Transkript
FIRST-TO-DISCUSS-Newsletter Gynäkologische Endokrinologie
Postmenopause
Hormonsubstitution und Ovarialkarzinomrisiko
Hintergrund: Internationale Empfehlungen machen unterschiedliche Aussagen zum Zusammenhang einer Hormonersatztherapie (HRT) mit der Erstdiagnose eines Ovarialkarzinoms (1–3).
Wie ist die Studie der Collaborative Group zu bewerten?
Die Studie im Resümee
Die Metaanalyse der Collaborative Group On Epidemiological Studies Of Ovarian Cancer beinhaltet Daten aus 52
2. Es erfolgte keine Berücksichtigung der Hormondosierung.
3. Retrospektive und prospektive Studien wurden «vermengt», wobei die retro-
PD Dr. med. Petra Stute, Leitende Ärztin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Inselspital Bern, resümiert und kommentiert kürzlich publizierte Studien zu wichtigen und vielfach kontrovers diskutierten Themen.
Studien – 17 prospektive, 35 retrospek-
spektiven Studien kein erhöhtes Ovari-
tive – mit 21 488 an einem malignen oder Borderline-malignen Ovarialkarzinom erkrankten Frauen («Fälle»). 55% der Erkrankten in den prospektiven Studien hatten über eine mediane Zeitdauer von 6 Jahren eine Hormonersatztherapie (HRT) angewandt; in den retrospektiven Studien waren es 29%
alkarzinomrisiko unter der HRT fanden (RR 1,04; 95%-KI 0,93–1,16). 4. Angaben zu Einflussfaktoren wie Menopausenalter, BMI und frühere Kontrazeption in einer der grössten eingeschlossenen prospektiven Studien (DaHoRS) fehlten. 5. Angaben zur Häufigkeit gynäkologi-
Kommentierte Studie: Collaborative Group On Epidemiological Studies Of Ovarian Cancer: Menopausal hormone use and ovarian cancer risk: individual participant meta-analysis of 52 epidemiological studies. Lancet. 2015 Feb 12. pii: S0140–6736(14)61687-1.
der Erkrankten über eine mediane Zeit-
scher Untersuchungen fehlten eben-
dauer von 4 Jahren (Gesamtheteroge-
falls.
nität für prospektive vs. retrospektive Studien p < 0,0001). Resultat Das Risiko, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, lag im Vergleich zu Nie-Anwenderinnen für derzeitige HRT-Anwenderinnen allgemein und frühere Langzeitanwenderinnen (≥ 5 Jahre) signifikant höher (Tabelle). Das galt vor allem für seröse und endometrioide Ovarialkarzinome. In absoluten Zahlen bedeutet das, dass unter einer HRT zusätzlich zur basalen In- Was bleibt als Fazit für die Praxis? Im Rahmen der HRT-Beratung sollten so- wohl Zusatznutzen als auch Risiken darge- legt werden, um individuell die Vorteil- Nachteil-Bilanz ziehen zu können. Das vor- liegende beschriebene erhöhte Ovarial- karzinomrisiko sollte ausgewogen in diese Bilanz miteinbezogen werden. I PD Dr. med. Petra Stute Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital, 3010 Bern E-Mail: petra.stute@insel.ch Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel: keine. Referenzen: 1. European Medicines Agency (EMA): Guidelines on clinical investigation of medicinal products for hormone replacement therapy of oestrogen deficiency symptoms in postmenopausal women. www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Scientific_guideline/2009/09/WC500003348.pdf. 2. US Food and Drug Administration (FDA): Estrogen and estrogen with progestin therapies for postmenopausal women. www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/InformationbyDrugClass/ucm1 35318.htm. 3. Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA): Hormone-replacement therapy: safety update. UK Public Assessment Report. www.mhra.gov.uk/home/groups/pl-p/ documents/websiteresources/con2032228.pdf. zidenz von Ovarialkarzinomen (= 1 bis 2 Neuerkrankungen pro 1000 Frauen im Alter von 50 bis 65 Jahren innerhalb von Tabelle: Assoziation einer HRT-Einnahme mit dem Auftreten eines Ovarialkarzinoms 5 Jahren) 1 Frau zusätzlich erkrankt. HRT-Anwendung «Fälle» in prospek- Relatives 95%-Konfidenz- tiven Studien Risiko (RR) intervall* Kommentar Das Ovarialkarzinom zählt zu den seltenen Krebserkrankungen der Frau. Eine HRT erhöht das Risiko hierfür in absoluten Nie Derzeitig, seit G < 5 Jahren G ≥ 5 Jahren Früher, während 5429 571 1798 1,00 0,96–1,04 1,43 1,31–1,56 1,41 1,34–1,49 Zahlen leicht, statistisch aber signifikant. Trotz ihrer beachtlichen Fallzahl in der Metaanalyse bleiben einige Fragen offen. Kritisch sind hierbei folgende Aspekte: 1. Es wurde keine Differenzierung zwi- schen malignen und Borderline-mali- G < 5 Jahren G ≥ 5 Jahren und Stopp vor < 5 Jahren Früher, während G < 5 Jahren G ≥ 5 Jahren und Stopp vor ≥ 5 Jahren 158 224 940 728 1,17 1,29 0,94 1,10 0,98–1,38 1,11–1,49 0,88–1,02 1,01–1,20 gnen Ovarialkarzinomen vorgenommen. * Stratifizierung nach Studie, Alter bei Diagnose, Body-Mass-Index (BMI); Adjustierung für Menopausenalter, Hysterektomie, Parität und Anwendung oraler Kontrazeptiva. GYNÄKOLOGIE 4/2015 39