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SCHWERPUNKT
Hormonbehandlung bei der Hochleistungssportlerin
Was ist möglich? Wann beginnt Doping?
Bei der gynäkologischen Betreuung von Hochleistungssportlerinnen müssen mögliche Konflikte durch geplante Hormontherapien mit bestehenden Antidopingregeln bedacht werden. Die folgende Übersicht soll dem praktizierenden Frauenarzt die zurzeit bestehenden Verbotslisten und Anti-Doping-Regeln im Kontext mit den typischen Therapieformen aus dem Alltag der gynäkologischen Praxis darstellen. Dabei wird auf mögliche Verbote hingewiesen, und es werden Vorgehensweisen für eine korrekte Behandlung dargelegt.
ULRICH KARCK
Bei der Betreuung von weiblichen Hochleistungssportlern muss der verantwortliche Gynäkologe sich sicher sein, dass keine seiner Behandlungsmassnahmen zu einem Konflikt mit bestehenden Anti-DopingRichtlinien führt, sprich keine verbotene Substanz
Falls eine Topathletin «falsch» behandelt wird und wegen
vermeintlichen Dopings gesperrt wird, kann dies zu enormen Folgen auch
für den verantwortlichen Arzt führen.
zum Einsatz kommt. Falls eine Topathletin «falsch» behandelt wird und wegen vermeintlichen Dopings gesperrt wird, kann dies bei der Kommerzialisierung des Hochleistungssports im schlimmsten Fall zu enormen wirtschaftlichen Folgen auch für den verantwortlichen Arzt führen. Daneben sind natürlich die Rufschädigung und die Beeinträchtigung der sportlichen Laufbahn einer Athletin zu sehen.
Definition des Dopings
Unter Doping versteht man gemeinhin die Einnahme von unerlaubten Substanzen oder die Nutzung von unerlaubten Methoden zur Steigerung der sportlichen Leistung (wikipedia.de). Die nationale Anti-Doping-Agentur in Deutschland (NADA) definiert wie folgt: «Doping wird definiert als das Vorliegen eines oder mehrerer der nachfolgend in Artikel 2.1 bis Artikel 2.10 festgelegten Verstösse gegen Anti-Doping-Bestimmungen.» (Nationaler Anti-Doping Code 2015) Auf den folgenden 10 Seiten dieses insgesamt 138 Seiten umfassenden Werkes werden die möglichen Verstösse definiert. Besondere Bedeutung kommt hierbei dem Artikel 2.1 zu: «Als Verstösse gegen Anti-Doping-Bestimmungen gelten: Vorhandensein einer verbotenen Substanz, ihrer Metaboliten oder Marker in der Probe eines Athleten.»
Welche Substanzen sind grundsätzlich verboten?
Die Liste der verbotenen Substanzen wird von der internationalen Anti-Doping-Agentur (WADA) jährlich angepasst und veröffentlicht. Diese Liste findet sich typischerweise in den Internetpräsentationen der nationalen Anti-Doping-Gesellschaften (z.B. www.nada.de). Beruhend auf international gültigen Standards, sollten die Ausführungen in den einzelnen Ländern sehr ähnlich sein. Mit der Betreuung von Hochleistungssportlerinnen befasste Gynäkologen müssen sich im Zweifelsfall genau mit diesen Bestimmungen vertraut machen. Zusätzlich gibt es eine ausführliche Medikamentenliste unter www. nada.de/de/medizin/nadamed, in der man vor der Verabreichung einer Substanz prüfen kann, ob Einschränkungen oder Verbote bestehen. Grundsätzlich verboten ist zum Beispiel jeglicher Einsatz von anabolen Substanzen, typischerweise natürliche oder synthetische Androgene, sowie alle Substanzen, für die es keine medizinische Zulassung gibt. Bei der ärztlichen Betreuung von Spitzensportlerinnen ist eine Reihe von Konstellationen denkbar, bei denen die Anwendung von Hormonen therapeutisch sinnvoll beziehungsweise indiziert ist.
«Erlaubte» Hormone
Nach der Beispielliste 2015 der NADA sind alle zugelassenen Kontrazeptiva «erlaubte Medikamente».
Alle zugelassenen Kontrazeptiva sind «erlaubte Medikamente».
Unter der Rubrik «Hormonbehandlung und Verhütung» heisst es: «Alle hormonellen Ovulationshemmer (Tabletten, Pflaster, Vaginalringe) sowie Gestagen-
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präparate zur Verhütung (Tabletten, Verhütungsspritzen, Verhütungsstäbchen), Notfallkontrazeptiva sowie Gestagen- und Estrogenpräparate zur Hormonersatztherapie (z.B. bei Wechseljahrbeschwerden) sind erlaubt.» Ebenfalls in der Liste der erlaubten Hormone aufgeführt ist L-Thyroxin. Von daher ist eine Optimierung der Schilddrüsenfunktion erlaubt und keinen Einschränkungen unterworfen. Das gilt auch für die hormonelle Optimierung, wie sie bei Patientinnen mit Kinderwunsch mit der Einstellung des TSH-Wertes auf Spiegel unter 2,0 mIU/ml empfohlen wird.
«Kritische» Gestagene
Levonorgestrel (LNG) Als Nortestosteronderivat mit sehr hoher Bioverfügbarkeit hat LNG eine leichte androgene Partialwirkung bei relativ hoher Bindungsaffinität zum Androgenrezeptor. Im klinischen Alltag macht sich dieser androgene Partialeffekt mit einem günstigen Einfluss bei Mastodynien bemerkbar, entweder in der Anwendung als Monosubstanz, aber auch bei Kombinationspräparaten. Infolge der hohen Bioverfügbarkeit steht LNG nur in oralen Präparationen mit niedriger Dosierung zur Verfügung, sodass aus der Anwendung eigentlich keine signifikanten anabolen Effekte resultieren dürften. Eine missbräuchliche Nutzung in höherer Dosierung zu Dopingzwecken ist nicht bekannt.
Medroxyprogesteronacetat (MPA) MPA gehört zu den Gestagenen mit einer signifikanten androgenen Partialwirkung und auch einer Wirkung auf den Glukokortikoidrezeptor. Frühere Untersuchungen sehr hoher Dosierungen (> 500 mg/Tag) bei Karzinompatienten hatten deutliche Hinweise auf eine anabole Wirkung der Substanz gegeben. Ähnliche Ergebnisse wurden auch in tierexperimentellen Ansätzen gefunden. Der orale Einsatz von MPA in niedriger Dosierung ist aber sowohl während der Wettkampfphase als auch in Trainingsphasen erlaubt. Auch der Einsatz von Depotpräparaten zur Kontrazeption unterliegt keiner Einschränkung. Der Einsatz von hoch dosierten MPA-Präparaten (> 100 mg/Tag) ist aber sicher als Doping zu werten, wenn er ohne zugelassene Indikation (Karzinomerkrankung) vorgenommen wird. Da sich aber fortgeschrittene Malignomerkrankung und Hochleistungssport gegenseitig ausschliessen, darf MPA nur in den für die Kontrazeption zugelassenen Dosierungen eingesetzt werden, wenn man sich nicht einem Dopingverdacht aussetzen will.
Norethisteron (NET) Die Substanz hat als Nortestosteronderivat eine zwar geringe, aber doch nachweisbare androgene Partialwirkung, die sich im klinischen Alltag nur bei einigen hepatischen Stoffwechselparametern bemerkbar
macht. In höherer Dosierung sind aber auch anabole Effekte denkbar. Das Gleiche gilt für Norethisteronacetat respektive Norethisteronenanthat, welche nach der Einnahme rasch in Norethisteron umgewandelt werden. Für Norethisteronenanthat (Noretisterat® 200 mg) findet sich in der Fachinformation der Hinweis, dass in Einzelfällen Stimmveränderungen beobachtet werden können. Auch das ist als Indiz für einen androgenen Effekt zu sehen. Da es sich bei beiden Substanzen, MPA und NET, um von der NADA und WADA nicht eingeschränkt zugelassene Kontrazeptiva handelt, ist trotz dieser Effekte die Anwendung in der zugelassenen Dosierung nicht als Doping zu werten, wenn auch eventuell anabole Effekte vorhanden sein können. Schwer zu beantworten ist die Frage, ab welcher Dosierung ein Missbrauch im Sinne eines Dopings gegeben ist. Aus grundsätzlichen Überlegungen müsste man aber eine Verkürzung der Dosierintervalle auf unter 6 Wochen als bedenklich betrachten. Über das Ausmass eines anabolen Effektes einer derartigen Dosisintensivierung sind aus verständlichen Gründen aber keine Publikationen bekannt.
«Verbotene» Hormone
Die Anwendung von anabolen Substanzen ist für Leistungssportler verboten. Zu den anabolen Substanzen gehören die anabol-androgenen Steroide (AAS), dazu werden zum einen synthetische, normalerweise im menschlichen Organismus nicht vorkommende Verbindungen gezählt. Aber auch die exogene Zufuhr von natürlich vorkommenden Androgenen ist verboten.
Danazol und DHEA(S) Wichtig für den Gynäkologen ist in diesem Zusammenhang zu wissen, dass Danazol zu den verbotenen Substanzen gehört. Diese Substanz ist mittlerweile in Deutschland zwar nicht mehr zugelassen, wurde aber über viele Jahre bei der Endometriose als Therapie
Wichtig für den Gynäkologen ist, dass Danazol zu den
verbotenen Substanzen gehört.
eingesetzt und kann teilweise noch über Arzneimittelimporte bezogen werden. Grundsätzlich ist aber der Einsatz bei Leistungssportlerinnen auch mit nachgewiesener Endometriose verboten. In Anbetracht der bestehenden Alternativen mit GnRH-Analoga plus/minus Addback-Therapie respektive mit dem seit einigen Jahren zugelassenen Dienogest 2 mg erscheint auch eine medizinische Ausnahmegenehmigung sehr unwahrscheinlich und eher nicht gerechtfertigt. Bedeutsam ist auch, dass DHEA (Prasteron) ebenfalls den anabolen Steroiden zugerechnet wird und dass
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diese in Anti-Aging-Therapien immer wieder genutzte Substanz bei Leistungssportlerinnen auf jeden Fall verboten ist. Zum DHEAS gibt es keine Stellungnahme in den Listen der NADA (bzw. WADA); aber auch für diesen Metaboliten, der ja im Organismus auch wieder zum DHEA und zu weiteren Androgenen umgewandelt werden kann, muss von einer Verbotssituation ausgegangen werden. Da die Substanz teilweise auch ohne Rezept als Nahrungsergänzungsmittel bezogen werden kann, sollte man Sportlerinnen im Zweifel darauf hinweisen, dass damit ein Dopingverstoss vorliegen dürfte.
Da DHEA auch als Nahrungsergänzungsmittel bezogen werden kann, sollte man Sportlerinnen darauf
hinweisen, dass damit ein Dopingverstoss vorliegen dürfte.
Eine Therapie mit DHEA erscheint nur bei Frauen indiziert, die wegen einer isolierten Nebenniereninsuffizienz oder wegen einer Hypophysenunterfunktion eine signifikante Hypoandrogenämie zeigen. Für
diese Patientinnengruppe konnte schon 1999 gezeigt werden, dass eine Substitution mit DHEA 50 mg/Tag zu einer Normalisierung der Androgenserumspiegel führt und gleichzeitig Wohlbefinden und Sexualität signifikant positiv beeinflusst (1). Ein im Jahr 2009 publiziertes Review mit Metaanalyse hat diese Befunde und damit die Indikation allerdings wieder infrage gestellt (2). Von daher erscheint die Anwendung von DHEA bei dieser Patientinnengruppe zwar vertretbar, muss aber individuell überprüft werden. Bei Leistungssportlerinnen ist eine enge Absprache mit dem medizinischen Team der NADA erforderlich.
Testosteron Selbstverständlich stellt die Zufuhr von Testosteron einen Verstoss gegen das Dopingverbot dar. In den Richtlinien ist festgehalten, dass auch das Anheben von erniedrigten, aber normalen Hormonspiegeln durch exogene Zufuhr nicht erlaubt ist. Man kann also nicht argumentieren, dass der Testosteronspiegel durch eine Pille mit zum Beispiel einem antiandrogenen Gestagen gesenkt wurde und nun im
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Gegenzug eine Testosteron-Supplementierung bei der betroffenen Frau durchgeführt wird. Zu beachten ist, dass jede exogene Zufuhr von Testosteron verboten ist, das gilt also auch für die transkutane Applikation mittels Testosteron-Patch oder -Gel. Eine gewisse Gefahr ist auch für die topische Applikation von testosteronhaltigen Cremes im Bereich der Vulva und der Vagina zu sehen, wie sie gelegentlich bei Vulvaatrophien oder Lichenifikation der Vulva zum Einsatz kommen (wenn auch die Wirksamkeit umstritten ist). Da Steroide von diesen Epithelien gut resorbiert werden können, sollte man bei Athletinnen hier sehr vorsichtig sein und solche Massnahmen nur als Ultima Ratio unter einer medizinischen Ausnahmegenehmigung durchführen. Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass es kaum eine Indikation für Testosteron bei Leistungssportlerinnen gibt; das gilt auch bei Athletinnen, die in eine Stressamenorrhö geraten sind und niedrige Steroid- und Testosteronspiegel aufweisen. Die Zufuhr von Östrogenen ist erlaubt, eine Testosteronzufuhr ist verboten und müsste als Doping gewertet werden. Eine medizinische Indikation für eine Testosteronsupplementation erscheint wiederum nur bei der kompletten Nebenniereninsuffizienz gegeben (3). Für Spitzensportlerinnen müsste hier eine entsprechende medizinische Ausnahmegenehmigung eingeholt werden. Allerdings erscheint es unwahrscheinlich, dass Patientinnen mit einem Addison-Syndrom in der Lage sind, in jenem Umfang Leistungssport auszuüben, der mit der Notwendigkeit einer AntiDoping-Überwachung einhergehen würde.
Tibolon Ebenfalls den anabol wirkenden Substanzen zugeordnet und damit verboten ist Tibolon, welches für die Hormonersatztherapie (HRT) zur Behandlung von Wechseljahrbeschwerden zugelassen ist. Nun gehören postmenopausale Frauen eher nicht zu der Gruppe der von der NADA kontrollierten Hochleistungsportler, aber bei einer frühen Menopause könnte eine Konstellation entstehen, in der über eine Substitution mit Tibolon nachgedacht wird. Für diesen Fall ist es wichtig, dieses Verbot zu kennen und die am Markt vorhandenen Alternativpräparate zu nutzen. Alle anderen HRT-Präparate sind erlaubt und unterliegen keinen Einschränkungen.
SERM Zu den verbotenen Substanzen gehören auch alle selektiven Östrogenrezeptormodulatoren (SERM), namentlich Tamoxifen, Toremifen, Raloxifen und Clomifen. Über die antiöstrogene Feedbackwirkung der SERM kann es bei der prämenopausalen Frau zu einem Anstieg des Testosteronspiegels mit eventuell resultierender anaboler Wirkung kommen.
Im klinischen Alltag werden die ersten beiden Substanzen im Wesentlichen bei Patientinnen mit östrogenrezeptorpositivem Mammakarzinom oder einem duktalen Carcinoma in situ der Brust eingesetzt, Raloxifen bei postmenopausalen Frauen mit einer Osteoporose respektive Osteoporosegefährdung. Da es bei der Anwendung dieser Substanzen bei gegebener Indikation keine Alternativen gibt, ist eine medizinische Ausnahmegenehmigung zu beantragen, die bei der zugrunde liegenden schweren Erkrankung sicher auch zu gewähren sein wird.
Über die antiöstrogene Feedbackwirkung der SERM kann es
bei der prämenopausalen Frau zu einem Anstieg des
Testosteronspiegels mit resultierender anaboler Wirkung kommen.
Das Gleiche gilt auch für den vollständigen Östrogenrezeptorantagonisten Fulvestrant, der für das metastasierte Mammakarzinom zugelassen, aber ebenfalls auf der Liste der verbotenen Substanzen aufgeführt ist. Ein Konflikt bei indikationsgerechter Anwendung ergibt sich aber nur in theoretischer Betrachtung und wird in der Realität nicht vorkommen. Eher denkbar sind Konflikte in Hinblick auf die Anwendung von Clomifen bei Kinderwunschpatientinnen. Grundsätzlich steht Clomifen auf der Verbotsliste; eine Anwendung ist damit nur mit medizinischer Ausnahmegenehmigung möglich mit Vorlage der genauen Dosierung, Therapieplanung und Berücksichtigung der reproduktionsmedizinisch maximalen Zahl von sechs Behandlungszyklen.
Gonadotropine und Aromatasehemmer Der Einsatz von Gonadotropinen ist bei weiblichen Athleten nicht verboten, die Verbote gelten nur für Männer. Allerdings ist es schwer vorstellbar, dass Kinderwunschpatientinnen unter einer Stimulationstherapie sich weiterhin dem Hochleistungssport widmen, erlaubt wäre diese. Sämtliche Aromatasehemmer gehören zu den verbotenen Substanzen, genannt seien Letrozol, Formestan und Anastrozol wie auch das ältere Aminogluthemid. Hintergrund ist die unter der Einnahme zu beobachtende Steigerung der Testosteronspiegel bei Männern wie auch bei prämenopausalen Frauen, mit der entsprechenden Möglichkeit von anabolen Wirkungen. Bisher waren die Aromataseinhibitoren ja nur in der adjuvanten Therapie des östrogenpositiven Mammakarzinoms bei postmenopausalen Frauen zugelassen, von daher waren Konflikte mit den Anti-DopingRegeln eigentlich nicht zu erwarten. Darüber hinaus ist bei postmenopausalen Frauen auch keine relevante Erhöhung der Testosteronspiegel unter der
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Aromatasehemmung mehr zu erwarten. Neuere Untersuchungen (TEXT- und SOFT-Studien) haben jetzt aber auch für prämenopausale Frauen Hinweise ergeben, dass der Einsatz von Aromataseinhibitoren in Kombination mit einer Suppression der Ovarien durch GnRH-Agonisten oder Ovarektomie im Vergleich zu Tamoxifen bei bestimmten Patientinnen mit Mammakarzinom in der adjuvanten Therapie zu einer Prognoseverbesserung führt (4). Da in einem adjuvanten Setting bei jungen Frauen nach einer Mammakarzinomtherapie nicht ausgeschlossen erscheint, dass Leistungssport betrieben wird, muss in dieser Situation wie auch bei einer Therapie mit Tamoxifen eine medizinische Ausnahmegenehmigung beantragt werden. Da ähnlich wie bei einer postmenopausalen Frau unter ovarieller Suppression keine Steigerung der Testosteronspiegel zu erwarten sind, ist aber keine leistungssteigernde Wirkung einer derartigen Therapie zu erwarten. Problematisch ist die Off-label-Anwendung von Aromatasehemmern bei Patientinnen mit Endometriose. Wenn es auch mehrere Studien gibt, die eine deutliche Wirksamkeit der Substanzen zeigen, sollte man auf die zugelassenen Präparate zurückgreifen. Von daher dürften auch wenig Chancen für die Erteilung einer medizinischen Ausnahmegenehmigung bestehen (5).
Ähnlich wie mit Clomifen sind auch mit Aromatasehemmern Konflikte bei Kinderwunsch-
patientinnen denkbar.
vorherige Ausnahmegenehmigung. Gerade bei dieser Substanzgruppe, die sehr stark für Doping missbraucht wurde, sollte man alle Alternativen ausgeschöpft haben, bevor man über den Einsatz nachdenkt.
Glukokortikosteroide Die oben genannten Verbote gelten zu allen Zeiten, sprich zu Wettkampfzeiten wie auch in den Trainingsund Vorbereitungsphasen. Eine weitere Gruppe von Steroiden, die Glukokortikosteroide, sind hingegen nur in der Wettkampfphase verboten. In der Verbotsliste der NADA heisst es: «Alle Glukokortikosteroide sind verboten, wenn sie oral, rektal, intravenös oder intramuskulär verabreicht werden.» Hintergrund für das Verbot sind die möglichen akut leistungsteigernden Wirkungen der Glukokortikoide, ihre Wirkung auf die Schmerzwahrnehmung und die euphorisierenden Wirkungen, die mit der Anwendung der Substanzen einhergehen können. Zur Anzeigepflicht einer Anwendung heisst es: «Gemäss dem internationalen Standard für medizinische Ausnahmegenehmigungen muss der Athlet den Gebrauch intraartikulär, perartikulär, peritendinös, epidural, intradermal und inhalativ verabreichter Glukokortikosteroide mit Ausnahme der unten genannten melden. Topisch verabreichte Präparate bei Erkrankungen des Ohres, der Wangen, der Haut (einschliesslich Iontophorese/Phonophorese), des Zahnfleisches, der Nase, der Augen und des äusseren Afters sind nicht verboten und bedürfen in keiner Form der medizinischen Ausnahmegenehmigung.»
Ähnlich wie durch die Anwendung von Clomifen sind auch Konflikte durch die Anwendung von Aromatasehemmern bei Kinderwunschpatientinnen denkbar. Es gibt mittlerweile Hinweise, dass zum Beispiel Letrozol zu höheren Schwangerschaftsraten und Geburtenraten führt als Clomifen (6). Da es sich trotz der wissenschaftlichen Hinweise auf eine bessere Wirksamkeit um eine Off-label-Indikation handelt, wird eine medizinische Ausnahmeerlaubnis hier wahrscheinlich nur schwer zu erhalten sein.
Erythropoetin, Insuline Bei den Peptidhormonen und Wachstumsfaktoren gelten allgemeine Verbote, so zum Beispiel für Erythropoetin (EPO) und alle Derivate wie auch für alle Insuline. Nun sind Leistungssport treibende Typ-I-Diabetiker zwar nicht sehr häufig, aber in Einzelfällen bekannt. Natürlich ist bei diesen Personen die Anwendung von Insulin zulässig und stellt kein Doping dar, die Gabe muss aber der NADA mitgeteilt werden. Der Einsatz von EPO bei schweren Anämien (Hb < 10 g/dl) bis zum Erreichen eines Hb-Wertes von 12 g/dl ist denkbar, erfordert aber die Meldung und
Sonderfall vaginale Applikation von Steroidhormonen Interessanterweise enthält die Verbotsliste der NADA (bzw. WADA) eine Lücke, da in der Aufzählung die vaginale Applikation nicht erwähnt wird. Nun ist über die Vagina eine deutliche Resorption von Steroidhormonen möglich, was ja durch Präparate wie den NuvaRing® oder Estring® hinreichend belegt ist. Die vaginale Applikation von glukokortikoidhaltigen Cremes oder Salben muss von daher als ein potenzieller Verstoss gegen die Anti-Doping-Vorschriften gewertet werden. Behandlungen mit Linoladiol® HN sollten während eines Wettkampfes spätestens zwei Tage vor Wettkampfbeginn abgeschlossen sein. Zwar dürften bei der eingesetzten Dosierung wirkliche Dopingeffekte weitgehend ausgeschlossen sein, Problem ist aber die Erklärungsnot, die bei einem positiven Test auf Glukokortikoide entsteht.
Sonderfall Frauen mit AGS Von grösserer Bedeutung als die vaginale Resorption von topisch angewandten Glukokortikoiden ist die systemische Therapie bei Patientinnen mit adrenogenitalem Syndrom (AGS), wie zum Beispiel bei 21-
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Kasten 2:
Der Fall Caster Semenya, Weltmeisterin
Dass eine sorgfältige Betreuung dieser Patientinnen und eine engmaschige Ko-
operation mit den zuständigen Agenturen wie NADA und WADA wichtig ist,
zeigte der Fall der südafrikanischen 800-m-Läuferin und Weltmeisterin Caster
Semenya, die mit einer hoch belastenden und emotional geführten öffentlichen
Diskussion konfrontiert wurde.
Es ging um die Fragen, welches Geschlecht sie habe, wie ihre aussergewöhnli-
che Leistungsentwicklung zu erklären sei und wie der maskuline Habitus zu-
stande gekommen war. Aus der Erklärung des Internationalen Leichtathletik-
verbandes (IAAF) geht nicht hervor, welches Ergebnis die anberaumten und
öffentlich diskutierten Untersuchungen gebracht haben.
Frau Semenya ist aber später vom IAAF als startberechtigt gemeldet worden,
und sie wurde als weibliche Athletin anerkannt.
Hydroxylasemangel. Frauen mit AGS, mit oder ohne Salzverlustsituation, können in Folge der endogen erhöhten Testosteronspiegel ja durchaus einen Vorteil in Hinblick auf ihre physische Leistungsfähigkeit und Muskelkraftentwicklung aufweisen. Das Internationale Olympische Komitee (IOK) und die Internationale Athletenvereinigung (IAAF) haben in ihrem Regelwerk festgehalten, dass Frauen, bei denen Androgenspiegel die Werte von Männern erreichen, von Wettbewerben bei Frauen auszuschliessen sind; es sei denn, es liegt eine Androgeninsensitivität vor, wie bei einer testikulären Feminisierung. Allerdings wurden die Grenzwerte für endogene Testosteronspiegel bei Frauen sehr hoch angesetzt, nämlich bei 10 nmol/l (7). Zur Therapie des AGS gehört unter anderem die systemische Applikation von Glukokortikoiden und bei Salzverlust auch von Mineralkortikoiden. Eine derartige Therapie bei Hochleistungsportlerinnen muss angezeigt werden und ist dann sicherlich auch zulässig. Interessant ist dazu der Fall der Weltmeisterin Caster Semenya (Kasten 2). Es ist denkbar, dass Athletinnen mit AGS einer ähnlichen Konfrontation ausgesetzt sind, wenn nicht im Vorfeld schon klärende Befunde und Behandlungspläne vorgelegt wurden (7). Unklar ist, wie sehr bei AGS- und auch bei AddisonPatientinnen die normale Glukokortikoiddosis an Wettkampftagen gesteigert werden darf, um die natürliche Stressreaktion zu imitieren. Mir sind hierzu keine systematischen Untersuchungen bekannt. Vermutlich kann man die Verdopplung der sonst genutzten Dosis vertreten und macht damit weder physiologisch noch vonseiten der Dopingvorschriften einen Fehler.
Fazit
Wenn man sich in der Praxis eng an die bestehenden Zulassungen für die Anwendung oraler Kontrazeptiva hält, entsteht kein Konflikt mit den Anti-Doping-Regeln. Die Anwendung von Androgenen und Anabolika ist verboten, bei theoretisch denkbaren Indikationen für eine therapeutische Anwendung ist eine
Aromatasehemmer und Antiöstrogene gehören zu den
verbotenen Substanzen.
medizinische Ausnahmegenehmigung zu beantra-
gen. Es ist wichtig zu wissen, dass Aromatasehemmer
und Antiöstrogene ebenfalls zu den verbotenen Sub-
stanzen gehören und dass die systemische Anwen-
dung von Glukokortikoiden in der Wettkampfphase
verboten ist. Wachstumsfaktoren sind ebenfalls ver-
boten, spielen im Praxisalltag eines Gynäkologen
aber keine wesentliche Rolle.
I
Prof. Dr. med. Ulrich Karck Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Stuttgart Frauenklinik D-70174 Stuttgart E-Mail: ulrich.karck@klinikum-stuttgart.de
Interessenkonflikt: Es besteht kein Interessenkonflikt.
Quellen: 1. Arlt W, Callies F, van Vlijmen JC et al.: Dehydroepiandrosterone replacement in women with adrenal insufficiency. N Engl J Med. 1999; 341(14): 1013–1020. 2. Alkatib AA, Cosma M, Elamin MB et al.: A systematic review and meta-analysis of randomized placebo-controlled trials of DHEA treatment effects on quality of life in women with adrenal insufficiency. J Clin Endocrinol Metab. 2009; 94(10): 3676–3681. 3. Miller KK, Biller BM, Beauregard C et al.: Effects of testosterone replacement in androgen-deficient women with hypopituitarism: a randomized, double-blind, placebo-controlled study. J Clin Endocrinol Metab. 2006; 91(5): 1683–90. 4. Francis PA, Regan MM, Flemming GF et al.: Adjuvant ovarian suppression in premenopausal breast cancer. N Engl J Med. 2015; 372 (5): 436–446. 5. Amsterdam LL, Gentry W, Jobanputra S et al.: Anastrazole and oral contraceptives: a novel treatment for endometriosis. Fertil Steril. 2005; 84 (2): 300–304. 6. Franik S, Kremer JA, Nelen WL et al.: Aromatase inhibitors for subfertile women with polycystic ovary syndrome. Fertil Steril. 2015; 103(2): 353–5.Cochrane Database Syst Rev. 2014 Feb 24. 7. Sanchez FJ, Martinez-Patino MJ, Vilain E.: The New Policy on Hyperandrogenism in Elite Female Athletes is not about «Sex Testing». J Sex Res. 2013; 50(2): 112–115.
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