Transkript
Kongressbericht/Sonderbericht
51st Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 29. Mai bis 2. Juni 2015
Brustkrebs im Frühstadium unter Aromatasehemmer/Knochenschutz
Adjuvantes Denosumab halbiert das Risiko erster klinischer Frakturen
Postmenopausale Brustkrebspatientinnen unter adjuvanter Aromatasehemmertherapie haben ein erhöhtes Risiko für Knochenfrakturen, bedingt insbesondere durch die antihormonelle Therapie. Die grosse plazebokontrollierte Doppelblindstudie ABCSG-18 zeigte jetzt, dass durch die adjuvante Gabe alle 6 Monate des AntiRANK-Ligand-Antikörpers Denosumab 60 mg (Prolia®) das Risiko für Knochenfrakturen um die Hälfte reduziert und die Knochenmineraldichte signifikant erhöht wird.
Die adjuvante Aromatasehemmertherapie, etablierter Therapiestandard bei frühem Brustkrebs zur Rezidivreduktion, geht bekanntlich mit einer Verringerung der Knochenmineraldichte und einem erhöhten Risiko für Knochenfrakturen als Nebenwirkungen einher. Antiresorptive Substanzen wie Bisphosphonate werden zur Senkung des Knochenverlustes eingesetzt, wobei unklar ist, inwieweit sie Knochenbrüche tatsächlich verhindern. Ihnen wird aber gemäss einer neueren Metaanalyse (Coleman R et al. SABCS 2013; #S4-07) ein potenziell überlebensverlängernder Effekt zugesprochen. Der RANK-Ligand-Hemmer Denosumab, ein voll humaner IgG2- monoklonaler Antikörper, wird in der Dosierung von 60 mg bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose (ohne Brustkrebsdiagnose) zur Reduktion des Risikos von Knochenbrüchen eingesetzt. Die österreichische Studie ABCSG-18 unter Studienleitung von Prof. Michael Gnant, Wien, sollte Wirkungen und Verträglichkeit der adjuvanten DenosumabGabe auf die Knochen der Frauen mit Brustkrebs in der Frühphase unter Aromatasehemmern untersuchen. Gnant präsentierte die ersten Resultate der weiter laufenden Studie in einer «oral abstract session».
Doppelblindstudie der Phase III zwischen Dezember 2008 und Juli 2013 eingeschlossen. 58 Studienzentren in Österreich und Schweden nahmen teil. Die Randomisierung erfolgte im Verhältnis 1:1 zu entweder Denosumab 60 mg oder Plazebo alle 6 Monate subkutan. Zu den wichtigsten Ausschlussfaktoren gehörten: Aromatasehemmergabe während mehr als 24 Monaten vor Studienbeginn, vorherige/gleichzeitige Gabe von Östrogen-Rezeptor-Modulatoren (v.a. Tamoxifen), vorherige Therapie mit Bisphosphonaten oder Denosumab, Nachweis von Metastasen. Primärer Endpunkt war die Zeit ab Randomisierung bis zur ersten klinischen Fraktur. Zu den sekundären Endpunkten gehörten das krankheitsfreie Überleben
(DFS), das Gesamtüberleben (OS) und Änderungen der Knochendichte sowie Wirbelsäulenfrakturen. Die klinische Analyse erfolgte nach Auftreten von 247 klinischen Frakturen.
Resultate
Hochsignifikante Verzögerung bis zur ersten klinischen Fraktur Wichtigstes Ergebnis der über 72 Monate laufenden Studie: Denosumab verzögerte die Zeit bis zur ersten klinischen Fraktur um fast die Hälfte, verglichen mit Plazebo: Es kam zu 92 versus 176 klinischen Knochenbrüchen, was einer Hazard Ratio (HR) von 0,5 entsprach (95%KI: 0,39–0,65; p = 0,0001). Diese Verringerung war in allen prognostischen Subgruppen zu beobachten, das heisst sowohl bei Frauen mit initial guter Knochengesundheit (n = 1872; HR: 0,44; p = 0,0001) als auch bei jenen, die bei Studienbeginn bereits eine Osteopenie hatten (n = 1548; HR: 0,57; p = 0,0021) (Abbildung 1). Zudem erhöhte Denosumab signifikant die Knochenmineraldichte der Lendenwirbelsäule (um 9,99%), der Hüfte (um 7,88%) und am Oberschenkelhals (um 6,49%) nach 36 Monaten, verglichen mit
Plazebokontrollierte, doppelblinde Phase-III-Studie
3425 postmenopausale Frauen (medianes Alter: 64 J.) mit frühem, hormonrezeptorpositivem Brustkrebs unter adjuvanter Aromatasehemmmertherapie wurden in die prospektive, randomisierte
Abbildung 1: Denosumab verzögerte signifikant die Zeit bis zur ersten klinischen Fraktur im Vergleich zu Plazebo – im Beobachtungszeitraum war die gesamte kumulative Inzidenz bis zur ersten klinischen Fraktur etwa halbiert: Hazard Ratio; HR: 0,50 (n = 92 vs. 176).
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Plazebo. (Abbildung 2). Auch reduzierte das Studienpräparat signifikant Wirbelfrakturen.
Sehr gute Verträglichkeit In beiden Studiengruppen, der Denosumab- und der Plazebogruppe, zeigten sich quasi keine Unterschiede bei den berichteten Nebenwirkungen (n = 1366 vs. 1334), auch nicht bezüglich schwerer Begleitwirkungen (n = 521 vs. 511). Im bisherigen Studienverlauf wurden keine Kieferosteonekrosen festgestellt. Vor Studienbeginn wurde – als proaktive präventive Massnahme – veranlasst, dass alle Patientinnen sich zahnärztlich zu untersuchen und gegebenenfalls zu behandeln hatten.
Diskussion
Frakturrisiko unterschätzt? In der Diskussion wurde angesprochen, dass das ossäre Frakturrisiko unter Aromatasehemmern möglicherweise bisher stark unterschätzt wurde. Vermutet wird, dass rund 10% der Patientinnen im Kontrollarm Knochenbrüche erleiden – eine hohe Zahl, die es zu senken gilt. Bemerkenswert ist, dass alle Patientinnen in der Studie von der Denosumab-Gabe profitierten, sowohl die mit initial guter Knochendichte (T-Score > -1) als auch jene mit Osteopenie (T-Score < -1). Die ABCSG-18-Studie untersuchte erstmals im grossen Patientinnenkollektiv unter Aromatasehemmern die Wirkung von Denosumab direkt auf die Knochenbruchprävention. Daten zur potenziellen Rezidivprävention respektive Überlebensverlängerung un-
Abbildung 2: Denosumab erhöhte signifikant die Knochenmineraldichte (BMD) in der Lendenwirbelsäule, der Hüfte und im Femur (verglichen mit Plazebo).
ter Denosumab wird das langfristige Follow-up der ABCSG-18-Studie bringen.
Erstes Fazit
Aufgrund des Resultates mit hochsignifi-
kanter ossärer Prävention und guter Ver-
träglichkeit ist eine neue Therapieoption
mit adjuvanter, zweimal jährlicher Gabe
von Denosumab in der 60-mg-Dosierung
bei postmenopausalem, frühem Brust-
krebs unter Aromatasehemmertherapie
gegeben. «Wir werden unsere klinische
Praxis zu ändern haben», folgerte Gnant
nach seiner Präsentation.
Die ABCSG-18-Studie wurde zeitgleich
mit der ASCO-Jahrestagung 2015 im
«Lancet» online publiziert.
I
Quellen: Gnant M et al.: Adjuvant denosumab in breast cancer: Results from 3425 postmeno-pausal patients of the ABCSG-18 trial. ASCO Annual Proceedings 2015, Abstract # 504 (Oral Abstract Session). Gnant M, Pfeiler G, Dubsky PC et al. (Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group): Adjuvant denosumab in breast cancer (ABCSG-18): a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled trial. The Lancet 2015; (Published online June 1, 2015. http://dx.doi.org/ 10.1016/S0140-6736(15)60995-3).
Die Berichterstattung wurde von Amgen Schweiz finanziell unterstützt.
Bärbel Hirrle
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