö, Hirsutismus und Haarausfall.
Ia Ib
Ia, Ib
III Ib, IIb
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Ib
Ib IV Ib Ib Ia–Ib
Ib IV
Evidenzlevel*
Tabelle:
Estrogendosierungen (im Handel erhältliche Dosierungen, Bioäquivalenz nicht untersucht)
Dosierung: Mikronisiertes 17β-Estradiol (per os, mg) Estradiol-Valerat (per os, mg) Transdermales -17β-EstradiolPflaster (μg) -17β-EstradiolGel (mg) Konjugierte equine Estrogene (per os, mg)*
hoch 4,0
mittel 2,0
2,0 100 50
zirka 1,0–1,5 1,25/0,9** 0,625
niedrig 1,0
ultraniedrig 0,5
1,0 0,5
25 14 (nur USA°)
zirka 0,5–0,75 0,3/0,45
* in der Schweiz nicht auf dem Markt. ** 0,9 mg nur in den USA erhältlich. ° Zulassung nur für Osteoporoseprävention (nur in den USA erhältlich). Tibolon, ein synthetisches Sexualsteroid mit estrogener, gestagener und androgener Partialwirkung, ist in der Schweiz heute einzig in einer Dosierung von 2,5 mg/Tablette zugelassen (= übliche Tagesdosis).
I Durch Rehydratisierung und verbesserte Kollagenbildung werden Haut und Schleimhäute unter MHT günstig beeinflusst. Dennoch ist die altersabhängige Gewichtszunahme bei Frauen unter MHT geringer als bei solchen ohne MHT.
Urogenitale Symptome I Für Frauen mit symptomatischer vaginaler Atrophie
(Trockenheit, Juckreiz, Fluor, Dyspareunie, vaginale Infektionen) ist die vaginale niedrig dosierte Estrogentherapie der systemischen MHT überlegen und daher vorzuziehen. I Bei vaginaler (ultra)niedrig dosierter Estrogentherapie ist kein Gestagen zur Endometriumprotektion erforderlich. I Vaginale Estrogene reduzieren die Inzidenz von rezidivierenden Harnwegsinfektionen. I Lokale (vaginale) und systemische MHT reduzieren die Symptomatik der hyperaktiven Blase, nicht aber diejenige der Stressinkontinenz.
Frakturprävention I Unter einer MHT sinkt das osteoporosebedingte Fraktur-
risiko bei allen Lokalisationen signifikant um 25 bis 40% (mittlere Dosierung; NNT = 7). Bei Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko (FRAX®) ist die MHT daher auch bei asymptomatischen Frauen eine Therapie der ersten Wahl. I Eine MHT trägt zum Erhalt von Höhe und Turgor der Zwischenwirbelscheiben bei. I Für niedrig und ultraniedrig dosierte MHT-Präparate fehlen Daten zur Frakturinzidenz. I Der Beginn einer MHT zum alleinigen Zweck der Prävention von Frakturen nach dem 60. Lebensjahr wird nicht empfohlen. Hingegen kann eine individualisierte MHT allein zur Frakturprävention über das 60. Lebensjahr hinaus fortgesetzt werden, sofern die möglichen langfristigen Vorteile
und Risiken im Vergleich zu den alternativen nicht hormonellen Therapien berücksichtigt sind. I Bei manifester Osteoporose (mit Fraktur) ist eine spezifische Behandlung erforderlich (z.B. mit Bisphosphonaten, SERM, Denusomab, Teriparatid), deren Langzeiteffekte jedoch noch nicht hinreichend untersucht sind. I Bei früher Menopause (vor 45 Jahren) und bei prämaturer Ovarialinsuffizienz (vor 40 Jahren) kann eine MHT in mittlerer Dosierung die Knochendichte erhalten und ein erhöhtes Frakturrisiko verhindern. I Tibolon senkt ab einer Dosis von 1,25 mg/Tag bei Frauen über 60 Jahren signifikant das Risiko von vertebralen und nicht vertebralen Frakturen.
Koronare Herzkrankheit I Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die häufigste Ursache
für die Morbidität und Mortalität postmenopausaler Frauen. I Wichtige primäre Präventionsmassnahmen sind Raucher-
entwöhnung, Gewichtsreduktion, Blutdrucksenkung, regelmässiges aerobes körperliches Training und die kontrollierte Einstellung von Zucker- und Fettstoffwechselstörungen. I Die MHT senkt die Insulinresistenz und verringert das Risiko, an Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken. Die Verminderung der Insulinresistenz bessert zahlreiche Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, beispielsweise ein gestörtes Lipidprofil oder das metabolische Syndrom, und verlangsamt atheromatöse Veränderungen der Arterienwand. I Eine Estrogenmonotherapie in mittlerer Dosierung reduziert das Risiko für KHK und die Gesamtmortalität signifikant bei den Frauen, die < 60 Jahren respektive innerhalb von 10 Jahren nach der Menopause eine MHT beginnen («günstiges Fenster»). I Eine kombinierte Estrogen-Gestagen-Gabe mit Beginn innerhalb des «günstigen Fensters» zeigt abhängig vom eingesetzten Gestagen einen neutralen bis positiven Effekt. I Die alleinige primäre kardiovaskuläre Prävention ist keine Indikation für eine MHT. I Eine MHT zur sekundären Prävention und bei bestehender symptomatischer koronarer Herzkrankheit ist kontraindiziert.
Zerebrovaskuläre Ereignisse (CVI) I Das einer MHT zuschreibbare zusätzliche Risiko ischämi-
scher Schlaganfälle steigt unter oraler MHT altersabhängig an. Es gibt kein «günstiges Fenster» für eine potenzielle Prävention. I Das absolute Risiko bleibt bei Frauen < 60 Jahren in der WHI-Studie und in grossen Beobachtungsstudien mit 1 bis 2 Fällen auf 10 000 Frauenjahre gering. Ein CVI unter MHT ist somit selten. I Nach dem 60. Lebensjahr kann das CVI-Risiko unter oraler MHT Signifikanz erreichen. I Durch Ausschluss von Patientinnen mit vorbestehenden Risikofaktoren für CVI lässt sich jedoch, zum Beispiel mit dem Framingham-Stroke-Risk-Score, dieser zusätzliche Risikoanstieg vermeiden. I Unter transdermaler MHT in niedriger bis mittlerer Dosierung ist das Risiko geringer. Somit sollte bei Frauen
Ib; IIb IIb, III Ib
Ia Ia IIa
Ib
Ib–III IV IV IIa Ib–III Ib Ib IIb, III IV
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Ib–III Ib
Ib–III IIb, III Ib–III
IIa IIb–III
Ib Ib Ib, IIb IIb, III Ib–III Ib
mit höherem Grundrisiko transdermales E2 bevorzugt werden.
Venöse Thromboembolie (VTE) I Bei jüngeren Frauen ist das absolute Risiko von VTE klein
(35.–44. Lebensjahr: 3–5 VTE pro 10 000 Frauenjahre; bei 50 Jahren beträgt es ca. 50 VTE/10 000 Frauenjahre). Es ist mit Übergewicht, Rauchen, Thrombophilie und Immobilisierung positiv assoziiert. Es gibt kein «günstiges Fenster». I Unter MHT beträgt in der Gruppe der 50- bis 59-Jährigen das zusätzliche VTE-Risiko unter Medikation mit «CEE + MPA 11» und mit «CEE allein» 4 Fälle pro 10 000 Frauenjahre (WHI-Studie). I Das höchste Risiko findet sich in den ersten Monaten nach Therapiebeginn. Es sinkt danach ab. I Unter transdermaler MHT in niedriger bis mittlerer Dosierung ist das Risiko geringer oder nicht erhöht. I Anwendungsdauer und Art/Dosierung des Gestagens können in Kombination mit Estrogenen das VTE-Risiko beeinflussen. Unter mikronisiertem Progesteron und Dydrogesteron scheint das Risiko geringer zu sein als unter synthetischen Gestagenen. Diese wirken sich wiederum je nach Typ unterschiedlich aus.
Zentralnervensystem I Die Langzeitkonsequenzen einer in der Peri- oder frühen
Postmenopause begonnenen MHT für Kognition und Demenz sind noch weitgehend unbekannt. Eine spät (> 65 J.) begonnene MHT könnte sich auf die Kognition ungünstig auswirken. I Eine um die Menopause begonnene und bis zu 10 Jahre weitergeführte MHT könnte mit einem verminderten Risiko für M. Alzheimer verbunden sein.
Mammakarzinom Estrogen allein I In der WHI-Studie werden bei hysterektomierten Frauen
unter «CEE allein» das Brustkrebsrisiko und die Brustkrebsmortalität in der Interventionsphase (7–7,4 Jahre) nicht signifikant reduziert. I Die Brustkrebsmortalität sinkt unter «CEE allein» nach einem medianen Follow-up von 11,8 Jahren signifikant um 5 Fälle auf 10 000 Frauenjahre (FJ), nach 13 Jahren signifikant um 7 Fälle auf 10 000 FJ. I In den Studien WHI, DOPS und NHS zeigte sich unter einer Estrogenmonotherapie übereinstimmend bis zu einer kumulativen Beobachtungsdauer von 13, 16 und 19 Jahren kein Risikoanstieg für die Inzidenz von und die Mortalität an Brustkrebs. I Bei Estrogenmonotherapie ≥ 20 Jahre wurde ein erhöhtes Brustkrebsrisiko bei normalgewichtigen, aber nicht bei übergewichtigen und adipösen Frauen beobachtet.
Estrogen plus Gestagen I Die kombinierte MHT kann das Mammakarzinomrisiko unter
Umständen erhöhen. I Die korrigierten Resultate (Hazard Ratio; 95%-KI) betrugen
für das Brustkrebsrisiko unter «CEE + MPA» nach der Interventionsphase von 5,6 Jahren für Frauen ohne vorherige Hormoneinnahme 1,02 (0,77–1,36). I Somit ist unter «CEE + MPA» das Brustkrebsrisiko bei Erstanwenderinnen in den ersten 5,6 Behandlungsjahren nicht erhöht. Danach beginnt das Risiko anzusteigen. I Unter «CEE + MPA» wurden in der WHI-Studie nach einer kumulativen Beobachtungszeit von 13 Jahren 9 Fälle mehr von invasivem Brustkrebs pro 10 000 Frauenjahre beobachtet als in der Kontrollgruppe. I Unter «E2 + NETA» (Studie DOPS) steigt dagegen das Risiko eines Mammakarzinoms innerhalb der Beobachtungszeit von 16 Jahren nicht an. I Mikronisiertes Progesteron und Dydrogesteron könnten mit einem niedrigeren Risiko verbunden sein als synthetische Gestagene. I Das Ausmass des Risikoanstiegs unter kombinierter Estrogen- plus-Gestagen-Gabe hängt somit vom verwendeten Gestagentyp und von der Anwendungsdauer ab. I Zwischen oraler und transdermaler Estrogengabe scheint es keinen Unterschied hinsichtlich Brustkrebsrisiko zu geben. I Der im Zusammenhang mit einer MHT in der Literatur angegebene Risikoanstieg von Brustkrebs variiert stark, ist aber im Durchschnitt klein (< 0,1 % pro Jahr, entsprechend einer Inzidenz von < 1 Fall pro 1000 Frauen pro Anwendungsjahr). I Obwohl keine evidenzbasierten Daten vorliegen, können Frauen nach Mammakarzinom bei grossem Leidensdruck niedrig dosierte lokal-vaginale Estrogene verabreicht werden. I Die Daten zur Sicherheit einer MHT bei Brustkrebsüberlebenden sind widersprüchlich. Eine MHT nach Mammakarzinom wird deshalb nicht empfohlen. Sie kann aber bei inakzeptabel schlechter Lebensqualität und bei Versagen der nicht hormonalen therapeutischen Alternativen nach Rücksprache mit dem behandelnden Onkologen erwogen werden. Tibolon I In einer randomisierten klinischen Studie (RCT) zur Osteoporoseprävention senkt Tibolon (1,25 mg/Tag) das Mammakarzinomrisiko bei Frauen ohne Brustkrebs signifikant um 68%. I In einer finnischen Registerstudie reduziert Tibolon das Lebenszeitrisiko für Brustkrebs bei gesunden Frauen nicht signifikant. I Hingegen erhöht Tibolon (1,25 mg/Tag) in einem RCT bei Frauen nach Brustkrebs die Rezidivrate signifikant um 40% SERMS I Raloxifen senkt das Risiko hormonrezeptorpositiver Mammakarzinome signifikant. Endometriumkarzinom I Jede Estrogenmonotherapie induziert eine dosisabhängige Stimulation des Endometriums. Das Risiko eines Endometriumkarzinoms steigt dadurch auf das bis zu 9-Fache an. Ib Ib Ib III Ib, III III Ib–III, IV IV Ib–III Ib III Ib Ib Ia–III GYNÄKOLOGIE 1/2016 21 Ia Ia III Ib III IV Ib IIb, III III Ib III I Dieser Anstieg wird durch eine ausreichende Gestagenbeigabe verhindert. I Frauen mit Uterus müssen daher zum Endometriumschutz systemisch ein Gestagen oder mikronisiertes Progesteron in Transformationsdosis erhalten (bei zyklischer Gabe mindestens 12 Tage/Monat). Alternativ kann eine intrauterine Gestagenspirale (20 µg LNG/Tag) eingesetzt werden. I Unter kontinuierlich-kombinierter Estrogen-Gestagen(E+G)-Gabe findet sich eine geringere Inzidenz von Endometriumhyperplasien und -karzinomen als bei unbehandelten Kontrollen. I Eine MHT mit einer Gestagengabe nur alle 3 Monate (sog. Langzyklus) bietet keinen optimalen endometrialen Schutz. I Obwohl keine evidenzbasierten Daten vorliegen, können Frauen nach Endometriumkarzinom bei grossem Leidensdruck und zur Ermöglichung der Nachkontrolle niedrig dosierte lokal-vaginale Estrogene verabreicht werden. I Tibolon verändert das Risiko für Endometriumhyperplasien oder -karzinome nicht. Ovarialkarzinom I In den älteren epidemiologische Fallkontroll- und Kohorten- studien variieren die verwendeten MHT-Typen stark. Das einer Gabe von «Estrogen allein» zuschreibbare zusätzliche Risiko entspricht 0,6 Frauen per 1000 pro 5 Einnahmejahre. Unter «E + P» verändert sich das Risiko nicht signifikant. I Ältere Metaanalysen kommen zum gleichen Schluss. I Im bisher einzigen RCT (WHI-Studie) liegen nur Daten für «CEE + MPA» vor. Das RR steigt nach 5,6 Jahren nicht signifikant auf 1,58 und nach einem kumulativen Follow-up von 13 Jahren (Interventionsphase plus Postinterventionszeit) nicht signifikant auf 1,24 an. Das in der WHI-Studie einer MHT zuschreibbare zusätzliche Risiko eines Ovarialkarzinoms liegt statistisch nicht signifikant bei 0,75 Frauen per 1000 pro 5 Einnahmejahre oder 0,25 Frauen pro Jahr. I In der Studie der «Collaborative Group on Epidemiological Studies of Ovarian Cancer» ist das Risiko für Frauen von 60 bis 64 Jahren niedriger als für solche zwischen 50 bis 54 Jahren. Für diese letzte Gruppe kann ein absolutes Risiko von zirka 1 von 10 000 Frauen pro Anwendungsjahr mit einer Basisrate von 1,2 von 1000 pro 5 Jahre und einem absoluten Zusatzrisiko von 0,55 von 1000 pro 5 Jahre errechnet werden. I Die Nachberechnungen der in der Collaborative Group on Epidemiological Studies of Ovarian Cancer angegebenen Daten ergeben eine zusätzliche Inzidenz von Ovarialkarzinomen von 0,12 zusätzlichen Fällen pro 1000 Frauen pro Jahr, die zusätzliche Mortalität liegt zwischen 0,18 und 0,12 Fällen pro 1000 Frauen pro Jahr. Allerdings weist diese Studie wegen fehlender Daten zu wichtigen Einflussfaktoren in einigen zugrunde liegenden Studien mehrere relevante Plausibilitätsmängel auf. Andere gynäkologische Karzinome sowie Endometriose I Für Karzinome von Zervix, Vulva und Vagina liegen keine Hinweise für eine Veränderung des Karzinomrisikos durch eine MHT vor. I Endometriose: Die Wirkung einer MHT auf eine bekannte Endometriose wurde nicht systematisch untersucht. Ein Status nach Endometriose ist aber keine Kontraindikation für eine kontinuierlich-kombinierte MHT. Nicht gynäkologische Karzinome sowie Wirkungen auf die Gallenblase I Kolonkarzinom: In der WHI-Studie findet sich wie in der BCDDP-Studie unter oraler kombinierter «CEE + MPA»Gabe, nicht aber unter oraler CEE-Monotherapie, eine signifikante Reduktion von Kolonkarzinomen. I Eine transdermale MHT scheint die Inzidenz von Kolonkarzinomen nicht zu senken. I Lungenkarzinom: Es bestehen keine epidemiologischen Hinweise für eine Veränderung des Karzinomrisikos durch eine MHT. III Ib, IIb, III IV Ib, III III Ib, III *Evidenzlevel und Empfehlungsgrade der Therapieangaben Evidenzlevel Ia Evidenz durch die Metaanalyse von randomisierten, kontrollierten Untersuchungen Ib Evidenz durch mindestens eine randomisierte, kontrollierte Untersuchung IIa Evidenz durch mindestens eine gut angelegte, kontrollierte Studie ohne Randomisierung IIb Evidenz durch mindestens eine gut angelegte andere quasiexpe- rimentelle Studie III Evidenz durch gut angelegte, beschreibende Studien, die nicht experimentell sind, wie Vergleichsstudien, Korrelationsstudien oder Fallstudien IV Evidenz durch Expertenberichte oder Meinungen und/oder klinische Erfahrung anerkannter Fachleute Empfehlungsgrad A Es ist in der Literatur, die gesamthaft von guter Qualität und Konsistenz sein muss, mindestens eine randomisierte, kontrol- lierte Untersuchung vorhanden, die sich auf die konkrete Empfehlung bezieht (Evidenzlevel Ia, Ib). B Es sind zum Thema der Empfehlung gut kontrollierte, klinische Studien vorhanden, aber keine randomisierten klinischen Untersuchungen (Evidenzlevel IIa, IIb, III). C Es ist Evidenz vorhanden, die auf Berichten oder Meinungen von Expertenkreisen basiert und/oder auf der klinischen Erfahrung von anerkannten Fachleuten. Es sind keine qualitativ guten, klinischen Studien vorhanden, die direkt anwendbar sind (Evidenzlevel IV). Good-Practice-Punkt Empfohlene Best Practice, die auf der klinischen Erfahrung der Expertengruppe beruht, die den Expertenbrief/die Guideline herausgibt. 22 GYNÄKOLOGIE 1/2016 Ib, III Ia Ib, IIb Ib IIb I Gallenblase: Unter MHT sind keine Veränderungen in der Inzidenz von Karzinomen bekannt. Hingegen steigt bei oraler (aber nicht transdermaler) MHT das Risiko von Cholelithiasis und Cholezystektomien an. Mortalität I Metaanalysen von randomisierten klinischen Studien ein- schliesslich der WHI-Daten und von Beobachtungsstudien zeigen mit «CEE allein» bei Frauen unter 60 Jahren eine signifikante Reduktion der Gesamtmortalität. I Die RCT und Beobachtungsstudien weisen alle eine Senkung der Gesamtmortalität nach, wenn die Studienteilnehmerinnen vor dem 60. Lebensjahr oder innerhalb der ersten 10 postmenopausalen Jahre («günstiges Fenster») eine Estrogenmonotherapie in mittlerer Dosierung erhalten. I In der Studie DOPS sinkt die Gesamtmortalität unter «E2» und unter «E2 + NETA» nicht signifikant ab (E2: RR: 0,29; 95%-KI: 0,16–1,06; «E2 + NETA»: RR: 0,75, 95%-KI: 0,36–1,59). I Umgekehrt zeigt die Srudie NHS in Übereinstimmung mit anderen Studien, dass eine bilaterale Ovarektomie bei Frauen unter 50 Jahren mit einer erhöhten Langzeitmortalität verbunden ist. I Mit «CEE + MPA» steigt die Gesamtmortalität nicht an. I Unter alleiniger E-Gabe waren nach 13-jähriger respektive nach 16-jähriger Beobachtungszeit in zwei randomisierten klinischen Studien (WHI, DOPS) neben der Gesamtmortalität auch die kardiale Mortalität und die Mortalität an Mammakarzinomen signifikant niedriger. Datum: 28. August 2015 Referenzen: in der Langversion enthalten. Deklaration von Interessenkonflikten: Prof. Dr. med. Martin Birkhäuser: Mitglied von Advisory Boards oder Vortragender an unterstützten Symposien von AMGEN, Bayer Schering, Bionorica, HEXAL, Daiji Sankyo, Novartis. Dr. med. Regula Bürki: keine. Prof. Dr. med. Christian De Geyter: Experte in der Gruppe ESYMA (Advisory Board) seit 2013, Stiftung GenSuisse (Arbeitsgruppe Gendiagnostik) seit 2012, Diagnostic Roche International Ltd. Betreffend AMH, MSD Merck Sharp & Dohme AG betreffend Tibolon. Prof. Dr. med. Bruno Imthurn: Mitglied Advisory Board von Zeller Medical AG bezüglich Cimicifuga. Dr. med. Katharina Schiessl: keine. Dr. med. Isabelle Streuli: keine. Prof. Dr. med. Petra Stute: MSD (Vortrag) / Kade Besins (Vortrag) / Vifor (Vortrag) Roche (Advisory Board) / Zeller (Advisory Board) / Pfizer (Vortrag) / Schaper & Brümmer (Vortrag) / Jenapharm (Vortrag) / Aristo Pharma (Vortrag) / Effik (Vortrag) / Medinova (Vortrag, Studie). PD Dr. med. Dorothea Wunder: keine. Ia, Ib IIb Ib GYNÄKOLOGIE 1/2016 23